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Sabine Schmidt

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Beschreibung

Sabine Schmidt: glänzte bereits als Volksschülerin durch ein tadelloses Schönschreibheft. In Worzeldorf wurde sie zur Rollschuhläuferin des Jahres gekürt. Karin Schmidt, jüngere Schwester von Sabine Schmidt: Champion im lautlosen Anschleichen und Bogenschießen. Roland Schmidt, kleiner Bruder von Sabine Schmidt: schon früh zeigte sich sein mathematisches Talent, denn er zog bereits mit 4 Jahren die ersten Wurzeln im Garten. Karl Schmdit, Vater von Sabine, Karin und Roland Schmdit: ist überzeugt, das Leben gleicht der Eisenbahn. Je flacher das Leben, desto schneller die Fahrt. Passionierter Hobbygärtner und Regenanbeter. Elisabeth Schmidt, Mutter von Sabine, Karin und Roland Schmidt; Bamberger Schützenkönigin des Jahres 1956: Wie stets traf sie ins Schwarze. Erfolgreiche Modeschöpferin für Barbiepuppenkleider. Beatrice Strauch, beste Freundin von Sabine Schmidt: Besitzerin eines Schlummerles; stellte 1968 den Weltrekord im Dauergummihüpfen auf. Die Zwillinge Jürgen und Wolfgang Strauch: widmeten sich schon in frühen Jahren der Verhaltensforschung und Tierpsychologie, besonders bei Affenmenschen und Steifftieren. Sepplhosenträger aus Überzeugung. Rita Strauch, Mutter von Jürgen, Wolfgang, Beatrice und Ute Strauch: bewies, dass das Leben ein Lied war und das Glück eine Flöte. Volker Strauch, Vater von Jürgen, Wolfgang, Beatrice und Ute Strauch: traf stets die richtige Taste als Organist und unerschrockener Klavierlehrer. Fräulein Klitsch, Lehrerin von Sabine Schmidt und Beatrice Strauch: Als eine Art Mary Poppins kommt sie an die Worzeldorfer Volksschule und bringt frischen Wind in den Schulalltag. So kann man bei ihr lernen, wie man hungrige Löwenbabys füttert, oder im Bastelunterricht ein Moskitonetz anfertigt. Frank Lohmann, Nachbarsjunge: nannte Sabine immer "Sammbine", Träger des gelben Trikots in Worzeldorf, gilt als unüberholbar auf dem Bonanza-Rad.

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Sabine Schmidt

Sabinchen ist ein Frauenzimmer

Eine Kindheit in den 60er und 70er Jahren

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Dramatis personae

Sabine Schmidt: glänzte bereits als Volksschülerin durch ein tadelloses Schönschreibheft. In Worzeldorf wurde sie zur Rollschuhläuferin des Jahres gekürt.

Karin Schmidt, jüngere Schwester von Sabine Schmidt: Champion im lautlosen Anschleichen und Bogenschießen.

Roland Schmidt, kleiner Bruder von Sabine und Karin Schmidt: schon früh zeigte sich sein mathematisches Talent, denn er zog bereits mit 4 Jahren die ersten Wurzeln im Garten.

Karl Schmidt, Vater von Sabine, Karin und Roland Schmidt: ist überzeugt, das Leben gleicht der Eisenbahn. Je flacher das Leben, desto schneller die Fahrt. Passionierter Hobbygärtner und Regenanbeter.

Elisabeth Schmidt, Frau von Karl Schmidt, Mutter von Sabine, Karin und Roland Schmidt; Bamberger Schützenkönigin des Jahres 1956: Wie stets traf sie ins Schwarze. Erfolgreiche Modeschöpferin für Barbiepuppenkleider.

Beatrice Strauch, beste Freundin von Sabine Schmidt: Besitzerin eines Schlummerles; stellte 1968 den Weltrekord im Dauergummihüpfen auf.

Die Zwillinge Jürgen und Wolfgang Strauch: Brüder von Beatrice und Ute Strauch: widmeten sich schon in frühen Jahren der Verhaltensforschung und Tierpsychologie, besonders bei Affenmenschen und Steifftieren. Sepplhosenträger aus Überzeugung.

Rita Strauch, Mutter von Jürgen, Wolfgang, Beatrice und Ute Strauch: bewies, dass das Leben ein Lied war und das Glück eine Flöte.

Volker Strauch, Vater von Jürgen, Wolfgang, Beatrice und Ute Strauch: traf stets die richtige Taste als Organist und unerschrockener Klavierlehrer.

Fräulein Klitsch, Lehrerin von Sabine Schmidt und Beatrice Strauch: Als eine Art Mary Poppins kommt sie an die Worzeldorfer Volksschule und bringt frischen Wind in den Schulalltag. So kann man bei ihr lernen, wie man hungrige Löwenbabys füttert, oder im Bastelunterricht ein Moskitonetz anfertigt.

Frank Lohmann, Nachbarsjunge: nannte Sabine immer "Sammbine", Träger des gelben Trikots in Worzeldorf, gilt als unüberholbar auf dem Bonanza-Rad.

 

 

 

 

Fräulein Klatsch-in-die-Hand

Als der Studentenprotest 1968 in Berlin seinen Höhepunkt hatte, wurde ich in der Worzeldorfer Volksschule eingeschult, das hieß: mit einer überdimensional großen Zuckertüte, und mit Rock und Kniestrümpfen ausgestattet, zusammen mit anderen 53 ABCSchützen in ein Klassenzimmer gezwängt, das eigentlich für die sieben Zwerge vorgesehen war. Die Schulsachen und das Pausenbrot steckten in einem festen braunen Lederschulranzen. Unsere Lehrerin war das Fräulein Klitsch. Damit auch alle Erstklässler ihren Namen behalten konnten, mussten wir alle gleichzeitig in die Hände klatschen, jedes Mal wenn ihr Name fiel. Auf diese Weise kamen wir sofort ausnahmslos in einen guten Lernrhythmus. Fräulein Klitschs Biographie flößte uns sofort großen Respekt ein, denn sie hatte die Jahre, bevor sie unsere Klassenlehrerin wurde, in Afrika verbracht. Als Beweis zeigte sie uns einen Super-8-Film, der uns gänzlich von ihren pädagogischen Fähigkeiten überzeugte. Darin sah man das Fräulein Klitsch (Händeklatschen!) mit einem Schimpansenbaby auf dem Arm, dem sie vor einer Bambushütte das Fläschchen gab. Sie strahlte und ihr lockiges blondes Haar glänzte im Sonnenschein. Damals sprach ich es noch deutsch als "Affenbabi" aus, da mir englische Wörter völlig fremd waren.

Fräulein Klitsch trug meistens ein adrettes grünes Jägerkostüm und war schnell wie eine Gazelle. Als ich einmal fachfremde Kringel in mein Heft malte, schoss sie über zehn Bankreihen hinweg zu meinem Platz, riss mir das Heft aus der Hand und klitsch bekam ich eine von ihr geknallt. Das saß und sollte mir eine Lehre sein.

Um in möglichst kurzer Zeit unsere 53 neuen Namen zu lernen, bildete Fräulein Klitsch eine Namenskette. Beatrice war die aufmerksame Beatrice. Neben ihr saß die schüchterne Sabine. Hinter den beiden befand sich der vorlaute Michael.

Besonders streng war sie mit uns, wenn es um die Streichhölzchen ging. Jeder musste nämlich in Heimarbeit 100 Streichhölzchen mit Hilfe eines Gummibandes in Zehnergrüppchen bündeln, denn Fräulein Klitsch befand sich im Erklärungsnotstand, was die Zehner und Einer betraf. Wenn sich zwei Zündhölzchen von der Herde entfernten, dann waren es nur noch acht. Nach dem Mathematikunterricht mussten die entnommenen Einer wieder sorgsam gebündelt werden, damit keiner verloren ging. Wahrscheinlich hat meine auch heute noch bestehende Rechenschwäche ihre Wurzeln in dieser Lehrmethode. Das hatte die traurige Konsequenz, dass ich auf Grund meiner Zahlenblindheit den Beruf der Wildhüterin nicht ausüben konnte. Die Schreibschrift lernten wir mittels Bleistift und schwunghaften Zierleisten, mit denen wir unsere Schreibmuskulatur trainierten. Es wurden also zunächst grafische Bewegungsabläufe geübt und keine Wörter. Wir fingen mit Arkaden (n, r, m, p) an und dann kamen die Girlanden (U, W, V, Y, i, u, w, v, y) dran, wobei die Übergänge zwischen beiden sehr schwierig auszuführen waren. Ich war mit voller Konzentration dabei und malte meine Schnörkel mit Leidenschaft in das Schreibheft mit den vier Linien und der farbig gehaltenen Kontrastlineatur. In der nächsten Lektion sollten wir Schleifen (l, e, k, f, h, G, g, J, j, Y, y) üben. Wenn wir dann auch Rechtskreise flüssig hinkriegten, durften wir uns schon mal an kurze Wörter wagen.

Weil manche Erstklässler noch Schwierigkeiten hatten, wenn sie schneller malen sollten und ihre Schrift krakelig wurde, und Fräulein Klitsch nicht raten wollte, was sie geschrieben haben könnten, griff Fräulein Klitsch zu einem Trick. Da unsere Schreibutensilien keine eingebaute Wegrollbremse hatten, sollten wir größere Abstände zwischen den Zeilen lassen, denn dadurch vermischten sich die Buchstaben nicht, auch wenn sie etwas über die eigentliche Zeilenhöhe hinausragten.

Wer die balancierenden, schwingenden, kreisenden und sich überkreuzenden Kritzeleien in verschiedene Richtungen und mit verschiedenen Niveaus – oft in Kombination mit rhythmisierender Sprache - nicht hinbekam, musste sich in die "Schämecke" stellen, mit dem Gesicht zur Wand. Zum Glück war ich begabt für Schnörkel. An diesem Punkt trat der Lesekasten in Funktion, wo wir die Buchstaben in ein Brettchen steckten und selbst Kinder, die die Laute nicht verschleifen konnten, dort problemlos Wörter bildeten.

Eines Tages geschah etwas Schreckliches. Im Turnunterricht mussten wir unsere Straßenschuhe ausziehen und gegen Turnschuhe austauschen. Die Sportstunde war die letzte Stunde am Mittwoch. Als ich einmal völlig erschöpft in die Umkleidekabine zurück kam, traf mich der Schlag: Meine neuen dunkeblauen Mokassins waren verschwunden! Sie waren mein ganzer Stolz gewesen, und nun waren sie fort. Jemand hatte sie geklaut. So ein Mist! Ich konnte nur mit Mühe die Tränen zurückhalten. Als Beatrice dazu kam, erzählte ich ihr mit weinerlicher Stimme den Vorfall. Beatrice zögerte nicht lange, sondern ging das Schuhregal systematisch durch, bis sie auf ein ähnliches Paar Schuhe stieß.

"Probier die mal an!" sagte sie.

"Aber die sind mir viel zu groß!"

"Das sind ja auch die Quadratlatschen vom Jens!" antwortete Beatrice.

Mir blieb nicht anderes übrig, als mit den Schuhen von Jens nach Hause zu gehen. Bei jedem Schritt rutschten meine Füße raus, was das Gehen sehr erschwerte. Beatrice versuchte mich durch ihr Lachen aufzumuntern, doch ich war am Verzweifeln.

"Jetzt sind es halt Schuhe zum Reinwachsen!" sagte sie.

Am nächsten Tag nahm ich die fremden Schuhe wieder mit in die Schule und zog ein altes Paar an. Argwöhnisch musterte ich meine Klassenkameraden, ob nicht vielleicht einer von ihnen der Schuhdieb war und meine Schuhe anhatte. Da war der Übertäter! Dirk Keller trug meine Schuhe, als handele es sich um seine. Er schien es gar nicht bemerkt zu haben, dass sie ihm viel zu klein waren. Als ich ihn auf die Verwechslung aufmerksam machte, sah er seinen Irrtum sofort ein und gab mir meine geliebten neuen Mokassins wieder zurück. Das war noch mal gut gegangen!

In der zweiten Klasse erklärte uns Fräulein Klitsch, dass man nicht sagt: "sie tut singen", sondern: "sie singt", und dass man auch bei fast allen anderen Verben das "tut" weglässt. Da meldete sich die aufgeweckte Carmen Müller: "Fräulein Klitsch, darf ich mal nach draußen? Mein Bauch weht."

 

In der dritten Klasse bekamen wir Frau Dinkel. Sie trug stets weiße Gesundheitsschuhe, eine Brille mit Kette und stammte aus dem Sauerland. Ihr Aussehen erinnerte an eine strenge Krankenschwester. Eine ihrer Lehren hat sich mir tief ins Gedächtnis gegraben: "Kinder, wenn ihr einmal Würmer haben solltet, denkt daran, ganz eng anliegende Unterwäsche zu tragen, dann können die Weibchen nicht herumkriechen und ihre Eier ablegen!" Nach dieser eindringlichen Wurmlektion widmete sich Frau Dinkel der Geographie, wobei sie in ihre Rede oft plattdeutsche Elemente aus ihrer sauerländischen Heimat wie „dat“ und „wat“ einsträute. Wenn es zu laut wurde in der Klasse, rief Frau Dinkel: "Ooch Kinder, haltet doch mal eure Schnute!" Wie konnte es im sauren Land schön sein, wenn dort alle Leute immer "sauer" waren? Oder bezog sich das Wort "sauer" auf den Erdboden? Wie konnte dort dann überhaupt etwas wachsen? Mit solchen und ähnlichen Fragen quälte sich mein kindlicher Geist, während Frau Dinkel zu meiner Freundin Beatrice, die ihre ganze Sammlung von Walt-Disney-Figuren mit in die Schule gebracht hatte, sagte: "Beatrice, räum jetzt mal das ganze Gedöns hier weg!"

Herr Grübner war der Rektor der Volksschule und sprach sehr gekünstelt. Es klang so, als würde er irgendeinen unangenehmen Dialekt loswerden wollen, indem er stark näselnd skandierte: "Durch die Nase sprechen wir deut-lich-er!" Oft sprach er so langsam, dass wir befürchteten, er würde den angefangenen Satz nicht zuende bringen, sondern vorher einschlafen.