LADY DYNAMIT - Brett Halliday - E-Book

LADY DYNAMIT E-Book

Brett Halliday

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Beschreibung

Carla Adams war hochexplosiv - von Kopf bis Fuß. Ihr Engelsgesicht und ihre hinreißenden Kurven brachten alle Männer um den Verstand. Alle bis auf einen: den rothaarigen Privatdetektiv Michael Shayne. Er blickte hinter die Fassade aus Lüge und Betrug - wenigstens in seinen lichten Momenten...

Brett Halliday (eigtl. Davis Dresser, * 31. Juli 1904 in Chicago, Illinois; † 4. Februar 1977 in Santa Barbara, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Schriftsteller.

Der Roman Lady Dynamit erschien erstmals im Jahr 1958; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1974.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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BRETT HALLIDAY

 

 

Lady Dynamit

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 189

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

LADY DYNAMIT 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Carla Adams war hochexplosiv - von Kopf bis Fuß. Ihr Engelsgesicht und ihre hinreißenden Kurven brachten alle Männer um den Verstand. Alle bis auf einen: den rothaarigen Privatdetektiv Michael Shayne. Er blickte hinter die Fassade aus Lüge und Betrug - wenigstens in seinen lichten Momenten...

 

Brett Halliday (eigtl. Davis Dresser, * 31. Juli 1904 in Chicago, Illinois; † 4. Februar 1977 in Santa Barbara, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Schriftsteller.

Der Roman Lady Dynamit erschien erstmals im Jahr 1958; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1974. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

   LADY DYNAMIT

 

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Das Telefon schrillte.

Timothy Rourke, ein volles Glas in der Hand, spürte keine Lust, den Hörer abzunehmen. Nach einer Führung durch die Hauptstadt war er eben ins Hotel zurückgekommen, und ob der ungewohnten Bewegung taten ihm die Füße weh. Er hatte die Kathedrale, den Marktplatz, die alten Festungsbauten über der Karibischen See und zahllose Statuen von Marschall Gonzalez gesehen, der seit Menschengedenken Staatschef auf dieser Insel war.

Das Telefon läutete immer wieder und übertönte das Surren der Klimaanlage. Rourke seufzte. Er war schon zu lange Reporter; er musste abnehmen.

Mühsam stand er auf, ging zum Apparat, ergriff den Hörer und meldete sich mit »Hallo«.

»Señor Rourke?«, sagte eine Männerstimme.

»Ja, hier Rourke«, sagte der Journalist und umklammerte den Hörer fester.

»Ausgezeichnet«, flüsterte die Stimme. »Vielleicht behagt dem Señor eine Führung durch die nächtliche Stadt? Ich zeige Ihnen etwas ganz Besonderes. So haben Sie sich in Ihrem ganzen Leben noch nicht amüsiert. Und was verlange ich für diese Dienste, Señor? Keinen Peso.«

»Tut mir leid, kein Interesse«, erwiderte Rourke knapp.

»Señor Rourke! Befolgen Sie meinen Rat. Es gibt bestimmte Etablissements, wo man amerikanische Touristen gnadenlos ausplündert, während dort, wo ich Sie hinführe, alles in bester Ordnung ist. Erlauben Sie mir, dass ich Ihr Führer bin, ohne jede Bezahlung.« Als Rourke schwieg, fuhr die Stimme fort: »Sie sind doch Reporter, nicht wahr? Ein Mann von Welt. Sie werden Dinge erleben, die Sie nicht für möglich halten. Mehr kann ich am Telefon nicht sagen«, fügte er vielsagend hinzu.

Rourke begriff plötzlich.

»Ich wollte mir eigentlich etwas zu essen bringen lassen, aber das Angebot klingt ganz verlockend«, meinte er zögernd.

»Gut«, sagte die Stimme erleichtert.

»Aber ich warne Sie«, fuhr Rourke fort. »Mehr als fünfzig Dollar in Reiseschecks nehme ich nicht mit, damit wir uns verstehen.«

»Aber, ich bitte Sie - ich habe doch nicht die Absicht, Sie auszunehmen. Sagen wir, sieben Uhr?«

»In der Halle?«

»Lieber nicht. Ich bin da schon mal unangenehm aufgefallen, obwohl ich den Leuten nur meine Dienste anbieten wollte. Hören Sie zu. Biegen Sie an der Ecke rechts in die Avenida Gonzales ab. Ich erwarte Sie an der zweiten Ecke. Mit einer Blume im Knopfloch, damit Sie mich erkennen.«

»Also gut«, sagte Rourke. »Um sieben.« Er legte nachdenklich auf. Seit seiner Ankunft hatte er versucht, Kontakt mit den Widerstandsgruppen im Untergrund aufzunehmen. Vielleicht trugen seine Bemühungen jetzt Früchte. Er leerte sein Glas und füllte nach. Er schickte Luftpostkarten an seinen Redakteur und an Mike Shayne in Miami, seinen Freund. Er duschte sich und zog sich um. Unten in der Bar trank er noch einen Schluck und gestand sich ein, dass ihm nicht ganz wohl in seiner Haut war. Ein unkalkulierbares Risiko war ein derartiges Unternehmen immer.

Er überlegte, ob er einfach nicht hingehen sollte, ermannte sich dann aber und verließ das Hotel. Er bog um die Ecke und ging die Avenida Gonzales entlang. An der nächsten Kreuzung blieb er stehen und zündete sich eine Zigarette an, während er heimlich Ausschau hielt.

Ein kleiner Sportwagen bog um die Ecke. Der Fahrer, ein schwarzhaariger junger Mann mit einer Blume im Knopfloch beugte sich hinaus.    

»Señor Rourke?«, sagte er. »Steigen Sie ein.«

Rourke zwängte sich in das kleine Fahrzeug, und der junge Mann gab Gas.

»Ich glaube, wir werden beschattet«, sagte der Fahrer nach einer längeren Pause, in der er wiederholt in den Rückspiegel geblickt hatte.

»Wieso denn das?«, fragte Rourke mit nervösem Lachen.

»Na ja, Glücksspiel ist bei uns verboten«, meinte der junge Mann fröhlich. »Und die willigen Mädchen sind es auch. Festhalten«, sagte er plötzlich.

Er riss das Lenkrad herum, und der kleine Wagen schoss in eine Seitenstraße, überholte einen Lastwagen, zwängte sich an einem anderen Fahrzeug vorbei, bog wieder ab, kam mit quietschenden Bremsen zum Stehen.

»Über die Straße, Señor.« Der junge Mann sprang aus dem Auto und hetzte auf die andere Straßenseite, gefolgt von Rourke. Sie gelangten in eine schmale Arkade, kopfsteingepflastert, zu beiden Seiten kleine Läden. Am anderen Ende der Gasse wartete ein Taxi mit laufendem Motor. Die beiden sprangen hinein, der Wagen fuhr los und reihte sich in den Verkehr ein, der die Stadtmitte hinter sich ließ.

Der Junge wischte sich mit einem Taschentuch die Stirn.

»Wie ein Uhrwerk, Señor. So klappt es nicht immer.«

»Vielleicht verraten Sie mir endlich, was das alles bedeuten soll«, sagte Rourke.

»Sie machen hier Ferien, Señor Rourke«, sagte der junge Mann. Er war ernst geworden und wirkte schlagartig älter und reifer. »Sie sind aber auch Reporter und haben die Angewohnheit, Fragen zu stellen. Sie haben sich bei einer Reihe von Personen über ihre Meinung zu dem herrschenden Regime erkundigt - ziemlich auffällig, übrigens. Dadurch sind wir neugierig geworden.«

»Wer ist wir?«

»Die revolutionäre Union demokratischer Studenten, eine Unterorganisation des Nationalen Provisorischen Ausschusses für freie Wahlen. Zur Sache. Sagt Ihnen der Name Jaime Ramirez etwas?«

Rourke dachte nach.

»Hab’ ich schon gehört. Wer ist er?«

»Bis zu seinem Tod war er ein Führer der demokratischen Jugend«, erwiderte der junge Mann. »Ich bin stolz darauf, sagen zu dürfen, dass ich sein Kamerad gewesen bin. Die Polizei hat ihn ermordet.«

Er biss die Zähne zusammen. »Das kommt bei uns nicht selten vor. Er verschwand mitten in der Nacht. Am nächsten Tag wurde seine Leiche aus einem fahrenden Auto geworfen. Er war gefoltert worden.«

»Ja, ich erinnere mich«, knurrte Rourke.

»Nur - der Marschall wird von den USA unterstützt, und die Leute dort werden sagen: Wo sind denn eure Beweise? Gonzalez hängt an seiner Familie, er liebt die Musik, er ist kein Ungeheuer. Das sind die zwei Gesichter des Terrors, Señor Rourke.«

»Und Sie glauben beweisen zu können, dass die Polizei ihn umgebracht hat?«

»Genau das. Gewöhnlich gibt man sich alle Mühe, ein Opfer ganz allein zu erwischen. Bei Jaime ging das nicht. Er hatte immer jemand um sich. Wir haben also einen Zeugen für die Entführung, eine Zeugin. Wir möchten, dass ihre Aussage in einer amerikanischen Zeitung erscheint.« Er schaute hinaus und sprach mit dem Fahrer spanisch. Sie bogen ab in eine Gegend von heruntergekommenen Mietshäusern und großen barackenartigen Gebäuden aus Beton. Die Straße wurde immer schlechter, je weiter sie sich von der Durchfahrtsstraße entfernten. Schließlich hielten sie. Der junge Mann stieg aus und winkte Rourke.

Dem Reporter gefiel die Umgebung gar nicht, und er zögerte einen Augenblick, bevor er dem jungen Mann eine schmale Treppe hinunter folgte.

Sie betraten einen feuchten, dunklen Keller. Als Rourkes Augen sich an die Düsternis gewöhnt hatten, erkannte er, dass ein nackter Holztisch und ein paar Stühle in dem Raum standen.

Eine Frau saß im Schatten an der Wand. Sie trug Schwarz und verbarg ihr Gesicht.

»Der amerikanische Reporter«, sagte der junge Mann. »Bitte, setzten Sie sich, Señor.«

Aus einem Schrank holte er eine Flasche Rum und drei Gläser. Die Frau schüttelte nur den Kopf, als er ihr ein Glas geben wollte. Rourke und der junge Mann tranken stumm.

»Wir dürfen hier nicht lange bleiben«, sagte der junge Mann. »Sie werden verstehen, dass die Señora Ihnen ihren Namen vorenthält. Sie wird über die Umstände von Jaimes Verschwinden berichten. Bitte, fragen Sie, wenn Sie etwas nicht verstehen.«

Die Frau beugte sich vor, aber ihr Gesicht war noch immer nicht zu erkennen.

»Señor, ich habe ein kleines Haus«, sagte sie unvermittelt. »Wenn jemand in Schwierigkeiten ist, kommt er zu mir und kann sich bei mir verstecken, bis ihn seine Freunde holen.« Ihr Englisch war wegen des starken Akzents schwer zu verstehen. »Jaime Ramirez kannte ich gut. Er hatte es immer schwer.

Immer in Schwierigkeiten, entweder mit der Polizei oder mit den Ehemännern junger Damen.«

»Señora«, sagte der junge Mann nur.

»Vielleicht tue ich ihm Unrecht«, fuhr die Frau fort. »Ersah sehr gut aus. Wenn ich jünger gewesen wäre - aber lassen wir das. Er wirkte sehr glücklich, als er das letzte Mal zu mir kam. Er konnte vor Aufregung kaum schlafen. Ich habe natürlich keine Fragen gestellt. Was meine Gäste tun, geht mich nichts an.«

»Wie lange ist er geblieben?«, fragte Rourke.

»Eine Nacht, einen Tag. In der zweiten Nacht haben sie ihn geholt. Wir saßen beim Essen. Es war schon dunkel. Es klopfte. Niemand wusste, dass Jaime bei mir war, aber wir sind auf Überraschungen vorbereitet. Die Häuser stehen in meiner Gegend dicht beieinander, und es gibt gewisse Fluchtwege. Ich hatte erst einmal Besuch von der Polizei bekommen, und sie hatte ohne Erfolg abziehen müssen, Dank der Jungfrau. Bevor ich öffnete, machten Jaime und die anderen sich zur Flucht bereit.« Sie schwieg einen Augenblick. »Vor mir stand ein Mann, ein Fremder. Er hielt mir einen Zettel hin. Für Jaime, sagte er. Ich erklärte, ich wüsste von keinem Jaime, und er solle verschwinden. Er gab nicht nach. Schließlich griff ich nach dem Brief und schloss die Tür. Jaime las den Brief und wollte sich sofort auf den Weg machen. Ich versuchte nicht, ihn zurückzuhalten, obwohl ich ein schlechtes Gefühl hatte. Ich sah ihn mit dem Fremden davongehen, den Mantel lässig über der Schulter. Er fürchtete sich vor nichts, unser Jaime. Dann hörte ich ein Auto. Ein schwarzer amerikanischer Wagen kam langsam die Straße herauf. Jaime schaute sich um und versuchte zur Seite zu springen, aber er war nicht schnell genug. Der Fremde packte ihn, ein zweiter sprang aus dem Wagen. Man zerrte ihn hinein, und das Auto schoss davon.«

»Und am nächsten Morgen wurde Jaimes Leiche aus einem fahrenden Wagen geworfen, wie ich schon sagte«, ergänzte der junge Mann.

»Woher wissen Sie, dass der Wagen der Polizei gehörte?«, fragte Rourke.

»Wir wissen es, Señor«, sagte die Frau schlicht.

»Farbe, Marke, Funkantenne«, warf der junge Mann hin. »Das gibt es hier nur bei der Polizei.«

»Würden Sie den Mann wiedererkennen?«, erkundigte sich Rourke, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte.

»Es war ziemlich dunkel, und er hatte den Hut in die Stirn gezogen«, erwiderte die Frau stockend. »Er war verhältnismäßig klein, aber breitschultrig. Und er trug eine Brille mit dicken Gläsern. Ich erinnere mich deutlich daran.«

»Ich weiß, für Sie ist das nicht viel«, sagte der junge Mann dumpf. »Aber bislang hatten wir gar nichts...«

»Ich bin leicht zu überzeugen«, unterbrach ihn Rourke, »aber das liegt vielleicht daran, dass ich ohnehin voreingenommen bin, was Ihren Marschall angeht. Ich überlege mir nur, wie das der normale Zeitungsleser aufnimmt. Erzählen Sie mir etwas von Ramirez.«

Die Frau zog einen schwarzen Schal über den Kopf und stand auf.

»Wenn ihr über Politik sprecht, gehe ich«, meinte sie. »Es ist am besten, wenn ich nichts weiß, da kann ich auch nichts verraten, falls man mich abholt.«

Sie gab Rourke die Hand. Nachdem der junge Mann einen Blick hinausgeworfen hatte, verließ sie den Keller. Rourke machte sich, als der junge Mann zurückgekommen war und von der Arbeit seiner Gruppe zu berichten begann, Notizen, stellte Fragen und gab sich überhaupt Mühe, zu einem Bild zu kommen, das mehr zeigte als vage Umrisse.

Der junge Mann führte den Journalisten schließlich durch ein Labyrinth von ungepflasterten Gassen zu einer der gut beleuchteten Hauptstraßen, wo sie sich voneinander verabschiedeten und Rourke ein Taxi bestieg.

Der Fahrer wollte ihn in einen Nachtclub bringen, statt in sein Hotel, aber Rourke lehnte dankend ab. Er dachte über die Dinge nach, die er erfahren hatte. Die Redaktion in Miami würde sicherlich von dem Material erbaut sein. Er konnte damit eine ganze Artikelserie beginnen und andere Blätter und die Nachrichtenagenturen veranlassen, den hiesigen Problemen größere Aufmerksamkeit zu schenken.

Die vielen unbeantworteten Fragen störten aber erheblich. Ramirez war wohl von der Polizei beseitigt worden, aber wer bürgte ihm für die Exaktheit der Details, der Beschreibung? Und was hatte die verrückte Fahrt mit dem Sportwagen zu bedeuten gehabt? Rourke selbst hatte einen Verfolger jedenfalls nicht entdecken können. Vielleicht war das Ganze arrangiert worden, damit er die Angaben der Frau umso leichter für bare Münze nehmen würde.

Er verfluchte die Skepsis, die zu einer Berufskrankheit geworden war. Vielleicht war es angebracht, Mike Shayne um seine Meinung zu befragen. Shayne wusste zwar nicht viel über die Verhältnisse hier, aber er hatte eine Nase für das, was echt oder falsch war. Wenn die Geschichte einen Haken hatte, dann würde Shayne ihn als erster finden.

Er stieg am Presidente aus und bezahlte. In der Halle blieb er am Reservierungsschalter stehen und buchte einen Platz in der Maschine am nächsten Nachmittag nach Miami. Er brauchte sich hier nicht länger als Tourist auszugeben.

Auf dem Weg durch den Korridor zu seinem Zimmer machten sich seine schmerzenden Füße wieder bemerkbar. Anscheinend ließ die Wirkung der drei Gläser Rum nach.

Er sperrte die Tür auf. Plötzlich erstarrte er, den Schlüssel noch im Schloss.

Es roch nach Zigarrenrauch.

Am liebsten hätte er die Tür zugemacht und das Weite gesucht, aber bevor er zu handeln vermochte, wurde die Tür ganz aufgerissen.

Er stand vor einem hochgewachsenen Mann mit schläfrigem Blick und kurzgeschorenen Haaren. Ein zweiter Mann stand am Bett und durchsuchte Rourkes geöffneten Koffer. Dieser Mann war klein und stämmig, mit breiten Schultern und Specknacken. Er kaute am Stummel einer Zigarre.

Er drehte sich um und sah Rourke durch eine schwarze Hornbrille mit dicken Gläsern an.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Das musste der Mann sein, der Ramirez abgeholt hatte. Die Beschreibung passte genau auf ihn. Er trug einen leichten Strohhut, den er ins Genick geschoben hatte.

»Sie sind früh dran«, sagte der Mann auf Englisch, ohne die Zigarre aus dem Mund zu nehmen. »Nach den Amüsements von Miami Beach kann Ihnen unsere bescheidene Stadt offenbar nicht viel bieten.«

Rourke starrte auf den offenen Koffer.

»Darf man fragen, ob Sie schon etwas gefunden haben?«, meinte er.

»Bis jetzt nichts Interessantes«, gab der andere zurück. »Eine reine Routineprüfung, Mr. Rourke. Keinerlei Grund zur Aufregung.«

»Ich bin nicht aufgeregt«, sagte Rourke. »Ich schlage aber vor, dass Sie jetzt verschwinden und an einem Abend wiederkommen, an dem ich nicht hier bin.«

Der stämmige Mann nahm die Zigarre aus dem Mund und bewegte den Kopf. Sein Begleiter schloss die Tür und lehnte sich dagegen.

Der Zigarrenraucher schien das Kommando zu führen.

»Es tut mir leid, dass Sie schon so früh zurückgekommen sind, Mr. Rourke«, erklärte er. »Aber wir können die Gelegenheit gleich zu einer kleinen Unterhaltung nützen. Sie werden meinen Namen wissen, wollen. Lieutenant Renzullo, von der Sonderpolizei. Vielleicht bieten Sie uns als zivilisierter Mensch sogar etwas zu trinken an?«

»Nein«, knurrte Rourke. »Im Augenblick fühle ich mich nicht besonders zivilisiert. Wenn Sie nicht verschwinden, hole ich die Polizei.«

Renzullo zog die Brauen hoch.

»Das sollte ein Witz sein«, sagte Rourke ruhig. »Worüber unterhalten wir uns?«

»Als Bürger der Vereinigten Staaten begreifen Sie das nicht«, sagte Renzullo und schüttelte traurig den Kopf. »Woher sollen Sie wissen, womit wir uns hier abplagen müssen? Wir haben es mit Terroristen zu tun, mit Atheisten und Kommunisten, denen jedes Mittel recht ist, ihre verbrecherischen Ziele zu erreichen. Man muss Feuer mit Feuer bekämpfen.«

»Der US-Botschafter wird sich gewiss dafür interessieren, dass und wie ich Sie in meinem Hotelzimmer vorgefunden habe.«

»Bitte, Mr. Rourke, wir sind keine Kinder. Wir gehen schließlich nur einem anonymen Hinweis nach, dass Sie illegal pornographische Literatur einführen.«

»Pornographische Literatur!«, wiederholte Rourke.

»Und wenn sich der Botschafter erkundigt, wird er feststellen, dass ein solcher Hinweis wirklich erfolgt ist. Darüber gibt es Aufzeichnungen. Wir denken an alles.«

»Und Sie wissen sicher auch, woher Sie schweinische Bilder nehmen sollen, falls Sie Beweismaterial benötigen sollten«, höhnte Rourke.

»Solche Methoden wenden wir nicht an, falls es nicht wirklich notwendig ist, Mr. Rourke«, erwiderte Renzullo. »In diesem Fall genügt der anonyme Hinweis.«

»Feine Art, das Touristengeschäft zu beleben«, meinte Rourke.

»Wir legen großen Wert auf Touristen«, sagte Renzullo geduldig. »Den normalen Touristen, der sich die herrliche Landschaft ansehen und seine Dollar hier ausgeben möchte, heißen wir willkommen.« Er streckte plötzlich die Hand aus und zog Rourke den Notizblock aus der Tasche. Der Reporter versuchte danach zu greifen, aber Renzullo wandte sich ab, und sein Begleiter trat zwei Schritte vor, mit hängenden Armen.

»Aber die andere Sorte von Touristen«, fuhr Renzullo fort, »jene Leute, die sich nur die Nachtseite des Lebens ansehen, die heimfliegen und verleumderische Behauptungen über unseren großen Präsidenten verbreiten - diese Sorte ist, versteht sich, bei weitem nicht so beliebt.«

Er setzte sich an die Leselampe, hielt den Notizblock dicht an seine Augen und las, während der zweite Mann Rourke scharf im Auge behielt. Der Reporter kam sich ziemlich hilflos vor. Zum ersten Mal kam ihm zum Bewusstsein, wie es sein musste, hier Bürger zu sein. Sein einziger Trost war, dass es auf der ganzen Welt keinen Menschen gab, der sein Gekritzel zu entziffern vermochte.

Renzullo riss die beschriebenen Blätter ab, faltete sie zusammen und steckte sie in die Tasche.

»Wir werden uns genauer damit befassen«, meinte er ruhig. »Wir verfügen über moderne Einrichtungen. Das können Sie auch veröffentlichen.«

»Ich habe nicht die Absicht, etwas zu veröffentlichen«, gab Rourke zurück. »Das sind Notizen, die ich mir gemacht habe, als ich unterwegs war, Impressionen der Stadt bei Nacht.«

Renzullo stand auf und klopfte auf die Tasche, in der die Blätter steckten.

»Und wo haben Sie diese Eindrücke gewonnen? Sie sind angerufen worden. Kurz danach haben Sie das Hotel verlassen und sind in einen britischen Sportwagen gestiegen. Die Zulassungsnummer ist überprüft worden. Der Wagen war, wie nicht anders zu erwarten, gestohlen. Machen gewöhnliche Touristen Ausflüge in gestohlenen Autos? Ich möchte Ihnen jetzt einen Rat geben, Mr. Rourke. Ich halte es für sehr zweckmäßig, wenn Sie unser Land morgen mit dem Flugzeug verlassen.«

Rourke grinste.

»Wirklich?«

»Allerdings. Wir können natürlich keinen Einfluss darauf ausüben, was Sie zu Hause schreiben, aber nach nur zweiundsiebzig Stunden Aufenthalt hier kann es nichts Weltbewegendes sein. Wie sollten Sie auch die Wahrheit über eine derart komplizierte Situation so schnell erkennen.«

»Diese Notizen sind mein Eigentum«, sagte Rourke scharf. »Ich verlange sie zurück.«

»Was für Notizen?«, fragte Renzullo unschuldig.

»Hören Sie auf damit. Wenn ich bleibe, werden mir Ihre Leute wohl auf Schritt und Tritt folgen und mir den Urlaub verderben, also nehme ich die Maschine morgen lieber. Aber vorher möchte ich meine Notizen wiederhaben.«

»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, sagte Renzullo achselzuckend.

»Na schön!«, fauchte Rourke. »Ich habe ein gültiges Visum. Der US-Botschafter ist dazu da, US-Bürger zu schützen und ihre Rechte durchzusetzen. Ich bleibe hier, bis Sie mein Eigentum zurückgegeben haben. Und eine Entschuldigung verlange ich auch.«

Der Polizeibeamte hob mit gespieltem Entsetzen die Hände.

»Eine Entschuldigung!«

»Wenn Sie mich loswerden wollen, könnten Sie mich ja immer noch deportieren«, fuhr Rourke fort. »Ihr feiner Marschall wird ja sehen, wie ihm das Aufsehen in der internationalen Presse schmeckt.«

Renzullo schüttelte mitleidig den Kopf.

»Das ist eine ganz unerfreuliche Einstellung Ihrerseits. Wir würden Sie gar nicht gern ausweisen. Wir legen Wert darauf, dass Sie aus freiem Willen die Maschine besteigen.«

Er nickte seinem Begleiter zu, der die Hand erhob und den Reporter mit dem Revolverknauf an der Schläfe traf. Rourke sackte in sich zusammen. Er fiel auf die Knie und hielt sich am Bettrand fest. Er spürte, wie das Blut an seinem Hals herunterlief.

»Ihr Banditen!«, krächzte er. »Wenn ihr euch einbildet...« Er riss die Bettdecke herunter und schleuderte sie dem Hochgewachsenen über den Kopf, dann stürzte er zum Telefon und packte den Hörer.

»Hilfe«, schrie er. »Amerikanischer...«

Der hochgewachsene Mann befreite sich von der Decke. Rourke schleuderte das Telefon auf ihn, Apparat samt Hörer. Das Kabel war gerade lang genug. Rourke hörte ein dumpfes Aufklatschen. Er hechtete über das Bett, auf Renzullo zu. Wenn er dem Lieutenant die Brille entreißen konnte, war der andere stark im Nachteil. Der Schlag mit dem Revolver hatte ihn aber mehr Kraft gekostet, als er glauben wollte. Renzullo ließ ihn ruhig kommen und traf ihn mit der Handkante an der Kehle. Rourke glaubte zu ersticken.

Der zweite Mann riss ihn herum und schlug zweimal zu. Der Reporter sah den ersten Schlag kommen, vermochte aber nicht mehr auszuweichen. Den zweiten Hieb sah er schon nicht mehr, hörte ihn aber noch.

Dann herrschte Dunkelheit.

Sein Widerstand schien die Gegenseite jedoch aufgebracht zu haben, und man beließ es nicht dabei. Als er wieder zu sich kam, erkannte er sofort, dass er nicht in seinem Hotelbett lag. Das Bett war schmal und hart und besaß oben und unten je eine Kurbel.

Er drehte den Kopf zur Seite. Er lag in einem Krankenhauszimmer, und es war Nacht. Auf einer Kommode brannte eine kleine Lampe unter einem Kruzifix. Er war allein.

Sein linker Arm pulsierte schmerzhaft und schien bleischwer zu sein. Er versuchte ihn hochzuheben, aber das ging nicht. Er griff mit der rechten Hand hinüber und spürte einen Gipsverband.

Er tastete sich ab und entdeckte am Brustkorb breite Heftpflasterstreifen. Jedes Mal, wenn er sich bewegte, spürte er an einer anderen Stelle Schmerzen. Anscheinend hatte man ihn gründlich zusammenschlagen, bevor man das Weite gesucht hatte. Er konnte sich nicht entsinnen, was er getan hatte, um eine solche Behandlung zu verdienen, und im Augenblick war ihm diese Frage auch gleichgültig.

Er hatte zu starke Schmerzen, als dass er hätte schlafen können. Er beobachtete, wie die Dämmerung ins Zimmer kroch. Nach einiger Zeit erschien ein Arzt, der sich mit ihm befasste. Der Arzt sprach kein Wort Englisch. Danach erschien ein sehr junger Mann von der Botschaft, dem die Polizei mitgeteilt hatte, Rourke sei in einen Unfall verwickelt gewesen. Er erkundigte sich bei dem Reporter, ob er über seine Behandlung klagen könne. Rourke erwiderte, das sei ungefähr das einzige in diesem Land, worüber er sich nicht beschweren könne.

»Tut mir leid, dass Sie so denken«, meinte der junge Mann. »In gewisser Hinsicht nehme ich Ihnen das nicht übel, aber so etwas kommt eben vor, manchmal sogar bei uns.«

»Ist mir nicht neu«, sagte Rourke, »aber ich kann mich einfach nicht daran gewöhnen.«

Sein Besucher zog die Brauen zusammen.

»Dann empfehle ich Ihnen, die Finger vom Alkohol zu lassen oder wenigstens nur zu Hause zu trinken, Mr. Rourke. Aber lassen wir das.« Er stand auf.

»Was hat man Ihnen erzählt?«, fragte der Reporter. »Dass ich in einer Bar in eine Schlägerei geraten bin?«

»Erinnern Sie sich denn nicht? Sie sind von einem Auto angefahren worden. Offenbar hatten Sie zu viel getrunken. Sie liefen auf die Straße hinaus und wurden angefahren.«

»Und der Autofahrer ist vermutlich geflüchtet?«

»Das gibt es auf der ganzen Welt, Mr. Rourke. Das Fahrzeug konnte nicht identifiziert werden.«

»Ich kann mit einer Beschreibung -dienen«, sagte Rourke müde. »Es war ein schwarzer Chevrolet mit Funkgerät und Funkantenne. Im Wagen saßen zwei Polizeibeamte, ein Kurzsichtiger mit dicken Brillengläsern und Karate-Kenntnissen, Statur ziemlich klein. Er heißt Lieutenant Renzullo und übernimmt Sonderaufgaben wie die Misshandlung missliebiger Ausländer. Den anderen Kerl kann ich auch beschreiben, aber seinen Namen kenne ich nicht. Der Vollständigkeit halber: Die beiden durchsuchten gestern Abend mein Zimmer, als ich heimkam. Sie fragten mich, ob ich nicht gefälligst aus ihrem Land verschwinden wolle: Aber lassen wir das. Ich weiß zu gut Bescheid. Ich habe in der Nachmittagsmaschine für heute einen Platz reserviert. Könnten Sie anrufen und die Reservierung auf morgen übertragen lassen?«

Der junge Mann starrte ihn an.

»Sie sind wirklich - Würden Sie das auch schriftlich wiederholen, mit Unterschrift?«

»Sicher, aber wozu?«, sagte Rourke tonlos. »Hier richten wir nichts aus. Die Einzelheiten können Sie Ende der Woche in der Daily News von Miami lesen.«

Die Unterhaltung hatte Rourke mitgenommen, und die Spritze begann zu wirken. Er schlief einige Zeit.

Mittags erwachte er. Er schob die Beine aus dem Bett, um festzustellen, ob er aufstehen konnte. Es ging, aber er setzte sich sofort wieder hin und läutete der Krankenschwester. Sie protestierte wortreich auf Spanisch, half ihm aber schließlich beim Anziehen. Seine Sachen waren zerknittert und schmutzig und rochen scheußlich nach dem Rum, mit dem man sie übergossen hatte.

Als er wieder im Hotel war, schickte er den Anzug zum Reinigen und fiel ins Bett. Als er wach wurde, hatte er das Gefühl, lange Zeit geschlafen zu haben. Das Klingeln des Telefons hatte einen Alptraum unterbrochen. Er schaute zuerst auf die Uhr. Es war kurz vor zwei, was nicht stimmen konnte. Er starrte die Uhr ein paar Sekunden lang an, dann hielt er sie ans Ohr. Sie tickte nicht.

Er nahm den Hörer ab.

»Mr. Rourke?«, sagte eine Stimme. »Hier ist Henschel.«

»Wer?«