Kingsbury Bachelors 6 - Breaking the Rules - Daniela Felbermayr - E-Book

Kingsbury Bachelors 6 - Breaking the Rules E-Book

Daniela Felbermayr

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Beschreibung

Colin Kingsbury war einst ein gefeierter Navy SEAL. Heute lebt er zurückgezogen, fernab von High Society und Familiendramen. Kein Geld, keine Interviews, keine Verpflichtungen – das ist sein neues Leben. Bis plötzlich eine Journalistin auftaucht, die alles durcheinanderbringt. Amy Calloway schreibt für das Sparkle Magazine – inkognito. Ihre Artikel machen andere berühmt, während sie selbst in der Redaktion kaum beachtet wird und man sie als Mauerblümchen abtut. Als ihre große Chance auf einen Titelbericht über den geheimnisvollen sechsten Kingsbury-Bruder an ihre Kollegin geht, glaubt sie, erneut verloren zu haben. Doch dann trifft sie Colin – nicht als Reporterin, sondern privat in einer Bar. Und Amy spürt zum ersten Mal, wie es ist, gesehen zu werden. Wirklich gesehen. Zwischen Wahrheit und Täuschung, zwischen Nähe und Verrat, beginnt ein Spiel, das keiner von beiden gewinnen kann. Denn Colins Vergangenheit ist nicht nur dunkel – sie ist gefährlich. Amy steht kurz davor, ihr Herz zu verlieren … ausgerechnet an den Mann, über den sie schreiben soll.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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EINS

„Okay Leute, jetzt strengt mal eure grauen Zellen ein bisschen an. „Grilltipps im Sommer“ und „Blaue Wimperntusche wird der Knaller im Herbst“ können nicht die einzigen Storys sein, die euch einfallen. Wir brauchen etwas, das einschlägt. Etwas, das kein anderer hat. Etwas, das uns die Leser aus den Händen reißen. Niemand interessiert sich für blaue Wimperntusche.“ Ken Franklyn, der Chefredakteur des Sparkle-Magazines tigerte wie ein wildes Tier im Käfig vor dem Besprechungstisch auf und ab und sah sein Team herausfordernd an. Doch bis auf ein „Neunziger-Mode-Revival“ und die neuesten Trennungsgerüchte zwischen Prinz Harry und Meghan, die bereits von jedem weiteren Magazin diesseits des Äquators wiedergekäut worden waren, kamen keine Vorschläge.

„Wie wärs mit dem letzten verbliebenen Kingsbury?“, sagte Amy Calloway so leise und schüchtern wie ein Schulmädchen. Es fehlte gerade noch, dass sie ihre Hand hob.

„Was?“, rief Ken und sah Amy scharf an.

„Der letzte verbliebene Kingsbury-Bruder“, sagte Amy, jetzt mit etwas festerer Stimme.

„Diese Wirtschaftstypen?“, fragte Ally Goldsmith. Liebend gern hätte Amy ihr erklärt, dass die Kingsburys weit mehr als nur „Wirtschaftstypen“ waren, immerhin handelte es sich dabei um die einflussreichste Familie in den USA. Sie hatte sich gewundert, dass noch kein Magazin die Lovestorys der einzelnen Brüder aufgegriffen hatten. Man erzählte sich, dass der Vater, William Kingsbury, seinen Söhnen das Messer angesetzt, und von ihnen erwartet hatte, dass sie innerhalb eines Jahres die große Liebe fanden. Gelang ihnen das nicht, würden sie enterbt. So hatten fünf der sechs Brüder, die bislang auf jeder Menge Hochzeiten getanzt waren, nach der Frau Ausschau gehalten, die ihr Herz berührte. Der sechste … dachte gar nicht daran. Man wusste nicht viel über den sechsten und jüngsten Kingsbury-Spross. Sein Name war Colin und er war als einziger nicht ins Familienunternehmen eingetreten. Er war hochdekorierter Navy Seal, lebte nicht in einer schicken Villa oder einem Penthouse irgendwo in einer Millionenstadt und machte sich ganz offensichtlich nicht sehr viel aus dem Geld seiner Familie. Eine Story über ihn – und den Kingsbury-Deal – könnte ein Kassenschlager werden.

„Man erzählt sich, dass William Kingsbury, der Vater der Brüder seinen Söhnen die Auflage erteilt hat, sie müssten innerhalb eines Jahres die große Liebe finden, ansonsten würden sie enterbt. Fünf der Brüder sind fündig geworden. Der sechste … nicht. Nun ist es so, dass William Kingsburys Geburtstag naht und … der Countdown begann im letzten Jahr genau an diesem Tag zu laufen. Ich glaube, die Story könnte … sehr viel Potenzial haben.“ „Soweit ich weiß, lassen sich die Kingsburys nicht sehr in die Karten blicken“, meinte Ken. „Und wie stellst du dir das vor? Willst du mit einem Mikro und einem Notizblock in deren Villa aufkreuzen und nett fragen, ob du sie interviewen darfst? Also ehrlich, Calloway, manchmal frage ich mich schon, wie naiv du eigentlich sein kannst.“

Die anderen am Tisch begannen zu kichern. Wie üblich. Warum Amy immer noch für Sparkle arbeitet, wusste sie nicht. Sie war bislang immer die gewesen, die für großartige Storys gesorgt hatte. Sie waren ihr eingefallen und sie hatte sie alle ausgearbeitet. Jede einzelne war bisher erschienen und erstklassig gewesen. Nur, dass ihre Kolleginnen sich mit Amys Federn schmückten. Ken Franklyn war dazu übergangen, Amys Artikel unter dem Namen einer ihrer Kolleginnen zu veröffentlichen.

„Ken meint, du wärst nicht so repräsentabel für das Magazin, wenn es PR dafür gibt, daher ist es für uns alle besser, wenn eine Kollegin dich vertritt. Das verstehst du doch, oder?“, hatte Diane Peters, die Vertretung von Ken, ihr einmal erklärt. Auf Deutsch hieß das, sie war nicht attraktiv genug, um ihr Foto neben einen Leitartikel abzudrucken oder sie bei einem Empfang antreten zu lassen. Anfangs hatte Amy das sehr getroffen aber mit der Zeit hatte sie sich daran gewöhnt. Es nutzte nichts, sich darüber aufzuregen, sie hatte in der Redaktion eben einen gewissen Status, der es ihr schwer machte, sich durchzusetzen. Sie war nicht diese große, glamouröse Schönheit, nach der Männer sich umdrehten und die zur Stilikone für andere Frauen wurde, so, wie ihre Kolleginnen. Amy war immer schon etwas … unscheinbarer gewesen. Hatte hier und da ein kleines Pölsterchen und machte es sich abends lieber auf der Couch vor dem Fernseher gemütlich, als ins Fitnessstudio zu gehen und dort bis Mitternacht zu trainieren. Die Welt war in den letzten Jahren noch oberflächlicher und noch kälter geworden und Menschen wie Amy … mussten um ihren Platz kämpfen und sich still verhalten, wenn sie ihn ergattert hatten. Ihr war es lieber, übersehen zu werden, aber dafür einen festen Job und einen Gehaltsscheck am Ende jeden Monats zu haben.

„Deshalb denke ich ja, dass Colin Kingsbury am einfachsten zu fassen wäre. Er hält sich mit den Konventionen seiner Eltern und Brüder nicht auf. Er arbeitet nicht für Kingsbury International, man kennt ihn weder auf dem roten Teppich, noch leistet er sich irgendwelche Skandale. Er ist Navy Seal. Und lebt irgendwo zurückgezogen in einem Vorort.“ „Och süß, unsere Amy hat sich in einen stinkreichen Milliardär verliebt“, gackerte Yvy Matthews. Yvy war für die Redaktion kochen und backen zuständig, was für sie hieß, dass sie eigentlich nur Restaurants und Bäckereien testete und fast jedes und jede davon verriss. Es sei denn, die Eigentümer krochen zu Kreuze und „einigten“ sich mit ihr. Was bedeutete, dass sie so gut wie in jedem Restaurant, das sie beurteilt hatte, kostenlos essen konnte. Amy hatte Yvy anfangs sehr nett gefunden doch schon bald hatte sie bemerkt, dass sie eine bösartige und gemeine, hinterhältige und niederträchtige Person war, die, wenn sie es auf einen abgesehen hatte, keine Grenzen der Gemeinheit kannte. Dummerweise hatte sie es auf Amy abgesehen und so hatte sie nahezu die gesamte Redaktion gegen Amy aufgebracht, indem sie herumerzählte, Amy hielte sich für etwas Besseres und habe sie angeblich wegen ihres Körpergewichts beleidigt, was nicht stimmte. Als Yvy erst kurz bei Sparkle gewesen war, hatte sie sich einmal bei Amy darüber beklagt, dass sie keine Motivation zum Sport-treiben fand. Amy hatte entgegnet, dass es ihr genauso ging, und dass sie lieber einen gemütlichen Abend mit einer Tüte Chips auf der Couch verbrachte, als in einem Gym. Warum auch immer, hatte Yvy diese völlig nebulöse Aussage auf sich bezogen und war fortan böse auf Amy. Es hatte nicht lang gedauert, bis Yvy in der Redaktion herumerzählte, Amy hätte sie „fett“ genannt und behauptet, sie würde nur auf der Couch liegen und Chips in sich hineinstopfen, anstatt, sich zu bewegen. Jeder Versuch, den Amy unternommen hatte, um die Sache aufzuklären, weil sie nicht von Yvy, sondern von sich selbst gesprochen hatte, scheiterte. Und so hatte Amy resigniert, ließ die Spitzen ihrer Kolleginnen über sich ergehen und lebte damit, dass sie das schwarze Schaf in der Redaktion war.

„Ja, unsere Bjuuuuuty-Kwiiiiin glaubt tatsächlich, dass ein gutaussehender reicher Typ sie anschaut“, rief Linda Davis, zuständig für Beauty und Make up in der Redaktion. Das Wort „Beauty Queen“ hatte sie extra überzeichnet ausgesprochen, was den Meetingraum in schallendes Gelächter tauchte.

„Vielleicht versucht sie es ja wieder mit ihren gefilterten Fotos“, rief Libby Wilson, Assistentin von Linda Davis. Amy lief rot an. Vor einer Weile hatte sie sich mit ihrer Freundin Monica einen Spaß gemacht und eine Filter-App ausprobiert, die aus jedem Lieschen Einfalt von nebenan einen Star machte. Ohne groß darüber nachzudenken, hatten die beide die Fotos dann mit Vorher-Nachher-Bildern auf Facebook hochgeladen, wo sie von Amys Kollegen entdeckt worden waren. Seither lachte man Amy als „Filterqueen“ aus, dichtete ihr an, sich online als etwas zu verkaufen, was sie nicht war und … Amy würde ihren rechten Arm darauf setzen, dass jemand aus der Redaktion hinter dem Tinder-Profil steckte, das man für sie eröffnet hatte. Ihr Nachbar Matt hatte das Profil entdeckt und es geliket. Sobald er das getan hatte, kam eine sehr ominöse Nachricht zurück, die verlautbarte, dass die Userin sich über das Match freute, aber gleich zu Anfang sagen musste, dass ihre Fotos gefälscht wären, weil sie leider in Wahrheit fett und hässlich war. Dann kamen einige – eher unvorteilhafte Bilder der originalen Amy, die man in der Redaktion gemacht hatte, wenn Amy es nicht merkte. Dieses fürchterliche Profil war zwar mittlerweile gelöscht, aber Amy wollte sich gar nicht vorstellen, wie viele User diese Nachricht „von ihr“ erhalten hatten.

„Leute, beruhigt euch wieder“, rief Ken, nachdem auch er gehörig mit den anderen mitgelacht hatte. „Calloways Idee ist gar nicht so schlecht. Gehe ich recht in der Annahme, dass du bereits einiges recherchiert hast, beziehungsweise, dass du einiges über diese Story recherchieren könntest?“

„Ich weiß ein bisschen über die Kingsburys und ja, ich könnte recherchieren“, sagte Amy. „Ich könnte den Artikel bis …“ „Gut. Lulu, du machst den Artikel. Versuch, diesen Kingsbury irgendwie festzunageln, toll wäre es, wenn du ein exklusives Interview mit ihm bekommen könntest.“

Amy schlug die Augen nieder. Lulu Davis hatte den Artikel bekommen. Wie immer. Sie gab sich als stets professionell, war hinter der Fassade jedoch ziemlich hilflos. Die meisten ihrer Artikel waren überarbeitete Versionen aus anderen Magazinen, die sie gerade so weit abänderte, dass man ihr nichts anhaben konnte. Es gab bisweilen Artikel von Lulu, die fast 1:1 abgekupfert waren, aber niemand schien sich daran zu stören. Die Welt war eben nicht nur oberflächlicher und kälter geworden, sondern auch schnelllebiger.

„Kannst du mir deine Notizen geben, Calloway?“, fragte Lulu. Auch sie war eine derjenigen, die Amy überhaupt nicht ausstehen konnten.

„Ich habe noch nicht viel, aber …“ „Ich hab nicht gefragt, wieviel du hast, sondern, ob du mir den Kram geben kannst. Meine Güte.“

„Calloway, du gibst Lulu alles, was du bisher über die Kingsburys zusammengetragen hast und wirst die Hintergrundrecherche machen“, sagte Ken. „Lulu, du versuchst, an diesen Colin Kingsbury heranzukommen und ihm ein paar Fragen zu stellen. Einer wie dir … wird er diesen Wunsch schon nicht abschlagen können.“ Ken zwinkerte Lulu zu. Dann klatschte er in die Hände. „Okay Leute, das wars. An die Arbeit, wir haben ein Magazin herauszubringen.“

ZWEI

Sebastian lehnte sich gegen das hölzerne Geländer, den Blick über die weiten Felder gerichtet, auf denen die untergehende Sonne ein goldenes Licht verstreute. Aus der Ferne plätscherte der kleine Bach, der direkt an Colins Farm vorbeifloss. Obwohl diese Farm ein heftiger Kontrast zu Kingsbury Manor, zu den Villen und Penthäusern war, in denen die restlichen Kingsburys lebten, war sie etwas Echtes. Etwas, was einem ein gutes Gefühl vermittelte. Ein Ort, an dem man gerne war, und an dem man bleiben wollte. Der alte Schaukelstuhl, in dem Colin saß, knarzte leise bei jeder Bewegung.

„Du weißt, dass die Frist bald abläuft, oder?“ Sebastians Stimme war ruhig, aber ernst. „Dad meint es diesmal ernst. Wenn du ihm keine Frau präsentierst – eine, die er als würdig erachtet – bist du raus. Kein Erbe, kein Anteil an Kingsbury International, nichts.“

Colin zog nur die Augenbraue hoch und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche. Wer hier nach edlen Weinen oder gar Champagner suchte, war fehl am Platz. „Dann bin ich eben raus.“

Sebastian wandte sich ihm zu, ungläubig. „Colin, verdammt noch mal. Es geht hier nicht um ein paar Dollar. Das ist unser Erbe. Unser Name. Unsere Familie.“

Colin stellte die Flasche auf die Holzbrüstung, atmete tief durch. „Du verstehst es nicht, Bas. Ich brauche das alles nicht. Ich will es auch nicht. Diese Meetings, Charity-Galas, Blitzlichter, Designer, Schickimicki – das war nie mein Leben. Und das weißt du.“

„Aber du bist ein Kingsbury.“

„Und das war ich auch in der Wüste Afghanistans. Oder nachts, wenn ich einem meiner Leute das Leben retten musste. Ich war ein Kingsbury, als ich in irgendeiner Baracke mit nichts als einem Erste-Hilfe-Set und Gottvertrauen jemanden zusammengeflickt habe.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich hab nie verstanden, warum ein Name nur dann etwas wert ist, wenn er auf einem goldenen Briefkopf steht.“

Sebastian schwieg einen Moment. Dann sagte er leise: „Du denkst wirklich, dass dir diese Farm reicht? Das hier – der Hund, die Erde unter den Fingernägeln, der Himmel überm Kopf? Das tut es vielleicht jetzt. Aber wenn Dad dich enterbt, dann gibt es kein Zurück mehr.“

Colin sah ihn an, das erste Mal seit Beginn des Gesprächs mit einem echten Lächeln. „Ich habe hier mehr als genug, Sebastian. Und ich glaube, ich habe mehr als ihr anderen Kingsburys.“

„Und was ist mit einer Frau? Mit... Liebe? Willst du das alles wirklich allein durchziehen?“

Ein Schatten huschte über Colins Gesicht. „Ich bin nicht der Mann, den man liebt, Bas. Ich bin nicht der Big Spender, der sein Mädchen nach Paris fliegt, zum Shoppen, oder auf die Fidjis für ein Wochenende. Ich bin zu kaputt. Zu gebrochen. Ich hab Dinge gesehen und getan, die ich nicht mal dir erzähle, aber die sich in meinen Schädel eingebrannt haben, und die ich nie mehr wieder los werde. Und Frauen wie Dad sie an meiner Seite sehen möchte – die wollen einen Mann, der strahlt. Ich... ziehe es vor, im Schatten zu leben.“

Sebastian wollte etwas sagen, aber Colin hob die Hand. „Sag Dad, ich verzichte. Ich will seinen Deal nicht. Nicht zu dem Preis. Sag ihm, dass ich meinen Frieden gefunden habe. Und das ist mehr, als viele mit Millionen auf dem Konto je sagen können.“

„Colin, Herrgott nochmal“, versuchte Sebastian es noch einmal. „Meinst du, die anderen und ich hätte gedacht, dass es der richtige Weg ist, auf Biegen und Brechen eine Frau zu finden? Aber jetzt – sind wir alle glücklich. Sogar Connor, der Idiot, der Mia in Vegas geheiratet hat und Mum und Dad eine Scheinehe verkaufen wollte.“

Colin lächelte. „Ich freue mich für euch alle und ich liebe jede einzelne Schwägerin, die ihr mir geschenkt habt. Aber glaub mir, ich will Dads Geld nicht. Mir reicht meine Farm, meine Ruhe … und meinen Ranger hier, nicht wahr, Junge?“ Er warf dem großen, braunen Mischling einen liebevollen Blick zu, der zu seinen Füßen lag.

„Dad wird nicht erfreut sein, Colin.“ „Muss er auch nicht. Es ist mein Leben. Und ich lebe es nach meinen Regeln.“

***

Es gab wirklich nicht sehr viel Klatsch über die Kingsburys, musste Amy feststellen, als sie an jenem Abend als sie auf ihrer rückwärtigen Veranda saß und versuchte, so viele Infos wie nur möglich über die einflussreichste Familie des Landes zusammenzutragen. Lulu drangsalierte Amy schon die ganze Zeit über und Amy ahnte schon, worauf die ganze Geschichte hinauslaufen würde. SIE würde den Artikel schreiben. Sie würde nicht nur recherchieren und Lulu mit Infos versorgen, sie würde die ganze Arbeit machen. Und Lulu … würde sich mit ihren Lorbeeren schmücken. Wie immer. Kurz hatte Amy überlegt, völligen Mist in den Artikel zu schreiben, wie beispielsweise, dass Will Kingsbury, der Patriarch der Familie, ein Clownscollege abgeschlossen hatte und dass die Brüder eine Familienband hatten, in der sie Schlager aus den siebziger Jahren zum Besten gaben, aber sie wusste, dass dies ihre Kündigung bedeuten würde.

Sie tippte „Colin Kingsbury“ in die Google-Suche und besah sich die zahlreichen Namensvettern des Milliardenerben, die so gar nichts mit den einschlägig bekannten Kingsburys zu tun zu haben schienen. Dann entdeckte sie ein Bild vom „richtigen“ Colin Kingsbury in seiner Uniform und ihr blieb der Atem weg. Nie zuvor hatte sie einen attraktiveren Mann gesehen, als Colin Kingsbury. Sie fand heraus, dass er nicht nur den Bronze Star with „V“-Device, sowie den Silver Star verliehen bekommen hatte, sondern auch das US 1. Navy Cross. Die zweithöchste, militärische Auszeichnung der US Navy, die für außergewöhnliche Tapferkeit im Gefecht verliehen wurde. Nachdem er ehrenhaft aus dem Militärdienst ausgeschieden war, arbeitete er nun als Berater für Sicherheit und Taktik für die Regierung und bildete neue Seals aus.

Amy notierte sich diese Infos und speicherte das Bild ab. Sie hatte außerdem noch eine Satellitenaufnahme der Farm gefunden, die Colin bewohnte. Es gab einen drei Jahre alten, kurzen Artikel darüber, dass einer der begehrten „Kingsbury Bachelors“ das Leben zwischen Pomp und Luxus an den Nagel hängte und sich eine alte Farm in Sheffield, Massachusetts gekauft hatte, auf der er sehr zurückgezogen lebte. Sie hatte die Bilder mit der Landkarte auf Google Maps verglichen und war sich zu neunundneunzig Prozent sicher, dass sie wusste, wo Colin Kingsbury lebte. Sie fügte die Adresse zu ihren Notizen hinzu, beschloss aber, sie Lulu nicht zu geben. Die Story wäre tot, wenn Lulu tatsächlich auf die Idee kam, bei Colin anzuklopfen und zu erwarten, er würde ihr ein Interview geben. Amy seufzte. Sie würde nicht umhin kommen, Lulu vorzuschlagen, sich in Sheffield ein bisschen umzusehen. Diners und Bars abzuklappern. Zwar galt Colin Kingsbury als recht zurückgezogen und öffentlichkeitsscheu, aber es wäre gut möglich, dass er dann und wann ein Feierabendbier in der örtlichen Bar nahm oder sich im Diner etwas zu essen holte. Amy warf einen Blick auf ihre Notizen und dann noch einmal einen auf das Bild von Colin. Sie seufzte. Es war lächerlich, von einem Mann wie ihm zu schwärmen. Ihr war es noch nicht einmal gelungen, einen ganz normalen Typen zu daten. Was würde dann erst ein gutaussehender Milliardenerbe von ihr wollen. Ken hatte schon recht gehabt, die Story Lulu zu geben. Mit ihren roten Haaren und den blitzblauen Augen, ihrer guten Figur und dem immer perfekten Make-up hatte sie deutliche bessere Chancen, von Colin wahrgenommen zu werden.

DREI

„Hol mich hier ab, deine Idee war scheiße.“

Amy sah auf die kryptische Nachricht, die Lulu Davis ihr drei Tage später schickte. Vor zwei Tagen hatte Amy ihr ihre Notizen über Colin gegeben, inklusive einem Erstentwurf für den Artikel – und dem Tipp, sich in Sheffield ein bisschen umzusehen, wenn sie Colin persönlich interviewen wollte. Ihr Handy pingte einmal mehr und ihr wurde ein Standort übermittelt. „Rustys Bar, 213 Elm Street, Sheffield, Massachusetts“. Lulu war also nach Sheffield gefahren und … erwartete jetzt von Amy, das sie sie abholte? Sie versuchte, ihre Kollegin anzurufen, doch nach dem zweiten Klingeln wurde der Anruf zum Anrufbeantworter umgeleitet und zwei Sekunden später erhielt Amy eine Sprachnachricht. „Du kannst es natürlich auch lassen, aber dann kannst du am Montag dein Zeug aus der Redaktion abholen“, sprach Lulu in ihrem typisch giftigen Ton. Amy seufzte. Sie hatte keine Lust, jetzt noch zwei Stunden im Auto nach Sheffield zu fahren um ihre verhasste Kollegin abzuholen, mit der sie dann genauso lang auf dem Rückweg sein würde. Und warum fragte Lulu überhaupt Amy? Sie hasste sie. Andererseits behandelten sie ihre Kollegen wie eine Assistentin, obwohl Amy ebenfalls Redakteurin war, wie alle anderen auch. Da war klar, wen man dazu abkommandierte, an einem Freitagabend in der Freizeit durch die Gegend zu fahren, um sich abholen zu lassen.

Amy … wollte das nicht machen. Aber sie wusste, dass Lulu es drauf ankommen lassen würde und ihr notfalls den Job kostete, wenn sie sich weigerte. Dass es so nicht weitergehen konnte, war ihr völlig klar, aber diese Erkenntnis nutzte ihr jetzt in dieser Sekunde auch nichts. Ihr würde gar nichts anderes übrig bleiben, als nach Sheffield fahren zu müssen.

Eine halbe Stunde später saß sie in ihrem Wagen. Sie hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt dafür, dass sie sich von Lulu herumkommandieren ließ, und genau das war ja auch das Problem. Sie ließ sich von ihren Kollegen einfach viel zu viel bieten. Da brauchte sie sich nicht wundern, wie man in der Redaktion mit ihr umsprang.

Die Fahrt dauerte etwa anderthalb Stunden, die Amy damit zubrachte, ein Hörbuch anzuhören, das sich schon eine ganze Weile lang auf ihrer Liste befand.

Die Reifen ihres betagten Honda Civic rauschten über den Asphalt, während sich goldenes Licht durch die bunten Baumkronen der Berkshires stahl. Die Route 7 schlängelte sich durch die fast schon wieder herbstliche Landschaft, doch Amy bemerkte kaum etwas davon. Ihr Blick war starr auf die Straße gerichtet, die Finger um das Lenkrad gekrallt.

„Ich bin eine Idiotin“, murmelte sie, mehr zu sich selbst als zum leeren Beifahrersitz.

Die Worte von Diane und Ken hallten noch immer in ihrem Kopf nach. „Amy, du bist einfach nicht der Typ, den man in die erste Reihe stellt, das musst du verstehen. Du leistest großartige Arbeit, aber dir fehlt einfach die Wirkung, dich vor Menschen zu präsentieren oder im Fernsehen gezeigt zu werden. Aber du kannst Lulu ruhig bei der Recherche helfen, ja?“

Recherchehilfe. Für eine Story, die sie selbst vorgeschlagen hatte. Die als einzige überhaupt gut gewesen war, im Gegensatz zur blauen Wimperntusche oder dem 90er-Jahre-Mode-Revival. Über einen Mann, über den sie alles gelesen hatte – und über den nun jemand anderes schreiben durfte, weil sie eben nicht so „kameratauglich“ war. Was immer das heißen sollte.

„Klar“, hatte sie geantwortet, nachdem sie den Mut aufgebracht hatte, Ken danach zu fragen, ob nicht doch sie den Artikel würde schreiben dürfen. „Ich bin ja auch nur die, die eure besten Storys schreibt, mit denen ihr schon den einen oder anderen Preis gewonnen habt“, sagte sie spöttisch und schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad.

Ein Hupen von einem entgegenkommenden Pickup brachte sie kurz zurück in die Gegenwart. Sie presste die Lippen aufeinander, atmete tief durch und zwang sich, das Fenster einen Spalt zu öffnen. Die frische Luft tat gut, aber sie konnte die Bitterkeit in ihrer Kehle nicht vertreiben.

Als sie endlich in Sheffield ankam, hatte es zu regnen begonnen. Was auch sonst. Lulu hatte ihr als Standort eine Bar namens „Daveys“ genannt, vor der ihr Civic nun zum Stehen kam. Sie stieg aus und lief die Treppen zur Veranda hoch, als sich just in dem Moment die Tür öffnete und Lulu herauskam. Dicht gefolgt von Yvy Matthews. Als die beiden Amy entdeckten, starrten sie sie an. Amy … starrte zurück.

„Was willst du denn hier?“, fragte Lulu.

„Ich bin hier um dich abzuholen. Du hast mir vor zwei Stunden einen SMS geschickt, schon vergessen?“

„Ach, das. Ja, aber dann ist mir eingefallen, dass ich dann ja zwei Stunden mit dir im selben Wagen verbringen müsste und hab Yvy gefragt, ob sie mich abholen kommt.“

Amy sah ihre Kolleginnen ungläubig an.

„Aber ich finds super, dass sie tatsächlich extra hier raugefahren ist“, sagte Yvy Matthews, so, als würde Amy gar nicht existieren.

„Sie will sich immer und immer wieder bei uns einschleimen.“

„Total schäbig, oder?“ Amy ballte die Hände zu Fäusten. Sie wollte etwas entgegnen, schluckte ihren Ärger dann aber runter.

„Was stehst du hier denn so herum wie bestellt und nicht abgeholt?“, fragte Lulu in giftigem Ton, „willst du hier Wurzeln schlagen?“

„Ich muss noch aufs Klo“, sagte Yvy, ohne von Amy Notiz zu nehmen, setz dich schonmal in den Wagen, ich komm dann gleich.“ Sie drehte ab und ging zurück in die Bar, während Lulu an Amy vorbei zu einem roten Mazda ging, der am Bordstein parkte.

Amy schluckte. Tränen der Wut und der Enttäuschung wollten sich ihren Weg bahnen, doch sie schluckte sie hinunter. Zumindest vor ihren Kolleginnen durfte sie nicht schwächeln, sonst würde ihr neuer Spitzname in der Redaktion „Heulsuse“ sein. Sie ging wieder zurück zu ihrem Wagen, steckte den Schlüssel ins Schloss und … nichts passierte. Sie seufzte. Auch das noch. Ihre Batterie konnte es nicht sein, die hatte sie erst vor kurzem ausgetauscht. Warum aber tat reagierte der Wagen plötzlich nicht mehr, immerhin hatte sie ihn erst vor zehn Minuten abgestellt und nichts war gewesen? Sie versuchte es weiter. Probierte es einmal, zweimal, dreimal, doch nichts passierte. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie hier praktisch mitten im Nirgendwo war – in der Nacht. Keine Autowerkstätte der Welt würde um die Zeit noch offen haben. Sie überlegte kurz, was jetzt zu tun war, als sie Yvy sah, wie sie in diesem Moment aus den Daveys kam und auf ihren Mazda zuging. Amy riss ihre Wagentür auf und lief auf Yvy zu.

„Yvy, hör mal, mein Wagen springt nicht mehr an“, begann sie. Yvy sah sie mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Sehe ich aus, wie ein Mechaniker?“, fragte sie bloß.

„Nein, aber … könntet ihr mich wohl mit zurück nach Hause nehmen? Ich müsste mich dann darum kümmern, meinen Wagen übers Wochenende wieder fit zu bekommen und …“ „Belaber mich nicht mit deinem Scheiß, du Dramaqueen“, rief Yvy nur. „Du denkst doch nicht ernsthaft, dass ich eine wie dich in meinen Wagen steigen lasse.“ Yvy öffnete die Fahrertür und stieg ein.

---ENDE DER LESEPROBE---