Lasst euch nicht verführen! - Robert Pfaller - E-Book

Lasst euch nicht verführen! E-Book

Robert Pfaller

0,0

Beschreibung

Robert Pfaller stellt in seinem Aufsatz zum Kursbuch 175 dar, wie Alkohol, Nikotin, Spiel und Sex als Unterbrechungen des Alltags diesen positiv gestalten. Eine Politik, die solches Verhalten sanktioniert, führt zu Unverständnis gegenüber denen, die trotzdem weiter ihren Alltagsunterbrechungen nachgehen. Obwohl es doch gesund ist.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 22

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Benutzerhinweise

Dieser Artikel enthält Anmerkungen, auf die die Anmerkungszahlen im Text verweisen. Durch einfaches Klicken auf die Anmerkungszahl wechselt das E-Book in den Anmerkungsteil des Artikels, durch Klicken auf die Anmerkungszahl im Anmerkungsteil wieder zurück zum Text.

Robert Pfaller

Lasst euch nicht verführen!

Über Bevormundungspolitik und die Riten der Unterbrechung

»Me-Ti sagte: Im allgemeinen finde ich, daß die Menschen zu unserer Zeit das unzulängliche Leben zu wenig und den Tod zu sehr fürchten.«

(Bertolt Brecht, Me-Ti. Buch der Wendungen)

1

Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Da werden durch eine Finanzkrise, die durch schwerwiegende Fehleinschätzungen neoliberaler Wirtschaftstheoretiker sowie der mit ihnen kollaborierenden Politiker verursacht wurde, in Europa Millionen Menschen arbeitslos, verlieren ihre Wohnungen, wenn nicht ihre gesamten Zukunftsperspektiven. Und was tut die europäische Politik daraufhin? Tut sie alles, um diese Entwicklungen zu stoppen? Besinnt sie sich nun ihrer eigenen Machtmittel? Produziert sie etwa durch internationale Abkommen neue Mechanismen, um solchen Schäden in Zukunft zuvorzukommen und die bestehenden zu reparieren? Denkt sie vielleicht sogar einmal fantasievoll darüber nach, welche Möglichkeiten Politik besitzt, um sich nicht dauernd vor der »Nervosität der Märkte« zu ängstigen, sondern umgekehrt einmal wieder »den Märkten« (beziehungsweise deren Profiteuren) ein bisschen Angst zu machen – sofern diese keine andere Sprache verstehen? – Nein. Nichts von alledem. Stattdessen hat diese Politik nichts Dringenderes zu tun, als den Bürgerinnen und Bürgern – übrigens durchweg erwachsenen Menschen– zum Beispiel mit ekligen Abbildungen von nikotingeschädigten Lungen auf den Zigarettenpackungen mitzuteilen, dass Rauchen schädlich ist. Diese Art der Bevormundung, die sich in Form detaillierter Empfehlungen, freundlicher Hinweise, ernster Warnungen usw. äußert, ganz so, als ob eine Gruppe verantwortlicher, mündiger Menschen es mit unverantwortlichen, unmündigen zu tun hätte, und worin erwachsene Menschen andere erwachsene Menschen permanent wie Kinder behandeln, ist ein typisches Merkmal unserer Gegenwart. Bevormundungspolitik gab es nicht schon immer. Sie ist vielmehr ein relativ junges Symptom einer impotent werdenden, ihren Einfluss verlierenden oder aus der Hand gebenden Politik.

Eine Politik, die zunehmend darauf verzichtet, das Spiel der großen Player so zu regeln, dass es nicht erheblichen Schaden für die Gesamtgesellschaft verursacht; eine solche im Großen deregulierende Politik also hält sich stattdessen im Kleinen, an den Individuen schadlos und brummt diesen alle möglichen Verbote, Warnhinweise und Regulierungen auf. Die begründete Verunsicherung und das berechtigte Bedürfnis der Leute nach elementaren Standards sozialer und ökonomischer Sicherheit werden auf diese Weise missbraucht und abgelenkt vom Großen ins Kleine, und vom politischen Feld in das des individuellen Lebens. Man kann das auch als Pseudopolitik bezeichnen.