Lockerlangbarts Geheimnis - Reinhard Bernhof - E-Book
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Reinhard Bernhof

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Beschreibung

Der Autor versucht, in seinen Märchen für kleine und große Kinder Lebenssinn und eine Ethik des Miteinanders zu vermitteln. Jeder Mensch, besonders der kleine, ist eine Persönlichkeit, auf die man nicht herabblicken darf, sondern ein reifender Mensch, der langsam erschaffen wird. Die Märchen beschreiben die Wunder der Natur, die Freundschaft mit Tieren und die Beziehung der Kinder zu Menschen, die anders sind, und deshalb ganz besonders das Verständnis der Kinder suchen.

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EPUB
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Seitenzahl: 91

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Impressum

Reinhard Bernhof

Lockerlangbarts Geheimnis

Märchen aus der Gegenwart für kleine und große Kinder

ISBN 978-3-96521-958-8 (E-Book)

Das Buch erschien 2004 im projekte verlag, Halle

Für Leser ab 9 Jahren

© 2023 EDITION digitalPekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.de

Warum ich Märchen für kleine und große Kinder schreibe?

Der Freund meines Sohnes brachte mir neulich ein Video mit. Er freute sich, seinem Freund etwas Spannendes zu zeigen. Beide saßen wie hypnotisiert vor dem Bildschirm. Die Pistole, halb so groß wie der Monitor, wurde mit dem Joystick durch ein graugrünes unterirdisches Labyrinth gelenkt. Immer wieder tauchten kleine Monster auf. Immer wieder schoss die Pistole auf alles, was sich ihr aus dunklen Ecken und Nischen näherte. Bedienten die Kinder, die Jugendlichen etwa eine gute Pistole? – Eine Pistole, eine Granate, eine Atomrakete ist weder gut noch böse, sie ist das, was der Mensch aus ihnen macht. Aber wer immer wieder mit Waffen spielt, sie in Arsenalen hält, in Videospielen simuliert, wird sie eines Tages auch mal im richtigen Leben ausprobieren; sie ergreifen die Menschen und verführen sie. Und die Kinder, Jugendlichen spielen diese Spiele wie besessen und geraten in Ekstase, weil die Erwachsenen nicht wissen, wie sie die Freizeit ihrer Kinder vernünftig organisieren. Die Kinder sind das Produkt der Erwachsenen, und die kindliche Seele verliert allmählich ihre Reinheit und bekommt die dicke Haut der Eltern. Sie lernen langsam, wie es im realen Leben ist, wo an allen Ecken und Enden eine Falle, eine Gefahr lauert. Das reale Leben ist oftmals ein Überlebenszustand, ein Kriegszustand – und die Pausengespräche der Kinder auf dem Schulhof sind oft von Darstellungen erfüllt, die sie im Fernsehen nach der Schule oder abends, wenn ihre Eltern nicht zu Hause sind, gesehen haben: Leute hauen sich mit Flaschen übern Kopf, stecken Messer in die Körper oder werfen sie wie Puppen aus dem Fenster. Die Kinder sagen nur: Das fetzte vielleicht.

Ich versuche in meinen Märchen für kleine und große Kinder Lebenssinn und eine Ethik des Miteinanders zu vermitteln.

Jeder Mensch, besonders der kleine, ist eine Persönlichkeit, auf die man nicht herabblicken darf, sondern ein reifender Mensch, der langsam erschaffen wird.

R. B.

Das Tausenderbsenland

Bertholt wollte die Erbsensuppe nicht aufessen. Wenn du die Erbsensuppe nicht aufisst, gehst du nicht raus, sagte die Mutter. Bertholt aß nur mühselig, quälte sich. Endlich hatte er die Suppe aufgegessen.

Nachmittags blähte sich sein Bauch, und abends bekam er heftige Bauchschmerzen.

Macht nichts, sagte die Mutter. Die Blähungen und Bauchschmerzen vergehen wieder.

Nachts träumte ihm: In seinem Garten wuchsen Erbsenbüsche. Steckte die Mutter Mohrrübensaat ins Beet, wuchsen daraus Erbsenbüsche. Vergrub Bertholt Kartoffeln in der Furche, wuchsen ebenfalls daraus nur Erbsenbüsche. Blickte er über den Gartenzaun aufs Feld, war nur Erbsengestrüpp zu sehen bis zum Horizont.

Da essen wir eben nur Erbsen, sagte die Mutter. Von Erbsen kann man leben, wenn wir davon auch Bäuche wie Trommeln bekommen und hinterher Blähungen und Bauchschmerzen. Bertholt sah sich mit einem riesigen Bauch herumlaufen. Ging er durch die Tür, musste er jonglieren, um hindurchzukommen. Wollte er auf einen Baum klettern, drückte ihn der Bauch herunter. Wollte er Fußballspielen, konnte er sich kaum noch bewegen und verfehlte andauernd den Ball. Auf einmal hatte er es satt, sein Lebtag lang Erbsen zu säen, Schoten zu pflücken, grüne Perlen aus ihrem Etui zu schlagen und Erbsensuppe zu essen. – Da schrieb er an einen Gartenversand und bestellte die verschiedensten Gemüsesaaten. Als sie geliefert wurden, verteilte sie Bertholt sogleich im Garten und rechte die Beete glatt, damit sie die Vögel nicht aufpicken. Bald darauf war die Saat aufgegangen. Doch zu seiner Verwunderung wuchsen wieder nur Erbsen. Er sah über den Gartenzaun auf die Felder – und die Bauern brachten bereits ihre Erbsen-Ernte ein.

Ein Traktor mit Anhänger kam vorbeigefahren, vollgeladen mit Erbsen. In einer Kurve fielen einige Erbsen in den Straßengraben. Die schönen Erbsen, dachte Bertholt.

Auch im Straßengraben wuchsen unversehens Erbsenbüsche. Die Kinder kamen aus der Schule, ernteten die Schoten und aßen immer nur Erbsen. Bertholt erntete ebenfalls ohne Unterlass Erbsen und brachte säckeweise davon auf den Boden. Und auch die Mutter hatte einen Riesen-Erbsen-Bauch bekommen, und ihre Arme und ihr Gesicht und ihre Haare waren erbsengrün geworden.

Unentwegt sah sich Bertholt Erbsensuppe essen, wochenlang, monatelang, und sein Körper passte nicht mehr durch die Küchentür, so voll und aufgebläht war er von der grünen Suppe. Plötzlich war ihm, als würde er platzen. Da fiel er plötzlich um, rieb sich die Augen. Er lag ja im Bett, stand auf und ging ans Fenster. Der Tau auf den Wiesen und Feldern begann zu funkeln, die Erde schien zu dampfen. Im Roggen, Weizen und Hafer erhob sich ein Tschilpen und Zwitschern – die vielen Vögel flatterten munter umher. Bertholt wunderte sich plötzlich über die verschiedenen Gemüsesorten im Garten, die Salatköpfe und Kohlrabis, der Blumenkohl und die Mohrrüben, die Zwiebeln und die leuchtenden Tomaten. Ja, so muss es sein, dachte Bertholt. Und nie sollte es anders sein. Und nie sollte nur eine Gemüseart regieren … Und die vielen schönen Sonnenblumen … Und der rote Mohn an der Böschung … Und die blauen Kornblumen … Und die gelben Sumpfdotterblumen …

Die Kürbiskernkopeke

Till hat seinen ersten Brief bekommen. Er erkennt die Handschrift seines Vaters. Bunte Briefmarken kleben auf dem Umschlag. Auf der einen ist ein blau-rotes Flugzeug zu sehen, es fliegt über goldene Zwiebeltürme. Auf den anderen Briefmarken sind Kosmonauten abgebildet. Vorsichtig öffnet Till den Brief mit einem spitzen Bleistift. Da fällt etwas Weißes aus dem Briefpapier. Wie ein Knopf sieht es aus. Till hebt es auf und wundert sich. Die Zahl 1 ist mit grüner Tinte draufgemalt. Das ist doch ein Kürbiskern, denkt Till. Was soll bloß die Zahl drauf bedeuten?

Er steckt den Kürbiskern erst einmal in die Hosentasche und liest Vaters Brief. In Gedanken ist er mit ihm auf der Baustelle im fernen Tbilissi und stellt Maschinen auf. Vater schreibt auch von Oleg und seiner Familie, bei der er schon zu Besuch war, und er schreibt von Nina.

Von ihr stammt also der Kürbiskern. Nina hat viele Kürbiskerne geröstet. Sie hat sie wie Nüsse gegessen. Die zehn größten hat sie nicht geröstet. Zahlen von 1 bis 10 malte sie darauf und spielte mit ihnen wie mit Kopeken. Eine Kürbiskernkopeke hat sie Tills Vater gegeben. Ein Gruß von Nina an Till.

Am Nachmittag schreibt Till Zahlen, kaut am Bleistiftende und überlegt, was man alles mit einem Kürbiskern machen könnte – mit so einer Kürbiskernkopeke. Ihm wird schon noch was Besseres einfallen. Jawohl, er wird in Omas Garten gehen. Sie wohnt im Nachbarort. Dort wird er einen Kürbis großziehen. Natürlich mit Omas Hilfe.

Ein halbes Jahr ist vergangen. Vater war schon zweimal zu Besuch. Er erzählt von der schönen Stadt Tbilissi, wo es immer schon zwei Stunden später ist als hier. Auch wärmer ist es dort. Und von Teeplantagen sprach er. Der Mutter brachte er eine buntbestickte Wärmemütze für die Teekanne mit. So wusste Till bald mehr als alle anderen Kinder über das schöne Land Georgien zu erzählen. Und immer wieder sprach er von Nina. Sie ist erst in die Schule gekommen. Tausendmal schon hat sie sich nach Till erkundigt – und was aus ihrer Kürbiskernkopeke geworden ist.

Der August und September sind in diesem Jahr besonders warm. Die Sonne scheint täglich, bis auf ein paar kühlere Nachgewittertage.

Fast jedes Wochenende fährt Till auf seinen Rollschuhen die breite Straße entlang zu seiner Oma ins Nachbardorf. Er ist neugierig, was aus Ninas Kürbiskernkopeke geworden ist. Schon hat Till die kleinen Kürbisse im Blättergeschling entdeckt. Wie Planeten sehen sie aus.

Bald sind sie so dick wie ein Fußball. Till freut sich über einen besonders großen. Der hat den Umfang eines Medizinballes. Er denkt an Nina. Sie würde staunen über diese Riesenkugel aus Fruchtfleisch. Dabei streicht er über den Kürbisbauch und versucht, ihn ein wenig hin und her zu rollen.

Der fühlt sich wohl bei mir, sagt Oma. Auf diesem Komposthaufen liegt er gut im Quartier. – Nächste Woche kannst du ihn holen.

Als Till eine Woche später mit der Oma wieder am Gartentor steht, strahlt ihnen schon von weitem der sonnenrote Kürbis entgegen. Er hat das Pflanzengeschling zur Seite gedrückt. Oma sagt: Er zeigt sich nun. Jetzt wollen wir ihn ernten.

Oh, sagt Till, der ist ja ordentlich gewachsen, der ist größer als unser Schulglobus.

In alten Zeiten, erzählt Oma, wuchs die Kürbispflanze nicht auf der Erde. Sie war ein mächtiger Baum. Der ragte so hoch, dass er weit über alle Bäume der Erde hinwegsehen konnte. Ein himmelhoher Baum. Er prahlte und lachte über die anderen. Selbst die Wolken ärgerten sich über diesen frechen Kürbisbaum. Darum baten sie den Wind, er möge sich zum Sturm zusammenballen. Der zögerte nicht lange, blies seine Backen auf und schleuderte den Kürbisbaum mit den Früchten zur Erde nieder.

Da lag er nun und musste wie eine Schlange auf der Erde kriechen. Seitdem hat er sich nicht wieder erholen können.

Ein wenig nachdenklich betrachtet Till seinen Kürbis. Er stellt sich vor, dass diese pralle Gartensonne an einem hohen Baum gehangen haben soll. Bei dem Gedanken muss er lachen.

Oma, sagt Till, stell dir vor, wir beide müssten auf einen so hohen schwankenden Baum klettern, um unseren Kürbis zu holen.

Auch Oma muss herzlich lachen und sagt, er solle nun seinen Kürbis mitnehmen.

Bis zum Gartentor hinaus rollen sie den Kürbis gemeinsam. Dann ist Tills Oma ein wenig ratlos und fragt, warum er keinen Handwagen mitgebracht habe.

Aber Oma, sagt Till, der Kürbis ist doch rund, den rolle ich bis zur Bushaltestelle.

Also rollt er den Kürbis die Dorfstraße entlang. Es ist nicht leicht, so einen Koloss zu bewegen.

Tuckernd nähert sich ein Traktor. Ein Mann mit Gehörschutz an den Ohren beugt sich herunter und ruft: Wo hast du denn dieses Elefantenei aufgelesen!?

Ein Junge auf einem gelben Klappfahrrad kommt ihnen entgegen und ruft: Pass bloß auf, dass du nicht über die Erbse stolperst.

Till sieht dem Jungen mit blitzenden Augen ins Gesicht. Endlich erreicht Till die Bushaltestelle. Der Kürbis bietet sich als Sitzplatz an.

Der Bus kommt. Keiner steigt aus. Die Leute an der Haltestelle können sich gerade noch hineinzwängen. Aber für Till und seinen Kürbis ist kein Platz mehr. Schon ertönt das Abfahrtssignal. Summend schließt sich die Gelenktür des Busses.

Halt! ruft Till. Halt! Wir müssen noch mit! Aber er bekommt nur die Auspuffwolke ins Gesicht.

Hinter dem Ort liegt der hohe Grasberg, dahinter sein Dorf. Ob er den Kürbis über den Berg rollen soll?

Die Kühe auf dem großen Grasberg wundern sich, als sie Till mit seinem Kürbis sehen. Manchmal bleibt er stehen und lehnt sich an ihn. Er blinzelt in die Sonne. Morgen wird er mit dem Kürbis in der Schule sein.

Von oben sieht er die Teerstraße wie ein dünnes silbern glänzendes Seidenband. Till tastet den Kürbis ab und sagt: Ein wenig ramponiert bist du ja. Siehst aus wie eine Landkarte. Till ist müde. Er legt sich neben den Kürbis, reckt und streckt sich und schlummert ein. Im Traum klettert er auf einen himmelhohen Kürbisbaum. Dabei stößt er mit den Füßen gegen den Kürbis. Der ist froh, weil es endlich weitergeht. Er rollt und purzelt – holterdipolter – den Berg hinab, bis er in einem Heuhaufen verschwindet.

Till ist froh, dass der Heuhaufen den Kürbis aufgehalten hat. Vorsichtig lässt er ihn weiter den Berg hinunterrollen. Plötzlich rutscht er auf einem verdammten Kuhfladen aus, und wieder macht sich der Kürbis selbstständig. – Holterdipolter, holterdipolter …

Halt! schreit Till. Du dummer Kürbis. Dort ist doch der Fluss. Platsch, hört es Till. – Verloren. Vorbei. – Das Wasser ist nicht sehr tief. Mit der Strömung rollt der Kürbis. Aber der Fluss fließt in weitem Bogen an seinem Dorf vorbei.