Kühe kuscheln - Joar Berge - E-Book
SONDERANGEBOT

Kühe kuscheln E-Book

Joar Berge

0,0
6,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

"Der Weg zu mir selbst führte mich zurück auf die Kuhweide." - Joar Berge Joar Berge besaß schon als Kind eine außergewöhnliche Verbindung zu Kühen, die sein gesamtes Leben prägen sollte.  Nach Jahren exzessiven Stadtlebens in verschiedenen Metropolen folgt Joar seinem eigentlichen Traum und schenkt den Rindern Dagi und Emma einen Lebensplatz. Diese Entscheidung gab seinem Leben eine komplett andere Richtung und offenbarte ihm den Stellenwert besonderer Tier-Mensch-Beziehungen. Unzählige Stunden verbringt Joar seitdem auf der Kuhweide, fügt sich in den Rhythmus der größer werdenden Kuhherde ein und lässt uns an seinen Erlebnissen teilhaben. Dann trifft Joar eine weitere richtungsweisende Entscheidung – nicht nur für sein eigenes Leben: Gemeinsam mit Freunden gründet er einen Lebenshof für Tiere. Damit wird sein Traum zur persönlichen Berufung. In der folgenden Zeit durchlebt Joar einen Prozess, der nicht nur seinen eigenen Weg zum inneren Glück beschreibt, sondern auch viele andere für die besondere Beziehung und denUmgang mit Tieren inspiriert.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 303

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Unsere eBooks werden auf kindle paperwhite, iBooks (iPad) und tolino vision 3 HD optimiert. Auf anderen Lesegeräten bzw. in anderen Lese-Softwares und -Apps kann es zu Verschiebungen in der Darstellung von Textelementen und Tabellen kommen, die leider nicht zu vermeiden sind. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Impressum

© eBook: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2023 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

Gräfe und Unzer Edition ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Celine Koch, Artur Senger

Lektorat: Anita Vetter

Covergestaltung: Ki36 Editorial Design, München, Bettina Stickel

eBook-Herstellung: Evelynn Ruckdäschel

ISBN 978-3-8338-9193-9

1. Auflage 2023

Bildnachweis

Coverabbildung: Tobias Arnold

Fotos: Marvin Ruppert, Tanja Kutzer, Birgit Freitag, Armin Morbach, Sinan Akag, Tobias Arnold, Joar Berges

Syndication: www.seasons.agency

GuU 8-9193 04_2023_02

Unser E-Book enthält Links zu externen Webseiten Dritter, auf deren Inhalte wir keinen Einfluss haben. Deshalb können wir für diese fremden Inhalte auch keine Gewähr übernehmen. Für die Inhalte der verlinkten Seiten ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber der Seiten verantwortlich. Im Laufe der Zeit können die Adressen vereinzelt ungültig werden und/oder deren Inhalte sich ändern.

Die GU-Homepage finden Sie im Internet unter www.gu.de

www.facebook.com/gu.verlag

Garantie

LIEBE LESERINNEN UND LESER,

wir wollen Ihnen mit diesem E-Book Informationen und Anregungen geben, um Ihnen das Leben zu erleichtern oder Sie zu inspirieren, Neues auszuprobieren. Wir achten bei der Erstellung unserer E-Books auf Aktualität und stellen höchste Ansprüche an Inhalt und Gestaltung. Alle Anleitungen und Rezepte werden von unseren Autoren, jeweils Experten auf ihren Gebieten, gewissenhaft erstellt und von unseren Redakteur*innen mit größter Sorgfalt ausgewählt und geprüft. Haben wir Ihre Erwartungen erfüllt? Sind Sie mit diesem E-Book und seinen Inhalten zufrieden? Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung. Und wir freuen uns, wenn Sie diesen Titel weiterempfehlen, in ihrem Freundeskreis oder bei Ihrem Online-Kauf.

KONTAKT ZUM LESERSERVICE

GRÄFE UND UNZER VERLAG Grillparzerstraße 12

»Als ich das erste Mal über ein Video von Joar Berge mit seinen Kühen gestolpert bin, war ich hin und weg von der Liebe und dem Vertrauen, das zwischen ihm und den Tieren liegt. Joar hat eine solche Gabe, eine Verbindung zu schaffen zwischen Menschen und Tieren, und ich wünschte mir, die gesamte Menschheit würde mit seiner Sanftmut durch die Welt gehen.«

Laura Malina Seiler

Bestsellerautorin, Visionärin, Podcasterin und Coach

»Es ist so wunderschön und aufbauend zu sehen, wie die Seelen von Mensch und Tier sich verbinden können und was für eine tiefe Liebe entsteht. Ich bin immer wieder inspiriert von Joar Berge und seiner wundervollen Lebenseinstellung. Es tut so gut zu wissen, dass es solche Menschen auf dieser Welt gibt.«

Doro Pesch

Rocksängerin, »Queen of Metal«

»So much of social media is pretty grim, but it’s redeemed by positive examples such as Joar with his cow friends. It is full of affection and shows a pure and unfiltered truth about the love and trust possible in relationships between animals and humans. Silent inspiration but with strong effects on everybody with an open and loving heart.«

Moby

Musiker, DJ, Musikproduzent und Tierrechtsaktivist

Anmerkungen des Autors

Im Laufe des Buches verwende ich sowohl die Begriffe „Rinder“ als auch „Kühe“, wenn ich über unsere eigene Herde spreche. „Rind“ ist der fachlich korrekte Gattungsbegriff der Tierart. Er wird unterteilt in Kalb (weiblich/männlich), Bulle/Stier (männlich), Ochse (männlich, kastriert) und Kuh (Muttertier). Umgangssprachlich sprechen wir oft von „Kühen“, wie auch ich es im folgenden Text an vielen Stellen handhabe, obwohl fachlich kein Muttertier darunter ist.

***

Ich habe keine landwirtschaftliche Fachausbildung oder einen ähnlichen Beruf erlernt. Alles, was ich beschreibe, beruht auf eigenen Erfahrungen, Einschätzungen und Beobachtungen im Zusammenleben mit den Tieren und meiner heutigen Arbeit mit ihnen.

***

Alle Geschichten basieren auf wahren Begebenheiten. Jedes Tier und jede Person existiert oder existierte in meinem Leben und ich nenne sie fast alle bei ihren echten Namen. Um die Erzählungen verständlicher zu machen, habe ich jedoch manche Handlungen zusammengefasst, mich dem Stilmittel der Dialoge bedient und mich zudem auf einen kleineren Personenkreis beschränkt, auch wenn natürlich viel mehr Menschen in das Alltagsgeschehen involviert sind oder waren.

Vorwort

Ich muss gestehen, ich erinnere mich nicht mehr genau an den Tag, an dem Joar und seine Tiere mir zum ersten Mal begegneten. Aber ich erinnere mich sehr gut an den Moment und vor allem daran, wie ich mich damals gefühlt habe. Es muss irgendwann im Frühjahr 2021 gewesen sein, nach dem ersten „Corona-Winter“, aber noch immer mittendrin in diesem großen Schlamassel, das sich Pandemie nannte. Als wir Menschen es uns gezwungenermaßen zu Hause gemütlich machen mussten und wir nach jedem noch so kleinen Lichtblick lechzten, abseits von noch mehr „bad news“, geschlossenen Cafés und steigenden Inzidenzen. Wie so oft in diesen Monaten scrollte ich auch an diesem Abend gedankenverloren und träge durch die Welt von Instagram, auf der Suche nach ein bisschen Freude und auch, um den Kontakt nach draußen nicht komplett zu verlieren. Bei der Story einer Freundin blieb ich hängen. Sie hatte ein Video geteilt, das mich schon gepackt hatte, bevor ich überhaupt wusste, mit wem oder mit was ich es hier zu tun hatte.

Das Video zeigte einen Typ mit Baseballkappe, Gummistiefeln und einem gelben Regenmantel, der zu einem Song von Jasmine Thompson fröhlich einen Waldweg entlanghüpfte. Hinter ihm galoppierten drei kleine Kühe. Das an sich war schon mal ziemlich toll und erheiternd, aber es war nicht das ganze Bild. Da war noch etwas anderes, etwas dahinter, das mich sofort tief in meinem Innern berührte. Ich wusste nicht, was es war, aber plötzlich war ich hellwach und neugierig. Nachdem ich den Clip ein zweites und drittes Mal angeschaut hatte, wusste ich, was es war:

Mein Verstand sah einen erwachsenen Mann, der mit seinen Kühen im Wald spazieren ging. Mein Herz jedoch sah vier auf den ersten Blick ganz unterschiedliche Geschöpfe, die in kindlicher Verspieltheit miteinander Quatsch machten, gemeinsam durch den Wald tobten und darin tief miteinander verbunden waren. Dieser Typ und seine drei kleinen Kühe schienen miteinander zu lachen und zu kommunizieren. Sie waren Freunde! Von Hunden kannte ich das, aber von Kühen?

Das war der Beginn meiner Herzensverbindung zu Joar und seinen Tieren, allen voran zu Luise, zu der ich bei meinem ersten Besuch auf der Weide sofort eine ganz besondere Verbundenheit spürte. Vielleicht, weil unsere inneren Kinder sich erkannt hatten. Ich glaube, dass so etwas möglich ist. Du wirst mehr über diese erstaunliche junge Dame in diesem Buch erfahren und sie genauso lieben lernen wie ich.

Das, was Joar der Welt schenkt, ist sehr viel mehr als nette, kleine Videos und schöne Fotos mit Kühen, Schweinen oder seiner Truthahn-Gang. Joar schafft etwas, das vielen Tierschutzorganisationen meiner Meinung nach bis heute nicht gelungen ist:

Dadurch, dass er uns an seinem Leben mit den Kühen teilhaben lässt, dürfen wir erkennen, dass sie genauso sind wie wir! Sie haben Gefühle, sie haben Humor, sie brauchen Nähe, Streicheleinheiten, Sicherheit und eine liebevolle Umgebung. Jedes Tier ist einzigartig im Wesen und in seiner Persönlichkeit. Jedes hat ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Sie kommunizieren untereinander und auch mit uns – und wenn wir ihnen mit dem Herzen lauschen, verstehen wir auch ihre Botschaft.

Joar zeigt die Tiere als das, was sie in Wahrheit sind: gleichwertige Bewohner dieser Welt, die mit uns verbunden sind. Was wir ihnen antun, tun wir auch uns an.

Dazu muss Joar nicht den moralischen Zeigefinger heben, mahnende Worte sprechen oder eindringlich immer wieder darauf hinweisen, dass das Leben dieser Geschöpfe genauso schützenswert ist wie unser eigenes. Sein Aktivismus ist leise, seine Liebe ist riesig. Seine Message schleicht sich durch die Hintertür und erreicht nicht bloß unseren Verstand mit guten Argumenten, die wir seit Jahren kennen. Sie erreicht unser Herz. Seine Perspektive verändert unsere Perspektive – und es ist fast unmöglich, eine Kuh weiterhin einfach als Kuh zu sehen, hat man sie einmal durch Joars Augen betrachtet.

Also mach es dir gemütlich, öffne dein Herz und freu dich auf eine abenteuerliche, inspirierende Reise und eine herzenswarme Begegnung zwischen einem Mann und seinen sieben Rindern. Und sei darauf gefasst, dass dieses Buch deine Beziehung zu diesen erstaunlichen Tieren für immer verändern wird. Und vielleicht auch in deinem Leben den einen oder anderen Stein ins Rollen versetzt, der dich deinem Lebenstraum einen Schritt näher bringt. Ich wünsche es dir.

Kathie Kleff

Coach, Podcasterin und Moderatorin

Prolog

Côte d’Azur, Frühling 2019

„Lass uns hier einen Kaffee trinken“, schlug Karsten vor, als wir die Promenade von Cannes passierten. Wir stellten das Auto ab und machten uns auf die Suche nach einem schönen Café. Wir waren nicht die Einzigen, die diese Idee hatten: Überall sahen wir schicke Autos mit offenem Verdeck und Menschen mit Sonnenbrillen, die das strahlende Wetter genossen.

Wir hatten Glück und fanden einen Platz in einem schönen Restaurant direkt am Meer. Von hier aus hatten wir einen tollen Blick und konnten das leise Rauschen der Wellen hören. „Es ist schon später Nachmittag. Hier in Frankreich trinken wir um diese Zeit einen Wein“, sagte ich grinsend. „Na gut, wenn das so ist“, antwortete Karsten und ließ sich gerne überreden.

„Ich bin gespannt, was hier los ist, wenn in ein paar Wochen die Filmfestspiele sind“, sagte ich mit einem gewissen Stolz, nachdem uns der Wein serviert wurde. Karsten verdrehte die Augen: „Das ist doch genau das Richtige für dich. Vielleicht lernst du ein paar Promis kennen und tauchst in die High Society ein. Zum Wohl!“ „Zum Wohl!“, erwiderte ich und fügte mit einem Lächeln hinzu: „Schön, dass du da bist.“

„Wie ist eigentlich das Nachtleben von Nizza?“, wollte Karsten wissen, mit dem ich in meinem Leben so manche Party gefeiert habe. Ich überlegte und dachte an die Stadt, die etwa eine Stunde nordöstlich von Cannes liegt. „Es ist ganz okay. So richtig aus war ich dort bisher aber selten. Nizza ist jedenfalls kein Vergleich zu Berlin oder Köln“, antwortete ich schulterzuckend. „Das ist wohl schwer zu toppen“, fügte Karsten hinzu.

Nach einer Weile blickte mich Karsten prüfend an. „Du bist echt gut in Form“, stellte er fest. „Danke“, antwortete ich grinsend, „ich habe hier sehr viel Zeit. Auch ohne deine Gesellschaft bin ich ziemlich oft im Fitnessstudio.“ Ich spannte meine Arme übertrieben an und forderte Karsten, der selbst wie gewohnt in bester Form war, scherzhaft zum Armvergleich auf.

„Nicht schlecht.“ Karsten machte eine anerkennende Geste. „Und was machst du sonst so den ganzen Tag hier, wenn du nicht gerade arbeitest oder im Studio bist?“, fragte er weiter.

„Ich bin viel am Meer mit dem Fahrrad oder zum Joggen, habe angefangen zu meditieren, bin in eine Online-Achtsamkeits-Akademie eingetreten, lese viel und mache einen Sprachkurs“, zählte ich auf.

Karsten, der etwa zehn Jahre älter ist als ich, schien beeindruckt. „Klingt so, als ob du langsam ruhiger wirst. Das war schon mal deutlich wilder“, erwiderte er lächelnd. „Aber du gehst ja auch langsam auf die vierzig zu.“

Später am Tag saßen Karsten und ich auf dem Balkon meiner Wohnung in Antibes, ein Ort an der Côte d’Azur, der zwischen Cannes und Nizza liegt. „Machen wir noch eine Flasche auf? Es ist gerade so schön hier“, fragte Karsten und ließ seinen Blick in die Ferne schweifen. „Warum nicht? Ich hole noch eine“, antwortete ich, ohne zu zögern. Ich ging in die Küche und nahm eine Flasche Rotwein aus dem Regal. Von draußen hörte ich Karsten weiterreden: „Wirklich erstaunlich, wie warm es hier im Frühjahr ist. Wenn ich da an die fiesen Temperaturen in Deutschland denke.“

„Oder hatten wir schon genug??“, rief ich grinsend Richtung Balkon und meinte es rhetorisch. „Wenn du schon mal zu Besuch bist, sollten wir morgen früh los, um die Gegend anzuschauen.“

„Ja, ja“, kam es von draußen zurück. „Wir haben heute ja schon einiges gesehen. Lass uns morgen gemütlich am Meer irgendwo frühstücken und dann etwas später nach Nizza aufbrechen.“

Ich hatte die Flasche natürlich längst aufgemacht und ging zurück auf den Balkon, auf dem unsere leeren Weingläser warteten sowie eine Käseauswahl, die wir am Nachmittag eingekauft hatten.

Ich schenkte Wein nach und dann schauten wir beide gedankenverloren über die Dächer von Antibes. Zwischen den Häusern ragten in der Dunkelheit einige schwarze Silhouetten von Palmen hervor, dahinter konnte man das Meer erahnen.

Die Gesellschaft meines besten Freundes Karsten tat mir gut. Es war erst das zweite Mal, dass er mich besuchte, seit ich meine Zelte in Deutschland ein halbes Jahr zuvor abgebrochen und hier einen Neustart gewagt hatte.

„Erinnerst du dich noch an Simone?“, unterbrach ich die Stille.

„Welche Simone?“ Karsten schaute mich fragend an.

„Die Simone mit dem Lebenshof im Sauerland, die Kuhkuscheln anbietet. Ich habe dir doch vor einiger Zeit erzählt, dass ich dort auch schon einen Kuhkuscheln-Gutschein eingelöst habe, den ich zu Weihnachten bekommen hatte. Erinnerst du dich? Und später war ich noch einmal dort, um das Fotoshooting mit den Kühen zu machen.“

„Ja, kann sein. Ich erinnere mich an die Bilder. Die waren ziemlich cool“, erinnerte sich Karsten. „Und was ist mit ihr?“ Ich sah Karsten an, dass er nicht verstand, wie ich ausgerechnet jetzt auf Simone zu sprechen kam.

„Ach, nur so ein Gedanke. Ich könnte hier in der Gegend eigentlich auch Kuhkuscheln als Touristenattraktion anbieten. So etwas gibt es an der Côte d’Azur bisher bestimmt noch nicht. Das könnte funktionieren“, erklärte ich meine Gedanken. „Meinst du nicht?“

„Dafür bräuchtest du halt Kühe“, antwortete Karsten trocken und schaute sich etwas belustigt in der Anlage des Wohnblocks um. Das einzige Grün, das es hier zu sehen gab, war ein kleiner Rasen mit ein paar gepflegten Palmen.

Ich folgte seinem Blick. „Schon klar“, schob ich nach.

Jeder in seine Gedanken verloren, schwiegen wir eine Weile. Dann setzte Karsten nach: „Womit wir mal wieder beim Thema Kühe wären. Das hatten wir ja schon lange nicht mehr.“

Zurück auf Anfang

Odenwald, 30 Jahre vorher

Widerwillig wartete ich an diesem Tag das Mittagessen ab. Und dann musste ich auch noch den Tisch abräumen. Dabei hatte ich es wirklich eilig. Schon der Vormittag in der Schule hatte sich in die Länge gezogen wie Kaugummi.

Als endlich alle aufgegessen hatten, brachte ich in Windeseile das ganze Geschirr, Besteck und die Töpfe in die Küche. Ich ärgerte mich, dass ausgerechnet ich heute wieder diesen Dienst übernehmen musste. Schließlich hatte ich ausreichend Geschwister und würde dadurch womöglich das Wichtigste verpassen. Es könnte jeden Tag so weit sein! „Du bist halt unser Aschenputtel“, zog mich einer meiner älteren Brüder auf, der meinen Ärger bemerkte.

Kaum war ich fertig, rannte ich aus der Haustür, schwang mich aufs Fahrrad und fuhr so schnell ich konnte ans andere Ende meines kleinen Heimatdorfes, das gerade mal rund dreihundert Einwohner zählte. Ich bog in die Einfahrt eines Bauernhofs ein, legte mein Fahrrad mitten auf dem Hof ab und rannte zum Kuhstall. Dort angekommen, riss ich die Tür auf, doch der Stall war komplett leer. Alle Kühe waren auf der Weide.

Schnell schloss ich die Tür wieder und ging direkt zum Kälberstall. Ein kurzer Blick und ich wusste: Es war noch kein neues Kalb da. Erleichtert atmete ich aus. Ich hatte nichts verpasst! Weder Rosa noch Molly hatten ihr Kalb bekommen. Während mein Puls sich langsam wieder normalisierte, begrüßte ich nach und nach die älteren Kälber, die inzwischen neugierig aus ihren Boxen schauten. Danach ging ich zurück auf den Hof.

Den Nachmittag verbrachte ich damit zu warten und mir die Zeit zu vertreiben. Ich spielte mit den Katzen und begleitete die Bauerntochter bei der täglichen Hofarbeit.

„Hast du schon einen Namen?“, fragte sie mich wohl wissend, wie groß meine Vorfreude war. Sie war gerade im Gemüsebeet zugange und ich saß neben ihr auf dem Boden mit einer der Katzen auf dem Schoß.

„Ja klar! Den verrate ich, wenn es so weit ist“, antwortete ich geheimnisvoll und mit strahlendem Lächeln.

Pünktlich um 17 Uhr war es an der Zeit, die Kühe von der Weide zu holen. Die Frage, ob ich den Bauern dabei begleiten wollte, stellte sich nicht. Also gingen wir gemeinsam den Berg hinter dem Haus hinauf, um zur Weide zu gelangen, die ein paar Hundert Meter weiter oben lag. Die trächtige Rosa stand ganz vorne am Tor und auch die meisten anderen Kühe versammelten sich schon am Ausgang und warteten darauf, abgeholt zu werden.

„Kann es sein, dass Rosa ganz vorne steht, weil sie bald kalben wird?“, fragte ich ungeduldig.

„Ich weiß es nicht. Wir werden sehen“, antwortete der Bauer ruhig und öffnete das Tor. Rosa ging voraus und auch die restliche Herde von rund fünfundzwanzig Kühen machte sich auf den Heimweg.

Im Stall angekommen, suchte jede Kuh fast automatisch ihren festen Platz, an dem sie angebunden wurde. Da gerade die jungen Kühe hin und wieder für Durcheinander sorgten, ging ich Platz für Platz durch und kontrollierte, ob alle richtig standen. Ganz vorne stand Alma, daneben Britta, dann kam Bettina. Bettina hatte unglaublich lange Hörner, die rechts und links aus ihrem Kopf ragten. Nur die ältere Generation der Kühe im Stall war noch behornt. Ein Großteil der anderen Kühe hatte damals bereits keine Hörner mehr. Diese wurden ihnen schon wenige Tage nach der Geburt entfernt, wie es auch in der heutigen Zeit in vielen Betrieben üblich ist, um die Verletzungsgefahr sowohl für den Menschen als auch für die Tiere selbst zu minimieren.

Einige Plätze weiter stand Maria. Maria war mit Vorsicht zu genießen und die einzige Kuh, vor der ich wirklich Angst hatte. Im Sommer, wenn die Kühe auf der Weide waren, senkte sie ihren Kopf, sobald man ihr dort zu nahe kam. Sie setzte dann den typischen „Stierblick“ auf und bewegte sich langsam nach vorne. Spätestens dann war es Zeit, das Weite zu suchen! Wenn sie mich so anschaute, stieg nicht selten ein Gefühl von Panik in mir hoch, bis ich endlich den rettenden Weidezaun erreichte. Ich rollte mich schnell darunter durch und war in Sicherheit. Trotzdem zog es mich immer wieder auf die Weide zurück.

Heute aber fühlte ich mich sicher, Maria war schließlich angebunden. Mit leichter Schadenfreude streichelte ich ihr über den Kopf. Begeistert war sie nicht.

Zwei Plätze daneben stand Rosa. Sie hatte bereits ein stolzes Alter von deutlich über zehn Jahren erreicht und ihre Trächtigkeit war nicht zu übersehen. Auch die hochschwangere Molly hatte ihren Platz ein Stück weiter gefunden. Es war also alles in Ordnung, jede Kuh stand auf ihrem richtigen Platz.

Der Bauer und seine Frau fingen direkt mit dem Melken an und ihre Tochter kümmerte sich um das Füttern der Kühe. Ich verweilte abwechselnd bei allen dreien, ging aber immer wieder an Molly und Rosa vorbei, um zu schauen, ob sich etwas tat. Es passierte leider absolut nichts. Meine Ungeduld war unerträglich. Die Beckenbänder waren bei beiden Kühen schon eingefallen, das konnte ich deutlich spüren, wenn ich mit der Hand darüberstrich. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass es mit der Geburt jederzeit losgehen kann. Bei Molly und Rosa aber schien sich einfach nichts zu tun.

Ein wenig enttäuscht ging ich etwas später ins Bauernhaus, das für mich bereits wie ein zweites Zuhause geworden war. Die Familie war gewohnt, dass ich dort ein- und ausging. Da wir selbst keinen Fernseher besaßen, nutzte ich hier die Gelegenheit, verschiedene Daily Soaps zu schauen, wozu ich ansonsten keine Möglichkeit hatte. Draußen war es bereits dunkel und ich war in eine Serie vertieft, als der Bauer die Haustür ein Stück öffnete. „Es geht los, Joar. Rosas Fruchtblase ist geplatzt“, sagte er fast beiläufig.

„Was??“, rief ich, sprang auf und rannte direkt in den Kuhstall. Tatsächlich: Rosa hatte sich hingelegt, die Fruchtblase hing an ihr herunter und ich konnte bereits die Vorderbeine des Kalbes sehen. Es war so weit – und ich hatte es nicht kommen sehen! Normalerweise kündigte sich eine Geburt durch ein auffällig nervöses Verhalten der Kuh deutlich früher an und zog sich dann oft über Stunden hin. Zum Glück hatte ich es nicht ganz verpasst!

Ich war schon oft bei der Geburt von Kälbern dabei gewesen. Doch heute war es anders. Ich lief aufgeregt hin und her, während der Bauer den Geburtshelfer, eine Art Zugstange, anlegte, sobald das Maul des Kalbes zu sehen war. Ab jetzt ging alles ziemlich schnell. Der Bauer band Stricke an die Beine des Kalbes und zog es mithilfe des Geburtshelfers innerhalb kürzester Zeit heraus.

Und dann war es da: ein braun-weiß geflecktes Kalb mit fast weißem Kopf. Nur die Ohren und kleine Kreise um die Augen waren ebenfalls braun. Es war komplett nass, verschleimt und hob orientierungslos den Kopf. Noch bevor die Nabelschnur durchtrennt wurde, hob die Bauerntochter ein Hinterbein des Kalbes an und schaute zu mir herüber. „Ein Kuhkalb“, war alles, was sie sagte. Sie wusste, wie sehr mir diese Frage auf der Seele brannte.

Jetzt war der Moment gekommen, auf den ich so lange gewartet hatte. Meine Gefühle überschlugen sich vor Aufregung. Ich setzte mich zum Kalb auf den Boden und beobachtete ihr Köpfchen, während die anderen sie trocken rieben und die Nabelschnur versorgten. Rosa hatte das Rennen um die erste Geburt gemacht. Sie hatte ein weibliches Kalb zur Welt gebracht, das nun mein Pflegekalb werden sollte. Das hatte mir die Bauernfamilie versprochen.

„Rexi“, sagte ich. Die anderen schauten mich an und ihre Blicke verrieten, wie sehr sie sich für mich freuten. „Sie heißt Rexi“, wiederholte ich, während ich ihr über den Kopf strich. Damals hatte ich natürlich noch keine Ahnung, dass dieser Moment der Beginn einer wundervollen Freundschaft war und Rexi auf eine ganz besondere Weise mein gesamtes Leben prägen würde.

Ein unterschätzter Ort

Es ist Samstagabend und während ich diese Zeilen schreibe, befinde ich mich an dem Ort, den ich schon als Kind so sehr geliebt hatte: eine Kuhweide.

Ein herrlicher Spätsommertag geht langsam zu Ende und die Sonne ist schon fast hinter dem vor mir liegenden Hügel verschwunden. Ich sitze vor meinem Bauwagen, den ich direkt am Waldrand unter den Bäumen platziert habe. Hier übernachte ich im Sommer öfter oder empfange Freunde. Von meinem Bauwagen aus kann ich einen Großteil der Weide überblicken, die sich großzügig über rund vier Hektar Fläche erstreckt.

Bis eben waren noch Freunde da gewesen, die mir, wie so oft, am Nachmittag zum Kaffee Gesellschaft geleistet hatten. Sobald sie gegangen waren, hatte ich meine Kopfhörer aufgesetzt, die Musik voll aufgedreht und die übliche Runde um die Weide gemacht, um zu prüfen, ob alle Zäune in Ordnung sind.

Bei meinen Runden ertappe ich mich häufig dabei, wie ich mich voller Leichtigkeit tanzend und singend fortbewege. So auch heute. Ganz oben auf der Anhöhe mit Blick auf das Tal hatte ich dann schmunzelnd daran denken müssen, wie ich früher in Clubs gefeiert hatte. Damals war ich beispielsweise im „Berghain“, Berlins bekanntestem Nachtclub, immer auf ein Podest geklettert, um beim Tanzen die Menge zu überblicken. Die Glücksgefühle dabei waren ähnlich – nur dass ich heute nüchtern bin.

Jetzt, beim Schreiben, halte ich immer wieder inne und lausche dem „Klang der Stille“: das Rauschen der Bäume, das Summen der Insekten und die unterschiedlichsten Laute der Vögel aus allen Richtungen.

Mein Blick schweift langsam über die hügelige Landschaft um mich, bis er auf einer kleinen Herde Rinder ruhen bleibt, die friedlich auf der Anhöhe grasen. Es sind sieben Rinder in unterschiedlichen Farben und Größen. Alles, was ich sehe, ergibt ein Bild, das durch die Abendsonne und die Tiere am Horizont eine besondere Magie erhält. Voller Dankbarkeit denke ich daran, welch Frieden mit diesen Tieren in mein Leben eingekehrt ist und welche Erfüllung dieser unterschätzte Ort im Einklang mit der Natur mit sich bringt.

Nach vielen bewegten, teilweise rastlosen Jahren während unterschiedlichster Lebenssituationen und -konzepte schließt sich der Kreis und führt mich genau hierher: zurück auf die Kuhweide.

Sonne, Strand und Meer

Antibes, Frühling 2019

Am nächsten Morgen saßen Karsten und ich wieder auf der Terrasse eines kleinen Restaurants direkt am Meer. Ich bestellte das klassische französische Frühstück bestehend aus Café au lait und Croissants und orderte noch ein Omelett dazu. Karsten entschied sich für einen Obstteller und einen großen Kaffee.

„Na, willst du hier immer noch Kuhkuscheln anbieten?“, fragte er mich grinsend, während wir auf das Frühstück warteten. Ich grinste zurück, verdrehte die Augen und winkte ab. Am Vorabend war das Gespräch noch dynamisch und voller Ideen, doch heute schien mir das alles ziemlich abwegig. Ich hatte wenig Lust, wieder darauf einzusteigen.

„Gerade ist wohl nicht die richtige Zeit“, dachte ich wie schon so oft in den Jahren zuvor, wenn ich mir mein aktuelles Lebenskonzept vor Augen führte. Sofort stellte sich ein Gefühl der Enttäuschung ein. Ich blickte aufs Meer hinaus und realisierte, wie schwer es mal wieder schien, meinen innerlichen Traum umzusetzen.

„Lass uns nach dem Frühstück mit dem Fahrrad am Cap d’Antibes entlangfahren“, schlug ich Karsten vor und schüttelte damit den trüben Gedanken ab. „Dann zeige ich dir das Hôtel du Cap-Eden-Roc, wo die internationalen Filmstars einkehren. Von dort oben haben wir einen super Ausblick. Auf dem Rückweg können wir dann in der Altstadt auf den Markt, da wolltest du ja gerne hin.“

„Hört sich gut an! Ich liebe französische Märkte“, antwortete Karsten, der ein großer Frankreichfan ist. „Und nach dem Lunch fahren wir dann weiter nach Nizza.“

„Gerne. Dort können wir heute Abend auch essen und anschließend irgendwo noch etwas trinken gehen“, ergänzte ich unseren Plan und hakte nach: „Wann geht dein Flieger?“

„Morgen früh um 10 Uhr“, antwortete Karsten. Er setzte einen schiefen Blick auf. Ich verstand sofort und erwiderte grinsend: „Okay, die Clubs lassen wir heute wohl lieber aus.“

Einige Tage später saß ich an meinem Lieblingsplatz, einem Steg aus Steinen mit einem kleinen Plateau, der einige Meter auf das Meer hinausging, und blickte auf das türkisblaue Wasser hinaus. Der Platz lag etwas abseits einer Bootsanlegestelle, sodass ich hier fast immer ungestört war. Von hier aus konnte ich sowohl das Cap als auch den Strand von Antibes in der Ferne sehen.

Karsten war nun schon seit ein paar Tagen wieder zu Hause. Geblieben war der Gedanke an meinen größten Traum. Nachdenklich schaute ich mich um. Es war alles wunderschön und ich wusste um mein Privileg, all das an diesem pittoresken Ort erleben zu dürfen. Ich hatte so vieles vor der Tür, wovon viele Menschen träumen. Doch trotzdem machte sich gleichzeitig ein Gefühl der Ernüchterung in mir breit.

Ich dachte nach: „Wenn ich etwas ändern wollte, wäre das hier überhaupt möglich? Ich könnte vielleicht ins Hinterland ziehen und möglicherweise ein paar Minischweine und Hühner halten.“ Ich stellte mir ein kleines Häuschen im Grünen vor.

Eines ließ sich jedenfalls nicht mehr ignorieren: Wieder einmal ertappte ich mich dabei, wie sich mein Wunsch von einem Leben nah an der Natur in tierischer Gesellschaft in den Vordergrund gedrängt hatte. Und wieder einmal schob ich den Gedanken daran beiseite. „Es ist alles gut so, wie es ist. Wer kann schon sagen, ein Homeoffice unter Palmen zu haben? Ich bin ja noch nicht mal ein ganzes Jahr hier, ich sollte das jetzt erst einmal genießen“, versuchte ich mich selbst zu erinnern. Entschlossen legte ich mir eine geführte Meditation auf die Ohren. Das war inzwischen zu einem fast täglichen Ritual geworden und der Ort, an dem ich saß, war die beste Umgebung dafür. Im Schneidersitz, mit geschlossenen Augen und in Richtung Sonne gewandt, lauschte ich einer Stimme, die mich geduldig ermahnte, meine Gedanken ziehen zu lassen und mich auf meinen Atem zu konzentrieren. Was mich sonst so entspannte, fiel mir heute jedoch schwer. Sehr schwer. Schließlich hielt ich inne und gestand mir resigniert ein, dass ich zwar die Überlegungen um die Minischweine und Hühner kurz beiseitegeschoben hatte, diese aber im Nu durch stärkere Bilder ersetzt worden waren. Und zwar durch solche, die viel hartnäckiger waren – und die absolut keine Anstalten machten, weiterzuziehen.

Die fixe Idee von Kuhkuscheln war wieder da. So abwegig sie auch klang, hatte sie etwas losgelöst, das unweigerlich dazu führte, dass Rexi und all die anderen Kühe aus meiner Kindheit vor meinem inneren Auge wieder zum Leben erwacht waren. Auch die Erinnerungen an meine Erlebnisse auf dem Lebenshof von Simone vor einiger Zeit hatten längst wieder einen festen Platz in meinen Gedanken eingenommen.

Ich brach die Meditation ab und öffnete die Augen. „Was tue ich hier eigentlich?“, fragte ich mich selbst. Die Meditation war in keinem Fall das richtige Ventil, mit meiner inneren Zerrissenheit umzugehen. Kurz überlegte ich, mich im Fitnessstudio auszupowern, eines der spirituellen Bücher zu lesen, die ich dabeihatte, oder mich auf einen Wein in Nizza zu verabreden. Doch weil sich eine zu starke innere Unruhe in mir breitmachte, tat ich nichts von alledem. Stattdessen legte ich die Kopfhörer weg und erlaubte mir zum ersten Mal, dem starken Impuls nachzugehen, ganz bewusst auf mein Herz zu hören. Ich klappte meinen Laptop auf, öffnete PowerPoint und startete eine neue Präsentation. Dann blickte ich lange gedankenverloren auf das leere erste Slide. Ich hatte keine Ahnung, was genau ich eigentlich vorhatte, als ich den Arbeitstitel eintrug:

„Plan B: Kuhkuscheln“

Ganz intuitiv begann ich damit, meinen Traum zu visualisieren, während ich dort am Meer saß. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nicht die geringste Vorstellung davon, welche enorme Kraft diese Gedanken mit sich bringen würden, wie sich später herausstellen sollte.

Plan B: Kuhkuscheln

Es hatte sich etwas verändert. Das merkte ich bereits, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Ich spürte, es würde ein besonderer Tag werden. Fast so, als hätte ich Geburtstag. Ich war voller positiver Energie und konnte es kaum abwarten, meinen Traum weiter zu „Papier“ zu bringen.

An der Côte d’Azur hatte ich bisher keine einzige Kuh entdeckt und war deshalb umso überraschter, als ich im Internet eine „Ferme“ ganz in der Nähe fand, die man besuchen konnte. „Was eignet sich besser für die Recherche als ein echter Bauernhof?“, dachte ich. Ich zögerte nicht lange und machte mich noch am gleichen Tag auf den Weg dorthin.

Auf dem Hof angekommen, wurde ich freudig von einem Minischwein und einer jungen Ziege begrüßt. Ihre Freude sprang innerhalb von Sekunden auch auf mich über und ließ mein Herz höherschlagen. Mit leuchtenden Augen entdeckte ich ringsherum immer mehr Tiere, darunter Schafe, Puten und eine ganze Schar Hühner.

Ich setzte mich auf den Boden und hatte alle Hände voll damit zu tun, einige der Tiere ausgiebig zu streicheln. Die Zeit verging wie im Flug, während ich dort auf der bloßen Erde saß und jede einzelne Minute genoss. Vertraute Kindheitserinnerungen wurden in diesem Moment inmitten der tierischen Gesellschaft freigesetzt und erfüllten mich mit unglaublichen Glücksgefühlen.

Nach einer Weile hob ich den Kopf und schaute mich um. Wo waren die Kühe, die ich auf der Website gesehen hatte? Ich wunderte mich. War ich auch durch die Begegnungen mit den vielen Kleintieren eine Zeit lang abgelenkt gewesen, so hatte ich mich auf die Kühe am meisten gefreut. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich die Herde Hochlandrinder schließlich etwas abseits in einem kleinen abgezäunten Bereich fand, der für Besucher leider nicht zugänglich war. Ich ging zum Zaun und beobachtete die Tiere aus der Ferne. Ein Gefühl der Enttäuschung machte sich breit. Die Realität schien überhaupt nicht so zu sein, wie ich es mir in meinen Träumen ausmalte. Mitleidig betrachtete ich die Tiere, die in einem trostlosen Areal herumstanden und an Gesellschaft kein Interesse zu haben schienen.

Auf dem Weg zurück zu meinem Auto drehte ich mich noch einmal um und ließ den Blick über den Hof schweifen: Er befand sich ein Stück weiter im Hinterland der Côte d’Azur, hoch gelegen in einem trockenen, felsigen Gebiet. Am Horizont konnte ich den Jachthafen erblicken. „Die Kühe haben Meerblick“, stellte ich fest, konnte mich aber nicht daran erfreuen. Stattdessen war mir die bedrückende Ironie in diesem Gedanken bewusst. Nachdenklich nahm ich die Flora und Fauna mit verändertem Blick wahr. Hier gab es das Meer, viel Sonne, den Strand und die Palmen – kaum aber Laubwälder oder Wiesen, auf denen ich mir saftiges Gras und Kuhherden vorstellen konnte.

Später auf der Rückfahrt sprudelten meine Gedanken in meinem Kopf um die Wette. Wie auf einer geheimen Mission hatte ich mir während des Besuchs viele imaginäre Notizzettel geschrieben, die nun in meinem Kopf herumschwirrten. Zu Hause angekommen, schnappte ich mir meinen Laptop und tauchte wieder in die Visualisierungen ein, inspiriert durch die Begegnungen, Eindrücke und Erkenntnisse des Tages.

Ich hatte bis dato keine Vorstellung davon, wie sich der Wunsch von eigenen Kühen umsetzen lassen würde. Für mich war klar: Eine herkömmliche Nutztierhaltung kommt nicht infrage. Ich wusste zu dieser Zeit bereits, dass meine zukünftigen Kühe einen Stellenwert in meinem Leben einnehmen würden, der derartige Konzepte ausschloss. Hinzu kam: Ich hatte keine Option auf Hof und Land, keine Kontakte mehr zu Personen aus der Landwirtschaft oder anderen Kuhliebhaber:innen und war vor nicht allzu langer Zeit an einen Ort ausgewandert, an dem Kühe wenig Platz hatten. Das war mir inzwischen ziemlich klar geworden. Alles, was ich hatte, waren die Erinnerung an eine glückliche Kindheit und eine Verbundenheit zu Kühen und anderen Tieren, die trotz der vielen Jahre „in einer anderen Welt“ nie ganz verschwunden waren. „Wahrscheinlich der wertvollste Ausgangspunkt“, dachte ich und suchte Fotos zusammen, die mich als Kind zusammen mit Rexi zeigten. Diese wollte ich als Rückblick in meine PowerPoint-Präsentation einfügen. Ich schaute jedes einzelne Bild eindringlich an und verlor mich darin, während Erinnerungen zum Leben erweckt wurden …

Gemeinsam rannten Rexi und ich voller Leichtigkeit über die saftige Wiese. Voller Freude beobachtete ich Rexi dabei, wie sie umhertobte und übermütige Bocksprünge machte. Immer wieder rannte sie bis zum Ende der Weide davon, blieb einen Moment stehen und hob den Kopf, während sie mich mit ihrem Blick fixierte, um dann zum Sprint anzusetzen und wieder auf mich zuzurennen.

Nach einiger Zeit des fröhlichen Spielens war die Energie des Kälbchens aufgebraucht und sie ließ sich unvermittelt neben mir ins Gras fallen. Ich legte mich zu ihr und wir kuschelten gemeinsam, bis sie schließlich in meinem Arm einschlief.

Nach Rexis Geburt war kaum ein Tag vergangen, den wir nicht zusammen verbracht hatten. Wir machten gemeinsam unzählige Ausflüge rund um den Hof. So entstand auf eine ganz natürliche Weise eine enge Freundschaft mit besonderer Vertrautheit. Wir wurden zu einem Team, auf das ich mächtig stolz war und von dem ich jedem begeistert erzählte.

„Können wir Rexi besuchen?“, fragte ich eines Tages meine Lehrerin in der vierten Klasse. „Einverstanden“, antwortete sie „Wir machen einen Ausflug und du zeigst uns, wo sie lebt.“ Ich führte die Klasse über die Feldwege an die Stelle, an der Rexi und die anderen jungen Rinder ihren ersten Sommer auf der Weide verbrachten. Voller Stolz präsentierte ich meine Kuhfreundin, die inzwischen zu einem jungen Rind herangewachsen war. Wohl etwas übermütig kam ich spontan auf die Idee, auf ihr zu reiten. „Joar, das ist doch sicher gefährlich. Was ist, wenn du runterfällst?“, mahnte die Lehrerin streng. „Ach Quatsch, ich reite oft auf ihr“, log ich.

So kam es, dass ich mich zum ersten Mal auf Rexis Rücken setzte. Einfach so. Intuitiv war ich sicher, dass mir nichts passieren wird. Und so war es auch. Rexi schien nicht einmal verwundert darüber zu sein und lief, mit mir auf ihrem Rücken, gemütlich umher, um weiterzugrasen.

Während ich die Bilder durchsah, wurden all diese Erinnerungen wieder präsent. Das Gefühl von tiefem Vertrauen, bedingungsloser Liebe und einer Freundschaft, für die es keine Worte bedurfte, war wieder spürbar, als wäre es gestern gewesen. Es wühlte mich auf und entfachte gleichzeitig eine starke Sehnsucht, genau dieses Gefühl wieder zu erleben, das meine Freundschaft zu Rexi und den anderen Kühen mit sich brachte.

Die Arbeit an der Präsentation war wie eine Sucht. All meine Energie floss hinein. Slide für Slide zeigte sich, was ich mir all die Jahre nicht auszumalen getraut hatte. Aus der Idee „Kuhkuscheln“ als Touristenangebot an der Côte d’Azur anzubieten, wurde nach und nach ein Lebensgefühl. Ein Gefühl, untermalt mit vielen Bildern und Symbolen, die für Tiere, Menschen und andere Dinge standen, die mir für mein zukünftiges Leben wichtig erschienen.

„Plan B: Kuhkuscheln“ – ich schaute die fertige Präsentation durch. Mit nur wenigen Worten und vielen einfachen Symbolen stellte sich auf einfache Weise ein klares Zielbild dar: eine Vision voller Lebendigkeit, die eine immense Energie in sich barg und mich in diesem Moment mit starker Zuversicht erfüllte.