Lehrer Loben - Wulf-Michael Kuntze - E-Book

Lehrer Loben E-Book

Wulf-Michael Kuntze

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Beschreibung

Wir alle orientieren uns an Vorbildern. Jeder von uns kann für einen anderen Menschen ein Vorbild sein. Vorbilder geben insbesondere jungen Menschen Anregung und Orien-tierung. Nicht selten sind sie prägend für ein ganzes Leben. Diese Sammlung authentischer Geschichten berichtet von den Lehrerinnen und Lehrern, die uns zu Vorbildern wurden. Sie zu würdigen und ihre oft schwer greifbare, aber besonders bedeutsame Leistung auf unsere Persönlichkeitsentwicklung wert zu schätzen, ist das Hauptanliegen. Das Projekt soll bewusst ein Gegengewicht zur vorherrschenden kritisch, satirisch und oft verzerrt, negativen Darstellung von Lehrpersonen bilden. Die Wirklichkeit war und ist differenzierter! Das Gute kommt ernster daher. Es macht nachdenklich. Haltungen von Schülerinnen und Schülern in ethischer Verantwortung positiv zu beeinflussen, sie zu stärken in der Wahrnehmung ihrer Selbstwirksamkeit, das ist die vornehmste Aufgabe einer jeden guten Lehrperson! Eine Einladung zum Mitschreiben an diesem Pro-Bono-Projekt 'über gute Erfahrungen' gab ich an Kolleginnen und Kollegen meines beruflichen Umfeldes aus Schule, Hochschule, Bildungspolitik- und Verwaltung, Kirche, Wirtschaft und Kunst. Wenn sich Gelegenheit bot, sprach ich auch Persönlichkeiten mit 'großem' Namen an. In alphabeischer Reihenfolge finden sich unter den Autorinnen und Autoren Persönlichkeiten wie Nicola Beer, Regine Berger, Dr. Frieda Bordon, Susanne Dittmar, Matthias Doebel, Dr. Michael Dorhs, Andreas von Erdmann, Claudia Finke, Martina Girnus, Prof. Dr. Stephan Huber, Marianne Huttel, Dr. Alexander Jehn, Dr. Volker Jung, Karl Kardinal Lehmann, Sabine Keitel, Heinz Kipp, Carmen Kloft, Cornelia Lehr, Andreas Lenz, Prof. Dr. Alexander Lorz, Jörg Meyer-Scholten, Prof. Dr. H. G. Rolff, Thomas Sattelberger, Ute Schmidt, Eric Woitalla, Karin Wolff und Gerd Zboril. Mögen diesen 'Geschichten vom Gelingen' viele weitere folgen. Unsere Lehrerinnen und Lehrer haben es verdient, gelobt zu werden!

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Wulf-Michael Kuntze, M.A.

Herausgeber

Lehrer Loben

Was ich von meinem Lehrer wirklich lernte!

Inhalt

1.

Wulf-Michael Kuntze

Vorwort

2.

Nurgül Altuntas

Strassendeutsch und Bücherbus

3.

Nicola Beer

Brigitte Beer: Hochreck

4.

Christiane Berg

"Jesus liebt Sie - Denken Se dran!"

5.

Regine Berger

Von Macht, Mäusen und Frau Merkel

6.

Dr. Frieda Bordon

Zauberlehrlingsmeister im Hunsrück

7.

Sofia Bruchhäuser

Die Seelenbefreierin

8.

Ursula Christ

Zeit zu leben und Zeit zu sterben

9.

Susanne Dittmar

Der Aufschwung-Geber

10.

Matthias Doebel

Die Kunst, ein Schatzfinder zu sein

11.

Dr. Michael Dorhs

Chancengeber mit Herz

12.

Andreas von Erdmann

Komponist des Geistes

13.

Volker Fabricius

Die Mutgeberin

14.

Angela Federspiel

Zauberin für Arbeitsfreude

15.

Claudia Finke

Non Scholae, Sed Vitae

16.

Hilmar Fleck

Nachwuchsförderin in eigener Sache

17.

Marion Franck

Karl René de Rouen und die Freiheit

18.

Markus Geißelmann

Der lobende Punktsucher

19.

Martina Girnus

Dompteur pubertierender Charaktere

20.

Ute Göbel-Lehnert

Die Einladende

21.

Dietlinde Granzer

Der Lernweltöffner

22.

Susann Hertz

Die mit leisen Nadeln klug Klappernde

23.

Thomas Hörold

‚Per aspera ad astra‘ oder ‘Wie man durch Basketball zu Geschichte kommt’

24.

Professor Dr. Stephan Gerhard Huber

Einsatz für Lernen und Bildung durch Wertschätzung, Gelassenheit und Engagement 

25.

Marianne Huttel

Von Lernpark–Gärtnern und Pflegerinnen des Selbstbewusstseins

26.

Friedrich L. Janko

Mit Struktur Spur geben

27.

Dr. Alexander Jehn

Wettkämpfer für Faszination

28.

Dr. Volker Jung

Der Knoff-Hoff-Moderator

29.

Professor Dr. Joachim Kallinich

Wir nannten ihn Ata

30.

Kardinal Karl Lehmann

Der König der Kettwichte

31.

Sabine Keitel

Der König der Kettwichte

32.

Petra Keller

Die Achtungs-Geberin

33.

Heinz Kipp

Die Silbermöve

34.

Ulrich Kirchen

Der Welt-Eröffner

35.

Werner Klein

‚u-e – o-e, e-e-e‘

36.

Carmen Kloft

Die durch Tanz Erobernde

37.

Erika Körner-Denne

Der Wegbereiter

38.

Alexander Kraus

Prof. George und die Salutogenese

39.

Ulrike Krug

Schwester Marcia und die Mathematik

40.

Xenia Kudinow

Die Hinterfragerin

41.

Wulf-Michael Kuntze

Professor Dr. Millhauser

42.

Cornelia Lehr

Spenderin der Lebensfreude

43.

Andreas Lenz

Der KLarinettist: Tönegeber fürs Leben

44.

Heike Lenz

Nach Adam Riese und Eva Zwerg

45.

Dr. Mignon Löffler-Ensgraber

Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden

46.

Professor Dr. Ralph Alexander Lorz

Der Sherry

47.

Dr. med. Carola Meyer-Scholten

Die erste Stimme

48.

Jörg Meyer-Scholten

Der Demokratie-Mutmacher

49.

Ute Passauer

Die didaktische Rakete

50.

Ilka Penzhorn-Rempel

Die Chemie zwischeneinander

51.

Helmolt Rademacher

Mooswasser-Experimente

52.

Prof. em. Hans-Günther Rolff

Der Professoren-Macher

53.

Dr. Michael von Rüden

Der Spur-Halter

54.

Thomas Sattelberger

Sokrates auf Schwäbisch

55.

Daniela Schmdt

Lotsin aus der Bäckerei

56.

Ute Schmidt

Eine Hammer-Geschichte:nur ganz anders

57.

Bernd Schreier

Der Ruck-Auslöser

58.

Sabine Stahl

Eine Hymne solchem Lehrer

59.

Christoph Stillemunkes

Krinein und Jota?

60.

Eric Woitalla

Viel fides, viel Befreiendes

61.

Karin Wolff

Über Fischer, Flotten und Herausforderungen

62.

Dr. Daniela Worek

Pater Noster im Salatheft

63.

Gerd Zboril

Und er hat doch nicht recht!

Vorwort

Wir alle orientieren uns an Vorbildern. Jeder von uns kann für einen anderen Menschen ein Vorbild sein. Vorbilder geben insbesondere jungen Menschen Anregung und Orientierung. Nicht selten sind sie prägend für ein ganzes Leben.

Diese Sammlung authentischer Geschichten berichtet von den Lehrerinnen und Lehrern, die uns zu Vorbildern wurden. Sie zu würdigen und ihre oft schwer greifbare, aber besonders bedeutsame Leistung auf unsere Persönlichkeitsentwicklung wert zu schätzen, ist das Hauptanliegen.

Das Projekt soll bewusst ein Gegengewicht zur vorherrschenden kritisch, satirisch und oft verzerrt, negativen Darstellung von Lehrpersonen bilden. Die Wirklichkeit war und ist differenzierter!

Das Gute kommt ernster daher. Es macht nachdenklich. Haltungen von Schülerinnen und Schülern in ethischer Verantwortung positiv zu beeinflussen, sie zu stärken in der Wahrnehmung ihrer Selbstwirksamkeit, das ist die vornehmste Aufgabe einer jeden guten Lehrperson!

Eine Einladung zum Mitschreiben an diesem Projekt ‚über gute Erfahrungen‘ sprach ich an Kolleginnen und Kollegen meines beruflichen Umfeldes in Nah und Fern aus. Wenn sich Gelegenheit bot, sprach ich auch Persönlichkeiten mit ‚großem‘ Namen an. So kamen in wenigen Wochen über 60 (!) Geschichten zusammen.

Mein besonderer Dank gilt diesen Autorinnen und Autoren.

Mögen diesen ‚Geschichten vom Gelingen‘ viele weitere folgen.

Unsere Lehrerinnen und Lehrer haben es verdient, gelobt zu werden!

Wulf-Michael Kuntze, M.A.Wiesbaden im Sommer 2014

Für alle Geschichten in dieser Sammlung gilt:

Strassendeutsch und Bücherbus

1981

Oft erlaubt erst die Rückschau die Bedeutung mancher Lebensereignisse für die eigene Biographie einsichtig und anschaulich zu machen und zu verstehen.

Diese Geschichte erzähle ich, um zu verdeutlichen, wie wichtig es für Menschen ist, die Sprache des Landes zu beherrschen, in dem sie leben.

Wer die Sprache beherrscht, ist in der Lage, Sachverhalte darzustellen, Interessen zu vertreten und wenn es notwendig wird, sich zu wehren und sein Recht einzufordern.

Diese Geschichte ist aber auch eng verbunden mit meiner damaligen Hanauer Grundschullehrerin, Frau Kaier, die sich in meine Lage einfühlen konnte, mir mit viel Verständnis, Geduld und Zuspruch über vier Jahre hinweg den Rücken stärkte und mir half, das wichtigste Mittel – die Sprache – zu erlernen.

Mein erster Schultag verlief sehr aufregend für mich. Ich hatte meine rote Schultüte auf dem Arm und lief an der Hand meines Vaters in meinem besten, ebenfalls roten Kleid, stolz wie eine Prinzessin zur Schule. Es wurde auch ein Foto an diesem Tag zusammen mit all meinen neuen Schulkameraden und Schulkameradinnen gemacht. Ich glaube, wir waren 25 Kinder, die eingeschult wurden, weiß aber genau, dass ich und ein anderes Kind die einzigen Türken waren.

Da ich keinen Kindergarten besucht hatte und auch nicht in der Vorschule war, sprach ich das „Straßendeutsch“, d.h. das Deutsch der Kinderspielplätze, der Rollschuhbahn und Bolzplätze. Aufgeschnappte Wörter, Redewendungen, das eine oder andere Schimpfwort, kurz, die Umgangssprache meiner deutschen Freunde war mein Sprachvorbild.

Das stellte meine Grundschullehrerin vor die große Aufgabe mir die deutsche Sprache beizubringen. Als sie bemerkte, dass ich mit den Artikeln nichts anfangen konnte, schenkte sie mir ein kleines Wörterbuch. Die Wörter darin waren groß geschrieben und jedes Namenwort hatte einen Artikel. Dieses Buch begleitete mich bis zum vierten Schuljahr. Es war für mich ein sehr bedeutsames Buch, erstens weil ich dies von meiner Lehrerin geschenkt bekommen hatte und es mir zweitens immer Hilfe bot, den gesuchten Artikel nachzuschlagen. Leider habe ich es heute nicht mehr.

Mit diesem Wörterbuch hatte mir meine Lehrerin ein Mittel an die Hand gegeben, das mir ganz offensichtlich gefehlt hatte, denn es gab damals noch keine Deutschförderkurse.

Frau Kaier brachte mir nachmittags geduldig bei, wie ich Satz für Satz eine Geschichte schreiben musste, damit sie von anderen auch verstanden wurde.

Sie motivierte mich, Bücher zu lesen, und schlug mir auch vor, zum Bücherbus zu gehen, um dort Bücher auszuleihen. Dank Ihres Hinweises und Ihrer Beharrlichkeit ging ich mit meinem Vater zum Bücherbus. Ich brauchte seine Erlaubnis und seine Unterschrift, damit ich Bücher aus dem Bücherbus ausleihen durfte. So begann für mich die Entdeckung neuer, anderer Welten. Jeden Donnerstag ging ich zum Bücherbus und lieh mir fünf oder sechs Bücher und las sie zu Hause auf dem Bett meiner Eltern.

Ich habe sehr früh erfahren, was es heißt, missverstanden, nicht verstanden oder sich nicht in einer gemeinsamen Sprache verständigen zu können.

Meine Grundschullehrerin lehrte mich, mit diesen Situationen umzugehen, und gab mir immer wieder Möglichkeiten die deutsche Sprache anzuwenden und zu üben. Dies konnte die Übernahme einer Rolle in einem Theaterstück sein oder vor der Klasse zu stehen und ein Gedicht auswendig aufzusagen.

Aber auch in Alltagssituationen ermunterte sie mich oft die Sprache bei jeder Gelegenheit anzuwenden. Diese „Sprachanlässe“ nahm ich vielfältig wahr und übte mich im Gebrauch der deutschen Sprache.

So war ich z. B. für meine Mutter „ihre Zunge“. Ich sprach für sie, wenn sie Schmerzen hatte, mit dem Arzt. Ich dolmetschte, wenn sie sich mit einer deutschen Nachbarin über die Hausflurreinigung verständigen musste oder sie einem deutschen Kind ein Bonbon schenkte, weil wir Ramazan hatten. Vieles musste ich für meine Mutter fragen, beschreiben und erklären. Dies alles konnte ich nur, da ich von meiner Grundschullehrerin beständig ermutigt wurde, die deutsche Sprache zu verwenden, wo immer sich die Möglichkeit dazu anbot.

So erweiterte ich kontinuierlich meinen Wortschatz, lernte die deutsche Grammatik und eroberte mir in dieser Weise Stück für Stück größere Freiheit und Selbstbestimmtheit.

Oft führt das Fehlen der Sprache dazu, dass Vermeidungsstrategien aufgebaut werden, um nicht aufzufallen und um Demütigungssituationen zu vermeiden.

Meiner Grundschullehrerin habe ich es zu verdanken mit Sprachen umzugehen, sie zu lernen und anzuwenden. Sie hat mich verstanden, hat meine Hilflosigkeit erkannt und mir aus pädagogischer Intuition heraus das Mittel in die Hand gegeben oder besser gesagt in den „Mund gelegt“, das mir für ein selbstbestimmtes Leben so fehlte. Dank ihr konzentrierte ich mich auch in meiner weiteren Schullaufbahn auf die Sprachen und studierte sogar eine Fremdsprache – französisch.

Nurgül AltuntasRektorin als Ausbildungsleiterin, Wiesbaden

Brigitte Beer: Hochreck

Ich habe in meinem Leben viele Begegnungen mit hervorragenden und motivierenden Lehrerinnen und Lehrern gehabt. Besondere Persönlichkeiten, die in mir die Liebe zu Sprachen und Literatur ebenso verankerten wie die Freude an moderner Musik und Kunst. Die mir die Welt von Naturwissenschaft und technologischem Fortschritt eröffneten. Die mich im logischen Denken schulten, meinen Widerspruch in Diskussionen herausforderten und dabei geschickt meine Neugier auf unbetretene Pfade lenkten, neue Ideen weckten. Denen ich in meinem Leben sehr viel zu verdanken habe.

Am meisten geprägt hat mich jedoch meine Mutter, die mich stets durch Ihren Einsatz für und die Hinwendung zu ihren Schülerinnen und Schülern beeindruckte. Oft durfte ich sie in meinen Kindertagen in ihren nachmittäglichen Sportunterricht an der Musterschule in Frankfurt am Main begleiten (Horte oder Ganztagsangebote in Schulen gab es damals so gut wie gar nicht). Im Geräteraum "ihrer Sporthalle" auf einem Sprungkasten oder Seitpferd über meine Hausaufgaben gebeugt, erlebte ich  live vor Ort, wie  sie  trotz ihrer eher zierlichen Statur augenscheinlich mühelos ganze Heerscharen großgewachsener Jugendlicher mit wenigen Anweisungen und Handbewegungen zwei Schulstunden lang in permanenter Bewegung hielt. Die stets mitgeführte Trillerpfeife kam eigentlich nur zum Einsatz, wenn sich einer der Schüler zum Ausruhen auf die Bank verirrte oder bei den Mannschaftsspielen ein Foul gepfiffen werden musste.

Ich will nicht behaupten, dass sie gleichermaßen von allen Ihren Schülerinnen und Schülern verehrt wurde. Nicht selten habe ich auch mehr als nur verhaltenes Maulen erlebt, wenn sie darauf bestand, dass nach der offenbar schon schweißtreibenden Aufwärmgymnastik Geräteturnen oder Leichtathletikübungen statt Fuß- oder Volleyball auf dem Programm standen. „Sklaventreiber“ wurde gelegentlich gezischelt. Aber die ihr stets entgegenbrachte Wertschätzung selbst von solchen Schülern, die sich bei den Übungen nicht leicht taten, resultierte wohl daraus, dass sie von niemanden mehr verlangte, als er selbst zu leisten vermochte und als sie selbst auf der Stelle und jederzeit unter Beweis zu stellen bereit war. "Geht nicht" gab es nicht in ihrem Unterricht. So blickte man immer wieder in Gesichter mit offen staunenden Mündern, wenn sie sich bis zu ihrer Pensionierung mit zwei gekonnten Schwüngen am Hochreck emporschwang und elegante Riesenfelgen vorführte, wo Minuten zuvor muskelbepackte Burschen oder sportliche Mädchen hilflos gegen die Schwerkraft gekämpft hatten. Der wahre Erfolg war aber, dass sie bis zum Ende des jeweiligen Halbjahres nahezu jeden ihrer Schüler in die Lage versetzte, es ihr nachzutun oder sich zumindest entscheidend zu verbessern. Ihr Unterricht beruhte auf dem individuellen Eingehen auf jeden einzelnen bei den verschiedensten Übungen - lange bevor individuelle Förderung zum gefragten Konferenzthema avancierte.

Sie stärkte das Selbstvertrauen ihrer Schüler, denen sie vorlebte, dass Können - im allgemeinen und selbst im Sport im speziellen - mit Wollen im Kopf und der Bereitschaft zu Anstrengung beginnt. Und sie bestellte solche Eltern zum Gespräch ein, die in ihren Augen das Selbstbewusstsein ihrer Kinder unterminierten. Nie habe ich erlebt, dass sie jemanden dafür gescholten hat, dass er eine Übung nicht beherrschte, solange er sich ernsthaft bemühte, seine Leistung zu verbessern. Ärgerlich wurde sie allenfalls dann, wenn ein Schüler hinter seinen eigenen Möglichkeiten zurückblieb. Auch großmäulige Sportskanonen hatten einen schweren Stand bei ihr und fanden sich schnell mit einer mäßigen Note bzw. Punktzahl im Zeugnis wieder, wenn sie Teamgeist und die Unterstützung sportlich schwächerer Mitschüler vermissen ließen. So musste mancher der Jugendlichen erst akzeptieren lernen, dass die in einem Schulhalbjahr gezeigte Bereitschaft zur Anstrengung und der persönliche Fortschritt in den Unterrichtsinhalten einen erheblichen Teil der Notengebung meiner Mutter ausmachte - und eben nicht allein die auch auf körperlicher Disposition basierende Sportlichkeit. Mit diesen Prinzipien wurde sie sowohl den schwächeren Schülern als auch den Spitzensportlern gerecht, zumal sie jedem von ihnen gleichermaßen in und außerhalb des Unterrichts mit Rat und Tat zur Seite stand. Unzählige Preise bei "Jugend trainiert für Olympia" und ihr Training im Leistungszentrum für die Geräteturner sind hier ebenso beredte Beweise wie die unzähligen mittlerweile erwachsenen Ex-Schüler, die sie bei zufälligen Begegnungen stets frenetisch begrüßen.

Ich bin mir nicht sicher, ob sie mit ihren Anforderungen auch an ihre Kollegen zu den beliebtesten Lehrkräften im Lehrerzimmer gehörte; in ihrer Sporthalle, auf ihrem Sportplatz war sie unangefochten. Ein stetes Kraftzentrum zum Wohle derer, die ihr anvertraut waren. Auch in der Schule.

Nicola Beer, FrankfurtHessische Kultusministerin 2012-2014 Landtagsabgeordnete

„Jesus liebt Sie – Denken Sie dran!“

1988-1994

Eine für mich eindrückliche und gleichsam für meine persönliche Biographie äußerst nachhaltige Aussage meines Religionslehrers Stefan Link - seines Zeichens Absolvent der Phil.-Theol. Hochschule St. Georgen Frankfurt/Main-, der zunächst einmal rein durch Optik seiner trotz Wind und Wetter getragenen „Jesuslatschen“ bestochen hätte, wenn er es zudem nicht auch verstanden hätte, durch seine Authentizität uns Schüler -„Jünger“- Schar auf unser späteres Leben vorzubereiten:

Zu Menschen für andere heranzureifen!

Das Alte Kurfürstliche Gymnasium (AKG) Bensheim als ein der humanistischen sowie vor allem der altsprachlichen Tradition verpflichtetes Gymnasium bot während meiner Schulzeit durchweg Lehrer, die in diesem Geiste lebten und sich also dem Bildungsideal verschrieben hatten, - getreu der Ratio Studiorum - durch Einheit, Festigkeit und Klarheit in Ziel und Mitteln einerseits als auch durch planmäßige Ordnung in der Ausbildung der geistigen Fähigkeiten andererseits jedem einzelnen die bestmögliche Persönlichkeitsentfaltung zu ermöglichen.

Doch dieser eine spezielle Lehrer war für mich einmal mehr markant, als er es schaffte, zwischen den nahezu extremen „Leitsätzen“ des ein oder anderen Lehrkörpers „bimsen, ochsen, drillen, pauken“ oder „bohren, bohren, bohren…hinterfragen“ (ohne Zweifel: jeder (ver)suchte also auf seine ganz eigene Art und Weise dem obigen Bildungsauftrag gerecht zu werden), die Brücke zu bauen, nein vielmehr den nahezu gordischen Knoten zu lösen, wenn man so will, zwischen Humanismus und Scholastik.

Herr Link war jemand, der der tatsächlichen Etymologie des Wortes Lehrer ganz wahrhaft entsprach.

„Einer, der durch Nachspüren wissend macht“ - und für mich insoweit eine ganz individuelle Weg-Begleitung von der Untertertia bis hinein in das Abitur wurde.

Wie lieb und teuer ist mir jetzt, als im -gemeinhin als „richtiges“ bezeichnetes (weil Berufs-)- Leben stehende Persönlichkeit das eingangs erwähnte Zitat geworden; dies umso mehr in einer heute derart umtriebigen Zeit, in der wir uns verstärkt die Frage stellen, was ist denn Leben?

„Du rennst durch dein Leben. Und das Leben läuft dir davon. Es klebt lästig zwischen deinen Terminen herum“. Treffender als dieser randläufige und scheinbar belanglose Ausspruch in einem Wochenmagazin kann man den heutigen Zeitgeist wohl nicht fassen.

Meiner alten Schule haftete immer der eher negativ verbreitete Ruf an, sie bereite nicht so sehr auf das Berufs-Leben, sondern -man staune- auf das LEBEN vor!

Ja, Gott sei Dank! Gott sei Dank dafür, dass sich meine Eltern bewusst für genau diese Bildungsanstalt für ihre Tochter entschieden.

Was kann man einem Kind schließlich mehr wünschen als eine Einrichtung, die Wert legt auf individuelle Zuwendung und Sorge für jeden einzelnen Schüler?! Eine Einrichtung, die darum sucht, ein Gespür für soziale Gerechtigkeit heranzubilden und gleichsam die Bereitschaft für die Umsetzung von Idealen zu wecken?! Eine Einrichtung, in der Erziehung darauf abzielt, klar und kritisch zu unterscheiden sowie freie und verantwortliche Entscheidungen zu treffen und gefällte Entscheidungen ebenso zu reflektieren?! Eine Einrichtung, in der Eigeninitiative betont wird und dazu anhält, ein Leben lang weiter zu lernen?! Eine Einrichtung, die letztlich zur Bereitschaft „zum größeren und besseren“ erzieht?!

So mündet all´ das für mich persönlich schließlich wieder ein in diesen anfangs genannten und so eindringlichen Satz meines Lehrers, der mich doch auch noch nach rund 20 Jahren immer wieder jeden Tag aufs Neue zu einer ganz persönlichen Antwort auffordert, die in voller Freiheit gegeben werden muss!

Das Rüstzeug dazu habe ich ja nach 9 Jahren AKG zumindest….

Christiane BergOAR´n im Hessischen Kultusministerium, Wiesbaden

Von Macht, Mäusen und Frau Merkel

1955

In meiner Grundschulzeit in Regensburg gab es an der Schule sehr wenige Elefanten, das waren die evangelischen Kinder und sehr viele Kartoffeln, das waren die katholischen Kinder. Ich gehörte zu den Elefanten und das war nicht ganz einfach, denn einem Elefanten war es z.B. nicht erlaubt das Fahrrad im Bereich der Kartoffeln abzustellen. Auch der beliebte Tausch eines Pausenbrotes fand nicht statt, da Kartoffeln keineswegs das Brot mit einem Elefanten tauschten. Ich habe mich dennoch in der Schule wohl gefühlt, denn es gab meine Klassenlehrerin, Frau Merkel! Ob sie die Kartoffel – Elefantenmachtverhältnisse kannte weiß ich nicht, aber sie hat mir nie das Gefühl gegeben als evangelisches Kind in der katholischen Grundschule abgelehnt zu sein. Dann passierte in der 2. Klasse der Einbruch und ich spüre heute noch die Angst, die mich beschlich, dass sie mich vielleicht nicht mehr akzeptieren würde.

Mein Bruder, vier lange Jahre älter als ich, hatte seinen neuen Pullover gegen einen Käfig mit zwei weißen Mäusen getauscht. Nach langen Auseinandersetzungen mit unserem Hausmädchen durfte er die Mäuse behalten und unser Vater erfuhr zunächst auch nichts von dem Tausch. Ich wurde nicht gefragt, wusste aber sehr genau, dass ich natürlich nichts sagen durfte.

Nach einigen Wochen entdeckte das Hausmädchen, dass aus den zwei Mäusen 36 Mäuse geworden waren. Das hatte Folgen. Ich wusste längst von der Vermehrung, denn ich hatte täglich in den Käfig geschaut und mich über die winzigen Fleischklümpchen gewundert, die da immer mehr wurden. Ich mochte die Mäuse auch nicht, da sie fürchterlich stanken. Mein Bruder fand das gar nicht und ich machte, zumindest damals, das, was er mir sagte und muckte nicht auf.

Die Mäuse wurden zum Problem, das Hausmädchen informierte den Vater und damit waren umgehend Anweisungen auf dem Tisch, die der Logik eines Juristen entsprachen: Die Mäuse haben sofort zu verschwinden, wohin war dem Vater egal, und der Bruder ließ anklingen, dass er sie ertränken wollte. Das war für mich ein Horrorszenario. Ich sah die Mäuse schon in der Donau schwimmen – mit oder ohne Käfig – und stellte mir vor, wie es mir ginge, wenn man mich auf diese Art loswerden wollte. Also was tun? Mir kam die Idee, die Mäuse in meiner Klasse zu verkaufen. Mein Bruder fand die Idee gut und damit war für ihn klar, dass er die Mäuse los war. Ich hatte noch etwas Bedenken, denn ich liebte meine Lehrerin und wollte keineswegs Ärger bekommen. Der Verkauf der Mäuse konnte möglicherweise dazu führen, dass sie mich nicht mehr mochte und das machte mir richtig Angst. Aus Sicht meines Bruders war klar, dass ich den Käfig in die Schule zu schleppen hatte, denn schließlich hatte ich die Idee! Spätestens am Wochenende würde der Vater nach der Erledigung der lästigen Sache mit den Mäusen fragen, also nichts wie ran an die Lösung des Problems.

Meine Lieblingslehrerin, Frau Merkel, hatte auch noch ahnungslos zugestimmt, dass die Mäuse im Käfig in den Nachmittagsunterricht zur Anschauung mitgebracht werden durften, aber dann passierte es noch bevor sie in die Klasse kam.

Den Käfig hatte ich auf dem Pult abgestellt und ging schnell auf die Toilette. Dabei hatte ich ganz vergessen, kurz allen zu sagen, was es mit den Mäusen auf sich hatte. Als ich von der Elefantentoilette wiederkam, die im nächsten Stockwerk war – die Kartoffeltoilette wäre viel näher gewesen – empfing mich ein Riesengeschrei und Gekreische. Irgendwer, ich vermutete sofort eine Kartoffel hinter der Aktion, hatte in der Zwischenzeit gehandelt:

Der Käfig stand offen auf dem Boden und überall liefen weiße Mäuse rum, dazwischen meine fassungslose Lieblingslehrerin. Zuerst sorgte sie für lautstark für Ruhe, dann schickte sie ein Kind ins Lehrerzimmer um unsere Heimatkundelehrerin zu holen. Alle anderen Kinder blieben im Klassenzimmer. Die Klassenzimmertür wurde geschlossen und keiner durfte sich mehr bewegen.

Ich war davon überzeugt, dass sie nie wieder mit mir reden würde, aber oh, Wunder! Trotz des Chaos durfte ich Frau Merkel erklären, was passiert war. Sie schaute mich an, hörte mir erst genau zu, fragte auch nach und dann gab sie sehr ruhig und bestimmt klare Anweisungen. Ich sollte mich auf die Fensterbank setzen. Sie hatte wohl gespürt, dass ich panische Angst hatte, ich könne eines der Mäuschen zertreten. Die Kinder der sehr großen Klasse mussten still stehen, oder auf den Tischen sitzen und letztlich bedurfte es zweier Lehrerinnen mit sehr viel Stimmvolumen, um dem immer wieder aufflammenden Chaos Herr zu werden.

Wie die Mäuse wieder eingefangen wurden weiß ich nicht mehr, aber…  sie wurden wieder eingefangen – alle 36!