Lied der Seele - Nikolaj Mosch - E-Book

Lied der Seele E-Book

Nikolaj Mosch

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Beschreibung

Drei Seelenstörungen treffen auf Hochempathie und absolute Willensstärke und lösen eine jahrzehntelange Suche nach Grenzen aus. In seinem Kampf gegen sein inneres Kind rennt Nikolaj Mosch mit Vollgas in einem Zickzackkurs vor sich selbst weg, durchlebt bittere Armut, sieht seinen Körper in einer Nahtoderfahrung von oben und findet über erhebliche Umwege schließlich nicht nur sich selbst, sondern Lösungswege für die Menschheitsprobleme. Ein Lebensbericht der Extreme.

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EPUB
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Seitenzahl: 508

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Lied der Seele

                                   von Nikolaj Mosch

Die Lösungen für die globalen Krisen liegen in uns selbst.

Covergestaltung:

Yara Warnke mit Chat GPT

Impressum:

Paradise on Earth Verlag

Nomadenpfad

Mother Earth

www.nikolajmosch.com

Alle Rechte vorbehalten.

Für meine Frau Daniela. Ich bin dir begegnet, um zu heilen. Ohne dich ist meine Freiheit nichts. Du bist meine Dualseele, nach der ich in den Rocky Mountains Sehnsucht verspürte. Für immer dein.

Für meine große Stieftochter. Mit einer Kissenschlacht anzufangen, wenn gerade Krise ist, war die beste Idee überhaupt. Lass dich nie beirren bei deinen Ideen.

Für Lukas. Dass das Leben ein Spiel sein kann, wollte ich nicht annehmen. Danke, dass du nie nachgegeben hast. Deine Loyalität ist beispiellos.

Für Yara. Mehrsprachig zu singen, ist so schön. Du bist der Schmetterling.

Für Emily. Danke, dass ich dein Zweit-Papa sein darf. Du bist die Chefin, lass dir nichts anderes erzählen.

Für Louis. Für immer dein Papa. Ich gehe für dich durch’s Feuer, jederzeit. Tschü!

Für Mika. ErNeuerung ist kein Zuckerschlecken. Aber der beste Weg überhaupt. Ohne dich hätte ich es nie gemerkt.

Für Ben. Du bist mein Spiegel. Das Zeitalter der sensiblen Seelen hat gerade erst begonnen. Lass dich nicht aufhalten. Niemals und von niemandem.

Für Jan. Wir werden uns wiedersehen. Die Verbindung stellten wir her, als wir sieben Jahre alt waren. Sie wird nie zerstört werden.

Für Charlie. Tim Horton’s hatte die Leckersten. Und es war eine gute Idee mit der Blockhütte nach dem Roger's Pass. Ich hätte auf deinen Tipp mit der inneren Stimme hören sollen.

Für Peter und Miriam. Ihr lebt die Toleranz, die ich mir so sehr wünsche für unsere Welt.

Für Mother Earth. Ohne dich hätte ich diese Energie nicht.

Für meine Eltern. Mein Groll verschwand mit dem Schreiben dieses Buchs. Ihr habt viel richtig gemacht. Danke dafür. Heilung ist möglich, ich weiß es.

Für Alexander. Zusammen zur Donau zu radeln war wirklich schön. Und Kilometer 96 schwierig. Ich bin mir nicht sicher, ob ich alleine vielleicht aufgegeben hätte. Bauchheilung ist nicht leicht, aber möglich.

Für meine Oma. Ich verstehe jetzt so viel besser als damals. Deine Geister habe ich nie kennengelernt.

Für Familie Zenglein. Ihr habt einen großen Teil meines Lebens geprägt.

Für meine Wachstumsförderer Hans W., Jochen S. Johannes W., Matthias Schr., Pfarrer Hamilton, Hans-Peter O., Conny S., Uli M., Mr. Powell, Richard und Judy, Christoph K., und Selena.

Für die Heliand Pfadfinderschaft. Ohne euch hätte ich es nicht geschafft. Punkt.

Für meine Physiotherapeuten und Psychotherapeuten. Eure Vorarbeit hat sich gelohnt.

Für alle, die mich im Bereich Fahrrad unterstützt haben, insbesondere bei SAYA.

Für alle Unterstützer auf LinkedIn.

Für meine Schwiegereltern. Einen Tiger als Schwiegersohn zu haben, ist eine Herausforderung.

Für alle Menschen, die am Rand stehen in dieser Welt, insbesondere Kinder, insbesondere auf der Gummiinsel in Gießen, in den Townships in Südafrika und in den Vierteln der Abgehängten in den USA.

Für alle Menschen, die leiden.

Für alle Menschen auf dieser Welt.

Für Vater Staat. Danke, dass du mir meine Grenzen gezeigt hast. Das hättest du aber auch schon früher machen können, ohne zum vierten Reich zu werden. Du hast das gleiche Problem, das ich hatte. Die Geister der Vergangenheit aufzuarbeiten wäre hilfreich. Ich weiß aber nicht, ob ich es an deiner Stelle wirklich besser machen würde. Es muss endlich jeder für sich selbst Verantwortung übernehmen.

Ein besonderer Dank geht an all meine Widersacher, die mir das Leben schwer gemacht, mir Steine in den Weg gelegt und mich manipuliert haben. Ohne euch wäre ich nie so schnell gewachsen. Je größer ihr seid, desto stärker werde ich. Ein Tiger lässt sich nicht brechen. Niemals. Und es ist nie zu spät, mit der Heilung anzufangen, die Lösungen existieren.

© 2025 Nikolaj Mosch

Lebenslinien

Es war Sommer 1977. Ich müsste lügen, um jetzt Erinnerungen an das Wetter, die Landschaft und überhaupt diese Reise aufzurufen und zu beschreiben. Es ist aber auch nicht ganz unwahrscheinlich, dass ich meine erste Prägung in dieser Zeit bekam. Ungeborene können hören und fühlen, welche Musik “da draußen” gespielt wird. Bei mir dürfte es Johann Sebastian Bach gewesen sein, eine fast schon mathematisch strukturierte klassische Musik, mit Geige und Gesang. Warum sollte ich diese Reise nicht mitbekommen haben? Sie führte mich erst hoch nach Norden, nach Finnland, das Land der tausend Seen. In Wirklichkeit sind es über 189.000, eine fast unvorstellbare Anzahl. Im Winter ist dort oben das Licht nur spärlich, und an den längsten Tagen im Jahr gibt es gar keine Nacht. Die Luft ist die beste der Welt, das Leitungswasser das beste Europas, die Menschen dort sind die glücklichsten der Welt. Zumindest heute ist das so. Es ist nicht ganz unrealistisch, dass es 1977 nicht wesentlich anders war. Dazu gibt es dort oben die letzte wirkliche Wildnis Europas, welche mich gut 10 Jahre nach dieser Reise so massiv faszinieren würde. Elche, Luchse, Wölfe, Bären, Adler, unendliche Wälder, und eben dieses Wasser überall. Es ist für mich nicht so weit hergeholt, dass ich diese Unberührtheit, diese Wurzeln, dieses Glück schon aus dem mütterlichen Bauch heraus irgendwie spürte. So wie ich später aus meinem eigenen Bauch heraus so dermaßen viel spürte, dass ich ihn fast selbst zerstörte.

Doch so weit hoch im Norden, wie ich heute sein möchte, dürfte ich gar nicht gewesen sein. Leningrad stand noch auf der Agenda, das heutige Sankt Petersburg, östlich von Südfinnland. Die Sowjetunion, auch UdSSR genannt, stand damals im kalten Krieg mit den USA, und ich habe wirklich keinen Schimmer, wie es gewesen sein mag, in der damaligen Zeit dorthin zu reisen. Als Fötus hatte ich keine Vorstellung von den Unmengen an Atomwaffen, die auf beiden Seiten lagerten und mehrfach die Welt hätten zerstören können. Allein in West-Deutschland verfügte das US Militär über zehn Stützpunkte mit atomaren Sprengköpfen. Im August 1977 entzündeten sich im ostdeutschen Brandenburg, rund 50 km nördlich meiner Geburtsstadt Berlin, tausende konventionelle Raketen in einem Waffenlager der Roten Armee. Sie trafen Häuser, Ställe und Menschen. Doch das Unglück war eigentlich Glück: Nur wenige hundert Meter entfernt befand sich ein Bunker mit atomarer Munition für die 2. Garde-Panzerarmee der Roten Armee. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn das hochgegangen wäre. Das erzählte zumindest der damalige Feuerwehrchef der sowjetischen Streitkräfte in der DDR, Wladimir Gawrilowitsch Wlasenko, Jahrzehnte später. 

Es ist für mich abermals kaum vorstellbar, dass mich dieser Wahnsinn nicht bereits vor meiner Geburt beeinflusste. Nach meiner Geburt bin ich nicht ein einziges Mal in Russland gewesen, und in der aktuellen politischen Situation möchte ich es auch gar nicht. In jenem Sommer gab ein gewisser Nikolai Wiktorowitsch Podgorny die Führung des Landes an Leonid Iljitsch Breschnew ab. Podgorny war von 1957 bis 1963 Sekretär der Kommunistischen Partei der Ukraine. Die Ukraine wurde 1922 nach einer vorangegangenen Russifizierung durch die Rote Armee in die UdSSR zwangseingegliedert. Dass Wladimir Putin die Ukraine 100 Jahre nach der Annexion angegriffen hat, und nicht 99 oder 101 Jahre danach, ist kein Zufall.

Ich heiße Nikolaj Mosch. Mein Vorname ist russisch und hat seinen Grund in jener Reise. Ich reiste in die Stadt, in der Wladimir Putin aufwuchs, wo er seine frühen Demütigungen erfahren haben dürfte, die ihn zum Monster haben werden lassen. Zwei Jahre vor meinem Besuch schloss er in Leningrad sein Jurastudium ab. Ob er sich damals in der Stadt aufhielt, weiß ich nicht. Wenn ja, spürte ich seine Anwesenheit, so wie ich später die negative Energie anderer Menschen ohne Hinzusehen immer spürte. Dass er 1985 bis 1990, also bis nach dem Mauerfall, in Dresden als KGB Agent tätig war, ist vielen Menschen gar nicht bewusst. Er spricht fließend deutsch und kennt Deutschland sehr gut. Dass die von ihm unterstützte AfD ausgerechnet in Ostdeutschland punktet, und jetzt auf der politischen Wahllandkarte farblich wieder ein zweigeteiltes Deutschland zu sehen ist, dürfte ihm eine Freude sein. Der nach Aussage unseres Ex-Kanzlers “lupenreine Demokrat” bekommt von der renommierten Psychologin Stefanie Stahl das Prädikat “psychisch total verwahrlost” ausgestellt. Putin ist schwer traumatisiert, und man hat ihn über Jahre und Jahrzehnte gewähren lassen. Unsere Welt sähe anders aus, wenn wir uns um unser inneres Kind, unsere Wunden und vor allem Heilung kümmern würden. Wenn der Einmarsch vollzogen ist, wenn “Du bist gefeuert!” aus dem Oval Office gerufen wird, ist es zu spät, Jahrzehnte zu spät. Wir lassen Psychopathen an die Macht und wundern uns, woran das wohl liegt.

Ich weiß nicht, was sich das Universum dabei gedacht hat, dass ich am 9. November auf die Welt kam. Im Jahr 1977 war das Datum bekannt für die Pogromnacht der Nazis gegen die Juden im Jahr 1938. Das als hoch Empathischer zu ertragen ist eine Sache. Dass exakt an meinem 12. Geburtstag die Mauer, die mich damals in West-Berlin lückenlos umgab, fallen würde, ist eine andere. Geboren wurde ich in Berlin Wedding. Den Stadtteil gibt es heute nicht mehr, weshalb in meinem Pass steht: vormals Berlin Wedding, jetzt Berlin Mitte. Das ist die Verbindung zwischen Ost und West, die neue Stadtmitte. Und so oft ich in meinem Leben später über all die Jahrzehnte über Auswanderung nachdenken würde: Diese Daten und Orte verschweißen mich untrennbar mit Deutschland und der deutschen Geschichte, von Hitler über die Besatzungszeit und Wiedervereinigung bis heute. In Leipzig gibt es das Zeitgeschichtliche Forum, ein Museum über Deutschland. In der Ausstellung trennen sich die Wege nach dem Krieg in BRD und DDR und führen später 1989 wieder zusammen. Kaum jemand versteht, warum ich dieses Stück Beton bei mir zuhause habe, dieses Stück Berliner Mauer, welches ich als 12jähriger selbst raus gehauen habe. Mauern zwischen Menschen machen keinen Sinn, und wir bauen weltweit an den neuen Mauern in alter Denkart.

Wenn ich versuche, meinen Kindern zu erklären, wie West-Berlin um 1980 herum war, fällt es mir schwer, in ihrer Sprache zu sprechen. Der Grund hierfür ist, dass ich nichts Vergleichbares kenne. Es gibt kein “das ist so ähnlich wie” oder “stell dir vor, dass”. Es ist für die Jüngeren unter uns einfach unvorstellbar. Ich sage ihnen dann, dass Deutschland aus zwei Teilen bestand, Ost und West, soweit so gut. Aber Berlin bestand auch aus zwei Teilen. Ost-Berlin war die Hauptstadt von Ost-Deutschland, der DDR. West-Berlin gehörte zu West-Deutschland, der Bundesrepublik Deutschland (BRD), war aber nicht dessen Hauptstadt, und eine Art westliche Insel in Ost-Deutschland. Die DDR sperrte ihre Menschen ein, damit sie nicht abhauten. Zwischen den beiden Deutschlands gab es eine mit Waffen kontrollierte Grenze, welche entweder mit einer Mauer oder einem Zaun aus Streckstahl, sowie einer Art Niemandsland, dem sogenannten Todesstreifen, durchgesetzt wurde. Wer von der DDR nach Westen wollte, wurde erschossen. Wer von Westen in die DDR wollte, konnte mit einem Reisepass einreisen und musste dabei zwangsweise Geld eintauschen gegen die Landeswährung DDR-Mark, den sogenannten Alu-Chips. Wer in West-Berlin wohnte, war von der Mauer umgeben. Wer auf der anderen Seite der Mauer wohnte, durfte nicht rein und wurde bei dem Versuch die Seite zu wechseln erschossen. Ich wohnte also auf der “freien” Seite innerhalb der Mauer. Am Brandenburger Tor war Schluss. Davor stand die Mauer. Es gab eine Aussichtsplattform auf westlicher Seite, mit einer Treppe. Von dort oben konnte man über die Mauer schauen. Durch das Tor durch zu gehen war von beiden Seiten unmöglich. Bewaffnete Grenzsoldaten der Gegenseite waren rund um die Uhr präsent. Das U- und S-Bahn-Netz waren seit 1961 getrennt, Strecken waren zugemauert, es existierte ein unterirdisches Sperrsystem.

Zusätzlich war die DDR immer mit gewaltiger Umweltverschmutzung verbunden. Der Chemiestandort Bitterfeld war 150 km von Berlin entfernt, und die gelben Schwefelschwaden zogen bis nach Berlin. Sie sind intensiver Teil meiner Kindheitserinnerungen. Im Winter heizten die DDR-Haushalte mit Braunkohle. Der billige Brennstoff wurde im Tagebau in der DDR gefördert und sorgte für eine massive Belastung an Feinstaub, Stickoxiden, Schwefeldioxid und weiteren Schadstoffen. An solchen “Smog”-Tagen wurden die Bürger in West-Berlin aufgefordert, das Haus nach Möglichkeit nicht zu verlassen und Fenster und Türen geschlossen zu halten. Die Gifte fanden trotzdem ihren Weg und machten mich krank. Krupp-Husten, Keuch-Husten, Bronchialprobleme. In Ost-Berlin wurde politisch verordnet, dass es den Smog nicht gab, und dann gab es den Smog nicht. So wie Donald Trump und Elon Musk einfach Daten der Wetterbehörde NOAA löschen und sagen, dass es den Klimawandel nicht gibt. Die zwei sind hübsch auf russischer Linie, herzlichen Glückwunsch. Die DDR brach 1989 zusammen, unter anderem aus wirtschaftlichen Gründen. Den beiden Milliardären dürfte das Geld nicht so schnell ausgehen, und diesmal geht es nicht nur um Ost-Berlin, sondern um unseren Planeten. Wahnsinnige drehen sich die Welt eben so, wie sie es brauchen, damit es in ihren Hirnen Sinn ergibt. Und wir geben ihnen genügend Raum, um uns Glauben zu machen, dass Smog eigentlich gar kein Smog ist. Anfang 2025 erlebte ich ihn wieder, diesmal in Krofdorf im Landkreis Giessen. Er kam von Polen rüber, wo viele Menschen mit Braunkohle heizten. Die rechtsgerichtete Regierung hatte im Vorjahr nochmal bekräftigt, dass sie noch auf jeden Fall bis 2049 Energie aus Kohle beziehen wollte. Autoritäre Regierungen und welche, die es werden wollen, und Umweltsauereien gehen immer Hand in Hand.

Unsere Wohnung befand sich im dritten Stock eines Altbaus in Alt-Moabit. Unten war ein Konditor mit Schaufenster, rechts daneben der Eingang ins Treppenhaus. Wenn man rechts neben der breiten Treppe vorbei ging, konnte man wieder raus gehen und kam in einen großen Hinterhof mit weiteren Eingängen zu anderen Häusern. Auf dem Weg nach oben kam man an diesen alten Fenstern vorbei, deren Holzrahmen mit mehreren Schichten Lack die Jahrzehnte ihrer Geschichte erzählten. Auf jeder Ebene gab es zwei gegenüberliegende Wohnungen mit alten Holztüren. Unsere war rechts. Vom Flur aus lagen das Wohnzimmer und das angrenzende Schlafzimmer links. Im Wohnzimmer zur Straße hin gab es einen hübschen Erker mit Blick auf die Spree. An Sonnentagen war es schön hell und freundlich. Mein Zimmer am Ende des Flurs teilte ich mir später mit meinem jüngeren Bruder, es war gelb, das Fenster zum Hof. Im lila Bad daneben gab es eine alte freistehende Badewanne. Wenn man das Wasser ablaufen ließ, floss es in freiem Fall in den darunter liegenden Gulli. In der schmalen Küche daneben, rot, kochte meine Mutter auf einem Gasherd. Im Schlafzimmer tobten wir als Kinder, während mein Vater Klavier spielte.

Einmal gab es ein klassisches Konzert in einer Kirche. Ich blendete alles um mich herum aus und hörte nur der ersten Geige zu. Aus irgendeinem Grund berührte sie meine Seele und gab ihr Ruhe.

* * *

In der Nähe gab es einen kleinen Spielplatz, auf dem ich das Spinnennetz hoch kletterte. Die benutzte Spritze des Heroin-Junkies, der die Nacht zuvor dort gewesen sein musste, habe ich allerdings auch noch gut in Erinnerung. Das Buch “Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo” verschlang ich Jahre später, um zu verstehen.  

Ein besserer Spielplatz war auf der anderen Seite der großen Straße im Otto-Park. Dort konnte ich im Sommer Wasserspiele im Sand machen. Noch besser war es im Tierpark, da gab es mehr Bäume, mehr Grün. Ein Auto hatten wir nicht, ich lief sehr früh schon sehr große Strecken, später fuhr ich Fahrrad. Ein bekannter Weg führte in die alte Markthalle, an der Heilandskirche vorbei. Etwas unheimlich fand ich die großen Fische im Aquarium, die man dort zur Essenszubereitung kaufen konnte. Einmal sprang einer raus, vor meine Füße auf den Boden. Meine Mutter ging mit mir dorthin, Erinnerungen an meinen Vater in der Berliner Zeit habe ich nur vom Klavierspielen.

Etwas weiter weg konnte man mit der U-Bahn fahren, entweder ab der Haltestelle Turmstraße oder Hansaplatz. Der warme Geruch aus dem Untergrund, diese Mischung aus Gummi, Heizung, Menschen, Öl und ich weiß nicht was noch, dieser eindeutige Geruch Berliner U-Bahn ist mir bis heute in der Nase.

Dann gab es noch die S-Bahn, mit der konnte man bis in den Grunewald fahren, im Wannsee baden und die Pfaueninsel besuchen. Hinter der Pfaueninsel war die Zonengrenze. Darüber hinaus sind wir auch gefahren, mit der Eisenbahn, in den Urlaub. Durch Brandenburg und Mecklenburg durch die DDR durch, nach “drüben”, und hoch nach Norden nach Plön.

* * *

Im Berliner Zoo schaute ich mir mehr als einmal die vielen Tiere an. Es gab sogar einen Panda. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob es eine Löwin oder ein Tiger war, aber die große Raubkatze lief den ganzen Tag in ihrem viel zu kleinen Käfig auf und ab und drehte in der Gefangenschaft völlig durch. Mir tat das in der Seele weh, und das nächste Mal schaute ich nach, ob es dem Tier besser ging.

Eine Begegnung der anderen Art hatte ich mit den zwei Schäferhunden des Mannes aus dem unteren Geschoss. Während ich die Treppe runter lief, schossen sie nach oben, überrannten mich und jagten mir eine riesige Angst ein. Meine Mutter, die selbst Angst vor Hunden hatte, verstärkte diese Angst, so dass ich sie jahrzehntelang nicht los wurde. Der Hundebesitzer ging sehr grob mit seinen Hunden um. Nach unserem Wegzug wurde er massiv von ihnen gebissen. Das Tier ist nie das Problem, es ist immer der Mensch. Heute lebe ich mit drei Hunden zusammen. Ich kommuniziere mit ihnen, spüre ihre Bedürfnisse und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich diese Angst überhaupt mal hatte.

* * *

Der Kindergarten hieß “Mini-Club” und war nicht wirklich was für mich. Meinen Erziehern und Eltern möchte ich bis auf das Rosenkohlessen gar keinen Vorwurf machen, es lag nicht an ihnen. Ich war derjenige, der anders war, der aus der Reihe tanzte, der sein eigenes Ding wollte. In Erinnerung ist nicht mehr allzu viel, es war permanent zu warm, ich wollte lieber draußen als drinnen sein, ich wollte meiner eigenen Beschäftigung nachgehen. Aber traumatisiert hat es mich definitiv nicht.

Um die Ecke hatte ich einen Freund. Bastian war ein Träumer, er fiel einmal in eines der vielen Baustellenlöcher, weil er in den Himmel schaute statt nach vorne. Seine Eltern trennten sich vor meinen Augen, und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Also flüsterte ich Bastian etwas zu. Seine Mutter herrschte mich an: Wer flüstert, der lügt!

Dann gab es noch einen anderen Freund an der Ecke, wo ich zum Spielen hin ging. Und noch zwei Kinder, deren Namen ich nicht mehr weiß, die ständig gesüßten Fertigtee in der Nuckelflasche zu trinken bekamen. Ihre Zähne waren schwarz vor Karies. Ich bekam ungesüßten kalten Früchtetee.

* * *

Meine Zähne waren in sehr gutem Zustand, aber meinen Bronchien ging es nicht gut. Der Wartebereich beim Kinderarzt Pliet war freundlich und hell. Ich muss ziemlich oft dort gewesen sein und bekam Mucosolvan. Ich hustete mir die Seele aus dem Leib. Dann gab es diese Probleme mit meinen Augen. Nicht, dass ich schlecht sehen konnte, im Gegenteil. Aber sie tränten, und hörten nicht auf zu tränen. Sie waren knallrot und erholten sich nicht. Ich saß beim Augenarzt bei Untersuchungen. Vielleicht war ich fünf, ich bin mir nicht mehr ganz sicher. Seitdem weiß ich, wie ich mir selbst die Augen tropfe. Nach einem Jahr erfolgloser Behandlungen saß ich dann bei einem anderen Augenarzt. Er war völlig entsetzt. Ich hatte eine chronische Bindehautentzündung und die ganze Zeit das falsche Mittel bekommen. Ich bekam ein anderes Mittel, und meine Augen erholten sich. Was blieb, war das Tränen bei Wind. Sie tränen bis heute bei Wind. Wenn ich ohne Sportbrille Fahrrad fahre, laufen mir seitlich die Tränen in Richtung Ohren, und ich sehe alles nur verschwommen.

* * *

Dann kam mit fünf die Vorschule. Sie lag auf der anderen Seite der Spree. Ich lief an der Behinderteneinrichtung vorbei. Ich sah grauen Beton und Menschen mit allen möglichen Einschränkungen. Ich fragte mich, was ihnen passiert sein mag, und sie taten mir unendlich leid. Dann kam an der Ecke das Haus von Elke. Wir gingen zu zweit über die Brücke über die Spree, auf der anderen Seite runter zum Ufer und von dort aus zur Vorschule. Den Fluss mochte ich sehr, und zu zweit am Ufer ohne Wände oder viele Menschen ringsherum hatte etwas Friedliches. Die Vorschule selbst war ein Problem. Zu eng, zu warm, zu viele Menschen, zu viele Vorgaben, zu viele Erwartungen. Die Lehrerin führte ein Gespräch mit meinen Eltern. Ich würde mich nicht beteiligen, ich würde nicht mitmachen, ich würde daneben stehen und wäre nicht mittendrin. So fühlte ich mich auch, und anders ging es für mich nicht. Die Aufgaben interessierten mich nicht, die Menschen waren anders als ich, warum sollte ich mich damit beschäftigen? Und wie sollte ich den Krach ertragen, wenn mir das Knistern einer Plastiktüte bereits zu viel war? Mit Hochsensibilität beschäftigte sich niemand. Ich sollte funktionieren. Es gab noch einen anderen Außenseiter, Tilmann, der ein ähnliches Problem hatte. Wir freundeten uns an und verbrachten viel Zeit miteinander. Er wohnte mit seiner Mutter zu zweit in einer winzigen Kellerwohnung ohne richtige Fenster. Sie hatten kaum Geld zum Leben und versuchten diesen Mangel durch Kreativität auszugleichen. Tilmann wünschte sich Haustiere. Die konnten sie sich nicht leisten, also fingen sie Mäuse. Diese hielten sie im Badezimmer und bauten ihnen aus Klopapierrollen Tunnel. Sie vermehrten sich, ich weiß nicht mehr genau, wie viele es wurden. Aber es war unglaublich faszinierend. Um die Ecke gab es einen Kiosk, wo wir Ed von Schleck Eis kauften. Wir hatten eine wirklich gute Zeit.

Einen Fernseher hatten meine Eltern nicht, das Smartphone war noch nicht erfunden, Tablet und Laptop ebenfalls nicht, und niemandem stand Internet zur Verfügung außer dem US Militär. Was wäre gewesen, wenn wir das alles gehabt hätten? Hätten wir auch solch eine gute Zeit gehabt? Damals stellten sich vermutlich viele Menschen die Frage, ob es eine gute Idee wäre, Kinder in die Welt zu setzen. Kalter Krieg, atomare Dauerbedrohung, eine Mauer durch Deutschland, Todesstreifen mitten in Berlin. Und wir Kinder spielten mittendrin mit selbst gefangenen Mäusen, ignorierten die Heroin-Spritzen auf dem Spielplatz, badeten im Wannsee kurz vor der Zonengrenze, aßen Ed von Schleck und lachten durch die verbleiten Abgase der Erwachsenen hindurch die Sonne an.

* * *

Mit dieser Vorprägung kam ich 1984 ins mittelhessische Butzbach.

Der Zug hielt an. Wir fuhren von Berlin nach Mittelhessen. Mir ging es nicht wirklich gut, meine bisherige Welt war in den letzten Tagen zusammengebrochen. Mein Zimmer hatte sich aufgelöst und verschwand auf nimmer Wiedersehen. Mein Spielzeug war in braunen Pappkartons gelandet, die von einem großen Lastwagen abgeholt werden sollten. Und jetzt fuhr ich in diesem Sommer mit meinen sechs Jahren über die Grenze. Grau uniformierte Grenzbeamte der DDR gingen durch den Zug und kontrollierten Papiere und Fahrgäste. Ich hatte Angst vor ihnen. Wenn ich ihren Anblick aus meiner Erinnerung hole, jagt es mir immer noch einen Schauer über den Rücken. Sie hatten etwas Unheimliches, etwas Unberechenbares, etwas Gruseliges. Sie sprachen deutsch, aber mit einem unbekannten Dialekt. Sie trugen Waffen mit sich, und sie standen für mich für die Mauer und das Leid, das sie verursachte. Ihre Uniformen hatten sogar die gleiche Farbe. Überhaupt verband ich grundsätzlich mit der DDR die Farbe Grau. Graue Plattenbauten, graue Mauer, graue Uniformen, graue bis gelbe Luft, graue bis braune Häuser, Trabis in merkwürdigen Farben, die so unscheinbar waren wie grau. Gleichzeitig hatte Grau etwas Mächtiges. Eine große, ewig lange Betonwand, Grenztürme am Todesstreifen, große Plätze für ihre demonstrativen Veranstaltungen. Die meisten dieser Attribute fand ich allerdings erst in den Folgejahren.

Mit Angst hatte ich es ständig zu tun. Ich war das Gegenteil eines Draufgängers, das Kind, das sich an der Mama festhielt und sich hinter ihr versteckte, wenn jemand Unbekanntes kam. Ich sollte mich nach und nach meinen Ängsten stellen und raffinierte Methoden zu deren Bewältigung entwickeln, aber so weit war ich damals noch nicht. Was ich auch nicht wusste, dass in Butzbach ein neues, weitaus gravierenderes Problem hinzu kommen sollte, das mich Jahrzehnte meines Lebens beschäftigen würde.

Der Zug fuhr weiter. In Bitterfeld mussten wir aus altbekannten Gründen die Fenster geschlossen halten. Der Gestank war unerträglich. Was die alles in die Luft bliesen, ich konnte es nicht benennen. Aber ich konnte es riechen, sehen, fühlen, und alles in mir sträubte sich dagegen. Warum machen Menschen so etwas?

An den Rest der Reise erinnere ich mich nicht. Es war eine Art Sprung vom dreckigen Berlin ins Grüne. Es sollte sich sehr viel verändern.

Wir zogen in das unterste von drei Geschossen eines Klinkerbaus aus dem Jahr 1903. Das Haus gehörte zur Industriellenfamilie Tröster, welche direkt nebenan mal sehr erfolgreich landwirtschaftliche Fahrzeuge gebaut hatte. 1984 lag das Industriegelände brach, die Gebäude waren baufällig, alte Fahrzeuge standen herum und vergammelten. Unsere Wohnung verfügte über einen Dienstmädcheneingang, die früheren Bewohner gehörten der Oberklasse an. Die Decken waren über drei Meter hoch, der Holzfußboden knarzte, es gab große Fenster und hinten raus einen großen Balkon. Wir hatten mehr Zimmer als in Berlin, mein Bruder und ich zogen aber erstmal wie vorher hinten in das große Zimmer am Ende des Flurs und schliefen in einem Hochbett von IKEA, ich oben und er unten. Der Raum wurde wieder gelb, was mir die Sache erleichterte.

Der Keller war für uns Kinder etwas unheimlich, und auf dem alten Dachboden fanden wir später eine uralte Wärmflasche aus Metall und eine Bettpfanne.

Hinten raus gab es einen großen Garten, der in vier Parzellen aufgeteilt war. Ein riesiger Walnussbaum strahlte eine majestätische Ruhe aus. Ein ebenfalls großer Kirschbaum produzierte gigantische Mengen an Kirschen. Weitere Obstbäume standen auf dem Grundstück. Wir Kinder bekamen eine Schaukel und einen Sandkasten. Von dem etwas merkwürdig konstruierten Balkon konnte man mit etwas Kletterbegabung direkt in den Garten und zurück.

Auf diesem Balkon standen nun die aus Kinderperspektive riesigen Kerle vom Umzugsunternehmen Synanon. Synanon beschäftigte ehemals Drogenabhängige und gab ihnen eine neue Richtung. Die heutige Richtung war Butzbach. Und da die Schlepperei hungrig machte, säbelte sich der große Typ mit dem Kreuz von Hulk zwei gigantische Scheiben Brot ab, legte unendlich viele Scheiben Wurst und Käse drauf und schob sich das Mega Sandwich in den Mund. Damals hätte ich schwören können, dass die Stulle mindestens zehn Zentimeter hoch war. Ich hatte für solche Beobachtungen etwas Muße, weil die Kartons mit meinen Sachen endlich da waren, und die Atmosphäre des Gartens mich irgendwie beruhigte.  

* * *

Butzbach ist eine leicht verschlafene Kleinstadt zwischen Frankfurt am Main und Gießen. Die ursprünglich von den Römern errichtete Siedlung habe ich sogar auf einer Karte bei einem Besuch im Kolosseum in Rom erkennen können. Butzbach verteilt sich mit seinen vielen Ortsteilen über eine ziemlich große Fläche in den Taunus rein. Ich wohnte in der Kernstadt, welche geografisch durch die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Bahnlinie getrennt wird. Östlich der Bahn befindet sich die hübsch sanierte Altstadt mit mittlerweile einer Fußgängerzone mit hutzeligen Fachwerkhäuschen. Unweit des jetzt gepflasterten Marktplatzes gibt es das Landgrafenschloss, weiter hinten einen alten Stadtmauerturm, und an mehreren Stellen Teile der alten Stadtmauer. Noch weiter hinten stehen die Stadtschule, eine alte und eine neuere Sporthalle und ein Schwimmbad. Auf die Westseite kommt man entweder zu Fuss durch eine Unterführung am Bahnhof, oder mit dem Auto bzw. zu Fuss weiter nördlich durch zwei weitere Unterführungen. Im Westen am Hang gibt es ein großes Wohngebiet mittleren Alters, ein neueres mit dem Namen Waldsiedlung und ein großes Gebiet mit vor allem amerikanischen Wohnblocks. 1984 gab es mehrere tausend amerikanische Soldaten und ihre Angehörige in Butzbach. Zwischen den Blocks oben am Wald spielten dunkelhäutige Mädchen mit Rastazöpfen, fuhren Jungs mit Baseball-Kappen auf Huffy Mountainbikes, standen Buicks und GMC Trucks, und Barbecue Grills wurden angeheizt. In der Stadt unten stand ich zusammen mit US-Soldaten in der Schlange beim Metzger, und die Soldaten waren über Jahrzehnte ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Das Schloss war amerikanisch besetzt, im Inneren gab es ein Militärgericht, am Eingang stand rund um die Uhr eine bewaffnete Wache. Auf den Landstraßen fuhren sie mit Panzern, olivfarbenen Lastern, Geländewagen und ab und zu mit einem Auto der Military Police. In der Siedlung gab es einen PX Supermarkt und einen Pizzaladen. Oben im Wald betrieben sie den von Panzerketten durchfurchten und mit Munitionshülsen durchsetzten sogenannten Exerzierplatz, einen Truppenübungsplatz. Man hörte unten im Ort, wenn sie übten. Vom Flughafen Ramstein aus schickten sie ihre Flugzeuge, sie donnerten meist zu dritt und sehr tief über den Himmel. Wenn heute wieder Kampfflugzeuge über den Himmel jagen und meine Kinder zusammenzucken, merke ich, wie gelassen ich damit umgehe und dass ich den Krach eigentlich trotz meiner Hochsensibilität vor allem mit schönem Sommerwetter verknüpfe. Schönes Sommerwetter genießt man in Butzbach am Besten oben im malerischen Freibad, wo man am Waldrand eine spektakuläre Aussicht auf die Wetterau und die Münzenburg hat.

* * *

Ich verbrachte noch ein paar schöne Wochen in den Sommerferien. Schräg gegenüber wohnte eine Familie mit zwei Kindern. Ihr Vater verbot ihren Kindern, mit uns Hinzugezogenen zu spielen. Nach der offensichtlichen Berliner Mauer sammelte ich erste Erfahrungen mit unsichtbaren Mauern.

* * *

Ich weiß nicht mehr genau, wann er kam. Vielleicht waren es Tage, vielleicht mehrere Wochen. Ich weiß noch nicht mal mehr, woher er kam. Ich weiß aber ganz genau, dass ich ihn bereits in Berlin wollte. Er hieß Tommy, war später ausgewachsen sicherlich fünf Kilo schwer, hatte butterweiches schwarz-weißes Fell und grüne Augen. Er wurde zum stärksten und durchsetzungsstärksten Kater der Umgebung, solange bis der rote Kater kam und er Leukose bekam. Und er war meiner. Er war der Deal für mein verlorenes Berliner Zimmer. Ich hatte in Berlin die Vorstellung, dass ich direkt bei Ankunft in Butzbach in den Garten gehen und mit meiner Katze spielen würde. Ganz so war es nicht, aber fast. Tommy hatte ein Problem: Er war bei der Kastration zu früh aus der Narkose aufgewacht. Die übliche Dosierung an Narkosemittel hatte nicht gereicht. Dadurch reagierte er ziemlich wild, wenn er am Bauch angefasst wurde. Ein Unwissender, der ihn einfach nur streicheln wollte und dabei seinen Bauch anfasste, wurde ruckzuck in die Hand gebissen. Ich war der einzige, der ihn am Bauch streicheln durfte. Dabei musste ich extrem behutsam sein, mit ihm kommunizieren, seine Tagesform einschätzen. Es war mein Privileg, meine Gabe, dass er mir das erlaubte. Je weiter unten ich in Richtung seiner Geschlechtsteile kam, desto kritischer wurde es. Stressen wollte ich ihn nicht, und es war für mich eine Sache des Respekts, weshalb ich darauf achtete, das tunlichst zu vermeiden.

Tommy sprang ohne Probleme vom Garten aus die zwei Meter steile Balkonwand hoch und natürlich auch locker wieder runter. Er legte sich mit Mardern und anderen Katern an, überstand die ein oder andere Blessur. Meine Eltern bauten ihm eine Katzenklappe in das Kammerfenster und richteten ihm einen Schlafplatz in der Kammer ein. So konnte er rein, wenn er es wollte. Ob wir die Kammertür offen oder geschlossen hielten, konnten wir dabei selbst entscheiden. Angrenzend an die Kammer gab es einen kleinen zweiten Flur, der frühere Dienstmädchenbereich. Er hieß fortan “Katzenflur”, weil Tommy dort abends mit einer halben Dose Kitekat gefüttert wurde.

In die Küche nebenan durfte er nicht, die Tür sollte immer zu sein. Das vergaßen wir Kinder natürlich immer wieder. Einmal erwischte ihn meine Mutter mit den Hinterbeinen in der Bratpfanne und den Pfoten auf dem Topf, aus dem er fraß.

Er brachte alles Mögliche an Beute mit durch die Katzenklappe. Mäuse, Vögel, Kaninchen. Manchmal verlor er eine Maus. Diese konnten sich durch den Spalt unter der Kammertür durchquetschen und hatten dann in der Wohnung eine große Auswahl an Verstecken. Einmal lief eine Maus nachts meinem Vater durch das Gesicht. Das zerlegte Kaninchen auf dem Wohnzimmerteppich blieb sicherlich allen Familienmitgliedern gut in Erinnerung.

Er war die einzige Katze, die ich jemals erlebte, die vor der Straßenüberquerung links und rechts schaute, ob ein Auto kam. Das verlängerte sein Leben entscheidend.

Einmal fand ich Tommy nicht. Ich suchte überall. Schließlich ging mir auf, dass der Kuschelpanda meines Bruders nicht der Kuschelpanda war.

Ein anderes Mal fuhren wir in den Urlaub und ihn vorher mit dem Auto zu Freunden in der Waldsiedlung, die sich um ihn kümmern wollten. Er büxte aus und lief den unbekannten Weg zurück nach Hause.

Morgens kratzte mein Kater an meinem Rollladen und maunzte, damit ich ihn dort rein ließ. Wenn ich traurig war, kam er zu mir und tröstete mich. Katzen sind eigensinnig, aber viel sozialer als ihr Ruf. So wie ich damals und vielleicht auch heute.

Später fand ich viele Parallelen zwischen ihm und mir. Eine fand ich erst beim Schreiben dieses Buches, wie auch die Parallele zwischen dem Raubtier im Berliner Zoo und mir.

Mein schamanisches Krafttier ist der Tiger.

Mein Kuscheltier war ein Bär.

* * *

Dann ging die Schule los, Einschulung, erste Klasse. Die Butzbacher Stadtschule war ein großes altes Gebäude mit mächtigen Treppen. Man ging über den Schulhof rein. Es gab die Grundschule, Hauptschule, Realschule, und angrenzend an der anderen Seite des Schulhofs noch eine Sonderschule mit anderem Namen. Die Klassenräume waren in Ordnung, der Schulhof auch, die Toiletten definitiv nicht. Sie waren der ekligste Ort, den ich  bis dahin jemals erlebt hatte, und Berlin war wie gesagt reichlich dreckig gewesen. In den Pausen verkaufte der Kiosk Brötchen mit Butter und SZ-Schnitte, einer dünnen Platte aus Schokolade. Meine Klasse war bunt gemischt. Ich meine, es wären 25 Kinder gewesen. Die meisten Kinder kamen aus der Mittelschicht, ein paar aus der Unterschicht, zwei oder drei aus gehobenen Verhältnissen. Zwei Jungs und ein Mädchen waren türkischer Herkunft, das Mädchen so still, dass ich gar nicht weiß, ob sie in den vier Jahren Grundschule überhaupt irgendwann mal irgend etwas gesagt hatte. Ein Junge hatte Probleme mit seinem Gewicht, eines der Mädchen provozierte gerne und holte dann heulend ihre Mutter. Ein anderes Mädchen hatte völlig abgetragene dreckige Klamotten und eine raue Stimme. Ihre Zähne waren dreckig, sie hatte einen schweren Stand in der Klasse, aber sie wusste sich zu wehren. Einmal zogen ihr zwei Jungs Hose und Unterhose runter. Ich war so schockiert, dass ich erstmal gar nicht wusste, wie ich reagieren sollte, solche Grausamkeiten kannte ich aus dem verrufenen Berlin nicht. Die grausamsten und hinterhältigsten Dinge erlebte ich in der Kleinstadt, daneben allerdings auch die schönsten. Als ich aus der Schockstarre erwachte und beschloss, einzugreifen, hatte sie sich die Hosen wieder hochgezogen und ihren Missetätern eine verpasst. Ich hielt fortan Abstand zu den meisten Jungs in der Klasse und beobachtete genau, wie sie sich verhielten.

Dann gab es noch diesen Jungen, der ständig arrogante Kommentare abgeben musste. Er machte mich mit seinem Gehabe dermaßen wütend, dass wir uns in der Pause auf dem Schulhof prügelten. Wir waren umringt von Kindern, die johlend unseren Kampf mitverfolgten. Ich hasste Kämpfe. Aber dem musste ich die Meinung geigen. Ich gewann. Nach dem Vorfall sagte er nie wieder etwas Arrogantes und lud mich zu seinem Geburtstag ein. Dass manche Menschen erstmal eingenordet werden müssen, bevor sie sich auf Augenhöhe befinden, erlebte ich knapp zwei Jahrzehnte später in Düsseldorf. Der Kunde in dem Radladen, in dem ich arbeitete, benahm sich so unmöglich, dass ich beschloss, ihm Dinge zu sagen, die ich sonst nie einem Kunden gesagt hätte. Eine Sekunde später biss ich mir auf die Zunge und dachte, dass das ein riesiger Fehler gewesen wäre. Doch stattdessen wechselte der Mann seine Kommunikation und benahm sich plötzlich ganz normal. Warum manche Menschen das tun, habe ich nie herausgefunden. In beiden Fällen konnte ich deutliche Grenzen setzen. Es sollten sehr sehr viele Situationen folgen, in denen ich die Grenze noch nicht mal sah. Warum ich sie nicht sah, fand ich erst mit 47 Jahren raus. Da war diese eine Parallele zu meinem Kater. Und ich würde mich mit dem “Nicht-Grenzen-Setzen” mehr als einmal komplett selbst verlieren.

Der Klassenraum war groß genug und hoch genug, dass ich mich wohl darin fühlen konnte. Große Fenster ließen viel Licht rein, so wie im Berliner Wohnzimmer. Es wurde ausreichend gelüftet, und die Heizung war nicht so brutal warm. Ich hatte keinerlei Probleme, den zu lernenden Stoff in mein Hirn zu bekommen. Es fiel mir wirklich leicht. Beim Eckenrechnen war ich der schnellste, und ich schrieb einen Aufsatz, der viel Aufsehen erregte. Er hieß “Die Unterhose” und beschrieb die Perspektive eben einer Unterhose. Meine Lehrerin war begeistert. Ich sollte die kurze Geschichte der Klasse vorlesen und erntete höchste Aufmerksamkeit, lautes Lachen und viel Beifall. Das war meine allererste Bühne. Es war mir nicht ansatzweise bewusst, dass Perspektivwechsel eine meiner größten Stärken waren, schon zu Berliner Zeiten und bis heute. Mit Perspektivwechsel gewann ich später den German Design Award. Und das Thema Bühne sollte mich so lange verfolgen, bis ich es nach viel innerem Widerstand dann endlich annahm.

Die Klasse akzeptierte mich. Es war anders als in der Vorschule. Aber ich stand immer noch daneben. So, dass ich mich wohl fühlte. Es war meine Position, mein Wohlfühlraum. Neben der Gemeinschaft, aber für die Gemeinschaft. Wirklich eng war ich mit niemandem. Ein klein bisschen enger mit einem oder zweien. Mit einem außerhalb dieses Systems sehr eng. So wie im Rest meiner Schulzeit. Und eigentlich immer in meinem weiteren Leben. Die Zweiersituation war mein Favorit. Alternativ alleine.

In meinen Zeugnissen stand ich auf eins, in allen Fächern bis auf Sport. In den sogenannten Kopfnoten stand ich auf eins außer in Schrift, dort hatte ich eine drei. Ich hielt den Stift so verkrampft, dass mir nach kurzer Zeit die Hand weh tat. Später im Abitur bekam ich in Geschichte zwei volle Notenpunkte Abzug, weil meine Schrift nicht leserlich war. Nachts begann mein Kiefer zu mahlen und zerstörte dadurch später einen meiner Zähne. Wenn ich heute morgens meine routinemäßigen Dehnübungen mache, ist mein ganzer Körper zusammengezogen wie ein Gummiband. Die Dehnungen helfen, und am nächsten Morgen ist wieder alles so wie vorher. Ich bin in permanenter Anspannung. Grund für diese Anspannung sind die negativen Schwingungen, die ich permanent überall aufnehme und verarbeite. Ich bin hochempathisch, und als Grundschüler wusste ich davon nicht mal ansatzweise etwas. Es ist zugleich eine göttliche Gabe und eine verdammte Last.

* * *

Mit dem Göttlichen kam ich in Kontakt, als ich sieben war. Der Kindergottesdienst der evangelischen Markus-Gemeinde war voll mit Menschen, was mir eigentlich nicht sonderlich lag. Sie harmonierten aber in einer Art und Weise, die so friedlich war und mir etwas gab, anstatt mir Energie zu rauben. In meiner Erinnerung gab es ausschließlich Sonne, Sonnenstrahlen durch das Fenster und Sonne durch das Laub von Bäumen. Vermutlich gab es auch graue Tage und Regen, aber das haftete nicht negativ an. Wir saßen im Kreis und sangen Lieder von Frieden, Liebe, Sonne und Dankbarkeit. Das elektrisierte mich. Es war der komplette Kontrast zu all diesen hoffnungsarmen Dingen, die mir begegnet waren. Überhaupt war Singen etwas, das bei mir durch den ganzen Körper floss. Man singt nicht einfach nur mit den Stimmbändern. Man singt mit dem ganzen Körper, der ganzen Seele, dem ganzen Sein. Und plötzlich passierte etwas Merkwürdiges: Ich fühlte mich mit all diesen Menschen im Raum verbunden. Mit der Erde verbunden. Mit dem Himmel verbunden. Von den Menschen kannte ich fast niemanden. Kinder, Erwachsene, ich wusste nichts über sie. Außerdem war merkwürdig, dass ich mich in dem relativ engen Raum wohl fühlte in dieser Atmosphäre. Wir waren aber nicht nur in dem Raum. Eine Veranstaltung war außerhalb im Grünen, bei tollstem Wetter, und es gab dort noch mehr Menschen, die sangen. Es gab eine Predigt von einem Pfarrer, der eigentlich im Butzbacher Gefängnis predigte. Ich fragte mich, wie es dort wohl war. Ich sollte es später noch herausfinden.

Jesus war ein Typ, der mir sympathisch war. Er kümmerte sich um die Schwachen, heilte Kranke und nahm sich selbst nicht so wichtig. Er machte die Welt zu einem besseren Ort, und das gefiel mir. Die Sache mit dem Kreuz verstand ich nicht. Dafür gab es bei den Veranstaltungen gutes Essen.

“Danke für diesen guten Morgen,

danke für jeden neuen Tag.

Danke, dass ich all meine Sorgen auf dich werfen mag.”

Das evangelische Kirchenlied von Martin Gotthard Schneider sollte ich einige Jahre singen und später inhaltlich eine Zeit lang völlig vergessen.

Es gab eine andere Familie, die regelmäßig dort war. Sie hatten zwei Kinder, einen Jungen in meinem Alter und ein Mädchen im Alter meines Bruders. Mit dem Jungen freundete ich mich an, wir fanden viele Gemeinsamkeiten. Es war der Beginn einer sehr intensiven Freundschaft, die erheblich später abrupt zu Ende ging und doch nie enden sollte.

Mit Jan traf ich mich dann auch in der Freizeit. Er ging auf eine andere Schule, wohnte in der Waldsiedlung und interessierte sich für die Natur. Außerdem hatte er Holzbausteine, mit denen wir riesige Türme bauten. Bei mir zu Hause spielten wir mit Lego und Playmobil, und wenn immer möglich gingen wir raus. Später bauten wir bei uns im Garten eine Hütte aus Paletten und Brettern. Im Ort auf der anderen Seite der Bahn gab es einen Metallwarenhändler, bei dem wir lose Nägel hundertgrammweise kauften. Ich weiß nicht mehr, wie oft wir die kauften und wie viele es waren, aber es waren unglaublich viele, und mit unserem Gehämmer trieben wir die gesamte Nachbarschaft ziemlich an die Grenze. Wir kletterten über die Mauer auf das verwilderte Tröster-Gelände, gingen in die baufälligen Gebäude, schauten uns die uralten Mähdrescher an. In der Waldsiedlung gingen wir sonntags auf die Baustellen, schauten in die Schächte, in denen noch keine Treppen waren, sammelten die vielen Bierflaschen der Bauarbeiter und lösten den Pfand ein.

* * *

In der ersten Klasse zeigten sie uns in der großen Aula drei Filme. Die Schüler sollten für Umweltthemen sensibilisiert werden. Nun arbeitete mein Vater im Umweltbereich, ich kam aus der Dreckschleuder Berlin, und ich war bereits über die Maßen sensibilisiert und gesundheitlich mit meinen Bronchien sogar bereits durch Umweltverschmutzung vorgeschädigt. Ich wuchs zuhause mit den Themen saurer Regen, Waldsterben, Toxinen und Rauchgasfiltern auf. Mich zu sensibilisieren war eine wirklich sinnlose Aufgabe. Die Grundidee der Schulverantwortlichen war sicherlich gut, aber in der Masse an Schülern ging meine Sensibilität völlig unter. Meine Lehrerin förderte mich, aber im System Schule ist im Ganzen nicht wirklich viel Raum für Hochsensible. Alle Schüler bekommen das Gleiche serviert. Und so sah ich mir diese Filme an, so wie alle anderen. Ich war sieben Jahre alt, noch nicht lange in Butzbach, und bekam das Gefühl, zurück nach Berlin und Bitterfeld gebombt zu werden. Und noch viel schlimmer. Der Rest der Schüler war ziemlich sicher noch nie in Bitterfeld gewesen und hatte keine Vorstellung, wie sich Krupphusten anfühlte. Und so simulierten die Filmemacher, wie es wäre, wenn auf der Welt keine Luft mehr zum Atmen wäre. Die Welt im Film war verpestet durch Abgase, und die Menschen lebten alle mit Gasmasken. Sie lebten in ihren Häusern mit Gasmasken, gingen zur Arbeit und zur Schule mit Gasmasken, schliefen mit Gasmasken. Die Essensaufnahme war eine Herausforderung, und die Menschen mussten sehr genau darauf achten, dass immer genügend Sauerstoffflaschen zur Verfügung standen. Es war ein grauenhafter Film für mich, so als wäre ich in Bitterfeld aus dem Zug ausgestiegen, als hätte die DDR ihren Dreck über die ganze Welt gezogen. Dann kam der zweite Film. Die Menschen konnten normal atmen, hatten aber ein ganz anderes massives Problem. Es gab kein Trinkwasser mehr. Alles Wasser, das zur Verfügung stand, war verseucht. Flüsse, Seen, Meer, alles. Menschen in ihren Häusern drehten den Wasserhahn auf, und es kam nur verseuchte Brühe. Das Regenwasser konnte nicht genutzt werden, weil es mit Chemikalien durchsetzt war. Und dann noch der dritte Film. Die Erde war flächendeckend und meterhoch mit Müll bedeckt. In den Häusern wühlten sich Menschen durch Müll. Wer raus wollte, bekam kaum die Tür auf, weil der Müll gegen sie drückte. Die Fortbewegung war stark eingeschränkt. Es stank überall. Die Lebensqualität lag bei Null. Und mit diesen drei Filmen ließen sie mich dann alleine und machten danach wieder ganz normalen Unterricht. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass irgendjemand mit uns danach nochmal darüber gesprochen hätte. Was mir nicht klar war: Ich nahm die Filme sehr sicher anders wahr als die meisten meiner Mitschüler. Ich hatte meine Vorprägung, andere waren einfach schon immer in Butzbach. Ich war hochsensibel, andere beschäftigte das vielleicht weniger stark. Ich war hochempathisch, anderen war es vielleicht egal, wie es anderen ging. Meine Grenzen begannen mit diesen Filmen zu verschwimmen, andere hatten nie Probleme mit Grenzen, und schon gar nicht bereits als Kleinkind die Berliner Mauer gesehen. Atomwaffen, Todesstreifen, Heroinspritzen, Waldsterben, das war eigentlich nicht das, womit sich ein Siebenjähriger so intensiv beschäftigen sollte. Und es war ein Grund von zweien, weshalb ich später so oft darauf angesprochen wurde, dass ich so ernsthaft und so frühreif wäre. Ich hatte Glück, dass es mich nicht zerstörte.

Stattdessen zerstörte sich etwas anderes, Menschengemachtes, und schickte seine Auswirkungen zu mir.

* * *

Nach den Erfahrungen aus der Vorschule versuchten meine Eltern mit mir, über Sportvereine Anschluss für mich zu finden. Auf der anderen Straßenseite der Grundschule gab es eine große Sporthalle, in der Vereinssport angeboten wurde. Ich versuchte es mit Turnen. Das Seil kam ich ziemlich gut hoch, der Rest funktionierte nicht. Ich verstand nicht, was die Übungen bringen sollten, ich war nicht gerade der Beweglichste, und ich sollte nach Anweisung handeln. Allein die Umkleide war unangenehm, mit all den anderen darin. Also ließ ich es wieder sein.

Der Schulsport fand in der gleichen Sporthalle statt und war ein Graus für mich. Ich sollte permanent Ball spielen. In Berlin hatte ich nie einen Ball außer mal einen Wasserball im Wannsee in der Hand. Ich kannte keine Regel, konnte nicht werfen, nicht fangen und mich nicht koordinieren. Es stresste mich mit all den vielen Kindern, die gefühlt alle besser waren als ich. Und wenn wir von einer zur anderen Ballsportart wechselten, fing ich wieder bei Null an. Wie es dann dazu kam, dass ich im Verein Fußball spielte, ist mir völlig schleierhaft. Wir trainierten in der Halle oberhalb von unserem Haus bei der Schrenzerschule, der Trainer war von Beruf Gefängniswärter. So trainierte er auch. Er brüllte die ganze Zeit, blökte seine Befehle und trieb uns an. Auf dem Sportplatz in der Griedeler Straße hatten wir an einem Wochenende ein Spiel. Ich war in der Abwehr gar nicht so übel, aber an jenem Tag gab es ein anderes Problem. Ich sollte es danach tief in mir drinnen in einem Tresor verstecken, diesen ganz fest zuschließen und mehrfach verriegeln, damit ich es dort möglichst nicht mehr fand. Es war die größte Demütigung in meinem Leben, und nach der Mauer und den Umweltthemen der dritte Grund für meine zukünftige Ernsthaftigkeit. Die Situation nahm mir zwei Jahre meiner Jugend und ließ mich später in Jahrzehnte grenzenloser Orientierungslosigkeit schlittern. Es tat so weh, dass ich es bis in die 2020er Jahre rein niemandem erzählte. Ich spürte den körperlichen Schmerz, der war aber nicht so entscheidend. Der seelische war vernichtend. Ich bin dem Menschen, der mir das angetan hat, noch nicht mal mehr böse. Er benötigt selbst Heilung, durfte selbst nicht selbst sein.

Ich war schweißnass vor Anspannung, Angst und Entsetzen. In späteren Jahren erlebten es noch einige Menschen, dass ich tropfnass wurde am ganzen Körper. In einer Schlange beim Supermarkt. Beim Friseur. Bei einer Verhandlung. Immer dann, wenn man es garantiert nicht gebrauchen kann. Immer dann, wenn es um die Wahrung der eigenen Grenzen, der eigenen Identität ging. Immer dann, wenn es um etwas Männliches ging. Und das Thema Fußball war für mich gestorben. Zum Glück forderten mich später meine eigenen Söhne auf, mich der Sache nicht zu entziehen. Nicht, weil sie von der Sache wussten, sondern weil sie mir immer wieder gnadenlos den Spiegel vorhielten und einfach mal mit ihrem Papa Fußball spielen wollten.

Meine Generation ist die erste, die das Generationentrauma aufbricht. Es ist an der Zeit, darüber zu sprechen. Täter sind gleichzeitig Opfer. Das ist eine Erklärung, aber keine Ausrede. Jeder hat die Chance auf Heilung. Die entscheidende Frage lautet:

Warum wollen so viele keine Heilung?

Fortan war ich der Überzeugung, dass ich unsportlich wäre. Diese Denkart sollte ich ein paar Jahre später noch gründlich auf den Kopf stellen.

Ich war zudem vierzig Jahre lang der Überzeugung, dass ich mit Bällen nicht kann und niemals gut mit ihnen umgehen könnte. Meine Jungs würden mir den Weg der Heilung zeigen, gegen meinen Widerstand. Sie wollen Fußballprofi werden, und ich fördere sie auf ihrem Weg. Ich stehe fast jede Woche auf einem Fußballplatz. Niemand der Menschen dort auf dem Platz ahnt meine Geschichte.

* * *

In der Hermann-Löns-Straße ging ich weiter zu einem Augenarzt. Sie waren irgendwann ziemlich zufrieden, meinen Augen ging es besser. Dann brauchte ich dort nicht mehr hingehen.

Meine Bronchialgeschichten blieben. Die Luft in Butzbach war definitiv erheblich besser, insbesondere im Wald, wo ich so gerne war. Ich brauchte nur die Straße hochgehen, etwa einen Kilometer, und war im Taunus. Doch ich fing mir jedes Jahr mehrfach irgendein Virus ein. Mein Immunsystem war dauerhaft am Boden. Der Krankheitsverlauf war immer der gleiche. Erst bekam ich einen Schnupfen. Es wirkte so, als wäre er gleich wieder weg. Dann rutschte das Ganze nach unten. Sobald meine Bronchien befallen waren, wurde ich es nicht mehr los. Ich hustete Tag und Nacht. Der Schlafentzug machte mich fertig, sodass es noch schlechter wurde. Nach mehreren Wochen hatte mein Körper dann Virus und Bakterien im Griff, aber ich hustete weiter. Der Husten reizte meine Schleimhäute und löste deshalb Husten aus, ein selbsterhaltendes System. Vom Schnupfen bis zum Abklingen des Hustens dauerte es ein Vierteljahr. Wenn ich zwei Infekte im Jahr hatte, hustete ich ein halbes Jahr, wenn ich drei hatte, ein Dreivierteljahr. Irgendwann wusste ich, ab wann ich wieder Sport machen konnte, trotz Husten. Der Sport beruhigte mich irgendwie, und er half bei der Heilung, obwohl ich meine Lunge ordentlich forderte.

Ich sollte später noch weitere selbsterhaltende Krankheitssysteme entwickeln, auf anderer Ebene.

* * *

Man erkannte an mir schon äußerlich, dass ich anders war und woanders herkam. Ich trug eine selbstgenähte Kordhose und einen selbstgenähten Pulli in Farben, die mir nicht standen. An den Füßen hatte ich Lederschuhe, meine Frisur war selbst geschnitten und nicht gerade modisch. Meine Mitschüler trugen Jeans, Pullis von Benetton oder mit Mickey Mouse drauf, Turnschuhe von Kangaroos oder Puma, und hatten coole Frisuren vom örtlichen Friseur. Es war nicht unbedingt so, dass ich einen Benetton Pulli wollte (den ich aber tatsächlich von meiner Oma später bekam), aber ich fühlte mich durch mein Äußeres kleiner und unsicherer. Das Thema Schuhe setzte ich noch durch, und nach einer Saison Schweißfüßen in Plastik-Kangaroos-Schuhen fand ich einen Schuhstil, der zwar immer noch anders war, aber mir entsprach. Auch bei den Hosen fand ich später einen Weg und zelebrierte meine Andersartigkeit mit Jeans in vielfältigen auffallenden Farben wie lila, rot, gelb und grün. Das Thema Frisur fasste ich nicht an. Zu groß war die Hemmschwelle. Ich hatte gelernt, dass Äußeres doch nicht so wichtig wäre. Dass Äußeres und Inneres eine Einheit sein können, darauf kam ich noch nicht. Und so entsprach mein Inneres meiner Frisur. Später, als ich alleine lebte, sollte ich beim Friseur jedes Mal Schweißausbrüche bekommen. Ich saß beim Friseur und war von Kopf bis Fuß nass. Ich stotterte irgendwelche Erklärungen und versuchte, gegen meinen Fluchtreflex anzukommen. Das ging über so viele Jahre, bis es in den späten 2010er Jahren irgendwann endlich verschwand.

* * *

Am 26. April 1986 um 1:23 Uhr Ortszeit trat der GAU ein. Der größte anzunehmende Unfall. Das Kernkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine ging in die Luft. Von den Details der Katastrophe wusste ich mit meinen acht Jahren nicht besonders viel. Aber der Ostblock verfolgte mich und war ein weiteres Mal bei mir. Für mich war es gut, dass es zuhause keinen Fernseher gab, ich kannte die Bilder nicht. Man erzählte mir, dass es ein Unglück gab, ein Kernkraftwerk sei in die Luft geflogen, und es gebe Strahlung auch bei uns. Diese sei so, dass man bestimmte Dinge nicht mehr essen sollte, ich kann mich vor allem an Pilze erinnern. Ansonsten sollte ich mir keine Sorgen machen.

Einen Fernseher bekamen wir, als ich knapp zehn Jahre alt war. Mein Opa war gestorben, was meine Mutter ziemlich mitnahm. Ich versuchte, sie zu trösten, so gut es ging. Und dann war dieser Fernseher im Haushalt meiner Oma übrig. Sie wohnte in Braunschweig, aber irgendwie kam er zu uns herüber, ich weiß nicht mehr wie. Er war nicht wirklich groß und stand dann einfach auf dem Fußboden im Wohnzimmer. Wir hatten ARD, ZDF und Hessenfernsehen, mit einer einfachen Zimmerantenne am Fernseher. Meine Mutter schaute sich ab und zu einen alten Klassiker an, wir Kinder schauten einmal pro Woche 15 Minuten Duck Tales, später noch Olympia nachts aus Atlanta und einen SciFi-Film mit dem Namen Moon 69 oder so ähnlich. Das war`s. Ich hatte anderes zu tun, was mich zog. Ich begann mit den Pfadfindern. Bis heute gibt es Situationen, in denen Gleichaltrige von bestimmten Fernsehsendungen oder Filmen erzählen und schwärmen, die ich nie gesehen habe. Einerseits bin ich da jedes Mal außen vor, andererseits ist das meine Position und okay für mich. Ich hätte sonst das Meiste dessen verpasst, was mich eigentlich interessierte. Und das waren Natur, Technik, Verbindung und die Frage nach dem Wesentlichen. Ich begann meine Suche nach der Weltformel.

* * *

Es fing mit Puzzlen an, mein Interesse daran, wie alles miteinander verbunden ist und wie das große Bild jenseits des einzelnen Puzzleteils aussieht. Ein einzelnes Teil an sich kann vielleicht interessant aussehen, macht aber nur Sinn im Gesamtkontext.

Dann kam bei mir Lego, am liebsten frei und ohne Anleitung. Bei der Vielfalt an Kombinationsmöglichkeiten konnte ich meiner Fantasie freien Lauf lassen, und von der hatte ich jede Menge. Dass ich besser visualisieren kann als die meisten meiner Mitmenschen, davon hatte ich keinen Schimmer. Viele Jahre später stand ich in Marburg im Radladen und erklärte meinem Kunden, dass er das nackte Rad auch mit farbigen Schutzblechen haben könnte. Er müsste sich dazu nur vorstellen, wie das Rad z.B. mit blauen, gelben, lilalen, roten oder blauen Schutzblechen aussähe. Damit überforderte ich den armen Mann gnadenlos.

Manches funktionierte bei meinen Lego-Konstruktionen besser als anderes, ich probierte es einfach aus, ohne Angst vor dem Scheitern. Noch heute macht es mir Spaß, mit Lego zu bauen und Ideen in Konstruktionen umzuwandeln. Die auf Lego spezialisierten YouTuber empfinde ich hierbei als Bereicherung.

Mit neun Jahren ging ich zu Lego Technic über und hörte mit den großen Kästen für 14-16jährige auf, als ich elf war. Ich wechselte zu einem Elektronik Experimentierkasten von Schuco. Die verschiedenen Schaltkreise faszinierten mich, ich baute relativ schnell alle durch. Danach besorgte ich mir bei Arlt in Frankfurt und bei Conrad Elektronik leere Universalplatinen, eine Lötausrüstung, ein mehrstufig einstellbares Netzgerät und eine Fülle an Widerständen, Kondensatoren, integrierten Schaltkreisen, LEDs und weiteren Bauteilen. Dazu lieh ich mir Bücher aus der Stadtbibliothek, später kaufte ich auch welche. Ich baute ein Radio, eine Alarmanlage, eine Sprechanlage und eine Lichtorgel. Von unserem Nachbarn bekam ich einen defekten Verstärker zum Ausschlachten. Anstatt ihn zu zerlegen reparierte ich ihn, schloss Tapedeck und später CD Player an und verband das Ganze durch ein langes Kabel mit einem selbst gelöteten 5 Watt-Verstärker ohne Gehäuse und einem kleinen Lautsprecher vom Sperrmüll. Das wiederum schraubte ich mir oben in mein Hochbett, so dass ich dort abends Musik hören und in der Lautstärke regeln konnte. Ein anderes Kabel legte ich von dort aus ins Nachbarzimmer, wo mein Bruder mittlerweile wohnte, und baute eine Sprechanlage ein. Mein Tisch, an dem ich eigentlich Hausaufgaben machen sollte, war voll mit alten Platinen, ausgelöteten Bauteilen, Lötwerkzeug und diesen hart gewordenen Resten von Lötzinn, die beim Löten ab und zu daneben tropften. Das Zeug roch sehr intensiv, ich musste öfter lüften, gesund war es eher nicht. Einmal nahm ich ein Projekt mit zu meiner Oma nach Braunschweig. Ich wollte ein stufenlos einstellbares Netzteil. Immer wieder stolperte ich über Anleitungen für Schaltkreise, zu denen ich nicht die richtige Spannung bereitstellen konnte. Ich hatte alles beisammen: Transformator, Platine, Elektronikbauteile, Drehpotentiometer, Gehäuse. Ich lötete auf dem Küchentisch meiner Oma alles zusammen. Dann schloss ich es an. Ein Blitz zuckte, es wurde warm in meiner Hand, die eben noch den Stecker hielt. Der Strom fiel sofort aus. Ich hatte drei große Hauptsicherungen für das Mehrparteienhaus ins Nirwana gejagt. Die acht Wohnungen im Haus hatten wegen eines Verdrahtungsfehlers von mir erstmal keinen Strom.

Mein Physiklehrer und Schulleiter hörte von einer Lichtleiteranlage, die ich auf dem Schuco Kasten gebaut hatte. Er gab mir den Auftrag, solch eine Anlage für die Schule auf Platine zu erstellen und bezahlte das Material dazu. Es funktionierte leider nicht so zuverlässig wie bei Schuco, was meiner Meinung nach an der offenen Frage lag, wie man am besten ein Glasfaserkabel kürzt. Egal wie ich es machte, das Ende war nie so glatt und perfekt wie bei Schuco. Wenn ich heute von der angeblich neuen modernen Glasfasertechnik höre, die nun den Haushalten bald zur Verfügung stehen soll, kann ich über die Werbelügen nur lachen. Die Technik steht schon wirklich sehr lange zur Verfügung und wurde nur aus Kostengründen dem Endverbraucher für solch lange Zeit vorenthalten.

Mir kam es gar nicht in den Sinn, dass meine Beschäftigungen und meine Fähigkeiten in diesem Zusammenhang alles andere als normal in meiner Altersklasse waren. Ich nahm wahr, dass sich andere für Fußball, He-Man und Fernsehen interessierten, aber das war ja okay für mich. Ich ließ die anderen, wie sie waren, und setzte darauf, dass sie mich auch so nahmen, wie ich war.

Ich hatte noch weitere aufwändige Beschäftigungen, die nicht ganz üblich waren. Ich interessiere mich Zeit meines Lebens für sehr viele Dinge gleichzeitig. Es gab Zeiten, da beneidete ich jene Menschen, die einfach nur ein Interesse und eine klare Begabung haben. Und dann ließ ich den Neid wieder sein, zu geil war es, das alles gleichzeitig zu machen. Meine Woche wurde extrem voll. Die Schule sollte bald nur noch nebenher laufen.

* * *

Jans Vater war zwar auch bei einigen Veranstaltungen der Evangelischen Kirche dabei, gehörte aber eigentlich der katholischen Kirche an. Dort war es üblich, dass im Januar zur Zeit der heiligen drei Könige Kinder als Sternsinger durch die Straßen zogen. Ich wurde gefragt, ob ich mitmachen würde. Wir verkleideten uns als die drei Könige und hatten dann ein Problem: Jan, Jans Schwester, mein Bruder und ich waren vier. Ich weiß nicht mehr, in welchem Jahr wir welche Konstellation hatten, aber einmal zogen wir als heilige vier Könige durch die Gegend. Wir klingelten an den Haustüren und sangen unser Lied:

“Wir kommen daher aus dem Morgenland,

wir kommen geführt von Gottes Hand.

Wir wünschen euch ein fröhliches Jahr:

Kaspar, Melchior und Balthasar.”

Christian Herzberger

Dann schrieben wir mit Kreide diesen typischen Code an den Türrahmen und sammelten Geld für Bethel ein. Am Anfang kostete das ganz schön viel Überwindung. Mit der Übung kam das Selbstbewusstsein. Und dann gingen wir noch in diesen Gottesdienst. Er fand im Butzbacher Gefängnis statt. Beim Einlass gab es eine Liste, die abgehakt wurde, und alle Erwachsenen mussten sich ausweisen. Wir gingen an Zellen vorbei, rein in die Kapelle. Dort gab es eine ewig lange unverständliche Predigt. Dann traten wir alle zusammen auf und sangen unser Lied. Es sollte das erste von zwei Malen sein, dass ich ein Gefängnis von innen sah.

* * *

Über die Markus-Gemeinde kam irgendwie der Kontakt zum VCP. Der Verband Christlicher Pfadfinder veranstaltete seine Butzbacher Gruppenstunden in den Räumlichkeiten der Gemeinde. Jan und ich interessierten uns mit unseren neun Jahren für Wald, Natur und Draußensein. Über meine Eltern kannte ich Campen, und das war schön für mich. Also schnupperten wir dort mal rein. Es war nicht so, wie ich es erwartet hatte. Wir spielten Brettspiele, hingen auf dem Kirchplatz herum, und es gab nicht wirklich eine einheitliche Pfadfinderkluft. Die Älteren rauchten und tranken Bier, und dann gab es noch dieses andere Thema: Es waren Jungs und Mädchen gemischt. Ich konnte mit Mädchen im Alter von neun Jahren nichts anfangen, und außerdem hatte man immer den Eindruck, dass der kleinste gemeinsame Interessensnenner gefunden wurde. Das war so ziemlich das Gegenteil von spannend. Wir gaben der Sache einige Wochen lang eine Chance. Dann stolperten wir über einen Zettel:

EINLADUNG

zur neuen Gruppenstunde

für alle Jungs ab 10 Jahren

bei den Heliand Pfadfindern

im Hexenturm

am 09.09.1987

So oder so ähnlich sah die Einladung aus, die Uhrzeit war irgendwann nachmittags nach der Schule. Vermutlich stand noch irgend etwas mit Abenteuer und Natur drauf, und die Namen der Gruppenleiter Hans und Jochen. Jan und ich waren neun, aber die Gruppenstunde lag einen Tag vor Jans und zwei Monate vor meinem Geburtstag. Das sollte ja nicht wirklich zum Problem werden. Es kribbelte bei mir. Nur Jungs. Im Hexenturm. Das alleine klang ja schon echt abgefahren. Wir entschieden uns dafür, hin zu gehen.

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