NIXE, EISKALT - Brett Halliday - E-Book

NIXE, EISKALT E-Book

Brett Halliday

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Am Strand von Miami lässt sich Privatdetektiv Mike Shayne durch einen Striptease betören, und er folgt der verführerischen Nixe Kitty Sims in die Fluten. Doch er wird bald ernüchtert: Die Nixe ist eiskalt - sie befasst sich mit Mord... Brett Halliday (eigtl. Davis Dresser, * 31. Juli 1904 in Chicago, Illinois; † 4. Februar 1977 in Santa Barbara, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Schriftsteller. Der Roman NIXE, EISKALT erschien erstmals im Jahr 1967; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1968. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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BRETT HALLIDAY

 

 

Nixe, eiskalt

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 203

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

NIXE, EISKALT 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Am Strand von Miami lässt sich Privatdetektiv Mike Shayne durch einen Striptease betören, und er folgt der verführerischen Nixe Kitty Sims in die Fluten.

Doch er wird bald ernüchtert: Die Nixe ist eiskalt - sie befasst sich mit Mord...

 

Brett Halliday (eigtl. Davis Dresser, * 31. Juli 1904 in Chicago, Illinois; † 4. Februar 1977 in Santa Barbara, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Schriftsteller.

Der Roman Nixe, eiskalt erschien erstmals im Jahr 1967; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1968. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

   NIXE, EISKALT

 

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Michael Shayne glitt mit Flossen und Sauerstoff-Doppeltank senkrecht hinab durch das grün-goldene Wasser vor Key Gaspar.

Wie immer fühlte er sich in dieser Tiefe völlig gelöst und frei. Er konnte tun, was ihm beliebte, sich bewegen, wie er wollte. Er war allein, ohne Aufgaben und Verpflichtungen. Die Gefahren hier unten waren im Gegensatz zu denen des Alltagslebens unkompliziert und überschaubar.

Er ließ das Ankertau los, das nicht nur nach unten, sondern auch zurück zur Oberfläche führte. Er machte einen eineinhalbfachen Überschlag vorwärts - aus keinem anderen Grund, als um festzustellen, wie das wäre. Anschließend vollführte er eine halbe Drehung und grinste vor sich hin. Er war sich wohl bewusst, dass man unter Sporttauchern wegen solcher Faxen mit scheelen Blicken bedacht wurde, es sei denn, man triebe sie in einem Schwimmbecken. Zu leicht konnte man dabei die Orientierung verlieren. Aber heute hatte er nun einmal beschlossen, die Regeln zu missachten. Sie galten ja nur für den vorsichtigen Amateur, der sich im Element der Fische wie ein Fisch bewegen wollte, ohne auch nur für einen Augenblick zu vergessen, dass er in Wirklichkeit ein Mensch mit all den üblichen menschlichen Sorgen war.

Shayne warf einen Blick auf den Tiefenmesser an seinem Handgelenk. Verblüfft schaute er ein zweites Mal hin. Der Zeiger hatte ganz plötzlich ausgeschlagen. Eigentlich schienen da sogar zwei Zeiger zu sein, und die winzigen Ziffern auf der Skala, die gewöhnlich an Ort und Stelle blieben, um sich vom Zeiger einholen zu lassen, rotierten so schnell, dass sie einander unablässig überholten. Ganz entschieden funktionierte der Mechanismus nicht. Shayne fühlte sich den Fischen aber zu sehr verwandt, um darüber nachzudenken. Fragt sich etwa ein Fisch, in welcher Stellung er sich relativ zur Oberfläche befindet? Ganz gewiss nicht.

Er genoss das Dasein zum ersten Mal seit Wochen in vollen Zügen. In den vergangenen vierundzwanzig Stunden hatte man dreimal auf ihn geschossen. Zwei von den Schützen waren tot; der dritte saß im Gefängnis. Und das hier war genau die richtige Therapie - klares Wasser, völlige Stille, abgesehen vom Surren des Atemgeräts, keine Verbrecher, keine Polizei, nichts Lebendes außer ihm selbst und den Fischen.

Ein Ungetüm schwamm auf ihn zu. Donnerwetter, ein Barracuda, Riesenexemplar, nicht viel kleiner als Shayne selbst. Shayne schlug einen Haken und wedelte mit der Faust vor den Zähnen des Barracuda herum. Der Fisch schoss davon.

Eine große Qualle trieb unter ihm, oder vielleicht auch über ihm dahin, je nachdem, ob er aufwärts oder abwärts schwamm. Shayne glitt weiter, hinein in eine Gruppe von Marktfischen. Sie stoben auseinander.

Nach den Seekarten befand sich das Riff an dieser Stelle in einer Tiefe von vierundzwanzig Metern. In östlicher Richtung wurde das Wasser jedoch rasch seichter. Shayne hoffte, einen Graben zu finden, um bis dreißig Meter und tiefer tauchen zu können. Er hatte immer geahnt, dass er mit dem Überschreiten der unsichtbaren Dreißig-Meter-Grenze in eine neue, weitaus interessantere Dimension eintreten würde.

Das hohe, gleichmäßige Summen des Atemgeräts rief in seinem Kopf ein seltsam überlappendes Echo hervor. Er fand es ganz und gar nicht unangenehm, ohne zu begreifen, woher das kam. Er hatte zu viel gearbeitet, zu viel getrunken, zu wenig geschlafen. Sobald er dreißig Meter Tiefe erreicht hatte, würde das Echo sicher verschwinden und sein Blick klar werden, das stand für ihn fest. Tatsächlich begann sich das Licht auf merkwürdige Weise zu verändern. Statt die gleiche Färbung zu behalten, ging es in Violett über und wurde immer dunkler. Es war, als breite sich eine schwärzliche Flüssigkeit langsam im Wasser aus.

Wieder schwamm ein großer, graziöser Fisch auf ihn zu. Shayne stellte überrascht fest, dass das gar kein Fisch war, sondern eine Seejungfrau, die einen weißen Bikini trug.

Der Fischschwanz des Wesens verwandelte sich aber beim Näherkommen in Gummiflossen. Also doch nur eine Frau, dachte Shayne enttäuscht. Sie hatte langes, blondes Haar, das sich träge wie Seetang bewegte. Ihr Gesicht war hinter einer glitzernden Tauchermaske verborgen. Er fragte sich nebenbei, wie sie es hier unten ohne Luft aushielt. Wieder schaute er auf den Tiefenmesser. Statt der zwei Zeiger gab es jetzt gar keinen mehr. Die Ziffern auf der Skala waren davongeschwommen.

Er schaute sich nach der verschwimmenden Gestalt im Bikini um und sagte sich, dass es unvorsichtig wäre, die Dreißig-Meter-Grenze allein zu überschreiten. Sie sollte mitkommen.

Er schnellte sich herum. Sie schüttelte den Kopf, und ihre Lippen bewegten sich, als habe er sie zornig gemacht. Sie hatte eine großartige Figur, einen hübsch geformten Mund, aber vielleicht war sie doch eine jener ganz gewöhnlichen Frauen ohne Kiemen? Das brauchte aber kein Problem zu sein. Er hatte Sauerstoff genug für beide auf dem Rücken. Es gab eine anerkannte Technik dafür, wie man zu zweit von einem Atemgerät profitieren konnte. Wie jeder erfahrene Taucher war auch Shayne darin geübt.

Er atmete tief ein. Abwechselnd begann es hell und dunkel zu werden, wie bei einer Bühnenbeleuchtung mit Wackelkontakt. Als er das Mundstück herausnahm und es ihr anbot, wurde sie noch zorniger. Wegen der Glasscheibe vor ihrem Gesicht konnte er nicht ganz sicher sein, aber sie schien die Stirn zu runzeln und die Brauen zusammenzuziehen. Sie machte eine unverständliche Geste. Mit ein paar Bewegungen kam sie näher, packte ihn am Schulterriemen und begann daran zu zerren.

Eine Spur von Verärgerung drohte Shaynes Wohlbehagen zu stören. Was hatte das zu bedeuten? Die Scheiben an den Tauchermasken hatten einen Nachteil: Man konnte sich schwer miteinander verständigen. Wenn sie nicht mit ihm zum Riff hinuntertauchen wollte, war das ihre Sache. Dann würde er eben allein hinabschwimmen.

Ein paar Flossenschläge brachten ihn in Sicherheit. Sie fasste sich an die Kehle und deutete nach oben. Es wurde dunkel und wieder hell. Sie war verschwunden.

Er blieb, wo er war, und bewegte langsam die Arme. Was sich mit dem Licht abspielte, gefiel ihm eigentlich. Tageslicht und Dunkelheit, je für sich, das wurde auf die Dauer monoton und langweilig. Aber hier konnte er beides zugleich genießen. Gleich würde er tiefer hinuntergehen, um zu sehen, ob sich dort das gleiche abspielte. Er hatte es nicht eilig. Ein bisschen wollte er noch warten. Vielleicht überlegte es sich das Mädchen anders und kam zurück.

Da war sie schon, ganz plötzlich. Diesmal schwamm sie auf ihn zu, packte seinen Schulterriemen mit beiden Händen und stieß sich kräftig ab. Shayne lachte vor sich hin. Schon besser. Er legte die Arme um sie, zog sie an sich, und ihre Gesichtsmasken prallten gegeneinander. Er versuchte es noch einmal. Wieder der Zusammenprall. Ein Kuss war also nicht möglich. Aber vielleicht kamen sie auf etwas anderes, wenn sie sich nur anstrengten.

Sie bewegte sich aufreizend in seinen Armen. Die Berührung verschaffte Wohlgefühl. Shayne vermerkte, dass sie nicht so abweisend und kühl war, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte. Nur eines störte ihn. Sie wollte in die eine Richtung, er in die andere.

Er schüttelte lächelnd den Kopf, legte einen Arm fest um ihre Hüfte und holte mit der anderen Hand weit aus.

Seine Bewegungen hatten etwas von ihrer früheren Schnelligkeit verloren. Er schien müder zu sein, als er vermutet hatte. Schlagartig kam es ihm vor, als hätte jemand entweder seine Flossen gestohlen oder schwere Gewichte an seinen Füßen angebracht. Zwischen dem Kommando, das er sich gab, und der Ausführung des Befehls lag ein deutlich messbarer Zeitraum. Er verfügte aber immer noch über ein gewisses Maß an Kraft, und als er endlich seine langsam zugreifende Bewegung vollendet hatte, leistete sie keinen Widerstand. Gemeinsam beschrieben sie einen graziösen Bogen, wie bei einem Unterwasserballett.

Am Ende der weiten Kurve verlor er sie.

Er tastete nach ihr. Ein zweiter Michael Shayne, der sich vom ersten gelöst hatte, beobachtete ihn kritisch. Er war verflixt langsam. Solange er nicht schneller wurde, konnte er das Mädchen nie einholen. Sie schwebte knapp außer Reichweite, ein sehr hübsches Mädchen, langbeinig, braungebrannt. Wegen der schlechten Verständigung musste er sie berühren, um ihr klarzumachen, wie gut sie ihm gefiel.

Wieder entwand sie sich ihm. Ein dumpfer Verdacht tauchte in seinem müden Gehirn auf. Sie wollte ihn zur Oberfläche zurückführen. Er wackelte mit dem Kopf und ließ sie los. Er war hierhergekommen, um zu tauchen.

»Später«, sagte er mit übertriebenen Mundbewegungen.

Gab es sie denn wirklich? Man brauchte nur zu bedenken, wie sie auftauchte und verschwand, ohne Atemgerät. Die ganze Begegnung kam ihm höchst merkwürdig vor. Sobald er tiefer als dreißig Meter getaucht war, würde er wieder heraufkommen. Vielleicht war sie noch da, dann konnte er sie befragen.

Er winkte zum Abschied. Mit unglaublicher Langsamkeit beugte er sich vor, um hinunterzutauchen.

Das Mädchen ballte wütend die Fäuste, weil er es allein lassen wollte. Es griff nach hinten, bog sich zurück und löste das Oberteil des Bikinis.

Shayne erstarrte. Er hatte sich gefragt, ob sie wirklich sei. Sie war es.

Das kleine Oberteil trieb davon. Was die Fische davon halten würden, wusste Shayne nicht. Für sich allein sah es noch kleiner aus als am Körper, aber selbst in seinem benebelten Zustand konnte Shayne erkennen, welchen Unterschied das ausmachte. Das Mädchen winkte. Vielleicht würde er gleich mitkommen. Zuerst musste er sich das noch überlegen.

Das Korallenriff gab es seit Jahrtausenden, und es wuchs immer noch, Es würde auch noch an einem anderen Wochenende da sein und wachsen. Das Mädchen dagegen mochte ganz plötzlich verschwinden, wie vorhin schon einmal. Trotzdem, war es weise, war es klug, sie in der Meinung zu lassen, sie brauche nur...

Sie schwamm davon, schaute aber über die Schulter, um zu sehen, ob er ihr folgte. Er verharrte beinahe regungslos im Wasser. Sein Kopf wackelte. Sie kam zurück. Er sah ihre weißen Zähne.

Sie streifte auch das Höschen ab, drehte sich einmal vor ihm und schoss davon.

Diesmal versuchte Shayne ihr zu folgen. Aber es schien ihm, als habe er sich irgendwo verfangen. Arme und Beine waren bleischwer. Er nestelte an seinem Ballastgürtel. Als er herunterglitt, schaute er verträumt zu dem schönen Mädchen hinauf und entdeckte, dass er sie einzuholen begann.

Er erreichte die Oberfläche. Als er in das gleißende Sonnenlicht hinaufschoss, verlor er das Bewusstsein.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Als nächstes spürte Shayne, wie ihn mehrere Hände in ein kleines Motorboot zogen. Er befahl seinen Muskeln, dabei mitzuwirken, aber das Kommando blieb unbeachtet.

Sein Mundstück war herausgerissen worden, und er atmete gewöhnliche, unvergiftete Luft, in krassem Gegensatz zu dem Stoff, den er unter Wasser in sich hineingepumpt hatte. Über und zwischen den Augen spürte er unerträgliche Schmerzen.

»Verdammt schwer, der Bursche, was?«, keuchte Tim Rourke.

»Alle gemeinsam«, befahl eine Mädchenstimme. »Eins. Zwei. Drei.«

Wieder versuchte Shayne seine Beine zu bewegen. Wieder misslang es ihm. Er atmete weiter ein, brauchte aber seine ganze Kraft dazu.

Bei Drei hievten ihn seine Retter über den niedrigen Freibord. Sein Kopf schlug auf das harte Deck.

»Dreht ihn um!«, sagte das Mädchen scharf. »Schnell!«

Hände griffen nach Shaynes Schultern. Er lag auf dem Rücken und starrte zu einem Pelikan hinauf, der vor dem grellen Blau des Himmels über dem Boot kreiste. Die scharfen Kanten der Sauerstofftanks bohrten sich in seine Schulterblätter. 

Das Blau tat seinen Augen weh. Er schloss sie kurz, riss sie aber erschrocken wieder auf, als sich dieselbe unbekleidete Blondine auf ihn stürzte, der er aus der Tiefe nach oben gefolgt war. Sie küsste ihn leidenschaftlich und versuchte seinen Mund zu öffnen. Ihre Finger streichelten sein Gesicht.  

Er hob eine schwere Hand vom Deck und tippte ihr auf die Schulter. Es war sicher unhöflich, davon zu sprechen, aber er hatte Kopfschmerzen. Außerdem wollte er die schwere Taucherausrüstung loswerden.

»Er atmet«, sagte Rourke.

Das Mädchen setzte sich auf. Der Schmerz hinter Shaynes Stirn ließ ein wenig nach, und er konnte sich an ihren Namen erinnern.

Sie war also doch nicht ein Produkt seiner Einbildung. Sie existierte wirklich und hieß Kitty Sims. Sie besaß auf der Insel ein einfaches, modernes Strandhaus, und Shayne, sein Freund Rourke und noch ein Mädchen, Natalie Soundso, waren eingeladen worden, dort einen Tag zu verbringen. Kitty hatte dem Privatdetektiv ihre Taucherausrüstung geborgt, damit er das Korallenriff besichtigen konnte.

»Junge, Junge!«, sagte sie seufzend.

Shayne drehte den Kopf und sah das andere Mädchen an, hübsch, brünett, in einem einteiligen gelben Badeanzug. Sie schüttelte lächelnd den Kopf. Rourke, der hochgewachsene, hagere Reporter, Shaynes engster Freund, stand vor ihm, angetan mit einer winzigen Badehose, nur Knochen und Sehnen. Er fuhr sich zornig durch seine widerborstigen Haare.

»Ich dachte, du verstehst etwas vom Sporttauchen, verflixt noch mal. Oder war das nur ein Trick, um Mund-zu-Mund-Beatmung zu erreichen? Es gibt einfachere Methoden.«

Shayne versuchte den Kopf zu heben. Sein Gesicht verzerrte sich, und er ließ ihn zurückfallen.

»Nehmt mir das Zeug ab«, sagte er heiser.

Kitty zog ihm die Gesichtsmaske herunter und löste die Riemen. Das andere Mädchen entfernte die großen Schwimmflossen.

»Mike Shayne«, sagte Kitty leise, »Sie sind aber wirklich schwer zu überzeugen.«

Ihr langes, nasses Haar umrahmte ein Gesicht, das im Augenblick unnatürlich blass war. Ihre blonden Stirnfransen reichten fast bis zu den Augenbrauen hinunter. Ihre Augen waren grau und forschend, ihre Backenknochen zeichneten sich deutlich ab. Sie fröstelte. An ihren Wimpern glitzerten Wassertropfen.

Schlagartig erinnerte sich Shayne, wie sie ihn zur Oberfläche gelockt hatte, als er bestrebt gewesen war, seinen selbstmörderischen Tauchversuch fortzusetzen. Seine Mundwinkel zuckten im Ansatz zu einem ersten Lächeln.

Sie bemerkte plötzlich, dass er wieder bei Bewusstsein war, während sie, abgesehen von den Schwimmflossen, immer noch völlig unbekleidet neben ihm kniete. Ihre Hand flog zum Mund.

»Natalie, um Gottes willen, wirf mir das Handtuch herüber!«

Das andere Mädchen wickelte ihr lächelnd ein großes, gestreiftes Badetuch um den Körper. Kitty knotete es unter den Achseln zu. Sie war im Gesicht blutrot geworden.

»Ich dachte mir doch, dass da etwas fehlt«, meinte Rourke. »Ich wollte nur nichts sagen.«

Kitty strich trotzig ihr nasses Haar zurück.

»Ich habe ja versucht, mit ihm zu ringen, verflixt. Das hat aber nicht geklappt. Er war zu schwer für mich.«

Rourke lachte schallend.

»Mach dir keine Gedanken, Baby«, sagte er. »Du bist ein Genie. Das war die einzig sichere Methode bei Shayne.«

»Ruhe«, befahl Kitty, die sich Mühe gab, ernst zu bleiben. »Mike, wie fühlen Sie sich?«

»Besser.«

Er stützte sich auf den Ellbogen und schaute sich suchend nach der Cognacflasche um. Er wusste, dass es eine gab, weil er ein paar Schluck getrunken hatte, bevor er auf die Idee gekommen war, Kittys Atemgerät auszuprobieren. Er machte eine ungeduldige Bewegung. Rourke füllte einen Pappbecher mit Cognac. Shayne behielt den ersten Schluck eine Weile im Mund, um den Geschmack der schlechten Luft zu beseitigen. Dann leerte er den Becher auf einen Zug.

Er sah zu Kitty auf.

»Ich konnte nicht begreifen, wie Sie ohne Gerät so tief hinuntergetaucht sind. Ich dachte, ich bin bei fünfzehn Metern. So tief kann ich aber auf keinen Fall gewesen sein.«

»Du meine Güte, nein. Es waren ungefähr drei Meter. Ich hatte den Schnorchel genommen und wusste sofort, dass etwas nicht in Ordnung war, als Sie vom Tau wegschwammen. Und dann dieser verrückte Überschlag. Sie wissen ganz genau, dass man so etwas nicht machen darf.«

»Tiefenrausch«, sagte Rourke und griff nach seinem Whisky. »Ich habe mal einen Artikel darüber geschrieben. Allerdings höre ich zum ersten Mal, dass er in drei Meter Tiefe auftritt. Na ja, wenigstens ist es gut ausgegangen. Hoch die Tassen!«

Rourke schien irgendetwas zu verbergen, aber Shayne führte das auf die Tatsache zurück, dass er sich immer noch nicht ganz in die Wirklichkeit zurückgerettet hatte. Er setzte sich auf. Der Schmerz zwischen seinen Augen verstärkte sich sofort. Kitty bot ihm Hilfe an, aber er wollte sehen, wie gut er alleine zurechtkam. Er schaffte es bis zu einem Klappstuhl und ließ sich seufzend nieder. Rourke füllte seinen Becher zum zweiten Mal mit Cognac.

»Genug getaucht für einen Tag«, sagte Shayne. »Wie lange war ich im Wasser?«

»Drei oder vier Minuten«, erwiderte Rourke.

»Drei oder vier Minuten!« Shayne machte ein belämmertes Gesicht. »Kitty, wenn wir wieder an Land sind, sprechen wir mit dem Mann, der Ihnen den Sauerstoff verkauft hat.«

Sie stapelte verschiedenfarbige Kissen an eine Stütze, setzte sich davor, lehnte sich zurück und zündete sich eine Zigarette an. Sie und Rourke sahen einander an. Rourke stieß den Atem aus und hob die Schultern.

»Am besten sagen wir es ihm. Bei dem Tempo kommt er ja selbst bald dahinter.«

»Was meinst du?«, fragte Shayne.

Kitty betrachtete stirnrunzelnd ihre Zigarette.

»Mike, ich achte immer sehr darauf, wo ich meine Sauerstoffflaschen füllen lasse«, erwiderte sie an Rourkes Stelle. »Ich weiß, dass Sie an Kohlenmonoxyd denken, aber ich gehe immer zu einer Firma in Marathon, die absolut sauber arbeitet. Die Kompressoren dort sind wassergekühlt. Eine Öl-Verdunstung kann nicht eintreten, was das große Problem sonst ist, wie ich gehört habe. Und wenn es Monoxyd gewesen wäre, hätte es doch nicht so schnell gewirkt, oder?«

Shaynes Augen verengten sich.

»Das hängt von der Konzentration ab. Sie müsste sehr hoch sein.«

Sie trank einen Schluck Gin und sagte: »Wir brauchen uns gar nicht lange den Kopf zu zerbrechen. Die Tanks müssen ja noch fast voll sein. Wir können den Inhalt untersuchen lassen, dann wissen wir genau Bescheid. Hat jemand Hunger?«

Rourke ließ sich in einen Deckstuhl fallen und zog einen zerfransten Strohhut über seine Augen.

»Zuerst sonnen wir uns ein bisschen.«

Sekundenlang schwiegen alle. Shayne atmete tief ein und hatte den verrückten Wunsch, wieder unter Wasser zu sein, wo er zwar ernsthaft in Schwierigkeiten gewesen war, aber nichts davon gewusst hatte. Jetzt stand er wieder der realen Welt gegenüber.

»Langsam beginnt es zu dämmern«, meinte er. »Hinter der Einladung steckte mehr als die Sonne, ein bisschen Alkohol und ein Nachmittag auf dem Wasser.«

»Leider«, murmelte Kitty.

»Nur nicht gleich so grimmig, lieber Freund«, sagte Rourke. »Sie sitzt in der Patsche, Wir erzählen dir alles, wenn es dir bessergeht.«

Shayne holte sich die Cognacflasche mit dem nachten Fuß heran.

»Und Sie, Natalie?«, fragte er. »Sind Sie auch beteiligt?«

»Ich nicht«, erwiderte sie hastig. »Ich bin wegen Sonne, Wasser und Schnaps mitgekommen. Außerdem wollte ich einmal mit Mike Shayne Zusammensein.«

Rourke beugte sich vor und schob den Hut ins Genick.

»Mike, ich weiß, dass du hart gearbeitet hast. Ich gebe als erster zu, dass du dir eine Ruhepause verdient hast. Die Geschichte ist aber termingebunden. In ein paar Tagen, wenn dir das Nichtstun zum Hals heraushängt, wirst du das Bitte-nicht-stören-Schild von deiner Tür nehmen und wieder anfangen. Solange können wir nicht warten.«

»Weiter«, sagte Shayne ruhig.

»Kitty ist eine gute Freundin von mir. Sie braucht Unterstützung, und zwar sofort. Es handelt sich um ein kleines Problem, das du mit der linken Hand erledigen kannst. Der Ausflug heute Nachmittag war meine Idee. Ich dachte, wenn ich dich hierher schleifen kann, dir ein dickes Steak und guten Cognac biete und dich mit hübschen Mädchen in Mini-Badeanzügen versorge, sagst du vielleicht ja. Wenn du ablehnst, dann wenigstens höflich.«

»Dann also: nein«, sagte Shayne.

»Gib die Hoffnung nicht auf«, sagte der Reporter zu Kitty. »Er hat nicht Nein, verdammt noch mal gesagt.«

»Mike, ich weiß, dass das nicht ehrlich war«, erklärte Kitty hastig. »Aber ich habe mir solche Sorgen gemacht! Sie haben ja keine Ahnung. Es war vorher schon schlimm genug, aber jetzt -! Wenn ihr nicht mitgekommen wärt, hätte ich alleine eine Tauchfahrt gemacht. Ich versäume kaum einen Sonntag. Nach einer ganzen Woche an der Schreibmaschine ist das der richtige Ausgleich. Ich weiß, dass man eigentlich nie alleine tauchen soll, aber fünf bis sechs Meter am Tau wage ich auch allein.« Sie schloss kurz die Augen und berührte ihre Stirn, als hätten sich Shaynes Kopfschmerzen auf sie übertragen. »Normalerweise fahre ich gleich hinaus, nachdem ich gefrühstückt und die Sonntagszeitungen gelesen habe. Jetzt wäre ich schon tot.«

»Na hör mal, Kitty«, meinte Natalie unsicher.

»Das ist mein Atemgerät«, sagte Kitty. »Wenn jemand Sauerstoff abgelassen und dafür etwas anderes hineingetan hat, war das für mich gedacht. Kein Mensch wäre auf den Gedanken gekommen, dass etwas anderes als ein Unfall dahinterstecken könnte - das erschreckt mich ja so. Die Leute würden die Köpfe schütteln und behaupten, ich hätte nicht alleine tauchen dürfen.«

»Übrigens, Mike«, warf Rourke beiläufig ein, »du erinnerst dich wohl an Cal Tuttle. Kitty war seine Sekretärin. Key Gaspar gehörte ihm.«

»Key Gaspar«, sagte Shayne langsam, zwischen den Schlucken. »Der Name kam mir gleich bekannt vor. War das während der Prohibition nicht ein Schmugglerversteck?«

»Allerdings«, erwiderte Rourke. »Tuttle schaffte die Ware aus Havanna heran und brachte sie in der Bucht am Südende an Land. Die Schwarzhändler aus Miami und Palm Beach rückten mit schnellen Booten an und holten sie ab. Tuttle besaß ein halbes Dutzend von den Key-Inseln, aber die hier hat er behalten. Du hörst dir das doch jetzt an, nicht wahr?«

»Ich hätte es lieber ein andermal gehört, aber nur zu. Übrigens habe ich mich noch nicht bedankt«, fügte er hinzu und schaute zu Kitty hinüber.

Sie wurde wieder rot.

»Gern geschehen. Ich hoffe nur, dass uns niemand mit dem Fernglas beobachtet hat, als wir aus dem Wasser kamen.«

»Ich schulde Ihnen einen Badeanzug«, meinte Shayne. »Suchen Sie sich einen aus und schicken Sie mir die Rechnung. Wo bewahren Sie Ihre Taucherausrüstung auf, wenn Sie nicht hier sind?«

»In einem Küchenschrank, mit einem zusätzlichen Vorhängeschloss. Ich erinnere mich, dass ich es heute früh aufgesperrt habe.«

»Ein Vorhängeschloss ist nicht schwer zu öffnen. Benützt außer Ihnen noch jemand das Gerät?«

»Nein, niemand. Sie sind seit, einer Ewigkeit der erste. Manchmal kommen Bekannte zum Tauchen, aber sie bringen ihre eigenen Geräte mit.«

Shayne nickte.

»Wirf mir eine Zigarette herüber, Tim. Okay, Kitty, erzählen Sie, was passiert ist.«

Rourke warf ihm eine Zigarette und Streichhölzer zu. Kitty biss sich auf die Unterlippe.

»Am vergangenen Wochenende habe ich meine Katze mit durchschnittener Kehle am Hintereingang gefunden.«

»Kitty, wie schrecklich!«, rief Natalie. »Deine schöne Siamesin? Davon hast du mir gar nichts gesagt.«

Kitty schüttelte den Kopf.

»Ich wollte nicht darüber reden. Allein zu leben, macht mir wirklich nichts aus. Es gefällt mir sogar - meine Ehe war am Ende nur noch eine Qual. Ich will nicht eine von diesen hysterischen Frauen werden, die wegen jeder Kleinigkeit zu irgendeinem Mann laufen. Aber das hat mir wirklich Angst gemacht. Sie hieß Awn. Ich hing sehr an ihr. Es gab nicht den geringsten Zweifel daran, was ihr zugestoßen war, und warum.«

Sie hob ihr Glas mit beiden Händen. Während sie nachdenklich hineinstarrte und dann trank, befasste sich Shayne schnell mit den Andeutungen, die Rourke hatte fallenlassen, als sie in Shaynes Buick die Overseas-Autobahn entlanggebraust waren.