Wenn der Körper Nein sagt - Sabine Schmidt - E-Book

Wenn der Körper Nein sagt E-Book

Sabine Schmidt

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Beschreibung

Mehr Frauen als angenommen leiden unter Vaginismus, der unwillkürlichen, oft schmerzhaften Verkrampfung oder Verspannung der Beckenbodenmuskulatur. Für die Betroffenen sind schon alltägliche Dinge, wie das Benutzen eines Tampons oder die Untersuchung bei der Frauenärztin häufig nicht möglich. Der Wunsch nach einer erfüllten Sexualität scheint unerfüllbar. Die gute Nachricht: Vaginismus ist sehr gut behandelbar – unabhängig davon, wie lange die Beschwerden schon bestehen. Dieser Ratgeber will Frauen Mut machen, sich liebevoll und achtsam ihrem Körper zuzuwenden. Neben zahlreichen Körper- und Atemübungen, geht das Buch ausführlich auf die seelischen Aspekte des Vaginismus ein. Inspirationen und Übungen zur Selbstreflexion ermöglichen der Leserin sich mit ihrer Weiblichkeit, ihrem Körperbild, ihren Wünschen, Sehnsüchten und Ängsten auseinanderzusetzen. Aus dem Inhalt: . Grundlagen der Anatomie von Klitoris,Vagina und Beckenboden . Übungen und Hinweise für Paare . Zum Umgang mit Dilatoren . Erfolgsberichte von Betroffenen

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Seitenzahl: 173

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Haftungsausschluss:

Die im Buch veröffentlichten Ratschläge und Übungen wurden von der Verfasserin und dem Verlag mit größter Sorgfalt erarbeitet und geprüft. Eine Garantie und Haftung kann jedoch nicht übernommen werden. Die Durchführung der im Buch enthaltenen Übungen erfolgt in Selbstverantwortung.

1. Ebookausgabe 2022

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München

unter Verwendung eines Motivs von

© Olena Ivanova / iStock / Getty Images Plus

Fotos im Buch, Porträt S. Schmidt: © Rosalie Kummer

Lektorat: Anne Petersen

Copyright © 2022, Innenwelt Verlag GmbH, Köln

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages.

www.innenwelt-verlag.de

eISBN 978-3-947508-95-2

SABINE SCHMIDT

WENN DERKÖRPERNEIN SAGT

Vaginismus verstehen und heilen

Inhalt

Vorwort Notburga Fischer

Vorwort der Autorin

Einleitung

Was ist Vaginismus?

Ursachen

Behandlungsmöglichkeiten

Dynamik des Vaginismus

Erfolgsbericht von Antonia, 51, Verlagskauffrau

Anatomie

Die Klitoris

Die Vagina und die Vulva

Der Beckenboden

Erfolgsbericht von Ina, 27, Filmemacherin

Emotionale Aspekte

Ihre Stärken

Dialog mit Ihrem 10-jährigen Ich

Mit Ihrer Freundin sprechen

Mit Ihrer Mutter sprechen

Persönliche Biografie

Ihr Angstbild

Ihre Ambivalenz

Ihre Vulva

Schamgefühle

Raus aus der Komfortzone

Hinweise für Paare

Untersuchungen bei der Frauenärztin

Praxisteil

Selbstmassagen

Übungen und Experimente zur Selbsterforschung

Übungen für den Beckenboden

Körperübungen

Übungen im Stand

Übungen sitzend, auf einem harten Stuhl oder Hocker

Atemübungen

Übungen im Sitzen, auf dem Boden, auf der Yogamatte

Übungen in Rückenlage

Übungen im Vierfüßlerstand

Übungen im Liegen

Übungen in der Bauchlage

Trauma Releasing Exercises (TRE®)

Jelly Fish

Die Beckenschaukel

Das sexuelle Atmen, auch Flötenatmung genannt

Das orgasmische Atmen, auch Beckendotzen genannt

Erfolgsbericht von Sara, 31, Lehrerin

Eindringen üben – Dilatorentraining

Eindringen mit dem Penis üben

Tampon einführen

Selbstbefriedigung

Erfolgsbericht von Anna, 37, Betriebswirtin

Über mich

Hilfreiche Links

Buchtipps

Danke

Vorwort

Das Gemeinsame alles Lebendigen in unserem Universum ist Pulsation. Ausdehnen und Loslassen geschieht als rhythmische Bewegung, die wie der Atem jeglichem Leben zugrunde liegt.

Halten Sie einen Moment inne und fühlen Sie ihren Atemrhythmus oder den Puls des Blutes in Ihren Adern. Als Ausdruck von Leben begleiten diese Rhythmen beständig Ihren Weg, obwohl diese im Alltag meist nicht in Ihrem Aufmerksamkeitsfokus liegen.

Auch im weiblichen Liebesorgan gibt es eine Pulsationsbewegung – eine Eigenlebendigkeit im Gewebe des vaginalen Innenraumes, die im Alltagsbewusstsein meist nicht wahrgenommen wird.

Für manche Frauen beginnt die Wahrnehmung erst dann, wenn diese Pforte sich eigenmächtig verschließt und die Muskeln am Vaginaleingang einfach anspannen, ohne dass es willkürlich beeinflussbar ist. Obwohl die Frau vielleicht bewusst Ja sagt zu einer sexuellen Begegnung, sagt ihre Vagina ein klares Nein.

Wiederholt sich dies ein paar Mal, entsteht eine schwierige Schleife, die sich meist auf den Selbstwert als Frau auswirkt. Mit der Zeit vermeidet frau dann Situationen, wo dies geschehen kann und nicht selten ist es begleitet von Scham und der Überzeugung „Ich bin nicht richtig, so wie ich bin“. Dies kann Frauen in allen Lebensphasen betreffen, entweder schon als junge Frau vor dem „ersten Mal“ oder als reife Frau bis in die Wechseljahre hinein. Es kann sich lohnen diese Krisen zu nutzen und die Sprache des Körpers für einen Wachstums- und Reifeprozess im Leben verstehen zu lernen. Vor allem hilft es auch beim Navigieren im sexuellen und gesellschaftlichen Umfeld.

Wir leben in einem Zeitgeist der vielen Möglichkeiten und des Überwindens bisheriger Vorstellungen, wenn es um die eigene geschlechtliche Identität, Beziehungsgestaltung und sexuelle Liebe geht. Das Motto „Alles ist möglich und machbar“ verspricht sexuelle Freiheit und im Internet finden wir Zugang zu vielfältigen Erlebnisformen. In der virtuellen Welt können wir uns neu erfinden und haben Zugang zu allem, gleichzeitig erhöht sich in der realen Welt das Bedürfnis nach Sicherheit und Grenzen. Angeregt durch die öffentliche Missbrauchsdiskussion werden neue Grenzen und Regeln aufgestellt.

Die „Sexpositive Bewegung“ fordert gleiche sexuelle Rechte für alle und sieht Konsens und Safer Sex als Grundlage für jede sexuelle Begegnung. Konsens herstellen ist das explizite und bewusste Aushandeln einer beidseitigen Zustimmung für alles, was Menschen miteinander tun und schafft damit Sicherheit und Vertrauen. Eine sexpositive Haltung bewertet nicht was richtig und normal ist, sondern ermutigt jede*n Einzelne*n zu experimentieren und den eigenen authentischen Weg zu finden.

Auf der geschichtlichen Zeitlinie zwischen Tabu und Übersexualisierung schwingt das Pendel immer noch hin und her und es gibt ambivalente Strömungen. In öffentlichen Saunas sieht man immer mehr Menschen mit Badebekleidung, die das Bedürfnis haben sich zu bedecken. Auf der anderen Seite sind Schamhaare in vielen Kreisen ein „No-Go“ und gleichzeitig – vielleicht auch mit der Sichtbarkeit – steigt die Zahl der Intimoperationen rasant. Unter dem Deckmantel der individuellen Selbstgestaltung entstehen häufig normierte Vulvas, die äußeren Lippen aufgespritzt und die inneren Lippen bis zur Unsichtbarkeit gekürzt – ein Bild, das auch durch die Mainstream Pornoindustrie transportiert wird. So fragen viele junge Mädchen beim ersten gynäkologischen Besuch, ob sie normal seien, da ihre inneren Lippen sichtbar sind. In diesem anspruchsvollen Feld müssen Jugendliche und Erwachsene in allen Lebensphasen sich orientieren und navigieren. Dabei hilft ein gut ausgeprägter Sinn für die eigene körperliche Wahrnehmung und das Vertrauen in die eigenen Körperimpulse.

Das Beste was Eltern ihren Kindern in der Begleitung der sexuellen Entwicklung mitgeben können sind Botschaften wie: „Vertraue deinem Körper und deinem Spüren – was tut dir gut und was nicht“, „Du darfst deine Bedürfnisse kommunizieren, aber auch deine Grenzen und ein Nein ausdrücken“, „Ich respektiere deine Grenzen und deinen Raum“. So lernen Jugendliche ihrer inneren Wahrheit zu folgen und achtsam mit sich und anderen umzugehen.

Eine sexuelle Begegnung findet über Körperkontakt statt, von daher ist es so wichtig unseren Körper gut zu kennen und auch seine Sprache zu verstehen – sowohl im Selbstkontakt und der Selbstliebe als auch im Beisammensein mit anderen Menschen.

In meiner langjährigen sexualtherapeutischen Arbeit mit Frauen aller Altersstufen begegne ich dem Vaginismus immer wieder und freue mich nun sehr, dieses Buch all diesen Frauen empfehlen zu können. Sabine Schmidt gibt damit eine ganz konkrete Hilfestellung mit ihrer praktischen und körperorientierten Herangehensweise. Möge das Buch Mut machen sich auf den Weg zu einer entspannten und erfüllten Sexualität zu begeben und dranzubleiben.

Notburga Fischer

Paar- und Sexualtherapeutin, Autorin von „Reifestufen der sexuellen Liebe –

Wie Herkunft prägt und intime Beziehungen (dennoch) gelingen“,

Innenwelt Verlag

Vorwort der Autorin

Ich bin aufgeregt und finde es etwas verrückt, dass ich mich entschieden habe dieses Buch zu schreiben, obwohl ich keine Autorin bin, sondern als Therapeutin mit körperorientierter Psychotherapie arbeite. Dass ich mich dennoch entschieden habe, dieses Wagnis einzugehen, verdanke ich den Frauen, die sich mir anvertraut haben. Allen Betroffenen möchte ich etwas an die Hand geben, das sie unterstützt bei ihrem Weg zu einer erfüllten Sexualität. Viele stehen den Symptomen hilflos gegenüber, ihnen fehlen Informationen, auch wenn es mittlerweile Bücher zu dem Thema Vaginismus und Schmerzen beim Sex gibt. Doch die Informationen, die in Büchern oder im Internet gefunden werden können, berücksichtigen häufig die seelischen und mentalen Aspekte dieses Phänomens nicht ausreichend.

Als Körpertherapeutin habe ich einen alle Ebenen umfassenden und verbindenden Ansatz. Der Krampf, die Blockaden sind ja nicht nur im Genitalbereich, sondern im ganzen Körper, in der Seele und im Denken. So ist u.a. die emotionale Aufarbeitung der persönlichen Biographie bedeutsam, um die Beschwerden verstehen zu können. In diesem Buch gehe ich auf die verschiedenen Aspekte des Vaginismus ein. Darüber hinaus gibt es umfangreiche und wirksame Übungen, die sich in meiner Praxis als hilfreich gezeigt haben. Es genügt meiner Erfahrung nach nicht, das Problem nur mechanisch lösen zu wollen. Es gilt zu berücksichtigen, dass die Ursachen des Vaginismus vielfältig und z. B. die zugrundeliegenden Ängste stark sind und es ein langsames Herantasten braucht, das sich der Komplexität des Phänomens achtsam widmet. Insbesondere die Ängste vor Schmerzen und die dadurch auftauchenden Gefühle von Überforderung und der daraus resultierenden Vermeidung gilt es zu beachten. Mit meiner Arbeit versuche ich die betroffenen Frauen zu ermächtigen, sich ihrem Körper, ihren Ängsten und Hoffnungen liebevoll zuzuwenden und so in ihrem eigenen Tempo ihre Verzweiflung hinter sich lassen zu können. Dazu braucht es Motivation, konkrete Aufklärung und Aufgaben.

Dieses Buch beinhaltet nur die wirklich relevante Theorie. Mein Fokus liegt auf praktischen Übungen, wie Körperübungen, Atemübungen, Desensibilisierungstraining, Selbstmassagen und Übungen zur emotionalen Aufarbeitung.

Ich habe dieses Buch für Frauen geschrieben, die mit Männern Sex leben wollen. Der Großteil gilt selbstverständlich ebenso für lesbische Frauen, denn Vaginismus verunmöglicht meist jede Form des Eindringens, ob mit einem Penis, mit den Fingern, einem Tampon und meist auch die Untersuchung bei der Frauenärztin.

Ich rate Ihnen, zunächst die Einleitung zu lesen. Ob Sie sich dann lieber mit der Anatomie oder direkt mit den Übungen beschäftigen wollen, können Sie nach Ihrem Gefühl entscheiden. Irgendwann haben Sie dann das Buch von vorne bis hinten durchgearbeitet.

Ich war nun also mutig und bin stolz, dass ich dieses Buch geschrieben habe, nun dürfen Sie mutig sein und sich mithilfe dieser Vielfalt an Übungen und Informationen Ihrem Körper und Ihrer Seele nach ihren Bedürfnissen widmen. Sie werden sehen, auch Sie werden stolz sein, wenn Sie sich dieser Herausforderung gestellt und Ihren Weg gefunden haben in eine erfüllte Sexualität.

Mir zuliebe will ich

mein Bestes geben und

meine ganze Kraft für mich einsetzen.

Einleitung

Bevor ich auf die verschiedenen Aspekte von Vaginismus eingehe, möchte ich kurz erklären, was Vaginismus ist und wie er sich zeigt. (Ab S. 20 gehe ich nochmals genauer auf Symptome und Ursachen ein). Als Vaginismus (oder auch Scheidenkrampf) bezeichnet man eine unwillkürliche, meist schmerzhafte Verkrampfung oder Verspannung der Beckenbodenmuskulatur im unteren Bereich der Vagina, teilweise auch der Oberschenkelmuskeln sowie der Dammmuskulatur. Dadurch erscheint der Scheideneingang eng oder wie verschlossen. Es ist ein nicht unterdrückbarer Reflex, der durch den Versuch einen Finger, ein Tampon oder den Penis einzuführen, ausgelöst wird. Betroffene Frauen sagen: „Es fühlt sich an, als sei die Scheide zu eng“ oder „als ob das Jungfernhäutchen zu dick sei.“

Wenn Sie eine der folgenden Fragen mit „Ja“ beantworten, leiden Sie möglicherweise unter Vaginismus:

.Können Sie keine Tampons verwenden, weil Ihnen beim Einführen unwohl wird oder haben Sie das Gefühl, dass dieser nicht hineinpasst?

.Haben Sie Schmerzen bei der gynäkologischen Untersuchung, bzw. ist diese nicht möglich, weil Sie zu große Angst davor haben?

.Ist ein Eindringen des Penis nicht oder nur sehr schwer oder unter Schmerzen möglich?

.Haben Sie Angst vor einer Schwangerschaft und verkrampfen sich?

Schätzungsweise drei bis sieben Prozent der Frauen leiden unter Vaginismus. Da das Thema sehr schambesetzt ist, gibt es eine hohe Dunkelziffer.

Die gute Nachricht ist: Vaginismus ist sehr gut behandelbar, die Erfolgsquote ist hoch, sodass Sie sich auf eine erfüllende Sexualität freuen können. Eine vollständige Heilung kann erreicht werden, unabhängig davon, wie lange die Beschwerden schon bestehen.

Und auch wenn der Weg bis dahin vielleicht etwas holprig sein kann, er lohnt sich. Sie brauchen eine Mischung aus Motivation und Durchhaltevermögen, um gut durch die Frustphasen, die es ganz sicher geben wird, hindurchzukommen. Aber es werden auch immer wieder kleine Fortschritte gelingen, die Hoffnung machen.

Die Beschäftigung mit Vaginismus ist eine echte Herausforderung, der es sich zu stellen gilt, es klappt nicht „einfach so“. Denn der Körper hat sich etwas „Saublödes“ angewöhnt, nämlich zu krampfen, sich eng zu machen oder mit Brennen oder ähnlichen Symptomen zu reagieren, wenn der Penis eindringen möchte oder während der Zeit, wenn er sich in der Vagina bewegt.

Es braucht Zeit, viel Geduld und viel Mut, um dem Körper, dem eigenen Herzen und dem eigenen Kopf klarzumachen, dass es möglich sein wird, ohne diese Beschwerden Sex zu haben, und dass der Körper es wieder verlernen kann. Je mehr Energie und Zeit Sie dieser Herausforderung widmen, desto eher wird Ihr Körper bereit sein, etwas Neues zu lernen. Die Voraussetzung ist, dass Sie konsequent üben.

Im Laufe dieses Prozesses können seelische Schmerzen, Trauer und Wut auftauchen. Viele Frauen haben bisher mit niemandem über ihre Beschwerden gesprochen. Manche empfinden zu viel Scham, sich Unterstützung zu holen. Ohnmachtsgefühle sind vielen ein ständiger Begleiter. „Das klappt ja eh nie“ ist ein typischer Gedanke. Frust und Scham darüber, als Frau nicht „normal“ zu funktionieren, haben sich aufgebaut. Oft besteht die Sorge, dass der Partner sie verlassen wird und nicht bereit ist noch länger auf guten Sex zu verzichten. Oder es besteht keine Partnerschaft, weil sie wissen, dass sie das sogenannte „Normale“ nicht geben können.

Mit all dem werden Sie sich auf Ihrem Weg zu einer erfüllenden Sexualität auseinandersetzen müssen. Sich diesem Prozess zu stellen, wird Sie aber als Person reifen lassen.

Jede Frau ist anders, jede Frau unterscheidet sich in ihrer Geschichte und jede braucht ihr eigenes Tempo. Meiner Erfahrung nach wird leider häufig versprochen, dass eine Verbesserung ganz schnell gehen kann, und wenn dem nicht so ist, erhöht es den Frust und die Ratlosigkeit.

Natürlich macht es einen Unterschied, ob die diversen Übungen, sei es das Beckenbodentraining oder die Dehnung mit den Dilatoren etc. regelmäßig durchgeführt werden. Aber auch die Seele braucht ihre Zeit, um sich umzustellen, also bis die Ängste und der Widerstand weniger werden. Geben Sie sich die Zeit, die sie brauchen. Wenn Sie zwischendurch frustriert aufgeben, können Sie dennoch jederzeit wieder einsteigen und sich wieder neu motivieren. Es lohnt sich auf jeden Fall und Sie können es schaffen.

Auch wenn Sie sich manchmal

überfordert fühlen und keine Lösung sehen

oder Angst haben –

es lohnt sich dranzubleiben.

Die Übungen sind sorgfältig zusammengestellt. Wichtig ist dabei, je nachdem wo Sie sich mit Ihrem persönlichen Thema befinden, dass Sie sich fordern, aber nicht überfordern. Das ist oft ein schmaler Grat. Erlauben Sie sich langsam zu sein und den Übungsschritt, bei welchem Sie sich gerade befinden, so häufig zu wiederholen, bis Sie sich ganz sicher und entspannt damit fühlen. Gehen Sie erst dann weiter zum nächsten Schritt, zur nächsten Übung. Wenn Sie sich überfordern und denken „das“ müsste jetzt gehen, entsteht Frust. Sollte Sie eine Übung zum jetzigen Zeitpunkt nicht ansprechen, wählen Sie einfach eine andere, es gibt genug Auswahl.

Manchmal entstehen Pausen, sei es Motivationslöcher, Urlaub, viel in der Arbeit oder dass das Leben einen anderweitig fordert. Das ist ja normal. Wichtig ist es, dort wieder einzusteigen, wo es ein angenehmes bzw. relativ stressfreies Gefühl gab.

Die Übungen unterscheiden sich in folgende Kategorien:

.Wahrnehmungsübungen

.Dehn-, Entspannung- und Kräftigungsübungen des Beckenbodens

.Dehnübungen des Beckens, der Rück- und Innenseiten der Oberschenkel

.Energie- und Atemübungen

.Konkrete Übungen, um mit der Vagina Kontakt aufzunehmen und dann sich dem Eindringen langsam anzunähern

.Selbstmassagen

.Emotionale Aufarbeitung

Wenn ein Kinderwunsch besteht, ist einerseits der Druck noch stärker, andererseits kann es die Motivation erhöhen sich drum zu kümmern, weil das Ziel so klar und bedeutsam ist. Schauen Sie auch hier, dass Sie sich nicht zu sehr unter Druck setzen.

Sex hat etwas vom schwimmen lernen. Es gilt sich dem Körper neu anzuvertrauen. Er weiß, wie es geht, ohne dass Sie untergehen. Wie es ist, im Meer zu schwimmen, zu plantschen, sich zu vergnügen. Er kann sich hingeben.

Vaginismus ist eine Reaktion des Körpers, daher ist es mir wichtig über den Körper zu arbeiten. Sei es um Körperspannungen abzubauen oder um einen neuen Zugang zu den Gefühlen zu bekommen. Eine Sexualtherapie, die lediglich auf Sprechen ausgerichtet ist, kann meiner Meinung nach nicht die notwendige Tiefe erreichen, die es braucht, um an die Ursachen, die unbewussten Glaubenssätze oder der vielleicht der verklemmte oder abwertende Umgang mit Sexualität in der Familie zu kommen, die möglicherweise auch zu dem Problem geführt haben. Wie und was wir über Sexualität in unserer Kindheit und Jugend erfahren haben, ist wichtig, um den Ursachen des primären Vaginismus auf die Spur zu kommen.

Meine Generation ist ohne Internet aufgewachsen. Viele von uns haben sich die spannenden Informationen auf völlig anderen Wegen besorgt, als es heute der Fall ist. Für uns gab es damals Dr. Sommer aus der „Bravo“. Er und sein Team waren für ganze Generationen wichtig.

Erinnern Sie sich, woher Sie Ihre Informationen über Sex bekommen haben?

Über das Internet sind unendliche Informationen über Sexualität allen zugänglich. Das ist einerseits gut und kann hilfreich sein, anderseits überfordert es leider auch häufig. Insbesondere Jugendliche oder junge Erwachsene schauen schon sehr früh Pornos, oft bevor sie selbst sexuelle Erfahrungen gemacht haben. Die Männer haben in den Filmen immer große, steife Penisse, die Frauen können und wollen immer, alles geht ganz schnell. Das macht zusätzlichen Druck und hat mit normalem Alltagssex meistens wenig zu tun. Und so entsteht ein falsches, überforderndes und verzerrtes Bild über Sexualität.

Die Aufklärung im Biologieunterricht widmet sich meist nur den anatomischen Fragen, also wo die Eierstöcke liegen und die Gebärmutter etc. Aber selbst relevante anatomische Kenntnisse zum Aufbau des Beckenbodens und seiner Funktionsweise oder der genaue Aufbau der Klitoris werden selten vermittelt. Dieses Wissen ist aber hilfreich, um den eigenen Körper zu verstehen.

Der Einstieg in Sexualität in der Pubertät ist nicht immer respektvoll mit den eigenen Grenzen. Viele Mädchen „machen mit“, weil sie denken, dass die Jungs es so wollen. Sie übergehen sich dabei, auch um sagen zu können, dass sie ihr „erstes Mal“ nun erlebt haben. Dieses erste Mal kann sehr prägend sein, aber es ist nie zu spät auch gute, korrigierende Erfahrungen zu machen.

Selbst FrauenärztInnen sind häufig relativ unwissend, wenn es um Vaginismus geht. Es ist immer wieder unglaublich zu hören, wie unsensibel sie reagieren, wenn Frauen sich an sie wenden (mehr dazu in den Erfolgsberichtn der Frauen). Manche Frauen haben so starke Ängste, dass ihnen schwindelig wird bei der Vorstellung sich beim Frauenarzt untersuchen zu lassen. Sie brauchen viel Empathie und Verständnis von ÄrztInnen. Erst wenn sie sich sicher fühlen, können sie den nächsten Schritt Richtung Untersuchung zulassen. Die Hürde ist groß.

Leider nehmen sich manche FrauenärztInnen nicht die Zeit, die Frauen in Ruhe zu beraten. Mir scheint, dass sie selbst manchmal ratlos sind, was sie den Frauen raten sollen. Kommentare wie: „Entspannen Sie halt mal“ oder „Trinken sie vorher ein Glas Rotwein“, sind kränkend und nicht hilfreich.

Aber es gibt immer mehr FrauenärztInnen, die gut und behutsam mit den Frauen umgehen und auch mehr TherapeutInnen, die sich zum Thema Sexualität fortgebildet haben, sodass mehr Frauen geholfen werden kann. Vor circa 18 Jahren konnte ich noch keine einzige Fortbildung dazu finden.

Bei den SexualtherapeutInnen gibt es unterschiedliche Herangehens weisen. Bei manchen wird gesprochen, bei manchen werden zusätzlich Körperübungen gemacht. Wenn Sie sich Unterstützung suchen, scheuen Sie nicht 2-3 TherapeutInnen zu einem Erstgespräch zu treffen. Es ist sehr wichtig, dass Ihnen nicht nur die Methode interessant vorkommt, sondern dass Sie sich mit der Person auch wohlfühlen. Seien Sie wählerisch, spüren Sie genau hin, zu welcher TherapeutIn es sie hinzieht. Kommt z. B. nur eine Frau in Frage oder können Sie sich auch vorstellen, mit einem Mann zu arbeiten? Es braucht Vertrauen, um sich mit den schambehafteten Themen nach und nach zu öffnen.

Mein Buch richtet sich vorwiegend an Frauen, die sich generell gesund fühlen und auch sind. „Nur“, dass der Körper selbstständig diese Verkrampfungen und Schmerzen macht.

Viele Frauen sind erleichtert, wenn sie nach intensiver Suche und langer Leidenszeit endlich die Fachbezeichnung Vaginismus gefunden haben und somit auch erfahren, dass es viele andere Frauen gibt, die davon betroffen sind.

Für manche ist die Diagnose aber auch ein Stressfaktor, da sie dann denken „Huch, ich bin ja echt krank“. Auf Youtube gibt es das Interview einer jungen Frau, Tabea, die sehr mutig und offen über sich und ihre Beschwerden spricht. Es wurde in den ersten vier Monaten in 2021 über 800.000 mal geklickt.* Das zeigt, wie groß das Interesse ist. Youtube Videos unter den Stichworten Beckenboden der Frauen, Anatomie Klitoris und Beckenbodenübungen sind informativ – manche sind gut gemacht, manche weniger. Sie bringen mit Sicherheit neue Erkenntnisse. Trauen Sie sich und forschen Sie.

Ich hoffe und wünsche mir für Sie, dass Ihnen dieses Buch helfen wird auf Ihrem Weg und ich freue mich Ihnen hier meinen ganzen Erfahrungsschatz zur Verfügung stellen zu können.

In jeder Frau steckt unglaublich viel Kraft, vergessen Sie das nicht.

*Anmerkung des Verlags:Ein Interview mit der Autorin zu dem Thema (vor Erscheinen des Buches) wurde auf Youtube innerhalb der ersten vier Wochen 60.000 mal aufgerufen: https://www.youtube.com/watch?v=FrREyCFAkN0

Was ist Vaginismus?

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, wird unter Vaginismus (oder auch Scheidenkrampf) eine unwillkürliche, teilweise schmerzhafte Verkrampfung oder Verspannung der Beckenbodenmuskulatur (die Muskelspannung ist sehr hoch) im unteren Bereich der Vagina, teilweise auch der Oberschenkelmuskeln sowie der Dammmuskulatur verstanden. Dadurch erscheint der Scheideneingang eng oder wie verschlossen.

Es ist ein nicht unterdrückbarer Reflex, eine Überreaktion des Körpers, der durch den Versuch einen Finger, einen Tampon oder einen Penis einzuführen, ausgelöst wird. Die betroffenen Frauen beschreiben das Gefühl mit Worten wie: „Es fühlt sich an, als ob die Scheide zu eng ist“ oder „das Jungfernhäutchen ist bestimmt zu dick”.

Es ist, wie wenn der Körper Nein sagt.

Medizinische Standardtests für eine Diagnose von Vaginismus existieren nicht. Das ist einer der Gründe, warum Frauen teilweise jahrelang nach einer Erklärung für ihre Beschwerden suchen (siehe Erfolgsbericht von Sara*S. 133