Lake Anna - Versprechen des Herzens - Joanne St. Lucas - E-Book

Lake Anna - Versprechen des Herzens E-Book

Joanne St. Lucas

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Beschreibung

Ein Moment der Panik überkommt Emmaline Fulham - und sie flieht Hals über Kopf vor einer arrangierten Ehe mit dem deutlich älteren Winston. Als ihr Auto steckenbleibt, strandet Emma in Lake Anna, wo der Ranger Toby Jennings sie in seiner Hütte aufnimmt. Dort fühlt sie sich entgegen ihrer Erwartungen wohler und geborgener als je zuvor. Das liegt neben der warmherzigen Kleinstadtatmosphäre vor allem an Toby selbst, der sie mit seinen tiefgrünen Augen und seiner rauen Art magisch anzieht. Und zum ersten Mal in ihrem Leben erfährt Emma, was wahre Leidenschaft ist. Doch ihr Verlobter gibt nicht so schnell klein bei - schließlich gehört Emma ihm ...

Eine gefühlvolle Novelle aus der Lake-Anna-Reihe von Joanne St. Lucas um die romantische Kleinstadt am See.

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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber dieses BuchTitelPrologKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Über die AutorinWeiterere Titel der AutorinImpressumLeseprobe

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Über dieses Buch

Ein Moment der Panik überkommt Emmaline Fulham – und sie flieht Hals über Kopf vor einer arrangierten Ehe mit dem deutlich älteren Winston. Als ihr Auto steckenbleibt, strandet Emma in Lake Anna, wo der Ranger Toby Jennings sie in seiner Hütte aufnimmt. Dort fühlt sie sich entgegen ihrer Erwartungen wohler und geborgener als je zuvor. Das liegt neben der warmherzigen Kleinstadtatmosphäre vor allem an Toby selbst, der sie mit seinen tiefgrünen Augen und seiner rauen Art magisch anzieht. Und zum ersten Mal in ihrem Leben erfährt Emma, was wahre Leidenschaft ist. Doch ihr Verlobter gibt nicht so schnell klein bei – schließlich gehört Emma ihm …

Jana Lukas als

JOANNE ST. LUCAS

Versprechen des Herzens

Small-Town-Novelle

Prolog

Der sanfte Wind wehte die herzzerreißende Melodie des Streichquartetts durch die offenen Terrassentüren. Emma hielt den Atem an, als die Stylistin ein letztes Mal ihre riesige Haarspraydose zischen ließ. Die Frau trat einen Shritt zurück, legte sich dramatisch die Hand aufs Herz und schniefte. »Sie sehen wundervoll aus, Emmaline. Winston wird begeistert sein.«

Das wird er wohl, dachte Emma. »Vielen Dank, Vivianne. Würden Sie mich einen Moment allein lassen?«

»Selbstverständlich. Genießen Sie Ihre letzten Minuten als unverheiratete junge Lady.« Die reichlich überschminkte Frau packte mit geübten Handgriffen ihre Folterwerkzeuge zusammen und verließ fröhlich zwinkernd die Suite.

Emma drehte sich langsam zum Spiegel um. Auch wenn Vivianne bei sich selbst deutlich übertrieb, was das Toupieren der Haare, die Dicke des Make-ups und die Menge an Parfüm betraf, so hatte sie doch bei ihr ganze Arbeit geleistet. Andererseits hatte sie nichts anderes erwartet. Schließlich war die Frau von Winston engagiert worden. Wie auch alle anderen Helfer, die an diesem Tag – und in den vergangenen Wochen – um sie herumgewuselt waren.

Ihr Make-up war makellos. Unaufdringlich, aber intensiv genug, ihre Augen, in denen die Kontaktlinsen brannten, hervorzuheben. Ihr Haar war auf der linken Seite kunstvoll geflochten und floss in sorgfältig drapierten Locken über die rechte Seite ihres Dekolletés. Das Diadem fing als einziger Schmuck, den sie trug, die Sonnenstrahlen ein, die durch die Terrassentür fielen, und die Spange, mit der der filigrane Schleier an ihrem Hinterkopf befestigt war, brachte sie schon jetzt um.

Emmas Blick glitt langsam über ihr Spiegelbild, nahm alle Details in sich auf. Das wundervolle, elfenbeinfarbene Kleid – eine Prinzessinnenrobe mit Tattoospitze und jeder Menge glitzerndem Tüll – passte perfekt zu ihrer hellen Haut und würde mit Sicherheit einigen der Hochzeitsgäste ein ehrfürchtiges Seufzen und ein paar Tränen der Rührung entlocken. Wenn sich Emma betrachtete, musste sie anerkennen, dass alles sehr sorgfältig aufeinander abgestimmt war. Besser ging es nicht. Sie war die perfekte Braut. Und sie hasste es. Sie hatte kein Mitspracherecht bei der Auswahl dieses Kleides gehabt, das Sinnbild des schönsten Tages im Leben einer Frau sein sollte. Winston hatte entschieden. Genau wie über ihre Frisur, das Streichquartett, die Zeremonie, die Gäste und ihre Hochzeitsreise.

Emma verabscheute jedes Detail dieser Hochzeit. Sie hasste das Kleid, ihre Haare, den verflixten Schleier, der an ihrer Kopfhaut zerrte. Ebenso wie die verdammte Geigenmusik, die über das weitläufige Anwesen schallte, und die Fünfsterne-Suite des exklusiven Hotels auf Maui, in dem sie ihre Hochzeitsnacht verbringen würde.

Sie versuchte, tief durchzuatmen. Vor ihren Augen tanzten Sterne. Das Mieder des Kleides war viel zu eng. Wie sollte sie atmen? Vorsichtig lehnte sie sich neben dem Spiegel gegen die Wand. Sie wollte sich nicht länger sehen. Sie musste sich beruhigen und ihre Atmung unter Kontrolle bekommen. »Das ist alles nur die Aufregung«, murmelte sie. »Bräute bekommen kalte Füße. Das ist wissenschaftlich erwiesen«, murmelte sie. Fast jeder Frau erging es so am Tag, an dem sie vor den Altar trat. Nicht, dass sie Erfahrungen auf diesem Gebiet hatte. Sie hatte darüber gelesen. Man war kein schlechter Mensch, wenn man vor der Hochzeit eine Panikattacke bekam. Darauf wurde auf vielen Seiten im Internet ausdrücklich hingewiesen. In den unzähligen schlaflosen Nächten der vergangenen Wochen hatte sie vermutlich jede einzelne gelesen. Bräute wurden überwältigt von Angst und der Furcht, beim Planen der Hochzeit Fehler gemacht oder gar etwas vergessen zu haben. Der Druck und die Verantwortung, die mit einem solchen Fest einhergingen, waren gigantisch. Diese Gefühle waren also völlig normal.

Nur war sie diesen Stressfaktoren nie ausgesetzt gewesen. Sie hatte weder das Büfett aussuchen müssen noch die Kleider für die Brautjungfern, die sie nicht einmal kannte. Sie waren Töchter und Nichten von Winstons Geschäftspartnern. Sie hatte keine Gedanken an die Sitzordnung der Gäste verschwenden müssen noch hatte sie ein Mitspracherecht gehabt, wer überhaupt eingeladen worden war. Alles, was diesen Tag betraf, war an ihr vorbei entschieden worden. Sie war nur die Trophäe, die an ihrem Hochzeitstag erscheinen musste, um zum Altar geführt zu werden.

»Oder zum Schafott.« Resigniert schloss Emma die Augen. Sie musste dringend aufhören, mit sich selbst zu reden. Wahrscheinlich fühlte sie sich nur ein wenig einsam und allein. Sie hatte keine Freundin, die Champagner mit ihr schlürfte und kichernd Witze über die Hochzeitsnacht riss. Ihre Mutter war nicht gekommen, um sie ein letztes Mal zu umarmen und ihr eine glückliche Ehe zu wünschen. Sie saß neben ihrem Vater in der ersten Reihe vor dem üppigen Rosenbogen, unter dem sie in ein paar Minuten ihr Eheversprechen geben würde. Wahrscheinlich war es besser so. Wirklich nahe standen sich ihre Mutter und sie sowieso nicht.

Sie könnte Paddy anrufen, ihren besten Freund, den Winston nicht eingeladen hatte. Aus diesem Blickwinkel betrachtet war sie sich nicht sicher, ob sie überhaupt noch Freunde waren. Seit Wochen hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Ihr Handy lag zudem in ihrer Handtasche in dem Wagen, der sie nach der Hochzeit zum Flughafen bringen würde.

Die Hochzeitsplanerin – effizient und jeden Cent wert, den Winston für sie zahlte – klopfte kurz an die Tür und trat ein, ohne das Herein abzuwarten. »Oh, Emmaline, Sie sehen wundervoll aus. Winston werden die Augen aus dem Kopf fallen.« Sie zwinkerte verschwörerisch, bevor sie auf ihre Armbanduhr klopfte. »Sind Sie so weit, Schätzchen? Es geht los.«

Emma nickte. Sie hatte das Gefühl, nur noch krächzen zu können. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.

»Lassen Sie es uns ein letztes Mal durchgehen. Sie warten, bis alle Brautjungfern am Altar angekommen sind. Dann schreiten Sie in dem langsamen Gang, den wir geübt haben, den Weg hinunter.« Sie trat zu Emma, zog ihre Schultern nach hinten und hob ihr Kinn an. »Halten Sie sich gerade, Schätzchen, und schreiten Sie. Schreiten.« Sie nahm den Brautstrauß aus der Vase auf dem Schminktisch und reichte ihn Emma. »Sie bekommen nur diese eine Chance, sich als perfekte Braut zu präsentieren. Also vermasseln Sie es nicht. Atmen Sie tief durch, und los geht es.«

Emma schluckte krampfhaft. Den Brautstrauß fest an sich gedrückt, trat sie durch die Terrassentür. Sie war bereit, loszulaufen. Und wenn sie es nur tat, um dieser geschäftstüchtigen, unsentimentalen Frau zu entkommen. Ihr Weg würde sie an dem Haus entlangführen, das ab heute ihr neues Zuhause war. An der Ecke würde sie auf einen Kiesweg in den parkähnlichen Garten abbiegen. Hinter der Hecke, die ihr noch die Sicht verdeckte, fand das Spektakel statt. Sie musste nur hinübergehen und am Rand des Ligusterwalls warten, bis sich eine Brautjungfer nach der anderen auf den Weg gemacht hatte, bevor sie selbst auf den cremefarbenen Teppich trat, der zu dem Metallbogen voller weißer Rosen führte. Sie konnte die jungen Mädchen mit ihren hübschen Frisuren, den kleinen Sträußen und den Kleidern im Empirestil sehen. Sie spähten aufgeregt zu den Hochzeitsgästen, und schließlich nahm die erste von ihnen Haltung an, trat auf den Teppich und verschwand aus Emmas Blickfeld. Die anderen Brautjungfern folgten ihr mit den Blicken und geröteten Wangen. Die Zweite straffte bereits stolz die Schultern.

Winstons Bild tauchte vor Emmas innerem Auge auf. Sie konnte sich vorstellen, wie er vor dem Altar stand. Selbstsicher. Befehlsgewohnt. Und alt. Zu alt für eine Frau wie sie. War das wirklich ihre Zukunft? Sie stolperte und hielt sich an einer steinernen Verandasäule fest. Es wurde immer schwieriger, zu atmen. Die zweite Brautjungfer verschwand hinter der Hecke. Emma musste sich beeilen. Schwankend setzte sie sich wieder in Bewegung. Ihr Blick schien in eine Art Tunnel geraten zu sein und das Blut dröhnte in ihren Ohren im gleichen rasenden Rhythmus, den sie im Brustkorb spürte. Sie stützte sich an der nächsten Säule ab und widerstand dem Drang, sich zu übergeben. Ihre Knie drohten, einzuknicken. Kalter Schweiß bedeckte ihre Haut. Was geschah mit ihr? Bekam sie eine Herzattacke? Emma versuchte, sich daran zu erinnern, was sie über Herzinfarkte wusste. Außer, dass sie mit sechsundzwanzig zu jung dafür war, fiel ihr nichts ein. Ihr Gehirn war wie leer gefegt.

Sie musste weitergehen, also setzte sie sich wieder in Bewegung. Wie ferngesteuert schob sie einen Fuß vor den anderen. Bevor ihr bewusst wurde, was sie tat, hatte sie das Haus umrundet und trat, statt auf den gekiesten Pfad zum Altar, auf den Parkplatz. Vor ihr stand das glänzende Cabrio, das sie zu ihrem Flitterwochenflieger bringen würde. Ihre Koffer, gepackt für eine Woche auf Maui, lagen im Kofferraum, gleich neben ihrer Handtasche und dem Laptop. Alles, was sie brauchte, befand sich in diesem Wagen. Er funkelte im strahlenden Sonnenlicht mit ihrem Kleid um die Wette. Einladend. Als wäre er eine Option zu dem gekiesten Weg, den sie entlangschreiten sollte, und dem Rosenbogen, unter dem ihr Bräutigam wartete. Der Zündschlüssel steckte. Sie könnte einfach …

Wieder tanzten schwarze Punkte vor ihren Augen. Doch diesmal war nicht nur das viel zu enge Oberteil ihrer Robe daran schuld. Sie hielt den Atem an. Nicht denken, wisperte eine leise Stimme in ihrem Kopf. Wenn sie jetzt ihren Verstand einschaltete, wäre sie niemals in der Lage, über die Schnur mit den Blechdosen zu steigen, die die glückliche Vermählung anzeigen sollte, und die Fahrertür des Cabrios zu öffnen. Sie taumelte, so schwindlig war ihr. Im letzten Moment hielt sie sich an der offenen Wagentür fest, bevor sie auf ihren mörderischen High Heels umknickte. Die Geigenmusik schwoll zu einem dramatischen Höhepunkt an – und Emma glitt hinter das Steuer und drehte den Zündschlüssel.

Im Rückspiegel sah sie ihren Brautstrauß auf dem Boden liegen. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass sie ihn fallen gelassen hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde schloss sie die Augen. Das hier würde Konsequenzen haben. Vielleicht würde sie sich nie davon erholen. Aber sie konnte nicht … Sie konnte einfach nicht Winstons Frau werden. Ihr Fuß drückte das Gaspedal durch. Der Kies spritzte unter den Reifen auf und der Wind fuhr kühlend unter ihren Schleier, als sie die lange, geschwungene Auffahrt hinunterschoss.

Kapitel 1

Toby lenkte seinen Wagen auf dem Rückweg vom Bergwachttraining am Ufer des Lake Anna entlang in Richtung des Big-Cloudes-Passes. Im Frühjahr hatte er begonnen, sich zum Bergretter ausbilden zu lassen. Die Schulung war genau sein Ding, auch wenn es am Anfang lustiger gewesen war als jetzt. Er hatte Spaß daran gehabt, mit der hübschen Ärztin Sara Cross zu flirten, was ihren Ausbilder und stellvertretenden Leiter der Bergwacht, Max Bennett, in den Wahnsinn getrieben hatte. Inzwischen waren Sara und Max ein glückliches Paar. Auch wenn ihre anfänglichen Beziehungsschwierigkeiten für einigen Gesprächsstoff in der Stadt gesorgt hatten. Lake Anna hatte nun mal genau die richtige Größe, damit jeder jeden kannte. Und die meisten Leute redeten gern über ihre Nachbarn. Abgesehen davon war Sara schwanger und absolvierte nur noch den theoretischen Teil des Lehrgangs. Die Praxis würde sie nach der Geburt ihres Kindes nachholen. Heute war sie da gewesen und hatte neben ihm gesessen, während Max versuchte, ihnen die Besonderheiten des Wetters in der Bergregion, in der sie lebten, nahezubringen. Er hatte Toby den ganzen Unterricht über aus zusammengekniffenen Augen fixiert, immer noch tödlich eifersüchtig. Es brachte Toby zum Grinsen, nur daran zu denken.

Er war froh, dass Sara zumindest den Teil, bei dem man die Schulbank drücken musste, gemeinsam mit ihm durchstand. Es war für ihn eine Qual, zwei Stunden stillzusitzen und zuhören, wenn es so viel Praktisches zu lernen und üben gab. Ihm war natürlich klar, wie wichtig die Theorie war. Deshalb ergab er sich jeden Freitagabend nach seinem Dienst im Nationalpark zähneknirschend in sein Schicksal. Anders als sonst hatte er heute keine Lust gehabt, die Woche bei einem Drink im Crazy Bear ausklingen zu lassen. Er wollte nach Hause. Vielleicht würde er mit seinem Hund D noch eine Runde drehen.

Sein SUV erklomm die steile Passstraße. Die meisten Bewohner des Tals lebten in den kleinen Städten Lake Anna und Thunder Creek oder zumindest auf der anderen Seite des Sees, wo das Land flacher war, bevor es in die unwirtlichen Berghänge überging. Auf dieser Seite hausten nur ein paar Einsiedler wie er. So gern er unter Leuten war und so viel Spaß ihm seine Arbeit als Ranger im Nationalpark machte, so sehr liebte er die Stille und die Abgeschiedenheit seiner Hütte auf halber Höhe des Berges. Im Winter, wenn der Pass geschlossen war und sich niemand mehr in diese Gegend verirrte, fühlte er sich manchmal wie in seiner eigenen Welt.

Er lenkte den Wagen mit Schwung in den ausgewaschenen Pfad, der zu seinem Heim führte – und trat mit einem saftigen Fluch das Bremspedal durch. Sein Wagen kam schlingernd zum Stehen – ein paar Zentimeter vom Heck einer knallroten Dodge Viper Convertible entfernt. Langsam atmete Toby aus und wartete darauf, dass sich sein Herzschlag wieder beruhigte. Das war knapp. Wenn er der Kiste einen Kratzer verpasst hätte, hätte ihm seine Versicherung vermutlich gekündigt, oder er hätte einen lebenslangen Kredit aufnehmen müssen, um den Schaden abzuzahlen. Welcher Idiot fuhr mit einer solchen Flunder in den Bergen Montanas herum und stellte sich hinter einer Kurve in die Auffahrt zu seinem Haus?

Er ließ seinen Blick vom Heck über den Rest des Cabrios gleiten. Einen Moment blinzelte er, nicht sicher, ob er seinen Augen trauen konnte. Auf dem Fahrersitz saß eine Frau im Brautkleid und blätterte hektisch in einem Buch. Sie schien nicht einmal mitbekommen zu haben, dass er fast in ihr Heck gekracht war. Kopfschüttelnd stieg er aus und ging zu ihr herüber. Als Tobys Schatten auf sie fiel, sah sie frustriert auf.

»Kann ich Ihnen helfen, Miss?«

»Vermutlich nicht.« Sie zitterte vor Kälte in ihrem Kleid, das sie aussehen ließ wie eine Prinzessin.

Die Sonnenstrahlen im Herbst waren trügerisch. Die Luft in den Bergen war um diese Jahreszeit bereits empfindlich kühl. Er wäre jedenfalls nicht verrückt genug, mit offenem Verdeck in der Gegend herumzufahren. Diese Braut anscheinend schon. »Haben Sie sich verfahren?«

Sie schleuderte das Buch mit funkelnden Augen auf den Beifahrersitz. Es war die Bedienungsanleitung für das Cabrio, erkannte er aus den Augenwinkeln.

»Erst verfahren, dann festgefahren«, brachte sie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. »Das rechte Vorderrad steckt fest.«

Toby ging um den Wagen herum und sah sich den Schaden an. Nicht schlimm. Wenn das Cabrio aus dem Schlamm gezogen war, wäre es mit Sicherheit wieder fahrtüchtig.

»Das Navi hat gesagt, ich soll mich rechts halten, und das habe ich getan«, erklärte sie. »Offenbar war das nicht der richtige Weg.«

»Nein.« Toby kratzte sich am Kinn. »Das Navi hat eine Abzweigung ein paar Hundert Fuß weiter oben gemeint. Sie sind zu früh abgebogen.«

»Oh.« Mehr sagte sie nicht, starrte ihn nur aus großen Augen an.

»Ich kann Sie mit meinem Wagen aus dem Matsch ziehen. Sie wollen sicher nicht zu spät zu Ihrer Trauung kommen.«

Sie senkte den Blick. Ein paar Herzschläge lang blieb sie stumm. »Ich bin nicht auf dem Weg zu einer Trauung«, murmelte sie schließlich so leise, dass er es fast nicht hören konnte.

Oh verdammt! Augenblicklich wurde ihm klar, womit er es hier zu tun hatte. Eine sitzen gelassene Braut. Sie war nicht auf dem Weg zu einer Hochzeit, sondern flüchtete von einer, bei der sie allein vor dem Altar gestanden hatte. Er unterdrückte einen frustrierten Seufzer und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Das war nicht gerade seine Vorstellung von einem ruhigen Freitagabend. Das Drama, das mit einer solchen Situation einherging, kannte er nur zu gut. Plötzlich wünschte er sich, doch noch ins Crazy Bear gegangen zu sein. Vielleicht wäre sie zwei Stunden später verschwunden gewesen.

Wäre sie nicht, sagte ihm sein Gewissen. Seine Mutter würde ihm die Ohren lang ziehen – auch wenn sie sich dafür mittlerweile auf die Zehenspitzen stellen musste – wenn er der Frau nicht half. Und es war natürlich auch nicht seine Art, sie einfach am Straßenrand zurückzulassen. Insbesondere in der emotionalen Ausnahmesituation, in der sie sich befand. Selbstverständlich würde er ihr helfen. Wie auch jedem anderen, der hier gestrandet wäre. Schließlich war er Ranger. Und bei der Bergrettung. Zu helfen lag ihm im Blut. »Hier oben am Pass werden Sie nichts finden, wo Sie übernachten können. Ich kann Sie nach Lake Anna zurückbringen. Dort gibt es ein Motel und ein B & B. Um diese Zeit im Jahr müssten Sie problemlos ein Zimmer bekommen.«

»Nein«, stieß sie hervor. »Nein, bitte nicht«, fuhr sie ein wenig leiser fort. Sie senkte den Blick auf ihr Kleid und Toby verstand. Sie wollte nicht mit einem Brautkleid in einem Hotel auftauchen und sich den neugierigen Blicken der anderen Gäste aussetzen. In diesem Aufzug würde sie nicht umhinkommen, Aufsehen zu erregen. Wahrscheinlich war sie nah am Wasser gebaut, voller unterdrückter Gefühle, die nur darauf warteten, sich ihren Weg in die Freiheit zu bahnen. Nicht wenige waren bereit, nach einer solchen Erfahrung Dummheiten zu machen.

Toby betrachtete sie. Sie wirkte blass im Zwielicht des Tages. Dunkle Schatten lagen unter ihren Augen. Trotzdem wirkte sie stark. Sie schien nicht der Typ zu sein, der ein Röhrchen Tabletten schluckte, weil er vor dem Altar stehen gelassen wurde. »Wo wollen Sie die Nacht verbringen, wenn nicht in einem Hotel?«

»Hier.«

»Hier?«, wiederholte er und schüttelte den Kopf. »Miss, Sie können auf keinen Fall …«

»Ich muss nur dieses verdammte Verdeck zubekommen«, unterbrach sie ihn und begann wieder, in der Bedienungsanleitung des Fahrzeugs zu blättern.

Toby biss sich auf die Innenseite der Wange, um ein Grinsen zu unterdrücken. Die Situation war ernst. Zumindest für die Frau. Er würde nicht über sie lachen. »Hören Sie, selbst wenn das Verdeck geschlossen ist, können Sie nicht hier draußen bleiben. Die Temperaturen sinken nachts unter fünf Grad. Das ist eindeutig zu kalt.«

Sie seufzte erschöpft und ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken. Mutlos. Bereit, aufzugeben. Dabei hatte sie gerade noch so entschlossen gewirkt. Er wollte, dass dieser kämpferische Ausdruck wieder in ihre Augen trat. Bevor er sich bremsen konnte, tat er etwas, das er normalerweise tunlichst vermied. Er redete, ohne sein Gehirn einzuschalten. »Ich kann Ihnen meine bescheidene Behausung anbieten.«

Mit einer Mischung aus Schock und Unglauben sah sie ihn an. Verdammt, woher war das denn gekommen? Er hätte sich eine Kopfnuss verpassen können. Keine Frau, die auch nur ansatzweise bei Vernunft war, würde in der Hütte eines Wildfremden in den Bergen übernachten. Zu seiner Ehrenrettung – und um nicht wie ein geisteskranker Axtmörder zu klingen, der sein Opfer zur Schlachtbank locken wollte – wies er auf das Wappen an seinem Ärmel. »Mein Name ist Toby Jennings. Ich bin Ranger im Nationalpark.« Er lächelte sie an. »Das hilft Ihnen zwar nicht unbedingt, mir zu trauen, aber Sie können gern meinen Boss oder den Sheriff anrufen. Ich gebe Ihnen die Nummern. In Lake Anna kennt jeder jeden. Sie würden wahrscheinlich ein paar spannende Geschichten über mich zu hören bekommen, aber schließlich würde man Ihnen erzählen, wie harmlos ich bin.«

Die Braut biss auf ihrer Unterlippe herum, auf der noch ein Rest Lipgloss schimmerte. Schließlich sah sie ihn ernst an. »Okay.« Sie zögerte kurz, dann nickte sie, als müsse sie sich selbst Mut zusprechen. »Ich würde Ihr Angebot gern annehmen und mir morgen früh überlegen, wie es weitergeht. Wenn es Ihnen nicht zu viele Umstände macht.«

Okay? War das ihr Ernst? Toby fuhr sich durch die Haare. Er hatte zwar geredet, ohne nachzudenken. Nachdem die Worte raus waren, allerdings auch nicht damit gerechnet, dass sie auf seinen Vorschlag einging. »Es macht überhaupt keine Umstände«, log er. »Wie gesagt, ich bin Toby Jennings.«

»Emma.« Kein Nachname. Was vermutlich nicht wichtig war, wenn auch nicht gerade höflich. Morgen würde sie aus seinem Leben verschwinden. Ihr Name spielte keine Rolle.

Er öffnete die Wagentür und half ihr, in dem Gewusel aus Seide und Tüll auszusteigen. »Warten Sie einen Moment«, sagte er, als sie neben der Viper stand. Er schob den Fahrersitz zurück, ließ sich in den Wagen fallen, startete den Motor und schloss das Verdeck.

Mit blitzenden Augen sah sie ihn an. »Wie haben Sie das gemacht? Ich habe es hundert Mal probiert.«

»Sie müssen die Zündung einschalten, bevor Sie auf den Knopf drücken.« Er zog den Schlüssel ab und reichte ihn ihr. Es war merkwürdig, wie wenig sie sich mit ihrem Wagen auskannte. »Haben Sie Gepäck?«, fragte er, statt sich über Dinge Gedanken zu machen, die ihn nichts angingen.

»Im Kofferraum.« Sie zeigte ihm ihren Koffer und er hob ihn in seinen Wagen. Sie folgte ihm mit ihrer Handtasche und einem Laptop.

*

Emma schielte vorsichtig zu ihrem Retter hinüber. Was hatte sie getan? Ihre Flucht war nicht nur die impulsivste Entscheidung gewesen, die sie jemals getroffen hatte. Sie war auch die dümmste. Damit hatte sie alles nur noch schlimmer gemacht – und das nicht nur für sich. Als wäre das nicht genug, war sie zu einem Fremden in den Wagen gestiegen und hatte eingewilligt, in seinem Haus zu übernachten. Er behauptete, ein Ranger zu sein. Ein Beruf, der zu ihm zu passen schien. Die Uniform saß wie angegossen, seine Unterarme, die aus den aufgerollten Hemdärmeln hervorsahen, und sein Gesicht waren sonnengebräunt. Hellere Strähnen durchzogen die dunklen, einen Tick zu langen Haare, was darauf schließen ließ, dass er viel Zeit im Freien verbrachte. Falls er ein irrer Axtmörder war, geschah ihr das nur recht nach dem, was sie heute getan hatte.