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Mit seinem Poesiealbum 331 legt Reinhard Bernhof ein lyrisches Mosaik vor, das mit eindringlicher Sprachkraft und bildhafter Präzision die Brüche und Schönheiten unserer Zeit beleuchtet. In seinen Gedichten mischen sich politische Wachsamkeit, persönliche Erfahrung und ein fein austariertes Gespür für gesellschaftliche Stimmungen. Bernhof nimmt uns mit auf Eisenbahnfahrten durch Klassenräume, ins Herz von Gohlis, nach Guernica, ins Schweigen von Tschernobyl oder an die Ufer von Mississippi und Mulde. Seine Verse sind Erkundungen des Ichs und der Welt – immer tastend, beobachtend, reflektierend. Ein poetisches Dokument, das nicht nur Leserinnen und Leser mit Sinn für Lyrik, sondern auch Zeitzeugen und Denkende tief berühren wird.
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Seitenzahl: 25
Veröffentlichungsjahr: 2025
Reinhard Bernhof
Poesiealbum 331
ISBN 978-3-68912-538-7 (E-Book)
Das Buch erschien 2017 im Märkischen Verlag, Wilhelmshorst.
Das Cover wurde mit KI erstellt.
© 2025 EDITION digitalPekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.de
Warm schlängelt ein Teerrücken hinauf
Zwischendurch befreien sich blank geputzte Felszähne vom Tuch des Nebels
Die ruhig trottenden großäugigen Sonnenrinder weithin verstreut
Ich fahre, fahre, meine Fahne ist weiß
sie spannt sich übern ganzen Himmel (ein Don Quijote ich?)
denn gleich einem Quecksilberschimmer ist meine Seele
Ich fahre, fahre, die Reifenmäntel meines Drahttieres drücken
narbige Gravierungen
ins teerige Band
staubgepfeffert die Augen
der zähe Druck auf den Schläfen in der zikadentollen Mittagshitze
Diese Fenster dort unten, wie sie nachdenklich heraufschauen
die alte Ölmühle langweilig herumhockt, Zypressen, friedhofsernst
schwarze Flammen im Tal, knorrige Bäume am Wegrand knien
Wie weit ich entrückt bin dem Lied des Hirten, nahe dem Zuruf des Donners
und fallendem Geschoss des Adlers
Granitene Leere, wie klein der Mensch, doch spaltete er einst
die Felsen und klebte Asphalt für einen Weg hinein
Bald werd ich sie besiegen mit meinem schnellen Pferd
das Don Quijote entmutigt
Hinter Wäldern, Hainen eine kleine Stadt: hell ihre Häuser,
fremdfrüchtig
ihre Zweige
zwischen denen das Meer leuchtet wie der Leib des Fischs
Auch beim Sonntagsausflug mit der Eisenbahn
wurden mir verschiedne Klassen bewusst
Gibt es ein Land ohne Wagenklassen
– eine wagenklassenlose Gesellschaft?
Braungelbe Häuser, fleischrot getüncht
mandelkuchenrissig
Gras büschelt aus Fugen
Gassen mit gebrochenen Knien
die hinabgleiten
eine gespreizte Hose breit
Wäscheleinen von Sims zu Sims
Windeln aufgeflaggt
Schürze auf halbmast
plumpgliedrige Frauen, offenbusig
im Geschimpf
Am Brunnen, beschattet
von schwerblättrigen Stauden
zungenflinke Mädchen
(Spangen im Haar)
mit zartem Mandolinenleib
Die Zeit reicht für ein Gespräch
das Feuer legt
in meinen durchlässigen Körper
Geht leise ihr Fremden
durch Verges, es schläft
Ein Jahr wieder
steht Judas auf dem Markt
nächtlich gründonnerstags
in brandroter Perücke
heftig feilschend
und der Hohepriester
zahlt den letzten
den dreißigsten Silberling
Und dann wird Staub wirbeln
in den Gassen
in Strömen fließen
der Manzanilla
und alles wird duften
und alles wird klingen
Geht leise ihr Fremden
durch Verges, es schläft
Dem Sohn der Taube
Enkel der Nachtigall
und der Olive
Dreißig andere mit ihm
das Dorf Viznar im Rücken
nur noch ein paar Schritte
als sein Schatten ins Leere fiel
Verloschen sein Feuer
das mit der Taube flog
mit der Nachtigall sang
mit der Olive glänzte
Ach, nicht mit seiner Gitarre
unter dem Sande
zwischen den Orangen
und den guten Minzen
Als ich auf dem Bahnhof (hinterm Hallendach)
auf den Zug wartend, durch die dunkle Brille
in die große Sonne mich verliebte
rief sie mir zu:
Schienenzwang!
26. April 1937
Ich war hier und sah nichts mehr
Aufgesogen die Splitter der Bomben
vom Sand
Vögel im Lied, längs des Wegs
in den Schaukeln der Ulmen
Das Gezwitscher der Kinder überall
Es kam aus der Luft: Der Tod hatte Flügel