Kuscheltherapie - Elisa E. Meyer - E-Book

Kuscheltherapie E-Book

Elisa E. Meyer

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Beschreibung

Im zweiten Buch zur Kuscheltherapie tauchen wir in die Tiefe dieser neuen Therapieform ein: In welcher Tradition steht sie? Wie funktioniert sie genau? Was ist die Wirkung bei den Klienten, von kurz- bis langfristig? Wogegen genau kann Kuscheltherapie helfen? Warum ist Kuscheltherapie besonders jetzt wichtiger denn je? Diese und weitere Fragen werden im Buch behandelt. Dabei kommen auch Klienten selbst zu Wort. Elisa Meyer schildert dazu ihre eigene Perspektive als langjährige Kuscheltherapeutin. Auch über neue Kuschelpositionen könnt ihr euch freuen!

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Seitenzahl: 247

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Elisa E. Meyer ist Kuscheltherapeutin aus Leipzig. Sie wurde 1986 in Luxemburg geboren. Sie studierte Germanistik und Philosophie in Freiburg, anschließend promovierte sie in Wien zum Werk von Robert Musil und dem Thema „Leibliche Identität“. Als Kind von zwei Therapeuten begann sie früh mit der Erforschung des eigenen therapeutischen Weges. Sie arbeitet mittlerweile als Heilpraktikerin für Psychotherapie mit Reiki, Holistic Bodywork, mit biodynamischer Körpertherapie und als Sterbebegleiterin. Seit 2015 setzt sie sich mit Kuscheltherapie in Theorie und Praxis auseinander. 2018 gründete sie das Unternehmen „Die Kuschel Kiste“. 2019 erschien ihr erstes Buch „Berührungshunger“ über die Wirkung von Berührung im Allgemeinen und den Beruf Kuscheltherapeut im Speziellen.

„Beim Kuscheln wird die alte, negative Erfahrung durch eine positive Körpererfahrung überschrieben.“ Kuschelklientin

„Es fühlt sich an, also sei das für mein inneres Kind. Jetzt fühle ich mich irgendwie aufgetankt.“ Kuschelklientin

„Sex ist nichts dagegen.“ Kuschelklient

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Berührung in der klassischen Körperpsychotherapie

Wilhelm Reich

Körperpsychotherapie

Schematherapie

Bonding

Kuscheltherapie

Sackgasse Psychiatrie

Berührungsmangel

Warum kommen Klienten?

Biologische Auswirkungen

BIQ

Biochemische Auswirkungen

Ersatzhandlungen

Studien über Kuscheln, die es noch geben sollte

Wirkung von Kuscheltherapie

Zucken und Zittern: Körperliche Reaktionen

Unsere Umfrage zur Wirkung von Kuscheltherapie

Demographie

Wirkung des Kuschelns währenddessen

Kurzfristige Wirkung von Kuscheltherapie

Mittelfristige Wirkung von Kuscheltherapie

Langfristige Wirkung von Kuscheltherapie

Weitere Symptome/Effekte der Kuscheltherapie

Die Wirkung von Kuscheltherapie in Fallbeispielen

Kuscheltherapie bei Trauma

Kuscheltherapie bei sexuellem oder körperlichem Missbrauch

Kuscheltherapie bei sozialer Isolation

Kuscheltherapie bei Depression und Suizidgedanken

Kuscheltherapie bei Angstzuständen

Kuscheltherapie bei Burnout

Kuscheltherapie für Absolute Beginners

Kuscheltherapie gegen Berührungsmangel in der Kindheit

Kuscheltherapie und Handicap

Kuscheln mit Menschen mit kognitiver Einschränkung

Kuscheln im Alter - Kuscheln als Trauerbegleitung

Kuscheltherapie bei Sexsucht

Grenzen der Kuscheltherapie

Kontraindikation

Neue Kuschelpositionen

Kategorie 1 – Kuschelpositionen mit Distanz

Kategorie 2 – Innige Kuschelpositionen

Kategorie 3 – Intensive Positionen

Danksagung und Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

In meinem ersten Buch habe ich dir die Basics von Berührung und deren Wirkung näher gebracht. In diesem Buch will ich dir neue Erkenntnisse zur Kuscheltherapie und über die Krankheit „Berührungsmangel“ vermitteln.

Damit sind die Auswirkungen von zu langer Isolation gemeint, wenn die Haut keinen Input bekommt, wenn man niemanden berührt und nicht berührt wird. Gerade zu „Corona-Zeiten“ war und ist das ein wichtiges Thema, nicht nur wegen der kurzfristigen Folgen, sondern auch wegen der Spätfolgen.

Ich beginne mit einem kurzen historischen Rückblick, um die Kuscheltherapie in die Geschichte der Therapieverfahren einzuordnen. Dazu gebe ich dir einen Überblick über einige Therapieformen, die wesentlich mit Berührung arbeiten.

Dann geht es weiter mit dem Themenkomplex Berührungsmangel: Was aus unserer Sicht alles in Folge von zu wenig Berührung mit deinem Körper aber auch mit deinem Geist passiert. All diese Symptome können wir Kuschler bei unseren Klienten regelmäßig beobachten, ich habe also nichts „dazuerfunden“.

Im zweiten Hauptteil komme ich zu den möglichen Wirkungen von Kuscheltherapie. Dazu präsentiere ich die Ergebnisse aus der Umfrage, die seit zwei Jahren läuft. Hier schildern Klienten der Kuschel Kiste ihre Erfahrungen mit der Kuscheltherapie. Ich habe den freien Teil, wo die Befragten ihre eigenen Worte verwenden konnten, für dich aufbereitet. Dann kommen einige Fallbeispiele. Einige Klienten haben mir dankenswerterweise Protokolle von unseren Sitzungen geschickt, in denen sie ihre Erfahrungen schildern. Nach einer Darstellung der problematischen Ausgangssituationen berichten sie selbst, welche Veränderungen sich durch das Kuscheln ergeben haben.

Anschließend gibt es einige Kuschelpositionen, wie du es auch schon aus dem ersten Buch kennst. Diesmal sind es neben ein paar leichten Positionen für den Einstieg eher intensive Positionen, die wir nicht unbedingt mit Anfängern machen. Ich gebe damit einen intimen Einblick in die alltägliche Praxis eines Kuscheltherapeuten. Die Positionen sind oft spontan im Zuge der Kuscheltherapie entstanden, manchmal durch Impulse der Klienten. Es sind die Positionen, in denen sich die größte positive Wirkung entfaltet.

Wie du bemerkt hast, verwende ich der Einfachheit halber und zwecks besserer Lesbarkeit die Form Kuschler, Kunden, Klienten usw. Damit sind immer alle Geschlechtsidentitäten mitgemeint.

Ich wünsche dir viel Freude beim Lesen!

Berührung in der klassischen Körperpsychotherapie

Berührung als therapeutische Maßnahme gibt es natürlich nicht erst seit der Kuscheltherapie. Schon länger beschäftigen sich auch klassische Therapieformen mit der Wirkung von Berührung. Als neue Form muss sich auch die Kuscheltherapie erst einmal durchsetzen. Wenn du dich tiefer mit den einzelnen Formen auseinandersetzt, wirst du immer wieder lesen, dass auch diese anfangs Schwierigkeiten hatten, sich gegen den Mainstream durchzusetzen.

Wilhelm Reich

Historisch betrachtet ist es sinnvoll, bei dem Thema Körpertherapie in der westlichen Welt mit Wilhelm Reich zu beginnen, wenn wir uns auf die Neuzeit konzentrieren. Er war Psychiater, Psychoanalytiker, Sexualforscher und Soziologe. Mit seinem Namen schwingt in manchen Kreisen eine gewisse Peinlichkeit mit, so wie wenn man Osho zitiert oder andere Gurus, die keine blütenweiße Weste hatten. Reich ist durch seine Persönlichkeit und seinen Lebenslauf in die Schusslinie geraten, anders als Freud zum Beispiel, der sich durch einen eher langweiligen Lebensstil hervorgetan hat. Anders Reich, der nicht nur an seine Patienten Hand anlegte und das auch noch als therapeutisch bezeichnete, sondern auch noch gewagte Theorien zum Orgasmus, zur Sexualenergie hatte. Ich spreche hier aus der Kritikerperspektive. Nichtdestotrotz war er derjenige, der viele Therapeuten nach ihm inspirierte, den Körper durch Bewegung und Berührung zu aktivieren und zu heilen. Falls du Lust hast, dich mit dieser schillernden Persönlichkeit zu beschäftigen, es gibt dazu einiges an Literatur und langweilig wird dir dabei sicher nicht.

Besonders interessant für uns ist die körperorientierte Vegetotherapie. Mit der Charakteranalyse als Grundlage arbeitete Reich daran, den Energiefluss im Körper seiner Patienten wieder ins Fließen zu bringen. Wenn du Begriffe wie „rigide, masochistisch, psychopathisch, oral“ hörst, dann beziehen diese sich im Kontext der Körpertherapie auf die Körper- und Charakterstruktur, also wie sich der Körper im Laufe des Lebens und durch die Erfahrungen geformt hat. Also wie eine Art weicher Teig (als Baby), der im Laufe der Zeit eine immer festere Form bekommt, bis er irgendwann ganz hart wird, wie ein Panzer (als Erwachsener). Diesen Panzer wieder aufzulösen ist eins der Hauptziele Reichs gewesen.

Bitte merke dir, dass Reich als Erster die (Freud’schen) psychischen Neurosen und Charakterstrukturen auch im Materiellen verkörpert sah. Wenn ich also einen masochistischen Charakter habe, also viel aushalte, ohne etwas zu sagen, so sah er das auch an einem sehr festen Stand, einem viereckigen Körperbau usw. Die Muskeln verspannen sich je nach Erfahrung und „Auswahl“ der Charakterstruktur an verschiedenen Stellen. Zum Beispiel werden die Schultern hochgezogen, der Kopf eingezogen oder die Brust wird rausgestreckt. So erkannte Reich und viele Körpertherapeuten nach ihm die Körperstruktur des Patienten.1

Wie funktioniert nun also die Vegetotherapie? Reich entwickelte verschiedene Methoden der Berührung, der Massage, der Atmung, der Bewegungsübungen, um die verspannten Stellen im Körper von ihrer Last und der gespeicherten energetischen Ladung zu befreien. Er bemerkte, dass es zu spontanen Abreaktionen kam, zu energetischen Entladungen, und sich so mit der Zeit der starre Muskelpanzer der Patienten löste. Gleichzeitig verschwanden die psychischen Probleme, zum Beispiel die Neurosen. Er erfand also eine Psychotherapie mit körperlichen Elementen, die ein doppeltes Ziel verfolgte: Den Körper und die Seele zu heilen.

Damit inspirierte er viele weitere Körpertherapeuten, die aus seinem Konzept heraus eigene Methoden entwickelten. Hier sind vor allem Alexander Lowen und Gerda Boyesen zu nennen. (Bioenergetik und Biodynamik) Mehr zu diesen im nächsten Kapitel.

1 Als Lektüre kann man hier zum Beispiel „Charakteranalyse“ von 1933 empfehlen.

Körperpsychotherapie

„Nachdem ich einmal begriffen hatte, daß diese Massagetechnik am Körper analog zu einer richtigen Psychoanalyse arbeitete, wurde mein Interesse immer größer, herauszufinden, was auf der physiologischen, der körperlichen Ebene wirklich vor sich geht, wenn ein Konflikt verdrängt wird, oder was geschieht, wenn ein Konflikt in der Therapie gelöst wird. […] Im Bülow-Hansen-Institut erlebte ich den Heilungsprozeß der Neurose rein auf der körperlichen Ebene, anhand unzähliger Beispiele.“ Gerda Boyesen, Über den Körper die Seele heilen. S. 44

Widmen wir uns nun den Nachfolgern von Wilhelm Reich. Hier gab es einige inspirierte Therapeuten. Die zwei wichtigsten Methoden sind die Bioenergetik und die Biodynamik. Ich nehme als Beispiel die Biodynamik, da ich selbst hierin ausgebildet bin. Biodynamik ist eine Körperpsychotherapie. Am Anfang steht die Anamnese, wie bei einer klassischen Psychotherapie. Der Therapeut versucht zu einer vorläufig korrekten Analyse und Einordnung des Problems zu kommen. Anstatt sich des Problems verbal zu nähern, geht es bei der Körperpsychotherapie darum, das Problem im Körper zu lokalisieren. Gedanken und Emotionen stecken meistens in verschiedenen Körperregionen fest, da sie dort beim ersten Mal erlebt und gespeichert werden. Zum Beispiel verursacht ein Gedanke Bauchschmerzen und umgekehrt: mit den Bauchschmerzen kommt immer ein bestimmter Gedanke. Dazu braucht es aber eine gute Körperwahrnehmung, was natürlich nicht bei allen Patienten gegeben ist. Deswegen ist der nächste Schritt meistens eine Körperwahrnehmungsübung, wo erst einmal die Verbindung zwischen Verstand und Körper hergestellt wird. Wird dieser Schritt übersprungen, kann der Patient schnell frustriert oder überfordert sein. In einem nächsten Schritt wird der Therapeut nun zusammen mit dem Patienten die Körperstelle selbst behandeln. Es handelt sich dabei nicht um eine Wohlfühlbehandlung, wie man das von der Wellness-Massage kennt, oder eine medizinische Behandlung, wie man sie vom Physiotherapeuten gewohnt ist. Nein, der Therapeut berührt oder massiert zwar, dabei geht es aber vorranging um die dadurch ausgelösten Gefühle und die damit verbundenen Reaktionen im Körper.2 Diese soll der Patient dem Therapeuten schildern, damit dieser wieder reagieren kann. Die Biodynamik zielt auf eine Lösung der Blockaden auf vegetativer Ebene ab. Das bedeutet, die Muskeln und andere Schichten des Körpers, wo die Blockade sitzt, werden so lange bearbeitet, bis sich die blockierte Energie löst und entlädt.

„Der Ort, wo die Blockierung lokalisiert war, der Punkt, an dem man ansetzen mußte, war der Muskel. Die Muskelspannung, die zunächst im Konfliktfall eine ganz normale und organische Reaktion darstellt, müßte sich mit veränderter Situation wieder lösen. Aufgrund des Konflikts aber werden die Spannungen chronisch aufrechterhalten, und sie sind eng verbunden mit einer Hemmung der vegetativen Entladung.“ Über den Körper die Seele heilen, S. 42

„Vegetativ“ bedeutet unbewusst ablaufende grundlegende Körperreaktionen wie Temperatur, Atem usw. Vegetative Entladung können also Folgendes bedeuten: Zittern, Schwitzen, Zuckungen und Ähnliches. Es können auch andere spontane Reaktionen auf emotionaler Ebene hochkommen, zum Beispiel Wutanfälle, Trauer, Weinkrämpfe oder Angst. Der Therapeut wird diese Reaktionen beobachten und in einem sicheren Rahmen begleiten bzw. lenken. Das Ausleben, also die Entladung, steht im Mittelpunkt, dann kommt das Halten oder Aushalten. Nach einer Weile wird der Patient wieder ruhiger und reguliert sich selbst mit mehr oder weniger Hilfe vom Therapeuten. Das entspricht auch Reichs Zyklus von Aufladung, Ladung, Entladung und Ruhe. Anschließend folgt die Integration. Das kann erst einmal durch körperliches Ausruhen sein, dann aber auch die Reflexion zusammen mit dem Therapeuten. Was ist passiert? Warum ist es passiert? Was kann ich daraus lernen? Wie gehe ich mit den Gefühlen um, die anschließend auftauchen? Was passiert nun in meinem Alltag, jetzt wo ich ein neues Körpergefühl habe?

Die Integration ist ein wesentlicher Bestandteil der Körperpsychotherapie wie auch sonst in den meisten Therapieformen. Der Erfolg besteht darin, dass der Fortschritt, der im Körper stattfand, anschließend richtig im Geist und in der gesamten Persönlichkeitsstruktur verankert wird. So passiert Entwicklung.

Neben der Biodynamik gibt ist noch die „Körperpsychoanalyse“ von Tilman Moser zu erwähnen. Auch dies ist ein interessantes Konzept, das ebenfalls auf Reich basiert. Es ist, wie der Name schon sagt, eine Mischung aus Körpertherapie, siehe Wilhelm Reich, und der Psychoanalyse, wie wir sie von Siegmund Freud kennen. Wie sieht das genau aus? Der Therapeut führt zuerst längere Gespräche mit dem Klienten, bis klar ist, worum es geht. Dann schlägt der Therapeut eine passende Berührung vor. Der Klient kann sich diese zunächst vorstellen und dann entscheiden, ob er es ausprobieren will. Die Berührung wird nun ausgeführt. Sie kann sehr still und sanft sein, oder aber mit viel Druck und Bewegung ausgeführt werden. Moser beschreibt in seinem Buch 26 verschiedene Berührungen und Kuschelpositionen, die er in seinem Therapeutenalltag anwendet. Dann gibt es eine Reflexionsphase, in welcher der Klient nachspüren kann, was die Berührung bewirkt hat. Dies wird dann wieder therapeutisch durch Gespräche integriert. So gibt es nun immer wieder abwechselnd Gespräch und Berührung. Pro Sitzung wird meist eine Berührung oder eine Position ausgeführt, damit die Integration genug Zeit hat. Die Kombination aus Kopf- und Körperarbeit finde ich bemerkenswert. Hier in seinen eigenen Worten:

„Ich wähle aus unter einer Reihe von Berührungsformen, die sich für spezifische Konflikt- und Regressionsformen als hilfreich erwiesen haben. […] Zu Beginn ist es in der Regel der Therapeut, der einen Vorschlag macht. Dieser wird natürlich nicht sofort ins Werk gesetzt, sondern man kann dem Patienten ein Bild, eine Interaktions-Phantasie, eine Berührungsform vorschlagen und fragen, was das mit ihm macht. Neben Übertragung und Gegenübertragung sind es oft auch äußere, körpersprachliche Zeichen, die den Therapeuten orientieren: Bewegungsimpulse, plötzlich auftretende Schmerzen, Veränderungen des Atems, der Stimme oder der Haltung und die wichtigen Selbst-zu-Selbst-Bewegungen. Letzteres bedeutet, daß der Patient, ohne es zu merken, Berührungen an sich selbst vornimmt, die er, oft vergeblich, von einer Pflegeperson erhofft hat und die nun auch seinem Selbsttrost dienen. Mit einem solchen Berührungsangebot kann sich der Patient auch erst einmal wochen- oder monatelang auseinandersetzen, ehe er darauf zurückkommt.“ (Moser, Berührung auf der Couch, S. 26.)

Tilman Moser setzt sich auch ausführlich mit dem Thema Sexualisierung der Berührung zwischen Therapeut und Klient auseinander. Schließlich ist er durch die strenge Ethik der Psychoanalytiker geprägt und hat selbst den Ausschluss aus den eigenen Reihen erleben müssen. Der prägendste Satz dazu lautet: „Die wichtigste These der analytischen Körperpsychotherapie lautet: Die Berührung dient der Entsexualisierung.“ (S. 22.) Im späteren Kapitel „Kuscheltherapie gegen Sexsucht“ werde ich noch genauer darauf eingehen. Außerdem schreibt er den treffendsten Satz überhaupt über die körperliche Interaktion zwischen Therapeut und Patient: „Die bedrohliche Variable liegt in der gefährdeten und bedürftigen Psyche der Therapeuten.“ Wenn dieser dich Diskurs interessiert, kann ich dir sein Buch „Berührung auf der Couch“ empfehlen.

2 Bei der Bioenergetik geht der Therapeut ähnlich vor, nur dass hier nicht mit Berührungen, sondern hauptsächlich mit Bewegungsübungen gearbeitet wird. Der Patient selbst bewegt sich, strengt sich an, verbiegt sich, bis entsprechende Emotionen aus dem Körper herausgespült werden.

Schematherapie

In diesem Kapitel geht es um die Schematherapie, dessen Begründer Dr. Jeffrey Young ist. Das Hauptmerkmal dieser Therapieform ist es, dass man die Schemata oder Muster (Modi) ergründet, die in einem stecken. Man geht davon aus, dass jeder Mensch unterschiedliche Anteile in sich hat, zum Beispiel kindliche und erwachsene, die unser Verhalten bestimmen. Bei Persönlichkeitsstörungen hat ein bestimmter Anteil die Regie übernommen, der nicht gut für uns ist. Er macht uns das Leben schwer.

Besonders interessant für uns Kuscheltherapeuten: Young geht davon aus, dass in einer bestimmten Phase der Therapie Berührung zwischen Patient und Therapeut hilfreich sein kann. Mit Berührung meint er vor allem zwei Kuschelpositionen: Einmal die seitliche Umarmung, also Arm über Schulter. Einmal frontale Umarmung, ohne zu engen Körperkontakt. Dabei übernimmt der Therapeut im Idealfall die Rolle eines Elternteils, wenn der Patient sich als bedürftiges Kind fühlt. Was passiert bei dieser Art der Berührung?

„Die positiven Wirkungen können bei schwerkranken Patienten, die niemals zuvor in den Arm genommen wurden oder Intimität erlebt haben, beeindruckend sein. Sie bekommen das Gefühl, dass sich jemand um sie kümmert, dass jemand sie wertschätzt, und sie lernen, wie wichtig auch Körperkontakt zu anderen Menschen außerhalb der Therapie ist. In einigen Fällen genügt die verbale Unterstützung des Patienten nicht, um das Gefühl zu erzeugen, dass sich wirklich jemand um ihn oder sie kümmert. Dies kann durch einen therapeutischen Körperkontakt besser erreicht werden.“ (Jeffrey Young, 2009)3

So eine Aussage ist natürlich eine große Bestätigung für uns Kuscheltherapeuten. Genau so ist es! Was hier beschrieben wird, ist das „limited reparenting“, eine Erfahrung von elterlicher Geborgenheit im therapeutischen Rahmen. Der Mangel von damals wird hier in der Therapie nachgenährt. Dafür muss der Therapeut bis zu einem gewissen Grad in die Elternrolle schlüpfen und den Patienten wie ein idealer Elternteil mit Berührung unterstützen.

Auch zum Thema Verlieben gibt es eine interessante Aussage:

„Es kommt häufig vor, dass sich Patienten mit Borderline-Störung in den Therapeuten verlieben. Das geschieht, auch ohne dass Körperkontakt stattgefunden hat, und man kann dies auch nicht verhindern. Man sollte das auch nicht als anormal oder ungesund bezeichnen, solange der Patient sich nicht in diesen Gedanken verrennt, das Gefühl nicht anhält und nicht mit der Therapie interferiert.“

Nicht nur ist das Verlieben des Patienten in den Therapeuten normal, sondern kann sogar für die Therapie hilfreich sein, solange die Gefühle sich nicht zur Obsession entwickeln. Wie das?

Es geht hier um „korrektive emotionale Erfahrungen“. Das bedeutet, dass für den Klienten schwierige Emotionen wie Verliebtheit im Rahmen der Therapie ausgesprochen und gezeigt werden können. Wenn der Klient eine gute Erfahrung damit macht, also erlebt, dass der Therapeut nicht böse ist, sich nicht zurückzieht, sondern sich bis zu einem gewissen Grad zur Verfügung stellt, kann das Gefühl, ok zu sein, wachsen. Dabei ist es wichtig, dass der Therapeut immer die Grenze kommuniziert, zum Beispiel so: „Es ist ok, dass Sie in mich verliebt sind, das kommt vor, aber ich erwidere Ihre Gefühle nicht, es wird sich daraus keine Romanze entwickeln.“ Damit wird auf den stabilen Rahmen der professionellen Beziehung verwiesen, auf den der Klient sich genauso verlassen können muss wie der Therapeut.

Relevant ist das auch für uns Kuscheltherapeuten, wobei wir das Verliebtheitsgefühl schon wesentlich früher ansprechen und „zurückschrauben“ müssen, da wir nicht auf diese Art therapeutisch damit arbeiten.

3 Jeffrey Young: Körperkontakt zwischen Therapeut(in) und Patient(in) ist erlaubt. In: Verhaltenstherapie 2009; S. 185–186. https://www.karger.com/Article/Pdf/236060

Bonding

Beim Bonding sind wir schon nah an der Kuscheltherapie dran. Bonding ist im Grunde nichts anderes als Kuscheln, aber in streng festgelegten Positionen. Auch die Dauer und die Vorgehensweise ist reguliert. Bonding wurde als Therapieform von Dan Casriel in den 70er Jahren „erfunden“ oder besser gefunden. Es geht dabei hauptsächlich darum, „die Befriedigung der lebensnotwendigen und neurobiologisch verankerten psychosozialen Grundbedürfnisse nach körperlicher Nähe (Bonding) und emotionaler Offenheit, Bindung, Autonomie, Selbstwert, nach körperlichem Wohlbehagen, nach Lust- und Lebenssinn“ zu erfüllen, wie es etwas kompliziert auf Wikipedia zu lesen ist. Das ist für uns Kuscheltherapeuten nichts Neues, das kennen wir gut. Nur drücken wir es nicht so kompliziert aus.

Wie funktioniert diese Therapieform? Es gibt bestimmte Haltungen, man könnte auch sagen Kuschelpositionen. Die gängigste ist die „Sandwichposition“ im Liegen, bei der der Begleiter sich frontal auf den Patienten legt. Dieser hält ihn umschlungen. Der unten liegende Patient nimmt jetzt die aufsteigenden Gefühle wahr. Der Therapeut, der daneben steht, bestätigt ihn dabei und ermutigt ihn, sich richtig laut auszudrücken. Dabei soll unter anderem eine Umkonditionierung von Glaubenssätzen stattfinden. Die Arbeit dauert ein bis zwei Stunden, so lange liegt man aufeinander. Dann wird gewechselt. Später wird im Gruppenprozess und anderen therapeutischen begleitenden Angeboten das Erlebte integriert. Eine andere Position ist die „Nursing Position“, wo der Patient wie ein Baby vom Begleiter an dessen Brust gehalten wird.

Meistens findet diese Arbeit in Gruppen statt, besonders gern in psychosomatischen Kliniken. Abgespaltene Teile der Persönlichkeit, vor allem das Bedürfnis nach Nähe, Geborgenheit und Intimität, sollen nach und nach wieder positiv gewertet und integriert werden. Zu häufig passiert es in der Kindheit, dass das Bedürfnis nach Kuscheln und Berührung nicht erfüllt, abgewehrt und sogar missbraucht wird. Dadurch wird dieser Teil abgespalten. Der Mensch stellt sich später im Leben gern als unabhängig dar. Er bestreitet diese Bedürfnisse, verspürt aber – oft unbewusst – eine tiefe Einsamkeit.

Deswegen ist diese Therapieform dringend nötig. Für mich als Kuscheltherapeutin, die auch Bonding ausprobiert hat, ist diese Form der Therapie zu konfrontativ. Ich würde meinen depressiven, traumatisierten Klienten nicht unbedingt empfehlen, gleich mit Bonding anzufangen. Ich finde die Freiheit des Klienten zu Beginn sehr wichtig, die Form und die Dauer der körperlichen Interaktion selbst bestimmen zu können. Auch wenn dadurch die Erfahrung nicht gleich so tief geht und bestimmte Gefühle noch nicht entdeckt bzw. integriert werden. Die Kuscheltherapie setzt eher auf die Weisheit des Körpers des Klienten. Der Klient der Kuscheltherapie sucht sich seine bevorzugte Form der Körpernähe selbst aus.

Kuscheltherapie

Kuscheltherapie. Was ist das überhaupt?

Kuscheltherapie wurde 2009 als neue Therapieform erfunden.

Was ich selbst in den letzten fünf Jahren in der Praxis darüber gelernt habe, erstaunt mich immer wieder. Vor allem im Vergleich zu anderen Therapieformen, in denen ich ausgebildet wurde. Kuscheltherapie könnte ich als eine Art freestyle Bonding Therapie beschreiben, also Kuschelpositionen ohne festen Ablauf, ohne den Fokus auf die Gefühle, und der Begleiter ist gleichzeitig der Therapeut. Ich als Kuscheltherapeutin bekuschle also meine Klienten, eine Grenzüberschreitung, die in klassischen Therapiemethoden sehr unüblich ist. Hier herrscht sonst eher Vorsicht und die Angst vor zu großer Nähe, vor Abhängigkeit, Missbrauch und vor Kontrollverlust. Alles Themen, die für uns im Alltag wichtig sind, vor denen wir uns aber nicht scheuen.

Die Methode

Kuscheltherapie folgt einer Methode des Nichts-Tuns. Im Gegensatz zu anderen Therapieformen, die einer Handlungsweise mit einem bestimmten Ziel folgen. Unter Kuscheln versteht jeder Unterschiedliches, von Kraulen bis Drücken und Halten. Jede Form von nicht-sexueller Berührung kann in einer Kuschelsession vorkommen. Von Raufen bis Halten. Allerdings kommt es bei der Therapie weniger darauf an, was ich als Therapeutin tue, als vielmehr darauf, was ich nicht tue. Mit Tun ist hier intentionales, aktives Handeln gemeint. Vielmehr passiert das, was geschieht, fast ungewollt. „Es“ geschieht, und zwar durch den Körper. Der Körper agiert auf seine eigene Art und Weise, durch seine eigene Körperintelligenz.

Um es konkreter zu machen: Ich sitze nach dem Vorgespräch einem Klienten gegenüber, und jetzt beginnt die erste Berührung. Diese ist durchaus noch intentional, im Grunde immer Teil eines Eröffnungsrituals, das meistens gleich abläuft. Hier kann der Körper des Klienten sich an meine Berührung gewöhnen. Intuitiv registriere ich kleinste Botschaften, die vom Körper des Klienten über meine Hände vermittelt werden. Ich mache nun aber keinen Plan, ich entwickle keinen Ablauf, wie es weitergehen soll. Ich entscheide immer im gleichen Moment, gelenkt von inneren Impulsen, was als nächstes kommt. Manchmal frage ich alle paar Minuten nach, ob sich etwas gut anfühlt, manchmal nur jede halbe Stunde. Manchmal schlage ich viele Positionen vor, manchmal gar keine, und lasse stattdessen den Klienten entscheiden. Meistens aber muss der Positionswechsel gar nicht bewusst gesteuert werden, sondern geschieht wie in geheimer Absprache zwischen den zwei Körpern. Das nenne ich dann den Fluss oder „flow“ auf Englisch.

Der Effekt

Damit der Fluss beim Kuscheln fließen kann, müssen die Körper sich synchronisieren. Das erkennt man zum Beispiel daran, dass der Atem sich synchronisiert – ich atme ein, wenn der Kunde einatmet, ich seufze, wenn der Kunde seufzt –, meistens schlägt auch das Herz synchron. Selbst das Schlucken oder Gähnen passiert manchmal synchron. Eine solche körperliche Kommunikation klingt unglaublich, wenn man sie noch nicht erlebt hat und nur an verbale Kommunikation „glaubt“. Im Grunde ist es aber ein ganz normales, biologisches Phänomen. Durch die Jahrtausende entstanden, um ein reibungsloses Miteinander von uns Säugetieren zu gewährleisten. So wie Vögel- oder Fischschwärme, Ameisen, Bienen in einer Art gemeinsamer Matrix leben und sich bewegen, ist dies auch bei Menschen möglich, wenn sie auf natürlich Art zusammenleben. Zum Beispiel synchronisiert sich der Menstruationszyklus bei Frauen, wenn diese eng zusammenleben. Dieser Instinkt wurde uns leider in viel zu vielen Generationen abtrainiert und muss nun mühsam und mit viel Geduld wieder hergestellt werden.

Was bedeutet das nun für uns Kuscheltherapeuten? Ich versuche also eine körperliche Verbindung herzustellen, über die ich Informationen bekommen und auch senden kann. Meine körperliche Botschaft lautet: Alles ist gut, du bist in Sicherheit bei mir, du bist willkommen so wie du bist, du brauchst nichts zu fürchten, ich bin bei dir, ich kümmere mich jetzt um dich, ich liebe dich. Ob diese Verbindung entsteht, kann ich zu 50% beeinflussen, also meine Hälfte. Die andere Hälfte, was vom Klienten gewollt und möglich ist, kann ich natürlich nicht beeinflussen.

Wichtig bei der Herstellung dieser Verbindung ist: Ich kann sie nicht aktiv herbeiführen, sondern sie muss von selbst entstehen. Das ist wichtig und schwierig für Menschen mit Helferkomplex. Denn jeder rationale Impuls, etwas zu tun, kann die fragile Verbindung stören, der Kunde kann sich schnell wieder zurückziehen. Diese Balance muss auch jeder andere „traditionelle“ Therapeut finden, damit das Vertrauen des Klienten wächst. Wir Kuscheltherapeuten verwenden dafür unseren Körper. Das Wort „absichtslos“ ist hier also gar nicht so verkehrt, denn sobald ich als Therapeut eine Absicht habe, weiche ich von meiner Intuition ab und wende mich einem Plan zu, wie ich den Kunden heilen kann. Das versuchen wir so gut wie möglich zu vermeiden.

Wenn die absichtslose Kontaktaufnahme gelungen ist, brauche ich nicht mehr viel zu tun, denn das System des Kunden nimmt sich nun die Informationen und die Energie von mir, die es braucht.4 Das gelingt dann besonders gut, wenn der Kunde in einem tranceähnlichen Zustand ist, in welchem der bewusste Beobachter (der Verstand) in den Hintergrund tritt und das Unbewusste die Steuerung übernimmt. Dieser Teil weiß genau, was er braucht. Wir glauben hier an das Selbstregulationspotential, das jeder Mensch von Natur aus besitzt. Das bedeutet, dass der Kunde sich genau das holt, was er braucht, um gesund zu werden.

Welche Wirkungen auf körperlicher, emotionaler und seelischer Ebene festzustellen sind, wird in einem späteren Kapitel ausführlich untersucht und ist Hauptthema dieses Buches.

Empfohlene Dosierung

Im Normalfall bekommt der Mensch eine tägliche Dosis Berührung. Sei es durch eine kurze Umarmung bei der Begrüßung, bei einem Handschlag oder dem Kuscheln mit dem Partner vor dem Einschlafen. Das Mindestmaß an Berührung liegt bei einer Dosis alle drei bis vier Tage. Dieser Abstand wird aus dem Oxytocin-Spiegel errechnet. In Studien wurde herausgefunden, dass der Oxytocin-Spiegel nach etwa vier Tagen absinkt. In Studien mit Massage zum Beispiel wurde deswegen, um nachhaltige Auswirkungen von Berührung zu messen, alle 3-4 Tage eine Massageeinheit gegeben. Jede längere Abstinenz von Berührung führt zu einem Absinken des Oxytocin-Spiegels unter das „gesunde“ Maß, im Sinne eines normalen biologischen Funktionierens des menschlichen hormonellen Gleichgewichts. Ein Ungleichgewicht durch einen Mangel an Oxytocin führt zu diversen Symptomen, die im Kapitel „Berührungsmangel“ beschrieben werden.

Bei akutem Berührungsmangel braucht der Klient sehr viel Berührung und Aufmerksamkeit. Unter akut verstehe ich einen chronischen Mangel, der bereits zu massiven Symptomen geführt hat. Mögliche Krankheitsbilder: Depression, Angststörung, Burnout, soziale Phobie. Oder eine plötzlich eintretende Situation der Isolation, die wiederum zu massiven Symptomen führt. Mögliche Situationen: Tod, Scheidung, Trennung, Jobverlust, Mobbing, Vergewaltigung, Missbrauch, Trauma durch Unfälle, Krieg, Lockdown. Der Oxytocin-Spiegel liegt konstant im unteren Bereich. Hier sind regelmäßige Therapiestunden zu empfehlen, einbis zweimal die Woche. Wichtig ist die Regelmäßigkeit, damit das Vertrauen sich wieder aufbauen kann.

Bei latentem Berührungsmangel reicht eine Einheit ein- bis zweimal im Monat. Unter latent verstehe ich einen chronischen Berührungsmangel, der durch Ersatzhandlungen und Selbstregulation regelmäßig abgemildert wird und nur zu milden Symptomen führt. Mögliche Situationen: Ungewollt Single sein, Stress in der Arbeit oder frustrierende Beziehungen. Der Oxytocin-Spiegel gleicht hier eher einer Achterbahn, immer wechselnd zwischen einem niedrigen und einem mittleren Niveau.

Dazwischen gibt es natürlich einen fließenden Übergang, hier ordnen sich die Fälle ein, die weder unter extremen Lebensumständen leiden, noch als leichte Fälle anzusehen sind. Für den mittelschweren Berührungsmangel empfehle ich eine Kuschelstunde alle zwei Wochen.

Die akuten Fälle von Berührungsmangel werden über mehrere Monate hinweg betreut, bis sich das akute Gefühl von Mangel, Gefahr und Angst, beruhigt hat. Die Zeitabstände werden nun immer länger, je nachdem, wie wohl sich der Klient fühlt. Das kann manchmal nur drei Monate dauern, normalerweise aber eher über etwa ein Jahr hinweg. Gegen Ende der Therapie kommt der Klient einmal im Monat bis gar nicht mehr.

Unterschiedliche Fälle findest du in einem späteren Kapitel.

Bei latenter Unterkuschelung kann die Therapie länger gehen, da sie als regelmäßige Stütze im Alltag dient.

Verlauf der Kuscheltherapie

Ich unterscheide im Verlauf der Therapie verschiedene Phasen:

1) Misstrauen, Aufregung

2) Vorsichtiges Vertrauen fassen

3) Fallen lassen, erste Verbindung wird hergestellt

4) Nachnähren, der Klient füllt sich auf

5) Integration, der Kunde stellt Fragen, beobachtet sich, interpretiert das Geschehen

6) Freude, Dankbarkeit

Die Punkte 3) und 4), Fallen lassen und Nachnähren, können sich zyklisch wiederholen. Dabei gibt es eine immer größere Öffnung. Man kann sich das wie bei einer Tankstelle vorstellen: Zuerst nimmt man einen Schlauch und tankt Treibstoff, später nimmt man einen Kanister, um Öl nachzufüllen, dann ein Kabel, um die Batterie zu laden, und so weiter, bis man alles drin hat, was das Auto benötigt. Ein Rundumservice kann 30-40 Minuten dauern, das heißt, wenn wir eine Stunde kuscheln, wird einmal getankt, bei zwei Stunden haben wir schon zwei Tankzyklen drin. Bei drei Stunden bemerkt man dann sehr deutlich den Unterschied, weil die Klienten durch die positive Energie wie aufgeweicht wirken.

Für die Phasen 1) bis 6), also den gesamten Verlauf, braucht es aber insgesamt mindestens 3 Kuschelstunden oder getrennte Kuschelsessions. Denn die Punkte 1) und 2), Misstrauen und Vertrauen fassen, brauchen ihre Zeit. Das Tanken kommt erst, wenn diese abgeschlossen sind. Der Mittelteil kann von einer Session bis zu 30 Sessions dauern, je nachdem, wieviel der Klient „nachtanken“ muss. Die Endphase 6) ist daran zu erkennen, dass der Klient eine latente Zufriedenheit ausstrahlt und es ihm nun nicht mehr so wichtig ist, etwas zu bekommen oder sich etwas zu nehmen, sondern sich dem Flow hingeben kann, ohne darüber nachzudenken, wer genau was bekommt. Dann fließt die Energie auch zurück zum Kuscheltherapeuten.

„Jetzt gebe ich dir aber etwas zurück“ deutet eher noch auf Phase 5) hin, wo das Erlebte verarbeitet wird. Hier können auch alte Muster nochmal auftauchen, zum Beispiel das Gefühl der Scham, oder das Gefühl, dem Therapeuten etwas zu schulden. Diese Phase ist insgesamt sehr interes