Lasst mich froh und munter sein - XXL Leseprobe - Sabine Schmidt - kostenlos E-Book

Lasst mich froh und munter sein - XXL Leseprobe E-Book

Sabine Schmidt

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Beschreibung

Susanne Herr: italienfreundliche Austauschlehrerin, die amourösen Abenteuern nicht abgeneigt ist; Hank: Straßenbahnfahrer und verständnisvoller Ehemann von Susanne, der ihr jeden Seitensprung verzeiht, während er im Knast sitzt; Cristina: italienische Kollegin Susannes, die ein Kindheitserlebnis auf einem Campingplatz an der Adria für immer für die deutsche Kultur eingenommen hat; Laura: noch eine Kollegin Susannes: zuständig als Vermittlerin für Männerbekanntschaften; Friedrich Nietzsche: wurde in Turin verrückt und umarmte auf der Straße ein misshandeltes Pferd; Giovanni: Sizilianer und Klempner von Beruf: geht mit Frauen um wie mit seinen Sanitäranlagen; Benedetto: sieht aus wie ein entlaufener Häftling mit ärmellosem Muskelhemd; Ron: Fotograf, der seine Freizeit lieber am Krankenbett seiner Mutter verbringt als mit einer deutschen Austauschlehrerin; Giulio: sieht aus wie Alan Delon und bringt das Image des Latin Lovers ganz schön ins Wanken; Eine italienische MAMMA: Giulios Mutter, die alles daransetzt, Susanne und Giulio auseinanderzubringen; Normalerweise genießt der italienische Latin Lover einen guten Ruf bei deutschen Frauen. Die Autorin dagegen zeigt, dass die Realität ganz anders aussieht, denn der italienische Liebhaber ist heute nicht mehr das, was er einmal war. Susanne Herr, eine deutsche Austauschlehrerin, kommt 2006 für ein Jahr nach Turin. Ihr Mann Hank, der inzwischen in Deutschland zurückbleibt, wird wegen einer Drogengeschichte verhaftet und landet im Gefängnis. Susanne Herr erlebt einige Bauchlandungen mit einigen typischen Latin Lovers, bis sie sich unsterblich in den schönen Giulio verliebt. Sie verheimlicht ihm, dass sie verheiratet ist. Eines Tages taucht Hank völlig unerwartet in Turin auf, und Giulio wird tot aufgefunden...

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Sabine Schmidt

Lasst mich froh und munter sein - XXL Leseprobe

Ein Jahr als Deutschlehrerin in Italien

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Die italienische Schule

Das Nürnberger Schulamt hatte Susanne Herr nach Turin geschickt, um an einem deutsch-italienischen Lehreraustauschprogramm teilzunehmen, da sie gute Italienischkenntnisse besaß. Das war eine einmalige Chance, obwohl der Zeitpunkt nicht gerade günstig war, da Susanne erst vor kurzem geheiratet hatte und ihr Mann Hank sie aus beruflichen Gründen nicht begleiten konnte. Er war Straßenbahnfahrer in Nürnberg. Sie hatten sich kennen gelernt, als einer von Susannes Schülern auf der Fahrt ins Germanische Museum die Notbremse gezogen hatte. Statt eines Donnerwetters gab es eine Einladung ins Bratwursthäusle. Am nächsten Tag hatten sie die erste Verabredung an ihrer Straßenbahnhaltestelle in Nürnberg Süd. Susannes Haltbarkeitsdatum war zwar längst überschritten, aber das machte Hank nichts aus.

Susanne war zum ersten Mal beruflich im Ausland. Bisher kannte sie Italien nur von überfüllten Stränden an der Adria her. Sie sollte als deutsche Konversationslehrerin an einer höheren Schule arbeiten.

Es war Oktober, als Susanne in der Piemontesischen Hauptstadt ankam. Sie fand in einem Hotel im Zentrum Turins Unterkunft, dem Principi di Piemonte. Ein Hoteldiener in Livree brachte ihren Koffer auf ihr Zimmer, das eher als Suite zu bezeichnen gewesen wäre, alles sehr nobel, aber ein bisschen verstaubt. Geheizt wurde mit einem altmodischen Gasofen, was aber nicht viel nützte, denn der Raum schien resistent zu sein gegen jede Art von Erwärmung. Sogar im Kühlschrank war es wärmer. Auf der Fahrt im Zug hatte sich Susanne in einem Standardnachschlagewerk bereits über die italienischen Schulverhältnisse informiert. Italien sei ein labyrinthisches Land, wozu das Alphabet beitrage. Die italienischen ABC-Schützen lernen zunächst nur ein Alphabet mit 21 Buchstaben. Die Buchstaben J, K, W, X und Y kommen nur in Fremdwörtern vor, und deswegen werden sie kurzerhand ausgelassen. Der Durchschnittsitaliener beherrscht daher nur unsicher das Standardalphabet der lateinischen Schrift mit 26 Buchstaben, wie es in anderen europäischen Sprachen benutzt wird.

Wie nützlich diese Warnung war, sollte sich gleich nach ihrer Ankunft erweisen, als sie den Hotelportier bat, ihr auf der Karte die Lage der Schule zu zeigen, bei der sie als Deutschlehrerin tätig sein sollte.

"Liceo Francesco Petrarca, Via Johann Wolfgang von Goethe 33", sagte sie nichtsahnend, auf was für ein langwieriges Abenteuer sie sich da eingelassen hatte.

"Come, prego? (Wie bitte?) Via Ioan Geete?", fragte der Portier und blätterte hektisch im Straßenverzeichnis des Stadtplanes.

"No, Johann Wolfgang von Goethe, G-o-e-t-h-e. L´autore! (Der Autor)", wiederholte sie.

"Ah, capisco (Ich verstehe), Volfgango, mit v?"

"No, mit w!", antwortete sie.

"Also mit zwei v?"

"No, mit einem w!"

Nach einigen Minuten des ungeduldigen Buchstabierens ließ sie sich die Karte geben, um selbst nach der entsprechenden Straße zu suchen, da sie den Portier verständlicherweise nun für inkompetent hielt. Doch auch ihr gelang es nicht, die gesuchte Straße zu finden. Die Via Johann Wolfgang von Goethe stand entweder unter G oder unter V, dachte sie. Weder noch. Dann blieb noch das J. Resigniert musste sie feststellen, dass das J einfach ausgelassen worden war. Konnte es sein, dass sie unter Goethes zweitem Vornamen aufgeführt war? Unter dem W stand jedoch nur eine Straße, die Via Washington. Man musste sich nur in die italienische Logik hineinversetzen, dann war es kein Rätsel mehr, versuchte sie sich Mut zu machen. Moment mal! Da es hier kein J gab, versuchte sie es mit dem I. In der Tat, die Via Johann Wolfgang von Goethe stand unter I! Bingo! Susanne klopfte dem Portier auf die Schulter und ging voller Mitleid für die italienischen Taxifahrer auf ihr Zimmer. Sie ließ sich ein heißes Bad ein und rief ihren Mann an.

"Liebling, ein Labyrinth ist im Vergleich zum italienischen Straßennetz ein Kinderspiel!" Sie erzählte ihm ihr Missgeschick.

"Aber wenn ich meiner neuen Bleibe eine Note geben müsste, würde ich für eine Eins plädieren! Das Schulamt hat keine Ausgaben gescheut. Ich lebe im reinsten Luxus."

"Fehle ich dir schon ein bisschen?", fragte sie Hank mit seiner Straßenbahnfahrerstimme, die sie so liebte.

"Natürlich. Jeder Tag hier ohne dich ist so beunruhigend wie übergelaufene Badewannen und fast explodierte Gasöfen. Ich rufe dich morgen wieder an. Ein Gutenachtkuss, Amore!"

 

***

 

Am nächsten Morgen nahm Susanne ein Taxi und ließ sich zum berühmten Café Torino bringen, das sehr alt und vornehm war und an der wunderschönen Piazza San Carlo lag, wo auch das Goetheinstitut seinen Sitz hatte. Es strahlte eine Atmosphäre aus, die Susanne an die beliebten Wiener Kaffeehäuser erinnerte. Der Ober stellte ihr Gebäck und Pralinen hin, und sie bediente sich, bis sie satt war. Dazu trank sie Cappuccino. Es war sehr teuer dort, und oft würde sie sich das mit ihrem schmalen Lehrergehalt nicht leisten können. Toro bedeutete Stier und den sah man außer auf dem Wappen der Stadt überall, er war ihr Wahrzeichen. Auf jeder Piazza konnte man einen Brunnen finden mit einem Stierkopf. Die meisten Gebäude Turins stammten aus dem 17. und 18. Jahrhundert, also aus der Barockzeit. Nur der Dom war wesentlich älter, er wurde bereits im 15. Jahrhundert gebaut. Er war das einzige Beispiel für die Baukunst der Renaissance in Turin. Außerdem gab es noch die Überreste eines römischen Stadttors zu sehen, die Porta Palatina. Turin hatte Flair. Die alten Häuser, manche mit schönen restaurierten Fassaden, andere auf angenehme Art heruntergekommen, strahlten Nostalgie aus. Man fühlte sich wie jemand, der unerlaubterweise der Vergangenheit einen Besuch abstattete.

Nach dem Frühstück fuhr Susanne weiter in die Via Johann Wolfgang von Goethe zu ihrer neuen Wirkungsstätte. Doch wie sie feststellen musste, war sie nicht ganz leicht zu finden, denn das Gymnasium war offensichtlich hermetisch von der Außenwelt abgeschlossen. Sie ging eine lange Mauer entlang bis zu einem Tor, das zu einem sumpfigen Gelände führte. Dieses trockenen Fußes zu durchqueren, war so gut wie unmöglich. Doch sie ließ sich nicht entmutigen, obwohl die Pfützen in ihren italienischen Slippern bequem Unterkunft gefunden hatten. Schließlich erreichte sie ein altertümliches Gebäude, das keinen Eingang zu besitzen schien. Sie schritt also weiter, bis sie auf einen Zettel mit einem Pfeil stieß. Aha, hier ging es zum Sekretariat. Als sie um die nächste Ecke bog, erblickte sie in der Tat eine offene Kellertür, die sie endlich an ihr Ziel führte.

Es standen schon einige Leute herum und Susanne erfuhr, dass es sich um neue Kollegen handelte, die, wie sie, heute zum ersten Mal die Ehre hatten, zu unterrichten, denn diese Supplenti, die sogenannten Aushilfslehrer, wurden vom Schulamt immer äußerst spät nominiert, wenn das Schuljahr schon weit fortgeschritten war wie jetzt im Oktober.  Anscheinend hatten die Italiener kürzere Lehrpläne, wunderte sich Susanne. Sie stellten sich ungeschickt vor. Jeder mit beschämtem Blick auf die morastigen Schuhe der anderen. Ein Mann kam auf sie zu und fragte, was sie wollten. Sie sagten ihm, dass sie dem Petrarca Gymnasium als Vertretungskräfte zugeteilt worden seien. Susanne erklärte ihm mit gebrochenem Italienisch ihre besondere Situation. Er verschwand in einem anderen Raum und kehrte mit einer Frau zurück, die sich nicht vorstellte. Ob es sich um die Direktorin handelte? Sie war es nicht, erfuhr Susanne später. Mit ihrem lückenhaften Italienisch verstand sie ungefähr Folgendes:

"Das Gymnasium befindet sich im dritten Stock des Gebäudes, das wir leider gezwungenermaßen mit zwei anderen Bildungsstätten teilen müssen, einer Grundschule und einer Mittelschule.  Die beiden anderen Institute verteidigen ihre Ur-Rechte, da sie schon vor uns existiert haben und bezeichnen die Expansionsgelüste unserer Direktorin als faschistischen Kampf um mehr Lebensraum.  Wissen Sie schon, wie Sie das Gymnasium erreichen können?" fragte die Dame resolut. Nein, keiner der Neuen wusste es.

"Ja, erklären kann ich das auch nicht - Aldo, kommst du mal und zeigst ihnen den Weg?" Vermutlich handelte es sich um den Pedell. Er war so freundlich. Susanne und die Aushilfslehrer verließen den besagten Keller und gingen den Weg zurück, den sie gekommen waren. Eine Neue, die so dreist gewesen war, hochhackige Schuhe zu tragen, bereute es in diesem Augenblick sehr, als sie im Morast stecken blieb. Doch ihr gelang es, sich wieder zu befreien, und sie humpelte ihnen hinterher. Aldo ging zügig voran. Sie traten also wieder auf die Straße, gingen an der endlosen Mauer entlang, bogen um zwei Ecken und befanden sich vor dem Eingang einer anderen Schule.

"Kümmern Sie sich nicht um das Schild!", sagte der Schulhausmeister mit bewundernswerter Souveränität. "Wir besitzen hier das Durchgangsrecht!"

Sie traten unsicher ein und begaben sich zum Aufzug, während sie der Pförtner des anderen Instituts feindselig beobachtete. Der Schuldiener drückte auf einen Knopf:

"Wir müssen in den dritten Stock". Dort angekommen, befanden sie sich auf einer Art Dachboden. Das sollte die Schule sein? Wunderte sich Susanne. Der Pedell zeigte ihnen die Klassenzimmer, die sie unter normalen Umständen als Rumpelkammern bezeichnet hätte.

Ihre erste italienische Lehrerversammlung fand in einer Art Treppenhaus statt, wo die Akustik äußerst schlecht war, da ständig irgendjemand hoch- oder runterging. Die Direktorin, eine vollendete Dame um die 60, in Tailleur mit einer Designerbrille an der Kette, hieß hier Preside und begann mit dem Appell:

"Alberti", "Presente! (anwesend)", "Angiolini", "Presente!", "Bairo". Keine Antwort. Die Preside schob ihre Brille auf die Nasenspitze und blickte prüfend in die Runde.

"Bairo? ......... Kann jemand mal Bairo anrufen. Er hat den Termin sicherlich vergessen."

Anscheinend kam das bei den italienischen Pädagogen öfter vor. Gutes Betriebsklima, dachte sie für sich. Am sympathischsten wurde ihr im Lauf der Zeit der Philosophielehrer Vinochiaro (Klarwein), der sehr langes Haar trug und aussah wie Albrecht Dürer auf seinem Selbstporträt. Dottor Klarwein legte seinem Unterricht kein Schulbuch zugrunde, sondern trug ausschließlich seine eigenen Theorien vor, indem er häufig aus dem Kommunistischen Manifest zitierte. Der Bitte der Schüler nach schriftlichen Unterlagen war er insofern nachgekommen, als er ihnen vorschlug, doch einfach die Mitschrift der Klassenbesten zu fotokopieren.

"Mein Großvater mütterlicherseits war Preuße. Ich basiere mich auf die hegelsche Dialektik." ließ er hin wieder in seine Reden einfließen.

"Ich bin gegen jede Art von koordinierenden Notengremien!" sagte er und faltete demonstrativ das kommunistische Presseorgan Il Manifesto zusammen, das er ständig bei sich trug.

"In diesem Land herrscht immer noch die Freiheit der Lehre und ich lehre, was ich für richtig halte. Ich bin Hegelianer!"

Die Direktorin wandte sich lächelnd an Susanne: