Lore-Roman 72 - Ina Ritter - E-Book

Lore-Roman 72 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Professor Dr. Dehlen ist Chefarzt einer großen Klinik. Er ist noch verhältnismäßig jung, und doch zittern vor ihm Schwestern und Ärzte gleichermaßen. Fräulein Dr. Anne Nimbach ist eine der tüchtigen Assistenzärztinnen, die ihm unterstellt sind. Ihr Bruder Holger ist der neue Oberarzt, doch das hilft Anne nicht: Sie muss die ewigen Launen und die Schikanen des Professors ertragen wie alle anderen. Manchmal glaubt Anne sogar, er habe sie ganz besonders auf dem Kieker.
Als bei einem frisch Operierten plötzlich Komplikationen auftreten, ist in Anne schnell die Schuldige gefunden, steht doch in ihrer eindeutig erkennbaren Handschrift "Dr. Nimbach" auf der Operationskarte. Doch nicht Anne selbst hat diesen Fall operiert, sondern ihr Bruder. Der junge Oberarzt hat einen groben Anfängerfehler begangen, indem er ein Tupfer in der Wunde vergaß. Anne muss die Wahrheit verschweigen, wenn es mit Holgers Karriere nicht zu Ende sein soll ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Zum Schweigen verpflichtet

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Irina Alexandrovna / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9 – 783 – 7325 – 9308 – 8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Zum Schweigen verpflichtet

Eine junge Ärztin deckt die Schulddes Bruders

Von Ina Ritter

Professor Dr. Dehlen ist Chefarzt einer großen Klinik. Er ist noch verhältnismäßig jung, und doch zittern vor ihm Schwestern und Ärzte gleichermaßen. Fräulein Dr. Anne Nimbach ist eine der tüchtigen Assistenzärztinnen, die ihm unterstellt sind. Ihr Bruder Holger ist der neue Oberarzt, doch das hilft Anne nicht: Sie muss die ewigen Launen und die Schikanen des Professors ertragen wie alle anderen. Manchmal glaubt Anne sogar, er habe sie ganz besonders auf dem Kieker.

Als bei einem frisch Operierten plötzlich Komplikationen auftreten, ist in Anne schnell die Schuldige gefunden, steht doch in ihrer eindeutig erkennbaren Handschrift „Dr. Nimbach“ auf der Operationskarte. Doch nicht Anne selbst hat diesen Fall operiert, sondern ihr Bruder. Der junge Oberarzt hat einen groben Anfängerfehler begangen, indem er ein Tupfer in der Wunde vergaß. Anne muss die Wahrheit verschweigen, wenn es mit Holgers Karriere nicht zu Ende sein soll …

Der Privatpatient Gustav Huber machte große Augen, als jemand, ohne anzuklopfen, die Tür seines Zimmers aufriss. Der sympathische Arzt Dr. Nimbach war es, der so stürmisch hereinkam.

„Anne, ich bin befördert worden!“ Holger Nimbach breitete die Arme aus und zog die junge Ärztin an die Brust. „Ich bin Oberarzt!“ Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und schwenkte sie übermütig herum.

Anne presste ihren Kopf an seine Brust.

„Ich habe gewusst, dass du es schaffen würdest“, sagte sie innig.

„Ja, du hast immer an mich geglaubt.“ Holger Nimbach streichelte sanft über ihr braunes Haar. „Ihr habt alle an mich geglaubt. Aber dass ich wirklich Oberarzt werde — Ich wollte es im ersten Augenblick gar nicht glauben. Es gibt doch so viele ältere und erfahrene Ärzte, die der Professor eigentlich hätte nehmen müssen.“

„Er ist vernünftig und schaut nicht auf das Dienstalter, sondern allein auf die Fähigkeiten.“ Anne schaute glücklich zu ihm empor. „Dann bist du also bald mein Chef. Was für eine Angst ich davor habe!“

„Mit Recht! Ich werde ein strenger Chef sein, Fräulein Doktor.“ Er sprach mit verstellter tiefer Stimme, stimmte dann aber in Annes helles frohes Lachen ein. „Wenn du wüsstest, wie verdammt glücklich ich bin“, gestand er. „Jetzt kann ich es wagen, um Franziskas Hand anzuhalten. Einem kleinen Klinikarzt ist die Tochter eines Albrecht Gildemeister unerreichbar, aber einem Oberarzt werden sie ihr einziges Kind schon geben.“

„Du hättest auch so keinen Korb bekommen.“ Anne schaute stolz auf ihren gut aussehenden tüchtigen Bruder. Sie verstand, dass die entzückende Franziska sich Hals über Kopf in ihn verliebt hatte.

Schon als Junge hatte er gewusst, dass er Arzt werden wollte, und auch später waren ihm niemals Zweifel an seiner Berufung gekommen. Er war Arzt aus Leidenschaft, ein Mann, der nur seinen Beruf kannte und ihn über alles liebte.

„Ich werde heute Abend im Kasino einen ausgeben müssen. Du kommst doch auch, nicht wahr?“

„Heute Abend?“ Anne krauste die Stirn. „Ich denke, wir feiern lieber zu Hause. Was hältst du davon?“

„Ich verstehe, mein Schwesterchen hat etwas Besseres vor. Wann wirst du denn heiraten?“

„Ich weiß noch nicht. Entschuldige mich jetzt, ich habe zu tun.“ Anne gab ihm einen liebevollen Klaps auf die Wange.

Bevor er ging, knuffte Holger sie in die Seite.

„Oberarzt“, flüsterte er ihr zu und lachte dabei in seiner charmant jungenhaften Art.

Herr Huber, der Patient in diesem Krankenzimmer, schüttelte den Kopf, als Anne sich ihm zuwandte.

„Wie er sich freuen kann“, sagte er, und ein Abglanz des Glücks, das die Geschwister Nimbach erfüllte, lag auch auf seinem Gesicht. „Ich gönne es ihm. Er ist doch sicherlich sehr tüchtig.“

„Er ist ein kleines Genie“, versicherte Anne überzeugt. „Sie sollten ihn nur einmal bei Operationen sehen, Herr Huber. Da macht ihm niemand etwas vor, auch unser Professor nicht. Es ist atemberaubend, bei seinen Operationen dabei zu sein. Solch eine Fähigkeit kann man nicht erwerben, sie ist angeboren. Und schon als Kind hat er gewusst, dass er diese Gabe vom Schicksal mitbekommen hat. Er hat eigentlich immer im Leben erreicht, was er wollte“, sagte Anne verträumt zu ihrem netten Patienten. „Und er wird auch bald Professor. Seine letzten großen Operationen haben in Fachkreisen auch über Deutschlands Grenzen hinaus aufhorchen lassen.“

„Und Sie? Sind Sie nicht ein bisschen — Ich meine, wäre es Ihnen nicht sehr viel lieber gewesen, wäre die Wahl des Professors auf Sie gefallen?“, fragte Herr Huber.

Anne schüttelte lachend den Kopf.

„Ausgeschlossen! Ich habe einfach nicht das Zeug dazu. Ich bin eine durchschnittliche Ärztin, ich tue meine Pflicht, und ich glaube, dass ich sie nicht schlecht erfülle. Aber dieses ganz Besondere, das habe ich nicht.“

„Vielleicht nicht als Ärztin, aber sonst haben Sie es, Fräulein Doktor.“ Schalkhaft zwinkerte Herr Huber ihr zu. „Wenn ich Sie so anschaue, dann wünsche ich mir, dreißig Jahre jünger zu sein.“

„Man ist so jung, wie man sich fühlt.“

„Leider nicht. Sie wissen ja, wie es um mich steht. Aber schade ist es doch, dass ich so etwas wie Sie nicht kennengelernt habe, als noch etwas mit mir los war. Ich wäre nicht als Hagestolz durchs Leben gegangen.“

„Sie sind ein Schmeichler, Herr Huber.“

Anne bereitete die Spritze vor, die er um diese Zeit stets bekam.

„Sie sind bezaubernd, wenn Sie so lächeln wie eben“, sagte Herr Huber leise. „Ich wundere mich nur, dass eine Frau wie Sie Freude daran hat, in einer Klinik zu arbeiten.“

„Was sollte ich sonst tun?“, fragte Anne verwundert.

„Heiraten natürlich, Kinder haben, eine Familie. Ich finde, Sie sind dazu geboren, einen Mann glücklich zu machen.“

„Erst einmal werde ich jetzt einem Manne wehtun“, kündigte Anne Nimbach an und hob die gefüllte Spritze empor. „Tut mir ja schrecklich leid, Herr Huber —“

Er zuckte leicht zusammen, als die spitze Nadel sich in seinen Körper bohrte.

„So, einen Tag habe ich jetzt wieder Ruhe“, sagte er dann befriedigt. „Kommen Sie morgen wieder, Fräulein Doktor?“

„Morgen?“

Beim Nachdenken krauste Anne die Stirn. Sie ahnte nicht, wie reizend sie dabei aussah.

„Ich habe Nachtdienst. Aber übermorgen erst. Morgen werde ich Sie noch einmal picken, Herr Huber.“

„Dann feiern Sie man heute schön. Ich möchte Sie gern einmal in Zivil sehen.“

„Jetzt werden Sie schnell gesund“, lachte Anne ihn an. „Hier im Krankenhaus darf ich mich ohne Kittel nicht sehen lassen. Ich glaube, Professor Dehlen würde mich in den Boden stampfen, liefe ich in einem Kleid durch die Krankenzimmer.“

„Ist er wirklich so streng?“ Herr Huber schüttelte den Kopf. „Er ist doch auch noch jung.“

„Für uns ist er so eine Art Gott. Er schwebt über den Wolken, und wir spüren ihn hauptsächlich an den Blitzen, die er ab und zu aus seiner Höhe auf uns arme Würmer schleudert. Wehe, wenn einer von uns das Pech hat, sich in der Diagnose geirrt zu haben.“ Anne schüttelte sich förmlich.

„Mir gefällt er. Er spricht zwar nicht viel, aber er scheint genau zu wissen, was er will. Man hat Vertrauen zu ihm.“

„Mit Recht. Er ist sehr befähigt — und sehr streng. Er duldet nicht die kleinste Nachlässigkeit.“

„Soso … Schauen Sie heute Abend noch einmal vorbei?“

„Wenn ich es einrichten kann …“ Anne nickte ihm zu und ging hinaus.

Ihr Bruder war Oberarzt. Wie stolz diese Tatsache sie machte. Niemals hatte Anne empfunden, in seinem Schatten zu stehen, denn Holger bildete sich ja nichts auf seine Fähigkeiten ein. Im Gegenteil, für ihn waren sie eine Verpflichtung, das Beste aus sich zu machen. Nicht für sich selbst, aber zum Wohle der Leidenden.

***

Frau Therese schossen die Tränen in die Augen, als ihr Sohn sie abends in den Arm nahm und ihr sagte, dass er zum Oberarzt befördert worden sei.

„Ich habe es gewusst“, stieß sie schluchzend hervor.

„Du hast an mich geglaubt.“ Der junge Mann lächelte verlegen. „Ich selbst war sehr überrascht. Ich hatte frühestens in zehn Jahren damit gerechnet.“

„Wir müssen das feiern. Wie gut, dass ich noch ein paar Flaschen Sekt im Keller stehen habe.“

„Ist es dir recht, wenn ich Fräulein Gildemeister einlade?“, fragte Holger.

Seine Mutter runzelte einen Moment die Stirn, fing sich aber sofort wieder.

„Selbstverständlich“, entgegnete sie etwas steif. „Schließlich liebst du sie ja.“

„Und meiner Mutter passt das nicht“, stellte Holger fest und schüttelte den Kopf. „Was hast du nur gegen Franziska? Sie ist doch eine wundervolle Frau.“

„Nichts habe ich gegen sie“, versicherte Frau Therese unwirsch.

„Ich glaube fast, du bist nur ein bisschen eifersüchtig“, äußerte Holger. „Du hast Angst, deinen Sohn an eine andere Frau zu verlieren. Stimmt es, Muttchen?“

„Du bist so klug, du wirst es schon wissen“, wich Frau Therese aus. In Wirklichkeit mochte sie Franziska Gildemeister nicht. Sie passte nicht zu Holger. Dabei war Fräulein Gildemeister ihr gegenüber sehr nett, sehr höflich, sehr zuvorkommend. Nur eben, sie kam aus einem ganz anderen Haus. Aus einer großen Villa mit riesigen Räumen, angefüllt mit kostbaren Antiquitäten, auf dem Fußboden lagen echte Teppiche, und von Geld sprach man dort bestimmt niemals. Man hatte ja genug.

Der alte Gildemeister, ein echter Patrizier, besaß eine Im- und Exportfirma, die schon seit Generationen in der Familie war und überall einen ausgezeichneten Ruf genoss. Und in die einzige Tochter dieses Mannes hatte ihr Holger sich verliebt. Sie war hübsch, ein zierliches Persönchen mit dunklem Haar und ebenso dunklen Augen. Sie lachte gern, und sie schien Holger sogar zu lieben. Und doch — Frau Therese wäre es lieber gewesen, ihr Sohn hätte ein Mädchen aus einfacherem Haus geheiratet.

Holger stopfte sich seine Pfeife und zündete den Tabak an. Er liebte diese Stunde nach dem Nachhausekommen, wenn er sich bequem im Sessel räkeln und entspannen konnte. In der Klinik war er den ganzen Tag auf den Beinen, dort gönnte er sich keine Pause und nahm sich manchmal kaum Zeit, richtig zu essen.

Aber seine Mutter sorgte schon dafür, dass er wenigstens abends seine Mahlzeiten bekam. Und wehe, wenn er es wagte, vor dem Essen Krankenpapiere auf den Tisch zu legen!

Er spürte, wie seine innere Spannung allmählich abklang.

„Warum hast du Anne nicht gleich mitgebracht?“, fragte Frau Therese, als sie wenig später zurückkehrte. Sie setzte sich ihm gegenüber und griff automatisch nach ihrem Strickzeug.

„Sie war noch nicht fertig. Aber zum Abendessen wird sie bestimmt kommen.“

„Ich will es hoffen. Sie sollte heiraten. Worauf wartet sie eigentlich noch?“

Holger betrachtete seine Mutter amüsiert. „Soll sie Reinhard von Kempen einen Antrag machen?“, fragte er. „Mein Herr, darf ich um Ihre Hand anhalten?“

Frau Therese ließ die Hände sinken und warf ihm einen strafenden Blick zu.

„So komisch finde ich das nicht“, stellte sie unmutig fest. „Die beiden gehen nun fast ein Jahr zusammen. Er hat ernste Absichten. Warum steckt er ihr keinen Ring an den Finger?“

„Vielleicht fehlt ihm das nötige Kleingeld für die Verlobungsringe?“

„Lass diese unpassenden Scherze, Holger! — Worauf warten die beiden noch? Anne wird schließlich auch nicht jünger. In ihrem Alter hatte ich dich schon. Du warst da schon ein Bub von drei Jahren.“

„Warum willst du Anne unbedingt so schnell unter die Haube bringen?“, fragte Holger Nimbach verwundert. „Möchtest du uns loswerden, Muttchen?“

„Ich möchte, dass ihr glücklich werdet. Und wenn Anne zu lange in ihrem Beruf bleibt, dann verliert sie vielleicht ihre Weiblichkeit. Die älteren Ärztinnen werden häufig so — so hart, so nüchtern und ohne Illusionen. Es ist schwer für einen Mann, mit solch einer Frau zusammenzuleben.“

„Bisher ist Anne noch weit davon entfernt, unweiblich zu wirken“, meinte Holger schmunzelnd. „Du solltest nur einmal sehen, wie die Kollegen ihr nachschauen.“

„Kann ich mir denken. Sie ist bei euch ja die einzige Ärztin. Das ist nicht gut für sie. Ob Kempen vielleicht gar keine ernsthaften Absichten hat?“

„Ich weiß auch nicht, warum er noch zögert. Vielleicht hat er Angst vor seiner Familie. Sie sollen ja ziemlich eingebildet sein, habe ich mir erzählen lassen.“

„Anne ist für jede Familie gut genug.“ Frau Therese kannte ihre Tochter schließlich und wusste, was sie von ihr zu halten hatte. „Kommt sie da nicht?“ Sie hob lauschend den Kopf, nickte und stand auf. „Ich kümmere mich jetzt um das Essen. In fünf Minuten ist es dann so weit. Du kannst dir ja schon die Hände waschen.“

„Willst du sie mir nicht abtrocknen, damit du sicher bist, dass sie auch sauber sind?“, fragte Holger mit mildem Spott.

„Man wird doch wohl noch etwas sagen dürfen.“ Frau Therese wusste, dass sie die beiden immer noch wie Kinder behandelte, aber sie waren so schrecklich schnell groß geworden. Für sie war die Zeit nur so dahingeflogen.

„Heute Abend gibt es noch Sekt“, verriet Holger seiner Schwester, als er ihr auf der Diele aus dem Mantel half. „Mutter hat noch ein paar Flaschen im Keller gehortet.“

„Für besondere Anlässe. Sie denkt eben an alles, Holger. Was gibt es denn zu essen?“

„Keine Ahnung.“ Holger Nimbach schaute hinter ihr in den Spiegel. „Du bist eine verdammt schöne Frau, altes Mädchen“, stellte er dann fest und legte seine Hände auf ihre Schultern. „Warum heiratest du nicht?“

„Fängst du jetzt auch schon damit an?“ Anne drehte sich herum. „So eilig habe ich es nicht. Ich möchte ganz gern noch ein paar Jahre als Ärztin arbeiten.“

„Und was sagt von Kempen dazu?“

„Es wird ihm recht sein. Wir sind schließlich keine Kinder mehr, die alles gleich haben wollen, was sie sich wünschen.“

„Nein, Kinder seid ihr wirklich nicht, eigentlich ein bisschen zu erwachsen für meinen Geschmack. Zu vernünftig. Sag mal, liebst du von Kempen eigentlich?“

Anne lachte verlegen. „Fragen stellst du heute! Würde ich ihn sonst heiraten wollen?“

„Ich weiß nicht. Ich kann mir jedenfalls ein Leben ohne Franziska einfach nicht vorstellen. Wenn ich sie verlöre, ich wüsste nicht, was ich täte.“

„Das lass bloß nicht Professor Dehlen hören“, lachte Anne die Befangenheit fort, die sein Geständnis in ihr hervorgerufen hatte. „Er hält dich sicherlich für vernünftiger.“

„Ist es deiner Meinung nach denn unvernünftig, verliebt zu sein?“, fragte Holger ernst.

„Ich glaube, wir gehen jetzt essen, sonst wird Mutter mit uns schimpfen“, wich Anne aus.

Aber ihr Ausweichen war für Holger auch eine Antwort. Verliebt ist sie jedenfalls nicht, dachte er. Ob sie glaubt, es sei unmodern, sich zu verlieben?

Bevor er ihr folgte, rief er schnell noch Franziska an. Sie versprach, im Laufe des Abends zu kommen, um seine Beförderung mit ihm zu feiern.

Kein Wunder, dass Holger strahlte, als er sich an den Esstisch setzte. Er merkte kaum, was er aß, aber sein Lächeln verriet seiner Familie, worum seine Gedanken kreisten.

Holger sprang auf, als die Türklingel anschlug.

„Das ist sie!“, rief er Mutter und Schwester zu, als er hinauslief, um die Tür zu öffnen.

„Ach, du bist es, Vater“, hörten die beiden Frauen ihn draußen sagen.

„Hattest du jemand anderes erwartet?“, erkundigte sich Eduard Nimbach. „Tut mir leid, dass ich keinen Rock trage, Junge.“

„Franziska wollte noch kommen.“ Holger schlug seinem Vater kräftig auf die Schulter. „Du bist heute spät dran.“

Vater Eduard war Steuerberater und besuchte manche Kunden nach Feierabend noch.

„Es ist später geworden. Hoffentlich habt ihr mit dem Essen nicht auf mich gewartet. Gibt es etwas Neues, Junge?“

„Nicht viel. Ich bin nur Oberarzt geworden.“

Frau Therese lächelte vor sich hin. Sie wusste, wie sich ihr Mann über diese Nachricht freuen würde.

„Ich habe dir dein Essen warm gestellt.“ Frau Therese gab ihrem Mann einen liebevollen Kuss auf die Wange. „Du hast schon wieder geraucht“, stellte sie dabei vorwurfsvoll fest. „Du weißt doch, dass du es eigentlich nicht solltest.“

„Wofür haben wir denn zwei Ärzte in der Familie, wenn die nicht dafür sorgen können, dass mir eine Zigarre gelegentlich bekommt“, äußerte Vater Eduard schmunzelnd.

Die Türklingel schlug erneut an, und wieder lief Holger hinaus. Diesmal allerdings schloss er die Tür zum Wohnzimmer hinter sich, denn der Schatten hinter der Haustür verriet ihm, dass Franziska gekommen war.

Er riss sie in die Arme und küsste sie. Ihre Lippen waren frisch, und frisch war auch die Haut ihrer Wangen.

Das Mädchen strahlte ihn selbstvergessen an.

„Ich bin so stolz auf dich“, gestand es innig. „Du bist Oberarzt. Das ist ganz viel, nicht wahr?“

„Man kann damit zufrieden sein“, meinte Holger bescheiden, aber sein Lächeln verriet, wie stolz er auf seine Beförderung war. „Komm herein und leg ab. Wir müssen ein wenig feiern. Muttchen hat sogar Sekt besorgt.“

Franziska zeigte sich davon allerdings wenig beeindruckt.

„Wie hübsch du wieder aussiehst.“ Holger umschloss das Oval ihres Gesichtes mit den Händen. „Ich habe dich so lieb“, sagte er halblaut, als schäme er sich, dieses Geständnis auszusprechen.

„Ich dich auch. Und jetzt stelle ich dich auch meinen Eltern vor. Wann wirst du denn nun Professor?“

„Das weiß ich nicht.“ Holgers Finger fuhren spielerisch durch ihr Haar, bis Franziska ihm einen Klaps auf die Hand gab.

„Du bringst mir meine Frisur ganz durcheinander“, schalt sie. „So kann ich nicht zu deinen Eltern hineingehen.“

„Mir gefällst du immer, auch wenn deine Frisur etwas zerzaust ist. Vielleicht mag ich dich dann sogar noch lieber.“ Holger wollte sie wieder an sich ziehen, doch Franziska entwand sich ihm.

„Ich muss mich jetzt kämmen. Sei vernünftig, Holger.“ Sie lächelte ihm zu, als sie vor den Spiegel trat und mit dem Kamm durch ihr dunkles Haar fuhr.

Holgers Eltern begrüßten sie mit zurückhaltender Freundlichkeit. Frau Therese konnte sich einfach nicht so herzlich geben, wie es sonst ihre Art war. Franziskas Haltung machte es ihr unmöglich.

Dabei war es dem Mädchen sicherlich nicht einmal bewusst, dass es eine unsichtbare Schranke zwischen sich und Holgers Mutter legte. In Gesellschaft war Franziska nun einmal kühl und beherrscht, zeigte keine Gefühle, war ganz Tochter eines alten Patriziergeschlechtes.

Anne betrachtete sie verstohlen. Ob sie Holger glücklich machen wird?, fragte sie sich.