MORDWAFFE MIT SEX-APPEAL - Brett Halliday - E-Book

MORDWAFFE MIT SEX-APPEAL E-Book

Brett Halliday

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Im schummrigen Licht einer Bar war Camilla Steele noch immer eine Schönheit. Übermäßiger Genuss von Alkohol, Drogen und Männern hatten ihr Aussehen nicht ruiniert. Für die meisten war sie eine von den total ausgeflippten Typen. Doch einer Gruppe von Desperados kam sie gerade recht - als MORDWAFFE MIT SEX-APPEAL...   Brett Halliday (eigtl. Davis Dresser, * 31. Juli 1904 in Chicago, Illinois; † 4. Februar 1977 in Santa Barbara, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Schriftsteller.  Der Roman  MORDWAFFE MIT SEX-APPEAL  erschien erstmals im Jahr 1970; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1971.  Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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BRETT HALLIDAY

 

 

Mordwaffe mit Sex-Appeal

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 274

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

MORDWAFFE MIT SEX-APPEAL 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Im schummrigen Licht einer Bar war Camilla Steele noch immer eine Schönheit. Übermäßiger Genuss von Alkohol, Drogen und Männern hatten ihr Aussehen nicht ruiniert.

Für die meisten war sie eine von den total ausgeflippten Typen. Doch einer Gruppe von Desperados kam sie gerade recht - als Mordwaffe mit Sex-Appeal...

 

Brett Halliday (eigtl. Davis Dresser, * 31. Juli 1904 in Chicago, Illinois; † 4. Februar 1977 in Santa Barbara, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Schriftsteller.

Der Roman Mordwaffe mit Sex-Appeal erschien erstmals im Jahr 1970; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1971. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

   MORDWAFFE MIT SEX-APPEAL

 

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Man brachte frische Martinis. Camilla Steele berührte das kalte Glas mit den Fingerspitzen. Mit diesem konnte sie sich Zeit lassen. Und wenn sie nicht vergaß, etwas zu essen, bestand gute Aussicht, dass sie den Abend hinter sich bringen, zu einer vernünftigen Zeit ins Bett kommen und die Nacht überstehen konnte.

Sie hob ihr Glas und lächelte ihren Begleiter an.

»Wir sollten bald das Essen bestellen. Aber noch nicht gleich.«

Sogar ohne ihre Brille und trotz des gedämpften Lichts war sie beinahe davon überzeugt, dass der Mann entweder Walter oder Joe war. In letzter Zeit neigten die Männer, mit denen sie abends ausging, dazu, miteinander zu verschmelzen. Sie trugen die gleichen Anzüge, hatten ähnliche Berufe und schienen, aus irgendeinem Grund, alle Zigarren zu rauchen.

Er blies eine Rauchwolke in die Luft. Wahrscheinlich war es Walter. Er verkaufte Grundstücke. Nicht, dass es darauf ankam. Er war angenehm – er stellte nie Fragen und interessierte sich für nichts, was früher geschehen war.

»Camilla, du bist die schönste Frau in Miami Beach.«

Sie murmelte irgendetwas. Komplimente störten sie nicht, aber sie musste leider zugeben, dass dieses kaum der Wahrheit entsprach. Sie trug ein weißes, tief ausgeschnittenes Cocktailkleid. Mit ihrer gebräunten Haut und dem hellblonden Haar sah sie jetzt wohl ganz ordentlich aus, aber das war ja der Sinn dieser schummrigen Lokale. Sie war zu mager. Bis vor kurzem hatte sie Tennis gespielt, und ihre Bewegungen hatten noch immer etwas beherrscht Graziöses. Sie war dreißig Jahre alt. Bei Tageslicht sah sie aus wie vierzig.

»Ich habe einen Vorschlag«, sagte Walter, »und aus Erfahrung weiß ich, dass man Überraschendes zwischen dem zweiten und dritten Martini Vorbringen muss. Es geht um folgendes: Ich finde, wir sollten heiraten.«

Sein Gesicht erschien plötzlich in Scharfeinstellung. Dunkle Augen, schwarze Haare, humorvoller Zug um den Mund. Weder Walter noch Joe. Es war Paul London.

»Lohnt sich denn das?«, meinte sie leichthin, während sie hoffte, seine Worte würden sich, wie der Zigarrenrauch, einfach in Luft auflösen. »Wir essen zu Abend, und dann schlafen wir miteinander, wie immer.«

»Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht alle drei Dinge tun können.«

Sie hob ihr Glas. Paul ergriff ihr Handgelenk und verschüttete einiges von dem Gin.

»Stell das mal weg, Cam. Ich brauche eine Minute von deiner Zeit. Du kannst auf die Uhr sehen. Hinterher können wir Martinis trinken, bis man uns hinauswirft. Im Ernst.«

»Das Wort hasse ich.«

»Im Ernst«, wiederholte er. »Wir sehen uns etwa alle zehn Tage, und das genügt mir nicht. Wir sind miteinander zur Schule gegangen, Herrgott noch mal. Wie lange ist das her – na ja, fünfzehn Jahre. Du hast mir Päckchen geschickt, als ich bei der Marine war. Wir haben – mit Unterbrechungen – intime Beziehungen seit vierzehn Jahren, was mir doch hoffentlich gewisse Vorrechte verleiht. Und in letzter Zeit bekomme ich immer mehr das Gefühl, dass ich für dich jeder x-beliebige sein könnte. Ich heiße weder Max noch Charlie.«

»Ich weiß genau, was du sagen willst.«

Er lachte und ließ ihre Hand los.

»Gewiss. Hör auf, soviel zu trinken. Hör auf, die Nächte mit anderen Männern zu verbringen, oder versuch wenigstens ein bisschen zu bremsen. Nimm nicht so viele Tabletten und schau erst nach, wie das Ding heißt, bevor du es schluckst. Die üblichen Ratschläge. Der Grund, warum du mich heiraten sollst, ist der, dass du auch an etwas anderes denken musst als an Eliot Crowther.«

»Ab und zu muss ich an ihn denken, wenn ich ein Attentat auf ihn verüben will«, meinte sie sachlich.

»Verdammt noch mal«, platzte er heraus. »Das ist doch schon seit Jahren nicht mehr lustig. Ich hoffe, du hast ihm keinen von diesen verrückten Briefen mehr geschrieben.«

Sie lächelte.

»Es ist verboten, einer Amtsperson Drohbriefe zu schreiben. Hat dir das noch niemand gesagt?«

»Außerdem ist es verflixt dumm. Du bringst niemanden um. Das ist nicht deine Art. Ganz zu schweigen davon, dass es gar nicht so einfach wäre, einen Richter am Obersten Bundesgericht umzubringen. Die Leute, die für seine Sicherheit verantwortlich sind, zeigen ihm vermutlich nicht einmal deine Briefe. Du tust nur einem Menschen etwas an – dir, und nicht Eliot Crowther.«

Das Schreckliche dabei war: Sie wusste, dass er recht hatte.

»Es ist das einzige, was mir noch geblieben ist, Paul«, flüsterte sie.

»Mach Schluss damit«, sagte er scharf. »Das sind uralte Geschichten. Ich gehe das Risiko ein, pathetisch zu wirken. Ich glaube, ich liebe dich. Wenn ich mir nicht so ganz sicher bin, dann deshalb, weil du dich dauernd veränderst. Ich weiß nur, dass ich jeden Morgen mit dir im selben Zimmer wach werden möchte. Das steht fest. Ich überschreite meine sechzig Sekunden, aber ich möchte noch ein paar Dinge erwähnen, ob es dir gefällt oder nicht. Du hast eine Pechsträhne hinter dir. Felix Steele zu heiraten war das Schlimmste, was einem hübschen, jungen Mädchen zustoßen konnte. Ich weiß, dass man so etwas nicht sagen soll, aber er war ein ganz mieser Charakter.«

»Du denkst doch wohl nicht, dass ich das nicht weiß.«

Paul starrte sie scharf an.

»Wann ist dir das aufgegangen?«

»Schon am zweiten Tag. Es war unheimlich, Paul. Er sah nicht danach aus, aber er war ein zutiefst unsicherer Mensch. Er hatte immer Angst, ich könnte ihn verlassen. Und das habe ich ja schließlich auch getan, nicht wahr? Ich glaube, das war einer der Gründe für das, was danach geschah. Es gilt aber nicht als ehrenhaft, sich von seinem Mann scheiden zu lassen, wenn er wegen Mordes vor Gericht steht.« Sie trank aus ihrem Glas. Paul London war nicht der einzige, der dem Irrtum anhing, dass es nutzbringend sei, über solche Dinge zu sprechen. Drei verschiedene Ärzte hatten ihr den gleichen Rat gegeben – holen Sie das Ganze aus dem Unbewussten herauf, dann fühlen Sie sich wohler. Am Anfang hatte sie es noch versucht. Sie hatte geredet und geredet, und je mehr sie geredet hatte, desto scheußlicher hatte sie sich gefühlt. »Mit dir verheiratet zu sein könnte in mancher Beziehung angenehm sein«, sagte sie leise. »Aber sei froh, dass ich nein sage – Pech von meiner Sorte kann ansteckend sein.«

»Auf das Risiko lasse ich mich ein.«

»Hören wir auf damit, Paul. Es lenkt nur ab. Ich habe andere Dinge im Kopf.«

»Zum Beispiel?«

»Glaubst du wirklich, dass Eliot Crowther meine Briefe nicht liest? Er liest sie, und sie jagen ihm Angst ein.«

»Gewiss.«

»Wie, glaubst du, habe ich diesen seltsamen Posten bei der Stiftung bekommen? Niemand fragt danach, ob ich zur Arbeit komme oder nicht. Ich habe Geld genug, damit ich meine Rechnungen im Drugstore und im Spirituosengeschäft bezahlen kann. Hinter den Kulissen hat man Einfluss genommen. Der Einfluss ging von Crowther aus, das weiß ich mit Bestimmtheit.«

»Nett von ihm. Das kann doch nur bedeuten, dass er sich für das Geschehene ein wenig verantwortlich fühlt.«

Sie leerte ihr Glas auf einen Zug. Der Alkohol würde nicht sofort wirken, aber wenn sie etwas erklären wollte – warum sie sich die Mühe machte, wusste sie selbst nicht –, musste sie sich beeilen.

»Wie kann ich dich heiraten? Du hattest recht – vor ein paar Minuten wusste ich nicht einmal, wer du bist! Und es war mir auch gleichgültig, um ganz ehrlich zu sein! Ich habe Raum nur für einen Namen in mir, und dass der Crowther lautet, hast du ja gleich erraten. Ich muss diesen Mann umbringen, Paul. Ich weiß, dass es nicht leicht sein wird, und bin nicht sicher, ob ich der Aufgabe gewachsen bin.«

»Ich hoffe nur, dass du so etwas nicht zu anderen Leuten sagst. Ich weiß, dass du es nicht ernst meinst.«

»Doch, sehr ernst sogar«, sagte sie. »Die Schwierigkeiten sehe ich durchaus.« Sie legte ihre Hand auf die seine und sagte sachlich: »Ich weiß, dass ich nicht ganz normal bin. Denn ich hasse ihn nicht einmal. Für mich ist er nur einfach die Summe von allem! Alles, was hässlich und abstoßend ist an unserem Leben. Er wusste, dass Felix diese Frau nicht umgebracht hat. Er muss es gewusst haben. Aber welche Chance für einen Staatsanwalt.«

»Camilla, dazu gibt es Staatsanwälte. Er hat seine Rolle gespielt.«

»Und sie führte ihn bis zum Obersten Bundesgericht. Was ist der nächste Schritt, der Senat?«

»Das glaube ich nicht«, meinte er ernsthaft. »Es könnte die Endstation für ihn sein. Seit einem halben Jahr erwähnt ihn die Presse nicht mehr. Du vergisst eines: Er sieht bedeutsam aus, aber im Grunde ist er eine Null. Früher oder später kommen die Leute dahinter.«

»Er ist ein Symbol, keine Person. Wenn ich ihn erschieße, wird er Presseverlautbarungen bluten.«

Der Gin in ihrem letzten Cocktail kam ans Ziel und explodierte hinter ihren Augen. Und das war genug erklärt für einen Tag. Wenn Paul ihr noch ein, zwei Cocktails und das Abendessen spendieren würde, gedachte sie sich zu revanchieren, indem sie ihn in ihre Wohnung mitnahm. Nachts brauchte sie jemanden. Die Nächte, in denen sie allein schlief, waren schlimm. Sobald sie wieder in den Spiegel sah, würde sie neue Fältchen um die Augen entdecken. Sie wusste, dass sie rasch herunterkam.

Pauls Augen schienen in seinem Gesicht zu wandern, das sonst, wie immer, solide und verlässlich wirkte. Er war breitschultrig und gutmütig. Wenn sie ihn geheiratet hätte, statt Felix Steele...

Aber sie hatte es nicht getan, sie hatte einen hübschen Burschen mit einem Maserati, eleganten Anzügen und einem monatlichen Scheck aus einem Treuhandfonds seines Großvaters geheiratet. Und die Falle war zugeschnappt. Sie saß noch immer darin und rechnete auch nicht mehr damit, jemals herauszukommen. Diese Wahrheit zu akzeptieren mochte ein gewisser Fortschritt sein.

Zwei Tage, nachdem sie ihren Mann verlassen hatte – beim Prozess war das nicht erwähnt worden –, wurde er mit der Beschuldigung verhaftet, eine Negersängerin in ihrem Hotelzimmer in Miami Beach vergewaltigt und ermordet zu haben. Er hatte ein Aufputschmittel eingenommen. Er war mit blutbeflecktem Hemd im Hotelkorridor gesehen worden. Aus unerklärlichen Gründen – Camilla, die ihn besser kannte als die meisten Menschen, war zu dem Schluss gekommen, dass es sich um eine Spielerei handelte, mit der er beweisen wollte, dass er klüger war als die Kriminalbeamten – hatte er ihre Fragen spöttisch beantwortet und eingeräumt, von lustvollen Gedanken befallen worden zu sein, als er die Sängerin bei ihrem Auftritt gesehen hatte. Camilla hielt ihn einer Vergewaltigung nicht für fähig. Es war aber genau der richtige Augenblick, einmal einen weißen Mann für die Vergewaltigung und Ermordung einer schwarzen Frau zu verurteilen und hinzurichten, etwas, das zweihundert Jahre lang nur dann stattgefunden hatte, wenn der Mann Neger war.

Es war ein spektakulärer Prozess gewesen, mit einem Opfer, das nicht nur schwarz, sondern auch berühmt gewesen war, mit einem Angeklagten, der reich, verantwortungslos und von Drogen abhängig war. Felix’ Familie hatte erheblichen politischen Einfluss, aber er reichte nicht aus. Crowther wies alle Versuche ab, diesen Einfluss zum Tragen zu bringen, erreichte das gewünschte Urteil und machte sich einen Namen.

Camilla war damals zweiundzwanzig Jahre alt gewesen. Sie war siebenundzwanzig, als ihr Mann schließlich hingerichtet wurde.

Jetzt, drei Jahre später, umfasste sie Pauls Hand, der körperlichen Nähe eines Menschen plötzlich bedürftig. Sie hätte gewünscht, sich ihm verständlich machen zu können. Auch sie hatte eine Rolle gespielt – die treue Ehefrau, die Unschuld ihres Mannes betonend, damit beschäftigt, ein Verteidigungskomitee zu organisieren, Geld für neue Rechtsmittel zu beschaffen. Die rassistischen Gruppen sorgten dafür, dass für die Verteidigung stets Geld bereitstand. Felix leitete den Feldzug persönlich von seiner Zelle aus, während seine Frau als Mittelsperson diente. Mit jedem Monat wurde er ihr verhasster. Er mochte an dem Mord unschuldig sein, aber an nichts sonst. Sie verachtete die Sache, die Fanatiker, die davon angelockt wurden, den verbissenen Mann in seiner Todeszelle.

Nachdem die Schlacht um einen neuen Prozess verloren war, kämpfte sie um eine Begnadigung. Und wenn sie Erfolg haben sollte, versprach er ihr, werde er für jedes Jahr, das er hinter Gittern verbringen müsse, einen farbigen Sträfling töten. Er beschäftigte sich fast die ganze Zeit damit, Methoden dafür zu entwickeln, nicht erwischt zu werden.

Er erschreckte sie, aber am Ende langweilte er sie. In den letzten Wochen hatte sie die juristischen Manöver und die Besessenheit ihres Mannes satt. Sie sehnte sich nach einem Ende der Qual, nach einem endgültigen Datum, von dem an es keine Rechtsmittel, keine Schriftsätze und Strafaufschübe, kein Geschwätz mehr geben würde.

Und als es geschah, hatte sie das Gefühl, es mit herbeigeführt zu haben. Ein paar Tage danach schluckte sie zu viele Schlaftabletten – die einfachste Art, zu denken aufzuhören.

Sie war achtundvierzig Stunden bewusstlos und erholte sich nur mühsam. Aus dem Krankenhaus schrieb sie den ersten Brief an Eliot Crowther, mit dem Hinweis, er solle sich auf ein kurzes Leben gefasst machen.

Danach war es ihr vordringliches, mitunter ihr einziges Anliegen, Crowthers Aufstieg in der bundesstaatlichen und nationalen Politik zu verfolgen. Zwei Jahre später nahm ein Privatdetektiv aus Miami namens Michael Shayne einen gesprächigen Hoteldieb fest, der sich gerühmt hatte, den Mord begangen zu haben, für den Felix Steele hingerichtet worden war. Steele hatte an jenem Tag Pech gehabt, dieser Mann Glück. Das Glück blieb ihm treu. Er zog das Geständnis zurück, und das Verfahren wurde niedergeschlagen, weil Beweise fehlten. Camillas Ärzte befürchteten einen Rückschlag bei ihr, aber inzwischen hatte sie entschieden, dass nichts mehr wichtig war außer einem: Crowther das Leben schwerzumachen.

Ihre Briefe wurden immer erfinderischer. Jemand wie Paul London musste sie natürlich als Symptom einer seelischen Erkrankung betrachten. Und das waren sie auch. Sie war bereit, das zuzugeben.

Sie streichelte seine Hand und griff nach ihrem Glas, aber es war leer.

»Da wir das erledigt haben, gibt es wieder was zu trinken«, sagte sie, als habe sie wirklich etwas erklären können.

»Zeit zum Essen. Ich sehe, dass du nichts vom Heiraten hältst. Ich habe noch eine Idee, die beinahe genauso gut ist. Komm mit mir nach Mexiko. Ich habe noch zwei Wochen Urlaub.«

»Tut mir leid, Paul, das ist ausgeschlossen.«

Normalerweise hätte sie sofort angenommen, denn warum auch nicht? Aber jetzt konnte sie Miami nicht verlassen. Sie freute sich auf etwas. Einen Augenblick lang wusste sie nicht mehr, worauf, aber dann fiel es ihr wieder ein – ihr Feind Nummer eins, Mr. Eliot Crowther, kam am nächsten Samstag nach Miami Beach, um irgendeinen Preis entgegenzunehmen – für Heuchelei und Opportunismus, vermutlich. Sie gedachte in der Halle seines Hotels zu sein, wenn er hindurchging. Sie hatte nicht vor, ihn anzuspucken oder zu beschimpfen. Sie wollte sich einfach dort aufstellen, wo er sie nicht übersehen konnte. Sie hatte ein Lächeln eingeübt. Wenn sie es richtig anstellte, würde sie ihn sicher aus der Ruhe bringen können.

Sie hoffte, dass er stammeln und sich die Stirn wischen würde, wenn er seinen verdammten Preis entgegennahm.

Paul drang immer noch in sie. Er habe Freunde in Acapulco. Es gebe ein Hotel, in dem er fünfzig Prozent Rabatt bekomme. Er ging vom Thema nicht ab, bis sie die Geduld verlor und ihn aufforderte zu verschwinden.

Er sah sie an.

»Wie war das?«

»Ich meine nicht für immer. Aber heute Abend Sie umkrallte die Tischplatte mit beiden Händen. »Heute ist es mir ernst. Ich kann nicht mehr darüber sprechen. Du hast dir das mit Mexiko ausgedacht, damit Crowther und ich nicht gleichzeitig in Miami Beach sind. Lieb von dir. Aber du erinnerst mich an zu viele Dinge. Mit einem Mann, der ganz neu ist, geht es wirklich viel leichter.«

»Ich habe gestern einen Film gesehen. Wir könnten uns darüber unterhalten.«

Sie schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen.

»Gute Nacht, Liebling. Ich kann mich nicht richtig volllaufen lassen, wenn du dabei bist. Ich bleibe hier sitzen und brüte fünf Minuten vor mich hin, dann rufe ich jemanden an.«

»Ich hätte nicht von Heirat sprechen sollen. Das hat dir Angst eingejagt.«

»Lass mir Geld für die Getränke da.«

Er zog einen Geldschein heraus, faltete ihn zusammen und schob ihn unter ihr leeres Glas.

»Wenn du nur einsiehst, dass das kein Leben ist.«

»Ich würde es nicht jedem empfehlen. Bei mir wirkt es.«

,Ja,«, sagte er leise. »Ich glaube, ich fliege auf jeden Fall nach Mexiko. Wenn ich zurückkomme, rufe ich dich einige Zeit nicht an. Aber melde dich, wenn du irgendetwas brauchst.« Er küsste sie. »Viel Glück.«

Sie sah ihm nach und wurde schwankend. Das einzige, was bei ihm nicht stimmte, war sein schlechter Geschmack bei Frauen. Jeder, der einen Funken gesunden Menschenverstand besaß, musste erkennen, dass Camilla Steele vor einem Abgrund stand, und man musste schon selbst nicht ganz normal sein, wenn man sich mit ihr einließ.

Sie spürte den ersten Anflug von Depression, einer alten Bekanntschaft. Dagegen musste sie sofort etwas tun, sonst saß sie den ganzen Abend hier, bestellte Cocktails und machte sich nicht die Mühe, jemanden anzurufen, weil es zu anstrengend war, eine Münze in den Apparat zu stecken und zu wählen, ohne einen Fehler zu machen. Und sie würde allein nach Hause kommen, genau das, was sie um jeden Preis vermeiden wollte.

Sie zog Tabletten aus der Tasche und riss die Plastikhülle ab. Wenn sie sich recht erinnerte, waren die Pillen in ihrer Wirkung unberechenbar, wenn man sie mit Gin mischte. Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.

Sie spülte sie mit dem Rest von Pauls Martini hinunter und hielt Ausschau nach einem Kellner, um einen neuen zu bestellen.

Als er ihn brachte, sagte er: »Ein Anruf für Sie, Mrs. Steele.«

»Würden Sie ausrichten, dass ich eben gegangen bin?« Sie verbesserte sich sofort. »Nein, lassen Sie.«

Das mochte ihr die Mühe sparen, selbst eine Nummer wählen zu müssen. Die Münztelefone hingen an der Wand neben der Bartheke. Einer der Gäste, ein Mann in grellfarbenem Sporthemd, sprach sie an, als sie an ihm vorbeiging, und sie blieb stehen, um festzustellen, ob sie ihn kannte. Er rauchte eine Zigarre. Nur die Zigarre war ihr vertraut, alles andere sah sie zum ersten Mal. Vielleicht kam es nicht darauf an. So etwas hatte sie zwar noch nie getan, aber er würde sie wenigstens nicht als Verliererin in einem berüchtigten Mordfall betrachten.

Sie lächelte ihn an und griff nach dem Hörer.

»Hallo? Camilla Steele.«

»Endlich«, sagte eine Stimme. »Ich freue mich riesig, Sie gefunden zu haben. Aber ich muss mich vergewissern. Sind Sie wirklich die berühmte Camilla Steele?«

»Wer ist da?«, fragte sie scharf.

»Sprechen Sie lauter. Bei Ihnen ist so viel Lärm.« Sie erkannte die Stimme nicht; ein leichter spanischer Akzent fiel auf. »Pressen Sie die Muschel fest ans Ohr und halten Sie sich das andere zu. Wir kommen sicher gut zurecht. Es handelt sich um einen Halunken namens Eliot Crowther.«

Sie warf den Hörer auf den Haken und starrte stirnrunzelnd auf die Wählscheibe. Die Tablette hatte sich aufgelöst und begann zu wirken. Die Luft wurde dunkel und füllte sich mit wirbelnden schwarzen Pünktchen, aber die Ziffern und Buchstaben auf der Wählscheibe traten deutlich hervor, wie von innen beleuchtet. Als das Telefon wieder schrillte, riss sie den Hörer herunter und sagte: »Ich muss wissen, wer da spricht.«

»Ich könnte einen Namen für Sie erfinden, aber wozu? Ich telefoniere schon den ganzen Tag überall herum, weil ich einen amüsanten Vorschlag habe. Zum Anfang, als eine Art Parole, nennen Sie mir nur den Vornamen Ihres Mannes.«

»Er ist tot«, sagte sie und fügte, fast wider Willen, hinzu: »Felix. Ja. Tot, begraben, aber nicht vergessen. Er hat nie vergewaltigt und gemordet, wie man weiß. Aber Eliot Crowther ist auf seiner Leiche emporgeklettert und reich geworden. Er hat Erfolg gehabt. Ich will Ihnen jetzt den Grund meines Anrufs sagen, und warum ich meinen Namen nicht nennen möchte. Ich habe den dringenden Wunsch, Eliot Crowther umzubringen.«

»Was?«, sagte sie schwach.

»Na, meine liebe Camilla, ich hoffe, dass Sie mich trotz des Lärms verstehen. Wie ich höre, haben Sie einen ähnlichen Wunsch geäußert, aber möglicherweise nicht im Ernst. Vielleicht war das nur so ein Geplauder beim Kaffee, um zu schockieren, um vor sich selbst tragisch und interessant zu erscheinen.«

»Ich weiß es nicht. Ich...«

»Aber Sie müssen es wissen. Sie müssen entscheiden, damit ich meine Zeit nicht mehr verschwende. Ich meine es ernst! Ich habe einen ausgezeichneten Plan, wie ich glaube, aber er erfordert eine Frau. Ich zähle jetzt bis zehn.«

Es wurde still. Camilla presste die Stirn an den Telefonkasten. Der Nebel wurde dichter. Plötzlich wusste sie mit absoluter Gewissheit, dass Paul London ihre letzte Chance gewesen war, und dass sie ihn fortgeschickt hatte. Warum sollte er sich noch mit ihr befassen, wenn er zurückkam? Sie hatte ihre Wahl getroffen: Statt eines Menschen, der sie kannte und schätzte, eine Folge gleichgültiger Unbekannter. Das Leben war schmutzig und ermüdend, und sie konnte erkennen, wie es enden musste: zu viel trinken, irgendwann zu viele Tabletten. Sirenen. Schlagzeilen. Und wen würde es berühren? Aber zuerst...

»Zehn.«

»Wenn ich es nur tun könnte«, sagte sie. »Ich träume davon. Im Traum entkomme ich, weil mir Flügel wachsen.«

»Wenn es Ihnen Ernst damit ist, sollte ein Entkommen nebensächlich sein, wissen Sie«, erklärte die Stimme. »Ich weiß Bescheid über Sie. Sie haben versucht, Selbstmord zu begehen. Aber dieser Weg, vorher einen Feind zu beseitigen, ist ehrenhafter und sinnvoller.«

Sie kicherte, erstaunt über sich selbst, wenn sie bedachte, wovon sie sprachen.

»Ich habe Pläne geschmiedet, habe aber keine Ahnung, wie ich es anstellen sollte.«

»Der Anfang ist ganz einfach. Sie beschließen zunächst, dass Sie es tun wollen. Dann folgt ein Schritt dem anderen. Ich mache es Ihnen leicht. Ich verspreche, alles zu arrangieren.«

»Ich will es tun«, versicherte sie. »Ich hasse alles, was er vertritt.«

»Ich mag Menschen, die hassen können. Heutzutage sind ja die meisten ohne Gefühl, ohne Mut. Ich verabscheue solche Leute. Ich glaube, wir werden gemeinsam sehr erfolgreich sein. Ich rufe Sie morgen Abend, pünktlich um sechs Uhr, in Ihrer Wohnung an. Bitte, seien Sie zu Hause. Und allein, ja? Sagen Sie ja. Sie haben beschlossen, sich zu rächen und zu beweisen, dass es auf der Welt noch Gerechtigkeit gibt. Ich werde Ihnen erklären, was Sie zu tun haben. Ich liefere die Waffe. Glauben Sie mir, wir werden dieses Subjekt töten. Sie werden zu einer Fußnote im Geschichtsbuch. Überlegen Sie sich alles gründlich. Morgen um sechs Uhr rufe ich Sie an.«

Der Anrufer legte auf.

Als sie sich zur Bar umdrehte, schwamm ein Gesicht aus dem Nebel auf sie zu. Es war feist, die Stimme tönte zu laut, aber die Augen verrieten Wärme und Güte, wie es Camilla erschien. Er war einsam in einer fremden Stadt.

»Der Cocktail, von dem wir sprachen«, sagte er.

»Einen Martini, danke«, erwiderte sie. »Sehr trocken, ohne Olive.«

Er winkte dem Barkeeper mit seiner Zigarre. Dann berührte er ihren Arm. »Ich dachte schon, es gibt überhaupt keine netten Frauen in Miami Beach.«

Der Nebel lichtete sich ein wenig, und sie sah, dass seine Augen, statt gütig kalt und berechnend waren. Er betastete ihre Haut, als befühle er eine Stoffprobe.

»Ziehen Sie die Bestellung zurück, bitte. Es tut mir leid. Mir ist plötzlich schlecht.«

Er versuchte sie festzuhalten, während sein Lächeln verschwand, aber sie riss sich los.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Eliot Crowthers Sekretär nickte Abe Berger zu.

»Nur hinein. Er erwartet Sie.«

Berger, ein großer, ungepflegter Mann, betrat das Arbeitszimmer. Crowther streckte die Hand über den Schreibtisch. Er hielt sich durch Handballspiel mit Untergebenen in Form, und Berger war überzeugt davon, dass er immer gewann. Er war hochgewachsen und hager, mit gewellter, weißer Haarmähne, die ihn etwas zu gut aussehen ließ. Zum Ausgleich trug er eine Lesebrille mit halben Gläsern.

»Alles im Griff, hoffe ich, Abe.«

Er sprach mit lebhafter Stimme, aber seine Ausdrucksweise erweckte bei Berger stets den Eindruck, dass er Stichworte vom Blatt ablas. Alles an ihm war sorgfältig maßgeschneidert. Zum Image gehörte sogar sein Ruf für Kälte und Hochmut, dachte Berger. Ein Reporter hatte Berger einmal mit der Frage überrascht, ob er den Mann möge – eine völlig sinnlose Frage. Zuneigung oder Abneigung empfand er bei diesen Leuten überhaupt nicht. Seine Aufgabe bestand darin, dafür zu sorgen, dass sie während ihrer Amtsperiode am Leben blieben. Manche verursachten ihm größere Schwierigkeiten als andere. Das war der einzige Unterschied.

Er setzte sich und zündete sich eine Zigarette an.

»Wir wollen Sie fragen, ob Sie in Betracht ziehen würden, den Abstecher nach Miami abzublasen, Mr. Crowther.«

Crowthers Kopf schoss vor. »Warum sollte ich das tun?«

»Sie haben die Korrekturfahnen von Jack Andersons Kolumne gesehen.«

Crowther hob die Schultern.