Kochbuch für den großen alten Mann - Sybil Gräfin Schönfeldt - E-Book

Kochbuch für den großen alten Mann E-Book

Sybil Gräfin Schönfeldt

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Beschreibung

»Kochen kann ganz einfach sein – auch für Männer.« Männer tauchten in den Kochbüchern von Sybil Gräfin Schönfeldt immer wieder auf: Der Freund, der plötzlich Witwer wird, nie in einer Küche stand und nun im Hotel nebenan essen muss. Oder ihr hundertjähriger Onkel, der nie gekocht hat, solange seine Frau lebte, und sich nun in hohem Alter diesem Abenteuer stellt. Für diese Männer und viele andere, die sich von Dosensuppen und Fertiggerichten ernähren, hat Sybil Gräfin Schönfeldt ihr Buch geschrieben. Darin bekommt »Mann« viel Wissenswertes rund ums Kochen aufgetischt, garniert mit kleinen und großen Küchentricks und schmackhaften Rezepten. 

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Was zu dem großen alten Mann zu sagen ist

Als Großvater seine Mehlsuppe kochte

Das erste GerichtEin Dialog

Eingeladen beim Küchenschatz

Von kreolischen Tomaten

Ein Zufallsgericht und andere Schmarren

Wie Liebe einen Mann emanzipierte und zum Selber-Kochen brachte

Toast Monsieur Henry und Ludwigs Salat

Der Hamburger Großvater und der Bückling

Vom gemeinsamen Kochen und Backen

Sommerferienfrühstück und Eier-Spiele

Meine Mandeln

Von Anderen Zimtsternen und Zuckerschnitten

Eine kleine Erinnerung

Der Hundertjährige kocht weiter

Die Rezepte der Panina

Schmelzkartoffeln

Das Vaterhaus

Goethe, der große alte Mann

Das rote Buch

Zur Autorin

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Was zu dem großen alten Mann zu sagen ist

Die kleine alte Frau gab es schon lange - sie spukte durch meine Erinnerungen und war mir vertraut wie ein Hausgeist. Dann vergaß ich sie, jahrelang. Anderes wurde wichtig. Aber als mein Verlag einen Titel suchte, war sie wieder da. Im Kochbuch für die kleine alte Frau nahm sie Platz und lebt nun mit Vergnügen bei vielen weiter, die ihr Buch besitzen. Treffen wir zufällig zusammen, die Autorin und die Leserinnen und Leser, so wird ihr Blick meist forschend, sie mustern mich, als hätte ich etwas hinter meinem Rücken versteckt, und fragen streng: »Und wo ist der große alte Mann?«

Ja, wo war er? Und das ist der Zauber der Sprache: Er war nichts und wieder nichts, nicht einmal ein Schatten, aber dann bekam er einen Namen, und schon war er da. Stand in meiner Küche, schaute sich um, sah die kleine alte Frau am Herd und sagte: »Das riecht aber gut! Wie hast du das gemacht?« Nun sind wir drei, und wir laden Sie ein, uns eine Strecke Weges zu begleiten.

Als Großvater seine Mehlsuppe kochte

Mein Vater wäre verhungert, wenn er sich selbst hätte verköstigen müssen. Er wurde Witwer, als die Inflation Ende der Zwanzigerjahre auch in viele Küchen eingebrochen war - für Köchinnen und Küchenmägde gab es kein Geld mehr, und auch nicht für Hummer, Gänseleber und Champagner.

Die Zeit war für Junggesellen und junge Witwer nicht günstig, aber ich glaube, mein Vater ist nie auf die Idee gekommen, deshalb kochen zu lernen. In seiner verwaisten jungen Ehepaarküche verstaubten Topf und Pfanne. Er war zwischen Bonnen und Gouvernanten im Kindertrakt des Schlosses aufgewachsen, kam im Schulalter ins Internat, und kaum war er ihm entronnen, brach der Erste Weltkrieg aus, lag er auf den Höhen über dem Isonzo, und das Essen aus der Feldküche, aus der Gulaschkanone, das in Kübeln und an Tragstangen wie eine Sänfte hinauftransportiert wurde, lag ebenso unter Beschuss wie die Gebirgsjäger.

Als der Krieg endete, war fast nichts mehr wie früher und wurde auch nie wieder das, was es einmal gewesen war. Aber kochen musste mein Vater trotzdem nicht. Er war ein Habenichts mit großem Charme und versuchte, im, von der jungen Republik Österreich aus betrachtet, »reichen« Deutschland irgendwo und irgendwie Fuß zu fassen, heiratete und wurde wenig später Witwer. Es fanden sich nun immer weibliche Personen verschiedenen Alters, die ihn trösten und versorgen wollten. Sie brachten Pasteten und Suppen, Torten und Gelees, und er hielt mit höflicher, unverbindlicher Gleichgültigkeit dieser gekochten Liebe stand, wobei er freilich mit Genuss die Opfergaben verzehrte. Doch wo er auch war, in welcher Enge als junger Offizier mit Burschen in der Kaserne, als möblierter Herr oder Mieter von eineinhalb Zimmern in einem der Berliner Mietshäuser mit Ausblick auf den zweiten oder dritten Hinterhof, er kochte nicht, er hatte nicht einmal eine Küche, aber er versuchte, sich zu ernähren, wie in den Zwanzigerjahren wohl viele Junggesellen. Er erinnerte sich an Dinge aus seiner Kindheit, die man nicht kochen muss. Ein Stremellachs, Schinken oder Roastbeef mit einer Scheibe Brot, ein Stück Gruyere mit Kresse und Radieschen.

Er deckte zu seinen kargen, einsamen Mahlzeiten den Tisch wie früher daheim. Er deckte mit dem kleinen Damasttischtuch, der sogenannten Frühstücksdecke, das, was ihm als Tisch diente. Er stellte die weißen Teller, Herend oder Augarten, zwischen sein Silberbesteck, darüber die schönen Kristallgläser für Wasser oder Wein, eine kleine silberne Menage mit Öl und Essig, Salznäpfe, silberne Pfeffermühle, und stets steckte im Serviettenring mit seinen Initialen und dem Wappen eine tadellose weiße und gebügelte Serviette, eine von den großen, die wir heute als Tischtuch benutzen könnten. Er trug immer Hemden mit Manschettenknöpfen und Krawatten.

Anfang der Dreißigerjahre heiratete mein Vater, der unterdessen Pressesprecher der Ufa geworden war, ein Filmsternchen und beorderte mich, seine siebenjährige Tochter, von Göttingen, wo ich bei meinen Großeltern lebte, nach Berlin, weil er nun eine Familie haben wollte. Das Sternchen konnte ebenso wenig kochen wie er und öffnete zum Mittagessen eine Dose Reis mit Huhn oder Nudeln in Tomatensauce. Beides war so fest in die Dosen gepresst, dass man es wie eine Rolle Marmor hinaus-

schieben musste, und wahrscheinlich wäre Marmor schmackhafter gewesen.

Am Wochenende sah die Sache erfreulicher aus. Es gab gegen elf Uhr den Brunch, der gerade erfunden worden und hoch in Mode war. Außer weißem Toastbrot, Eiern im Glas und rosiger Teewurst gab es auch Porridge, jedoch aus den weichsten Haferflocken, in Milch und Schokolade gekocht und mit Sahne begossen.

Eines Sonntags kamen die Großeltern aus Göttingen zu Besuch, und als sie meinen Vater und das Sternchen in Morgenröcken, gegen Mittag, Por- ridge mit Schokolade essen sahen, wurde ich aus dem Zimmer geschickt. Dann packte meine Großmutter stumm meinen Koffer, und sie nahmen mich gleich mit zurück nach Göttingen. Mir hatte der Berliner Porridge ganz gut geschmeckt, doch für meinen Großvater war er das untrügliche Zeichen sittlicher Verwahrlosung, aus der ein Kind gerettet werden musste.

Ich sah meinen Vater dann lange nicht mehr.

Er wurde ein großer alter Mann, der, wenn er eingeladen war, kein Gericht lobte. Das wäre ihm extrem unhöflich erschienen, denn »dann könnte die Hausfrau denken, ich hielte ihr nicht gelobtes Essen für ungenießbar«. Wenn ihm seine dritte Frau, die 25 Jahre lang den Wiener Opernball ausgerichtet hat, eine Dose Kaviar aus dem Opernbüro mit nach Hause brachte, die sie von dankbaren Ballgästen geschenkt bekommen hatte, löffelte er die schwarze Pracht auch ohne Chesterkäse und Pumpernickel mit Vergnügen und dem beinernen Löffel auf seinen Teller, aber im Grunde war er bescheiden.

Als mein Mann und ich in den Sommerferien mit unseren Kindern, seinen Enkeln, zusammen mit ihm in Österreich, »am Land«, waren, erzählte er ihnen von früher, als er ein Bub gewesen war, und von seiner Kinderfrau.

»Sie hat eine so gute sämige Mehlsuppe gekocht«, und zu mir: »Kannst du mir vielleicht so etwas kochen?«

»O ja - eine Mehlsuppe für den Großpapa!«

Ich wusste wohl, was die beiden zu einer Mehlsuppe gesagt hätten, wenn es nicht Großpapas Mehlsuppe gewesen wäre, aber ich fragte nur: »War sie süß oder salzig?«

»Süß.«

Und dann saßen sie um den Herd herum: mein Vater auf dem Hocker neben dem Herd, der in der Familie der Platz für den Küchenschatz genannt wurde, und die Kinder zwischen ihm und mir. Ich ließ in einer Kasserolle die Butter zerschleichen. »Jetzt das Mehl!«, befahl mein Vater, und ich löffelte es in das flüssige Fett und rührte und rührte mit dem Schneebesen, bis ein blonder Brei entstand. Dann zog ich die Kasserolle zur Vorsicht von der Flamme.

»Warum?«, fragten die Kinder fasziniert.

»Damit aus dem Blond kein Schwarz wird. Der Topfboden ist gerade heiß genug. Wer gießt mir etwas Milch hinein? Aber Vorsicht! Schluck für Schluck.«

»Ja«, sagte mein Vater, »genau so hat’s unsere Dada auch gemacht! Und nun musst du den Topf wieder aufs Feuer stellen, aber nur halbe Flamme, und rühren, sicher zehn Minuten, bis es so schön samtig und sämig ist und duftet!«

Aber nun musste ich würzen. »Zucker und ...?«

Ja, was war wohl außer einer Prise Salz in diesem Bubentraum von einer Mehlsuppe?

»Vanille!«, sagte der Vater entschieden. »Pfefferminz!«, rief der Jüngste, der so gerne Pfefferminztee trank.

»Ich tät Zimt rein.« Das war der Große.

Weil es aber des Großvaters Mehlsuppe war, entschieden wir uns für Vanillezucker, und weil ich sah, dass die Suppe unterdessen ein wenig zu mollig geworden war, goss ich noch einen Schwupp Sahne dazu.

»Er muss probieren!«, riefen die Kinder, und der Vater steckte den Löffel in die Mehlsuppe, pustete, probierte vorsichtig und blinzelte mir zu - und war zufrieden. Großer Enkeljubel, und sie rissen sich darum, auch einen Teller von Großvaters Suppe aufgetan zu bekommen, und der Großvater genoss die Suppe ebenfalls, und so entstehen Familiengeschichten. Unsere lautete: »Als Großvater seine Mehlsuppe kochte ...«

Aber als die Kinder im Bett lagen, müde und mild durch die mehlige Suppe im Bauch, sagte mein Vater nachdenklich: »Also irgendetwas hat gefehlt .« Was sollte ich antworten? »Vielleicht hatte Dada sie immer ein wenig anbrennen lassen?«

»Ach«, rief er enttäuscht, »den Witz kennst du auch!« Und dann lachten wir, und als wir wieder Luft bekamen, sagte mein Vater: »Und morgen machst du mir anständige Bratskartoffeln - das kann hierzulande keiner. Ich sag dir, wie es geht!

Bratskartoffeln mit Zwiebeln und Speck. Zwiebeln und Speck musst du würfeln, in der Pfanne mit Butter anbraten, bis der Speck schwitzt, dann kommen die Pellkartoffelscheiben dazu, Pfeffer und Salz, jetzt: kräftige Hitze! Anbraten, wenden, immer weiter, bis alles heiß und lecker ist. Eigentlich ganz einfach, oder?«

Als wir am nächsten Tag wieder nach seiner Anweisung am Herd arbeiteten, er der Kopf, wir die fleißigen Hände, sagte er zufrieden zu den Kindern: »Dies sind die Kartoffeln nach ihrem Erfinder, dem Professor Brats, die echten und unverfälschten!«