Kommt Zeit, kommt Rad - Richard Deiss - E-Book

Kommt Zeit, kommt Rad E-Book

Richard Deiss

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Beschreibung

Wie hing die Entwicklung des ersten Laufrades mit einem Vulkanausbruch in Indonesien zusammen, wie gelangte Sartre in den Straßengraben und wie kam das Radler-Bier zu seinem Namen? Dieses kleine Taschenbuch enthält Anekdoten und kleine Geschichten zu 100 wichtigen Fahrradpionieren und prominenten Radfahrern, Informationen zu Meilensteinen der Fahrradgeschichte und Fakten zur Fahrradproduktion weltweit. Es informiert zudem über Radverkehrstrends weltweit und enthält Statistiken zu den international führenden Fahrradstädten von Münster bis Ubatuba. Für alle, die auf Fahrräder(n) abfahren..

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Seitenzahl: 179

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Adresse des Autors

Machnower Str. 65

D-14165 Berlin

[email protected]

Zuschriften und Kommentare sind willkommen und werden in der nächsten Ausgabe berücksichtigt.

Dieses Buch ist dem begeisterten Radfahrer Martin B.

(Neustadt) gewidmet.

Inhalt

Vorwort

1.

Erfinder und Unternehmer

1.1 Erfundene Erfinder

1.2 Wichtige Fahrraderfinder

1.3 Erfinder Zubehör

1.4 Besondere Fahrradtypen

2.

Fahrradherstellung

2.1 Fahrradproduktion in Zahlen

2.2 Vom Fahrrad zum Auto

2.3 Wichtige Unternehmen

2.4 Fahrradkomponenten

3.

Worte und Sprüche

4.

Radfahrer

4.1 Prominente Radfahrer

4.2 Sportliche Typen

5.

Fahrradverkehr weltweit

5.1 Wichtige Kennziffern

5.2 Deutschsprachige Länder

5.3 Niederlande

5.4 Übriges Westeuropa

5.5 Nordeuropa

5.6 Mittelost- und Osteuropa

5.7 Südeuropa

5.8 Südosteuropa

5.9 Nordamerika

5.10 Lateinamerika

5.11 Afrika

5.12 Asien

5.13 Ozeanien

6.

Fahrradwege

7.

Infrastruktur

8.

Fahrradparken

9.

Fahrradverlust

10.

Fahrradverleih

11.

Fahrradkuriere

12.

Fahrrad-Aktivismus

13.

Rikschas

14.

Verkehrssicherheit

14.1 Fahrradhelme

14.2 Verkehrszeichen

14.3 Markierungen

Anhang

Tabellen

Literaturhinweise

Vorwort

Ein Zehntel aller Wege werden in Deutschland mit dem Rad zurückgelegt. Trotz der Bedeutung des Fahrrades gibt es nur wenige Übersichten zur Radverkehrsentwicklung weltweit und im historischen Zeitverlauf. Ich hoffe, die vorliegende Zusammenstellung von Anekdoten, interessanten Geschichten und Fakten zu Erfindern, Pionieren und neuen Entwicklungstrends im Fahrradverkehr bietet einen anregenden Einstieg in die Fahrradthematik.

Da sich viele Geschichten auf Erfindungen und die Gründung von Unternehmen beziehen, ist in etlichen Fällen eine Prise Gründungsmythos enthalten. So ist die Begegnung von Sachs und Daimler zu schön, um wahr sein zu können. Zu manchen Pionieren findet man auch unterschiedliche Informationen, je nach dem Land, aus dem die Darstellung stammt. Während die Deutschen Drais als Fahrraderfinder sehen, betonen Franzosen und Engländer die Wichtigkeit der Erfindung des Pedals, die beide Nationen auf ihre Fahnen schreiben. Immerhin gibt es seit 1990 eine `International Cycling History´-Vereinigung, die versucht, die historische Wahrheit ans Licht zu bringen. So wurde denn auch gegenüber der letzten Auflage Kirkpatrick Macmillan statt zu wichtigen Erfindern korrekter den erfundenen Erfindern zugeordnet. Auch wenn sich der Wahrheitsgehalt nicht aller Geschichten gänzlich klären lässt, sollte man als Fahrradfan dennoch die wichtigen Anekdoten kennen.

Neun Jahre nach der letzten Auflage (2011) liegt hiermit endlich eine Neuauflage vor, die jedoch die vielen Entwicklungen im Bereich der eBikes noch nicht ganz wiedergibt. Das soll durch weitere Neuauflagen in kürzerem zeitlichen Abstand in Zukunft erfolgen.

Berlin, im März 2020

Richard Deiss

Veränderungen in der 6. Auflage 2020

In der vorliegenden Auflage wurden gegenüber der letzten Auflage (März 2020 wurden) folgende Akteure im Fahrradbereich neu aufgenommen:

Jan Gehl, dänischer Architekt und Stadtplaner, der Vorrang für Fußgänger und Radfahrer propagiert

Heinrich Stößenreuther, Fahrrad- und Umweltaktivist und Mitinitiator der Initiative für ein fahrradfreundliches Berlin

Alvine Cavalcande, brasilianische Radverkehrsaktivistin

Boris Palmer, Bürgermeister von Tübingen und zur fahrradfreundlichsten Persönlichkeit des Jahrs 2015 gewählt.

Weitere neue Elemente sind im Buch durch eine Raute Gekennzeichnet.

Ein Teil der Statistiken im Anhang wurde zudem aktualisiert.

1. Fahrraderfinder und Unternehmer

1.1 Erfundene Erfinder

Die International Cycling-History-Conference

Im 19. Jahrhundert haben im Zuge eines wachsenden Nationalismus Länder wie Deutschland und Frankreich an den Fakten gedreht, um wichtige Meilensteine der Fahrraderfindung für sich reklamieren zu können. Im 20. Jahrhundert waren die Erfindungen dann besser dokumentiert. Um Licht ins historische Dunkel zu bringen, ist 1990 schließlich die International Cycling-History Conference (ICHC) gegründet worden, die versucht, mit ihren Tagungsbänden die Fahrradgeschichtsschreibung zu erneuern. Seitdem wird die historische Fahrradliteratur in vor-ICHC (mit Zuschreibungsfehlern) und nach-ICHC (auf dem Stand der Konferenz) unterschieden.

Wichtiger deutscher Mitarbeiter der ICHC ist der Fahrradexperte Hans-Erhard Lessing. Lessing war Anfang der 1980er Jahre Professor für Physikalische Chemie in Ulm und wirkte ab 1985 als Hauptkonservator an Museen in Mannheim und Karlsruhe. Lessing hat mehr als ein Dutzend Bücher zum Radverkehr und dessen Geschichte geschrieben und gilt als einer der besten Kenner des Fahrraderfinders Karl Drais. Er zeigte unter anderem den Zusammenhang zwischen der durch die Explosion des Tamora-Vulkans 1815 ausgelösten Klimakatastrophe und der Zweiraderfindung durch Drais auf. Wichtige Beiträge zur Aufklärung der Fahrradgeschichte waren zudem die Entlarvung des Leonardofahrrades als Fälschung.

Auf ihrer Homepage räumt die ICHC denn auch mit dem Mythos des Leonardo-Fahrrades auf.

Leonardo da Vinci

Leonardo da Vinci war Universalgenie, Künstler und genialer Konstrukteur. So kommt es, dass ihm sogar Erfindungen zugeschrieben werden, die er gar nicht gemacht hat. So wird eine Zeichnung eines Fahrrades in einem Notizbuch Leonardos, die von einem Schüler paraphiert wurde, als eine frühe Fahrraderfindung durch Leonardo interpretiert. Doch Experten glauben, die Skizze wurde erst später angefertigt, um Leonardo auch die Fahrraderfindung zuzuschreiben. Wie dem auch sei, Leonardo hat für das Fahrrad wichtige Erfindungen vorweggenommen, wie zum Beispiel das Kugellager.

Das Célèrifère von Sivrac

Im Jahr 1891, der Nationalismus und die deutsch-französische Rivalität waren in voller Blüte, publizierte der Franzose Baudry de Saunier ein Buch über die Geschichte des Fahrrades. Die Erfindung des Zweirades schrieb er dabei nicht dem Deutschen Drais, sondern dem Franzosen Mede de Sivrac zu, der bereits 1790 eine Laufmaschine mit zwei Rädern und einem Sattel gebaut haben soll - ein Célèrifère (abgeleitet vom Lateinischen celer, schnell und ferre, tragen). Außer dieser Erfindung ist über Sivrac und dessen Leben nichts bekannt. Und wo ist dieser wichtige Erfinder begraben? Ein Grab ist nicht nötig, denn dieser Sivrac hat nie gelebt.

Efim Artamonov und die frühe Radtour

Im Jahr 1801, zur Zeit der Krönung des Zaren Alexander I. sollen die Moskauer und die damals in der Stadt weilenden internationalen Besucher Zeuge gewesen sein, wie ein nie zuvor gesehenes, zweirädriges eisernes Gefährt durch die Stadt rollte. Der Russe Erim Artamonov soll dieses erste Fahrrad in der Uralstadt Jekaterinburg gebaut und damit über 1000 Kilometer nach Moskau zurückgelegt haben. Selbst russischen Historikern kam diese Geschichte suspekt vor und nach genaueren Untersuchungen des Materials und der historischen Fakten geht man in Russland heute davon aus, dass Artamonovs Eisenrad aus der Zeit nach 1868 stammen muss. Auch ist Artamonov sicher nicht bis Moskau geradelt, sondern höchstens von seinem Hof bis Jekaterinburg. In der Fußgängerzone dieser Stadt steht trotzdem ein Denkmal für den vermeintlichen Erfinder.

Ende der 1860er Jahre waren in Russland übrigens nicht nur Eisenfahrräder, sondern auch Eisfahrräder unterwegs, die hinten zwei Kufen statt Räder hatten.

Der angeblich erste Unfall mit Pedalen

Manch britische Quelle berichten über folgende Fahrradanekdote: Im Jahr 1830 stellte der junge Kirkpatrick Macmillan (1812-1878) aus Dumfries in Schottland das erste Fahrrad mit Pedalen vor. Jedoch patentierte er seine Erfindung nie und sie setzte sich im Ort nicht durch. Macmillan wurde jedoch durch einen kleinen Unfall beim Testen des Pedalrades für kurze Zeit bekannt: Er stieß mit einem Kind zusammen und musste 5 Schilling Strafe zahlen - somit hatte er den ersten Radverkehrsunfall der Geschichte verursacht.

Nach Ansicht von ICHC-Experten gehört Macmillan zu den im nationalistischen Überschwang des 19. Jahrhunderts erfundenen Fahrraderfindern. Eine Wikipedia-Seite zu Macmillan zeigt auf, dass dessen wohlhabender Neffe James Johnston Ende der 1880er Jahre mit patriotischen Fahrradblatt-Redakteuren eine Kampagne lancierte, um deren schottische Heimat Dumfries als Geburtsort des Fahrrades zu etablieren.

1.2 Wichtige Fahrraderfinder

Der Fahrraderfinder und der Vulkanausbruch

Als der Karlsruher Karl Drais (sein voller Name lautete Karl Friedrich Christian Ludwig Freiherr von Sauerbronn, der Demokrat Drais legte später seinen Adelstitel nieder) um 1815 ein Laufrad aus Holz, erfand, war das Interesse in der Bevölkerung eher begrenzt. Doch schließlich sollte ein Vulkanausbruch im fernen Indonesien helfen, die Erfindung populärer zu machen. Als der Vulkan Tambora im April 1815 ausbrach, sank die Durchschnittstemperatur durch die Ascheemissionen weltweit um 3 Grad Celsius und es folgte ein Jahr ohne Sommer, mit Frösten im Juli und in Neuengland sogar Schnee im August (‚kleine Eiszeit‘). Dieses kalte Wetter führte zu einer schlechten Ernte und so wurde auch das Pferdefutter knapp, Pferde mussten geschlachtet werden. Dies machte wiederum den Transport mit Pferden teuer und plötzlich schien Drais´ Erfindung eine interessante Alternative dazu zu sein. In späteren Jahren verbesserten sich die Ernten jedoch wieder, der Nutzen des Laufrades relativierte sich und die Popularität des Fahrrades stieg erst wieder Jahrzehnte später, nach der Erfindung von Pedal und Luftreifen.

Apropos Vulkan: für den Luftreifen war übrigens das vom Amerikaner Charles Goodyear (1800-1860) entwickelte Vulkanisieren (dem Gummi wird Schwefel zugesetzt) wichtig. Der Chemie-Autodidakt Goodyear soll mit verschiedenen Materialien experimentiert haben, um den bei Hitze weichen und klebrigen Kautschuk belastbarer zu machen. Im Jahr 1839 kam ihm ein Zufall zu Hilfe, denn eine Schwefel-Kautschuk-Mischung fiel auf eine heiße Herdplatte. Das Gemisch erwies sich als trocken und elastisch. Der mit Schwefel versetzte Kautschuk war zu Gummi geworden.

Das Denkmal für Michaux

Der Franzose Pierre Michaux erfand das Pedal schließlich 1861 von neuem, und 1866 wurde dann in Washington von einem anderen Franzosen, Pierre Lallement, ein Patent dafür eingereicht. Als im Jahre 1891 im Zuge eines aufkommenden Nationalismus von den Deutschen Drais feierlich als Vater des Fahrrads proklamiert und der Freiherr 40 Jahre nach seinem Tod noch einmal feierlich begraben wurde, wollten die Franzosen nicht nachstehen und die Erfindung des Fahrrades wiederum für ihren Landsmann Pierre Michaux reklamieren. In Bar-le-Duc wurde deshalb ebenfalls mit großem Pomp ein Denkmal errichtet. Davor gab es allerdings unterschiedliche Meinungen darüber, ob Pierre Michaux, seinem bereits verstorbenen Sohn Ernest oder einem Dritten die Ehre zukam. Schließlich einigte man sich darauf, mit dem Denkmal Vater und Sohn Michaux gleichzeitig zu ehren.

Dunlop und der Luftreifen

Obwohl der Schotte Robert William Thomson (1822-1873) bereits 1846 den ersten Luftreifen entwickelte und patentierte, wurde erst der Schotte Dunlop als Luftreifenerfinder berühmt. Motiv für die Weiterentwicklung des Luftreifens durch den in Belfast tätigen Tierarzt John Boyd Dunlop (1840-1921) war sein Dreirad fahrender Sohn, der mit seinem Gefährt tiefe Spuren in den Garten zog. Außerdem hatte er Angst, sein Sohn würde durch die ungefederten Stöße in die Lenden unfruchtbar. Dunlop entwickelte auch das Fahrradventil, sein erstes hatte er aus einem Babyschnuller gebastelt.

Michelin und die Luftreifen

Die Gebrüder Michelin betrieben im 19. Jahrhundert in Clermont-Ferrand in Zentralfrankreich eine Gummifabrik. Eines Tages kam ein Radfahrer vorbei, dessen Luftreifen repariert werden musste. Der Reifen war an der Felge festgeklebt. Die Michelins brauchten 3 Stunden, um den Reifen zu lösen und ihn zu reparieren. Über Nacht musste man ihn noch trocknen lassen. Eduard Michelin testete am nächsten Tag den reparierten Reifen im Hof der Firma, doch schon nach wenigen hundert Metern ging die Luft aus. Trotzdem war Eduard vom Konzept des Luftreifens begeistert und die Brüder begannen, eine verbesserte Version zu entwickeln, die nicht mehr an der Felge festgeklebt werden musste. Im Jahr 1891 erhielten die Michelins ein Patent für einen abnehmbaren Luftreifen. Später wurde Michelin immer mehr zu einer Autoreifenfirma und das Maskottchen Bibendum setzt sich nicht mehr, wie ursprünglich, aus Fahrradreifen, sondern aus Autoreifen zusammen.

Das amerikanische Patentamt

Das amerikanische Patentamt in Washington war im 19. Jahrhundert Maß aller Dinge. Kein Wunder, dass einst französische Erfinder wie Lallement hier ihre Fahrradpatente einreichten. In der Folge entwickelten sich Patente und Fahrradtechnik so schnell weiter, dass es 1895 in den USA zwei Patentämter gab, eines für Fahrräder und eines für die übrige Technik. Trotzdem glaubten manche, dass die technische Entwicklung bald ausgereizt sein würde. Dem Kommissar des US-Patentamtes Charles H. Duell wird das Zitat in den Mund gelegt, „Everything that can be invented, has been invented“, welches er 1899 geäußert haben soll. Doch ist so etwas in Wirklichkeit nie von einem Patentamtsmitarbeiter gesagt worden.

Ernst Sachs und die Fahrradnabe

Nach einer Familienlegende kam der junge schwäbische Mechaniker Ernst Sachs (1867-1932) einst an einem dieser neuartigen Fahrzeuge ohne Pferd, aber mit Motor vorbei, das mit einer Panne liegen geblieben war. Der Autofahrer hieß Gottlieb Daimler und der junge Sachs schmiedete einen Bolzen für die gerissene Kette. Der Mechaniker nahm die Erkenntnis mit, dass sich in der Automobilbranche als Zulieferer gut Geld verdienen lässt. Zunächst aber entwickelte Sachs, der sich nach einem Kuraufenthalt in Bad Kissingen im nahen Schweinfurt niederließ, eine Präzisionsnabe, die er nach ständigen Verbesserungen ab 1903 schließlich als Torpedo-Nabe vermarktete (in der damaligen Zeit bewunderte man die Marine). Sachs war damit der Erfinder der Nabenschaltung mit Rücktrittbremse. Die Firma wuchs mit diesem für die Fahrradherstellung wichtigen Produkt, gelangte zu Weltruf und wurde 1923 in eine AG umgewandelt. Schließlich wurde das Unternehmen von den Vereinigten Kugellagerfabriken Schweinfurt übernommen, die sich später auf die Herstellung von Komponenten für die Kfz-Industrie spezialisierte. So kam die Erkenntnis des jungen Mechanikers doch noch zum Tragen.

Stanley R. Day und SRAM

Heute gehört Sachs zur amerikanischen Firma SRAM. SRAM wurde 1987 von Radsportlern in Chicago gegründet und trat durch die Erfindung des Drehgriffschalters für Mountainbikes hervor. SRAM steht für die Gründer Scott, Ray and Sam, wobei Ray der zweite Vorname des heutigen Firmenleiters Stanley R. Day ist. Allerdings waren etliche juristische Auseinandersetzungen mit Shimano nötig, bevor sich SRAM auf dem Markt durchsetzen konnte. Zehn Jahre später war die Firma jedoch bereits so stark, dass sie Sachs übernehmen konnte. Heute ist SRAM der zweitgrößte Fahrradkomponentenhersteller nach Shimano.

Heinz Obermayer und die Carbonräder

Nachdem sich Aluminiumrahmen im Mountainbikebereich durchgesetzt haben, gibt es einen neuen Techniktrend zum noch leichteren Carbonrad. Gewichtsersparnis ist vor allem im Radsport von Bedeutung, aber Kohlenstoff ist ein Material, bei dem Techniker teilweise noch Pionierarbeit leisten müssen. Zu den Pionieren im Bereich der Konstruktion von Carbonrädern für den Radsport gehören überraschenderweise zwei nicht mehr ganz junge Oberbayern, Heinz Obermayer (*1941) und Rudolf Dierl. In einer kleinen Werkstatt in einem Bauernhof bei München experimentierten die beiden gelernten Werkzeugmacher hinter abgedunkelten Fenstern (die Konkurrenz sollte nichts mitbekommen) mit einer Mischung von Kohlefasern, Isolierschaum und Aramit. In einem Spiegel-Online Interview im Juli 2004 verriet Obermayer verblüffende Produktionsgeheimnisse: in einem Leberkäsofen vom Sperrmüll backten sie die Carbonleichträder (440 g) zusammen. Geheizt wurde mit einer LKW-Standheizung, getrocknet wurde auf einem Kleiderständer. Der Aerodynamiktest war ebenfalls einfach: Obermayer hielt das Gesicht ans Rad, je weniger Luftverwirbelung er spürte, desto besser. 2001 kam der Durchbruch als Lance Armstrong mit einem solchen Leichtrad die Tour de France gewann und plötzlich rannten die besten Radsportler den beiden die Türen ein. Im Herbst 2003 verkauften sie das Produktions-Know-how an die Friedrichshafener Firma Carbonsports. Dort werden die Leichträder unter dem Markennamen Lightweight Wheels mittlerweile produziert (www.carbonsports.de). Obermayer, der die Produktion dort auch überwacht und Mitarbeiter anlernt, tüftelt mittlerweile an weiteren technischen Verbesserungen für den Radsport, während sich Dierl ins Privatleben zurückgezogen hat.

1.3 Erfinder Zubehör

Otto von Guericke und die Luftpumpe

Als technisches Genie gilt der Magdeburger Otto von Guericke (1602-1686). Er war der Begründer der Vakuumtechnik und erfand bereits 1649 die Kolbenvakuumluftpumpe. Guericke demonstrierte den Vakuumeffekt und die Kraft des Luftdrucks auf spektakuläre Weise: Im Sommer 1657 ließ er zwei Halbkugeln aus Kupfer mit einer Dichtung zusammenlegen und pumpte die Luft aus ihnen heraus. Vor jede Halbkugel wurden dann 8 Pferde gespannt, die die beiden Hemisphären auseinanderreißen sollten, was den Pferden jedoch nicht gelang. Guericke kann als Erfinder der Luftpumpe, auch als Vater der Fahrradpumpe gesehen werden, die mit der Einführung der Luftreifen notwendig wurde.

Eine auf Saugen eingestellte Fahrradpumpe spielte dann um 1900 eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des ersten Staubsaugers durch den Briten Hubert Cecile Booth (1871-1955).

Brooks und der Fahrradsattel

Im Jahr 1865, hatte der 19Jährige Engländer John Boultbee Brooks (1846-1921) eines dieser neumodischen Velozipede gekauft. Doch nach einer Fahrt des damals üblicherweise ungefederten Fahrrades mit seinem harten Holzsattel tat ihm der Hintern ziemlich weh. Brooks´ Vater stellte Pferdesattel her und so kam dem jungen Brooks die Idee, auch für sein Fahrrad einen Ledersattel zu bauen. Im Pferdestall der Familie entstanden die ersten Brooks-Sättel. Ab 1866 hatte Brooks in Birmingham eine kleine Produktionsstätte für Lederwaren eingerichtet. Doch da der Fahrradabsatz zunahm, konzentrierte sich Brooks ab 1870 auf die Produktion von Fahrradsätteln. 1882 führte Brooks schließlich den ersten Sattel mit Sprungfedern ein. Brooks erhielt etliche Patente für andere Neuerungen, wie Fahrradgepäcktaschen, Werkzeugtaschen, Lenkerummantelungen, Fahrradschuhe und vieles mehr. Im Jahr 1926 wurde schließlich der noch heute populäre Fahrradsattelklassiker B66 eingeführt. 1935 stellte Brooks 1.6 Millionen Sättel her - 60 % der britischen Fahrradsattelproduktion dieses Jahres. In den 1950er produzierten in der Firma bei Birmingham schließlich 15000 Mitarbeiter 4 Millionen Sättel im Jahr. Doch Mitte 70er Jahre kamen Plastiksättel auf und mit dem Sattelhersteller, der 1958 von der englischen Fahrradfirma Raleigh aufgekauft wurde, ging es rasch bergab. Im Jahr 2002 wurde Brooks schließlich von dem italienischen Sattelhersteller Selle Royal übernommen. Doch die Brooks-Sättel behielten einen harten Kern von Fans, eine Retro-Welle stabilisierte die Nachfrage. Heute stellen 22 Mitarbeiter an alten Maschinen etwa 80 000 Brooks-Sättel pro Jahr von Hand her (www.brookssaddles.com).

Selle Royal und der transparente Sattel

Der italienische Sattelhersteller Selle Royal wurde 1956 in einer Werkstatt von Riccardo Bigolin gegründet, noch heute Vorstandsvorsitzender der Firma. Selle Royal hat bereits 1971 den Trend zu Plastiksitzen aufgenommen und seit den achtziger Jahren setzte man auf den Kunststoff Polyurethan, dem auch Inlineskater und Skateboarder komfortable Rollen verdankten. Denn auf diesem Kunststoff basierte das vom deutschen Bayer-Konzern entwickelte Royalgel, für welches Selle Royal die weltweite Lizenz besitzt. Dieses Material weist sehr gute stoßdämpfende Eigenschaften auf. Die Sättel sollen 40% der Stöße abfedern. Mittlerweile hat die Firma zudem Sättel entwickelt (die LOOKIN-Serie), die ein transparentes Fenster aufweisen, durch die sich das Gel beobachten lässt. Und schließlich entwickelte man unterschiedliche Sättel für Frauen und Männer, die an die jeweilige Anatomie angepasst sind, sowie durch den Einsatz spezieller Materialien Sättel, die sich beim Radfahren weniger erwärmen und dadurch 25% kühler sind (was die Zeugungsfähigkeit männlicher Radfahrer positiv beeinflussen soll). Heute produziert Selle Royal pro Jahr etwa 15 Millionen Fahrradsättel, 15% der Weltproduktion. Bei den Qualitätssätteln beträgt der Marktanteil 30% weltweit, in Europa sogar 50% und in Deutschland 60%.

Cannondale

Der Amerikaner Joe Montgomery wurde um 1970 von einer Pechsträhne verfolgt. Ein Unfall kostete ihn fast das Leben, er brach das Studium ab und bei einer anschließenden Segeltour in der Karibik erlitt er Schiffbruch. Doch schließlich fand Montgomery einen Wall-Street-Finanzjob. Dort lernte er vieles über die Funktionsweise von Unternehmen und ihm kam die Idee, eine eigene Firma für Fahrradtaschen zu gründen. Die Anfänge waren bescheiden - in einer kleinen Produktionsstätte über einer Gewürzgurkenfabrik. Als der Angestellte Peter Meyers zum öffentlichen Fernsprecher am nahe gelegenen Bahnhof Cannondale ging, um einen Telefonanschluss für die Firma zu beantragen, wurde er von der Telefongesellschaft gefragt, unter welchem Namen die noch namenlose Firma eingetragen werden sollte. Doch war Meyers so wenig auf die Frage vorbereitet, dass ihm nur der Name des Bahnhofs - Cannondale - einfiel. Mit der Entwicklung des ersten Fahrradanhängers, mit dem man kleine Kinder mitnehmen konnte, machte die Firma schließlich ihre erste Million. Später zeichnete sich Cannondale durch die Produktion von Fahrrädern mit Aluminiumrahmen aus.

Tullio Campagnolo und die Schnellspann-Nabe

Der italienische Radsportler Tullio Campagnolo musste 1927 in einem Radrennen in den Dolomiten das Hinterrad wechseln. Durch die Kälte hatte er klamme Finger und ärgerte sich, weil er das Hinterrad nicht schnell genug ausbauen konnte und so das Rennen verlor. Diese Erfahrung brachte ihn auf die Idee einer Schnellspannnabe, für die er 1930 ein Patent erhielt. Im selben Jahr erfand er noch die Gestänge-Kettenschaltung. 1933 gründete er eine eigene Firma, produzierte aber bis 1940 alles selbst. Im Laufe der Zeit brachte er es zu 135 Patenten. Am Croce d´Aune Pass in den Dolomiten weist ein Denkmal noch heute auf die Geschichte mit dem defekten Hinterrad Campagnolos hin.

Zavrakis und die reflektierenden Speichen

Der griechische Wirt Anastasios Zavrakis (*1957) legte mit seinem Restaurant an der Hamburger Elbchaussee in den neunziger Jahren eine Pleite hin und überlegte sich, wie er seine Schulden von über 1 Million Euro verringern könnte. Zavrakis dachte an eine Erfindung und kam 1994 auf die Idee einer reflektierenden Fahrradspeiche. In der Deutschlandzentrale von 3M in Neuss fand er aufgeschlossene Ansprechpartner, die an seiner Idee interessiert waren und auch reflektierende Folien herstellten. 2001 war schließlich die richtige Folie gefunden. Zavrakis Stieftochter beklebte damit 3000 Speichen und Reflektionsmessungen im Labor zeigten die Wirksamkeit. Die relevanten Behörden gaben das OK und ein Patent wurde erteilt. Von den nur 4 in Europa verbliebenen Fahrradspeichenherstellern meldete schließlich die Fahrradkomponentenfirma Büchel in Fulda Interesse, und seit 2003 sind die reflektierenden Fahrradspeichen im Handel. Was aus Zavrakis Schulden wurde, ist nicht bekannt.

Cino Cinelli und die Lenkstange

Cino Cinelli (1916-2001) war ein weitere italienischer Radsportler, der später (1946) ein Fahrradunternehmen gründete. Cinelli war zudem erfindungsreich und half seinem Geschäftsfreund Campagnolo beid er Produktentwicklung. Cinellis´Handbuch Cycling (1972) gilt in Italien noch heute als Radsport-Bibel. Auf Cinelli und seine gleichnamige Firma gehen unter anderem der gebogene Fahrradlenker, der erste Kunststofffahrradsattel und die Weiterentwicklung der clipless-Pedale zurück.

Hans Christian Smolik

Am 2. August 2010 starb Hans Christian Smolik, der in der Szene als Fahrradtechnik-Papst galt und viele Fachbücher zur Fahrradtechnik publizierte, darunter Das große Fahrradlexikon. Smolik erdachte zahlreiche technische Verbesserungen und Innovationen im Bereich der Rennradbrems- und Schalttechnik. 1981 entwickelte er eine im Bremsgriff eingebaute Schrittschaltvorrichtung. Das entsprechende Patent wollte damals keiner haben. Die Entwicklung wurde jedoch zum Vorläufer der heutigen Brems-Schaltgriffe. Patente hatte er auch für ausgefallene Ideen, so für eine Fahrradgabel mit negativer Krümmung. Im Jahr 2004 baute Smolik das mit 3,7 kg leichteste Rennrad der Welt. Im Sommer 2010 erschien, wenige Tage vor Smoliks Tod, sein letztes Werk `Das Elektrorad´. Hans-Christian war schon als Kind ein Frühaufsteher und Bastler. Seine Schwester erinnert sich: `kaum war es hell, stand er bereits an Mamas Bett´.Die meinte: `Kannst du dich nicht selbst beschäftigen und mich noch ein bisschen schlafen lassen?´. Darauf Christian: `Das habe ich schon, ich habe alle Knöpfe meiner Lederhose abgeschnitten und schon wieder angenäht´.

1.4 Entwicklung besonderer Fahrradtypen

Das Pedersen-Fahrrad