Licht und Schatten - Johannes Kunz - E-Book

Licht und Schatten E-Book

Johannes Kunz

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Beschreibung

Zeit- und Fernsehgeschichte hautnah erlebt Er beginnt seine berufliche Laufbahn 1968 beim Radio des ORF. Ohne Parteibuch wird er 1973 Pressesprecher des legendären Bruno Kreisky, mit dem er die Wahlkämpfe 1975 und 1979 bestreitet, dessen Konflikt mit Hannes Androsch und die nahostpolitischen Aktivitäten er miterlebt. 1986 wird er Fernseh-Informationsintendant. Johannes Kunz berichtet über seine Zusammenarbeit mit Gerd Bacher, Teddy Podgorski, Wolf In der Maur und Ernst Wolfgang Marboe und erzählt offen von den Ränkespielen und parteipolitischen Intrigen, deren Zeuge er war. Für den Verleger Fritz Molden schmuggelt er eine TitoBiografie aus dem kommunistischen Jugoslawien; als Konzertveranstalter arbeitet Kunz mit Größen des Showbusiness und macht den Salzburger Jazz-Herbst zu einem Festival von europäischem Format. Seine Erinnerungen sind gelebte Zeitgeschichte und berichten von persönlichen Begegnungen mit Politikern, Showgrößen und Weltstars in Anekdoten, Fotodokumenten und Karikaturen.

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Seitenzahl: 325

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Johannes Kunz

Licht und Schatten

JohannesKunz

LichtundSchatten

Erinnerungen

Meiner Frau in Liebe und Dankbarkeit gewidmet

Besuchen Sie uns im Internet unter:www.amalthea.at

© 2014 by Amalthea Signum Verlag, WienAlle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: Silvia Wahrstätter, vielseitig.co.atUmschlagfotos: Johannes Kunz 1976 mit Bruno Kreisky (Votava),1992 mit Gerd Bacher (ORF-Fotodienst),2004 mit Dave Brubeck (Peter Brunner)Lektorat: Martin BrunyHersteller und Satz: Franz HannsGesetzt aus der Centaur MT 13/15 PunktPrinted in the EUISBN 978-3-85002-885-1eISBN 978-3-902998-07-1

Inhalt

1Die Idee zu diesem Buch

2Als Böhmen nicht mehr bei Österreich war

3Deutscher Einmarsch im Sudetenland

4Großvater begeht Selbstmord

5Familie Beck übersteht den Zweiten Weltkrieg

6Das Ehepaar Kunz zieht nach Wien:Von nun an geht’s bergauf

7Meine glückliche Kindheit in Döbling

8Erste Bekanntschaft mit dem Jazz

9Die »Goldene Ära« des Wiener Kabaretts

10Ein Kurzgastspiel als Popmanager

11Jungjournalist im ORF

12Am Hof des »Sonnenkönigs«

13»Ich bin der Meinung …«

14Stress im Kanzleramt: Nahost und Androsch

15Günter Guillaume und André Heller

16In geheimer Verlagsmission in Belgrad

17Rundfunkpolitik aus erster Hand

18Fernsehintendant in der ORF-Schlangengrube

19Der Waldheim-Wirbel in der ORF-Berichterstattung

20Niederlage und Neuorientierung

21Vienna Entertainment startet mit Harald Juhnke

22Salzburg bekommt Europas elegantestes Jazzfestival

23Backstage

24Wer den Schaden hat, der hat den Spott

25Aus unserem Gästebuch

26Ad personam

Thomas Klestil

Jörg Haider

Willy Brandt

Shirley MacLaine

Friedrich Gulda

Leonard Bernstein

Ella Fitzgerald

Frank Sinatra

Rudolf Buchbinder

27Reich an Erfahrung

Anhang

Buchveröffentlichungen von Johannes Kunz

Jazz-Herbst-Chronik

Personenregister

Bild- und Textnachweis

1

Die Idee zu diesem Buch

Wenn man ein gewisses Alter erreicht und viel erlebt hat, zudem von Beruf Journalist ist, fühlt man sich irgendwann dazu berufen, seine persönlichen Erfahrungen niederzuschreiben. Und man tut gut daran, damit zu beginnen, bevor einen der erste Schlaganfall beeinträchtigt oder die Altersdemenz einsetzt, die das Erinnerungsvermögen trübt, das Voraussetzung für das Verfassen einer Autobiografie ist. Dieses Argument ist mir als »Hypochonder der gesamten Heilkunde«, der seit frühester Kindheit alle Impfzeugnisse und ärztlichen Gutachten in einer mittlerweile dicken Mappe sammelt und vierteljährlich einen kompletten Blutbefund erstellen lässt, besonders wichtig.

Solange man dazu in der Lage ist, will man Erlebtes – Positives wie Negatives – noch einmal Revue passieren lassen. Man will sich selbst Rechenschaft geben über Siege und Niederlagen, Glück und Unglück, gute wie schlechte Eigenschaften, richtige und falsche Entscheidungen. Selbstreflexion ist angesagt.

Rund um meinen 60. Geburtstag 2007 kam mir zum ersten Mal die Idee zu vorliegendem Buch. Vorerst blieb es bei der Idee, weil mich andere Verpflichtungen vom Schreiben abhielten. Mit 65 befand ich schließlich, jetzt oder nie müsse ich mit der Arbeit an diesem Buch beginnen. Bücher schreiben – seit 1974 (»Ich bin der Meinung …«, Kreisky in Witz und Anekdote, Molden) habe ich mehr als 30 Bücher als Autor oder Herausgeber veröffentlicht – hat mir übrigens immer Freude bereitet, wesentlich mehr als das Verfassen von Zeitungsartikeln oder Kommentaren für Radio und Fernsehen. Und da ich Zeitgeschichte hautnah erlebt habe, spüre ich einen Drang, mich mitzuteilen und Erfahrungen weiterzugeben.

Am Beginn einer solchen Arbeit steht naturgemäß die Ahnenforschung. Dabei kommt mir zugute, dass ich meiner Mutter Ilse (1919–2009) zu deren 80. Geburtstag den Abdruck ihrer Lebenserinnerungen unter dem Titel »Als Böhmen nicht mehr bei Österreich war« ermöglicht habe. Darin vermerkte meine Mutter quasi als Einleitung: »Meinem Sohn und meinem Enkel, deren Beharrlichkeit dieses Büchlein seine Entstehung verdankt, in Liebe gewidmet.« Und zum Schluss schrieb sie: »Eine eventuelle Fortsetzung der familiären Aufzeichnungen überlasse ich meinem Sohn, falls er einmal Lust dazu haben sollte.«

Jetzt habe ich Lust dazu und greife zunächst auf die Niederschrift meiner Mutter zurück, die – unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg geboren – die beiden schrecklichen Diktaturen des 20. Jahrhunderts, Nationalsozialismus und Kommunismus, hautnah erlebte, ehe sie nach dem Zweiten Weltkrieg im zerbombten Wien unter schwierigen Bedingungen eine neue Existenz aufbaute.

2

Als Böhmen nicht mehrbei Österreich war

Der Erste Weltkrieg, an dessen Ausbruch vor 100 Jahren wir uns 2014 erinnert haben, hatte fatale Auswirkungen auf den weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts. »Die Urkatastrophe der Moderne« habe in einer Kettenreaktion weitere Katastrophen ausgelöst, formulierte der Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs, Wolfgang Maderthaner. Die Nachkriegszeit mit ökonomischem Desaster und großer Depression war gleichzeitig eine Vorkriegszeit. Adolf Hitler brach den Friedensvertrag von Versailles, militarisierte die deutsche Gesellschaft, die von Massenarbeitslosigkeit geprägt war, und führte sein Land in den Faschismus. Der Zweite Weltkrieg war die logische Konsequenz. Als dessen Ergebnis kam Osteuropa unter sowjetischen Einfluss und der Kalte Krieg zwischen den neuen Weltmächten USA und UdSSR hielt die Menschheit jahrzehntelang in Atem.

Am Anfang dieser unheilvollen Entwicklung standen vor 1914 Imperialismus und Nationalismus als bestimmende Elemente der europäischen Mächte. Der Krisenherd auf dem Balkan wurde zum auslösenden Faktor des Ersten Weltkrieges. Dort unterstützte das zaristische Russland im Zeichen des Panslawismus die gegen Österreich-Ungarn und die Türkei gerichteten nationalen Strömungen vor allem in Serbien und in Bosnien-Herzegowina. Im Attentat von Sarajevo vom 28. Juni 1914 spitzte sich dieser Konflikt zu, der über die Juli-Krise zum Kriegsausbruch führte. Nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajevo lag die Initiative des Handelns bei Österreich, das Serbien für das Attentat verantwortlich machte. Der Verlauf des Ersten Weltkrieges darf als bekannt vorausgesetzt werden. Jedenfalls gab es Kampfhandlungen auf fast allen Kontinenten und Meeren, wenngleich der Schwerpunkt der militärischen Auseinandersetzungen zu Lande in Europa lag. Dabei waren die Regierungen und Oberkommanden ursprünglich davon ausgegangen, dass sich ein längerer Krieg wirtschaftlich gar nicht durchhalten lasse und der militärische Konflikt rasch beendet sein werde. In der Realität freilich hatten die industrielle und technische Revolution eine völlig neue Art der Kriegsführung ermöglicht. Zwischen 1914 und 1918 fielen 17 Millionen Menschen in einem brutalen Wettstreit der Vernichtung. Schließlich gingen die Entente-Mächte mit Hilfe der USA siegreich hervor.

Am 21. November 1916 war im Schloss Schönbrunn zu Wien Kaiser Franz Joseph I. im 87. Lebensjahr und 68. Jahr seiner Regentschaft gestorben. Sein 30-jähriger Großneffe Karl folgte ihm auf dem Thron nach. Er konnte das Blatt für die Habsburgermonarchie nicht mehr wenden. Der Erste Weltkrieg ging verloren, das Reich zerfiel. Das überkommene politische und soziale System war nicht nur in Österreich-Ungarn, sondern auch in Russland, Italien und Deutschland zusammengebrochen. Dynastien traten ab, Europa lag in Trümmern.

Der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn wurde von nationalen Antipathien zusammengehalten, die auch zu seinem Zusammenbruch führten. Die Habsburgermonarchie erschien allen so lange als nützlich, als jede Nationalität innerhalb des Reiches eine andere Nationalität unterdrücken konnte. Die Deutschen meinten, die Existenz der Donaumonarchie verhindere, dass die Tschechen in Böhmen das Übergewicht erhielten. Die Tschechen wiederum befürchteten, ohne die Herrschaft Wiens würden die Deutschen ihr Land unterdrücken.

Das ehemalige Mitglied des Reichsrates in Wien, Thomas G. Masaryk (1850–1937), der erste Staatspräsident der Tschechoslowakischen Republik, vertrat eine Philosophie, die sich aus Elementen des deutschen Idealismus, französischen Rationalismus und marxistischen Sozialismus speiste. Vor dem Ersten Weltkrieg bekämpfte Masaryk sowohl die panslawistische Bewegung als auch die Dominanz der Deutschen in Böhmen. Während des Ersten Weltkrieges stellte er in Paris eine tschechische Exilregierung zusammen. 1917 formte er in Russland aus böhmischen und slowakischen Kriegsgefangenen die »Tschechische Legion«, die anschließend an der Westfront eingesetzt wurde. Und 1918 rief er mit Unterstützung der Entente in Prag die Tschechoslowakische Republik aus, die er bis 1935 führte.

In diese politischen Rahmenbedingungen wurde am 23. Juni 1919 meine Mutter Ilse Beck in dem kleinen Ort Warnsdorf hineingeboren. Kindheit und frühe Jugend verliefen geradezu idyllisch, dann kam sie in den Strudel der politischen Ereignisse. Der Vater Arthur war Bankdirektor, die Mutter Melitta führte ein großbürgerliches Haus. Mit 14 Jahren besuchte die junge Ilse Beck noch einmal ihren Geburtsort: »Da waren die beiden Häuser, die ich immer wiedersehen wollte, das meiner Urgroßeltern und das meiner Großeltern, in dem auch die Bank untergebracht war, die Wirkungsstätte meines Großvaters, der sie viele Jahre geleitet hatte. Verbunden waren die beiden Häuser durch einen von Gärtnern gepflegten Park mit zwei Teichen, auf denen meine Mutter und deren Bruder bei entsprechenden Wintertemperaturen eislaufen konnten. Dieser Park wurde nach dem Tod meines Großvaters Stadtpark, und so konnten wir auf den Wegen, auf denen meine Vorfahren mit der Kutsche gefahren waren, spazieren gehen. Warnsdorf war ein kleines, aber speziell durch seine Textilindustrie in der ganzen Monarchie bekanntes, sehr wohlhabendes Städtchen. Die Beifügungen, die man den Namen der verschiedenen Fabrikantenfamilien gab, deuteten auf ihre Erzeugnisse hin. So gab es die Samt-Fröhlich, Tuch-Liebisch, Spitzen-Bürger etc. Man lebte dort wie in einer großen Familie, in der jeder seinen Platz, seine Funktion und seine Monopolstellung hatte. Mein Urgroßvater betrieb einen Garn-Großhandel, belieferte die Textilfabriken, mein Großvater war Leiter der Bank, über die alle Geschäfte und Transaktionen durchgeführt wurden, ein Cousin meiner Mutter hat alle versichert und ein Großonkel erzeugte in seiner Lederfabrik die für Webstühle und Maschinen benötigten Riemen.«

Hochzeit meiner Großeltern Arthur und Melitta Beck 1912 in Warnsdorf.

Meine Mutter Ilse Beck mit neun Jahren 1928 in Aussig.

Aufgewachsen ist meine Mutter in Aussig an der Elbe. Inklusive der Vororte zählte Aussig damals rund 70.000 Einwohner. Diese etwas schmutzige Kleinstadt zwischen Erzgebirge im Norden und dem Elbetal im Süden war nicht besonders schön, hatte keine attraktive Altstadt und keine Sehenswürdigkeiten, aber doch Atmosphäre. Die junge Ilse Beck erlebte das Idyll ihrer Kindheit so: »Man konnte die geographische Lage Aussigs aus wirtschaftlichem Aspekt geradezu als ideal bezeichnen. Es lag an der Elbe, die ein ganz wichtiger Verkehrsweg zwischen Böhmen und Hamburg war. Der Elbehafen wurde zu einem regen Umschlagplatz für überseeische Güter, die über Hamburg auf dem Wasserweg hierher kamen. Es war immer ein Erlebnis für mich, wenn ich als Kind an der Hand meiner Nuni, unserem Kinderfräulein, mit dem mich ein sehr herzliches Verhältnis bis zu ihrem Tod verband, an der Elbe spazieren ging und die großen Schiffe und die riesigen Berge von Kokosnüssen sah, die da ausgeladen wurden. Diese Kokosnüsse, deren Milch wir so gern tranken, wurden in den Schicht-Werken zu Ceres, einem Kunstfett, das zum Ausbacken verschiedener Köstlichkeiten sehr beliebt war, verarbeitet. Ebenso wichtig war die Bahnlinie, die von Wien über Prag und Dresden nach Berlin führte, sowie eine weitere zum Elbehafen nach Hamburg. Diese Vorteile der geographischen Lage ermöglichten und förderten das Entstehen von Betrieben, die Aussig zu einer Industriestadt werden lassen konnten.

Entscheidend für die industrielle Entwicklung war aber der Unternehmungsgeist der ›Kohlenbarone‹ Weinmann und Petschek, der weitverzweigten Familien Schicht, Wolfrum und Hübl, um nur einige zu nennen, denen Aussig Wohlstand und zahlreiche soziale Einrichtungen verdankte. Stiftungen wie die Lungenheilanstalt, das Blindeninstitut, die Stadtbibliothek, das Wöchnerinnenheim, Kindergärten, Schulen und Bäder waren und sind zum Teil heute noch Zeugen der Großherzigkeit und sozialen Gesinnung dieser Familien.

Ohne diese großzügigen Förderungen wäre Aussig eine unbedeutende Provinzstadt geblieben. Eben diese oben erwähnten Familien bauten sich prachtvolle Villen, zum Teil durch elegante Auffahrten zu erreichen, von weitläufigen Parks umgeben, die nicht nur ein attraktives Stadtbild schufen. Der kultivierte Lebensstil brachte auch ein reges gesellschaftliches Leben mit sich.

In einer der schönsten Straßen, in der es keine Geschäfte gab, nur Villen und Gärten, in der Baumgartenstraße 9, hatte mein Vater ein großes Haus gemietet, das für viele Jahre unser Heim war und noch heute mit allen Eindrücken und Erinnerungen aus der Kindheit und frühen Jugend auf das Engste verknüpft ist. Der kleine Garten vor dem Haus, der von einem Hausbesorger und dessen Frau auf das Sorgsamste gepflegt wurde, mit weißen und lila Fliederbäumen, einer Reihe Mandelbäumchen hinter einem schmiedeeisernen Zaun und dem Kastanienbaum, dessen rote Kerzen zur Blütezeit in mein Mädchenzimmer leuchteten, war in den Sommermonaten eine kleine Welt für mich. Hier führte ich meine Puppen in ihrem Wagen spazieren, lutschte den Honig aus den Fliederblüten und hockte – die Welt vergessend – mit einem Buch unter einem Baum.«

Im Elternhaus meiner Mutter, das von einer Köchin und einem Stubenmädchen in Schuss gehalten wurde, befand sich im Hochparterre ein holzgetäfeltes Speisezimmer. Von diesem führte eine Tür auf eine mit wildem Wein bewachsene kleine Terrasse. Eine Schiebetür führte in den Salon mit einem Flügel, an dem sich meine Mutter stundenlang austobte, und von da kam man in das behagliche Herrenzimmer mit Kamin und unendlich vielen Büchern. Das war das Refugium des Bankdirektors Beck, der viele gesellschaftliche Verpflichtungen hatte. Oft kamen Gäste. Aber auch abgesehen von beruflichen Terminen führten die Eltern meiner Mutter, somit meine Großeltern, auch privat ein großes Haus. Der Bruder meiner Großmutter, Robert Hage, war Direktor der Nationalbank in Reichenberg und häufig mit seiner Frau zu Besuch. Er sollte Jahre später das Kapital der Reichenberger Nationalbank in letzter Minute vor den Nazis retten. Die politischen und wirtschaftlichen Probleme, die anlässlich solcher Besuche diskutiert wurden, interessierten meine Mutter zu jener Zeit kaum, doch hörte sie da das erste Mal den Namen Adolf Hitler. Es war die Rede von Berlin, wo angeblich an Geschäftstüren, Parkbänken und Lokalen Aufschriften angebracht waren, auf denen stand: »Juden unerwünscht!«. Meine Mutter verstand das alles (noch) nicht, aber schon bald sollte sie persönlich mit der brutalen Realität des Antisemitismus konfrontiert werden. Schließlich entstammte mein Großvater einer jener deutsch-jüdischen Familien, von denen es hieß, sie wären die besten Deutschen gewesen. Es steht jedenfalls außer Zweifel, dass sie die deutsche Kultur wesentlich gefördert und unterstützt haben.

Der Urgroßvater meiner Mutter war übrigens Brauereidirektor in Pilsen. Vielleicht habe ich meine Vorliebe für böhmisches Bier von ihm geerbt. Ein anderer Vorfahre meiner Mutter war Arzt und hat als solcher am bosnischen Feldzug teilgenommen. Für besondere Verdienste in diesem Zusammenhang hat man ihm die Baronie angeboten, was er jedoch mit der Begründung ablehnte, er habe nur seine Pflicht als Arzt getan. Später war er einer der angesehensten Gynäkologen, in dessen Prager Praxis Frauen aus verschiedenen Teilen der Monarchie oder sogar aus dem Ausland kamen.

3

Deutscher Einmarschim Sudetenland

Ihre erste Begegnung mit jungen Nazis hatte meine Mutter 1933 in Aussig, als sie gerade 14 Jahre alt war: »Es wurde in der Schule hinter vorgehaltener Hand davon gesprochen, und schließlich schrieben die Zeitungen darüber. Der Sohn des Direktors, der damals in die achte Klasse ging, sollte angeblich an dem sogenannten ›Volkssport‹ beteiligt gewesen sein. Ich konnte mir darunter überhaupt nichts vorstellen. Für mich konnte Volkssport nur etwas wie Fußball, Faustball oder Ähnliches bedeuten. Nun handelte es sich, wie ich bald erfuhr, aber nicht um einen körperlich betriebenen Sport, sondern man bezeichnete damit nationalistische Agitationen, die darin bestanden, dass kampflustige Jünglinge in der Dunkelheit Hakenkreuze an Wände, Auslagenscheiben etc. schmierten, Flugblätter mit nationalen Parolen verteilten sowie Tschechen und Juden provozierten, was besonders zwischen tschechischen und deutschen Studenten in Prag ein beliebter ›Sport‹ war. Natürlich waren derartige Umtriebe verboten und wurden bestraft, wenn man die Täter erwischte. Viele nahmen diese ›Lausbübereien‹, ›Dummheiten‹ oder ›Bubenstreiche‹ nicht ernst, ich erinnere mich aber sehr gut, dass es auch zahlreiche warnende Stimmen gab. Wie wir heute wissen, war es die Einleitung zu einer bösen Entwicklung, deren Ausmaß sich in jener Zeit kaum jemand vorstellen konnte.«

Bald nach Schulschluss fuhr die ganze Familie meiner Mutter meistens an einen österreichischen Alpensee. Das war einmal der Wörthersee, ein anderes Mal der Millstätter See oder Altaussee, das fast zu einer zweiten Heimat meiner Mutter wurde. In diesen Sommertagen als Teenager lernte sie Österreich lieben. Und als sie am 13. März 1938 im Radio von der Besetzung Österreichs durch deutsche Truppen hörte, weinte sie bitterlich und konnte es nicht fassen, dass es kein Österreich mehr geben sollte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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