Lore-Roman 97 - Ina Ritter - E-Book

Lore-Roman 97 E-Book

Ina Ritter

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Beschreibung

Für Tina von Riensberg ist das Leben auf dem Gut der Familie trostlos und langweilig. Es gibt keine Abwechslung und keine Unterhaltung. Die jüngste Tochter der Riensbergs träumt von einem glanzvollen Leben in der Stadt. Wenn doch nur jemand käme, um sie zu erlösen! Die verzogene Tina ist tatsächlich bereit, einen ungeliebten Mann zu nehmen, wenn er ihr nur die Möglichkeit bieten würde, der Einsamkeit des Gutes zu entkommen.
Als sie dem neuen Jagdpächter Falk Herpel begegnet, sieht Tina ihre Chance. Sie wirft sich ihm an den Hals, und Falk lässt sich geschickt einfangen. Die folgende Blitzhochzeit wird ein vielbeachtetes Ereignis.
Falk hält sich für den glücklichsten Mann der Erde. Doch Tina ist nach wie vor in das Leben verliebt, das er ihr bieten kann. Das verwöhnte Mädchen hat viele Wünsche - nur an den Mann, der das alles ermöglichen soll, denkt es nicht. Tina glaubt sich am Ziel ihrer Wünsche, aber sie ahnt nicht, dass sie erst am Anfang steht ...


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Seitenzahl: 152

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Inhalt

Cover

Impressum

So darf doch keine Liebe enden

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Grischa Georgiew / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0840-1

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

So darf doch keine Liebe enden

Ein Roman voller Innigkeit und Herzenskraft

Von Ina Ritter

Für Tina von Riensberg ist das Leben auf dem Gut der Familie trostlos und langweilig. Es gibt keine Abwechslung und keine Unterhaltung. Die jüngste Tochter der Riensbergs träumt von einem glanzvollen Leben in der Stadt. Wenn doch nur jemand käme, um sie zu erlösen! Die verzogene Tina ist tatsächlich bereit, einen ungeliebten Mann zu nehmen, wenn er ihr nur die Möglichkeit bieten würde, der Einsamkeit des Gutes zu entkommen.

Als sie dem neuen Jagdpächter Falk Herpel begegnet, sieht Tina ihre Chance. Sie wirft sich ihm an den Hals, und Falk lässt sich geschickt einfangen. Die folgende Blitzhochzeit wird ein vielbeachtetes Ereignis.

Falk hält sich für den glücklichsten Mann der Erde. Doch Tina ist nach wie vor in das Leben verliebt, das er ihr bieten kann. Das verwöhnte Mädchen hat viele Wünsche – nur an den Mann, der das alles ermöglichen soll, denkt es nicht. Tina glaubt sich am Ziel ihrer Wünsche, aber sie ahnt nicht, dass sie erst am Anfang steht ...

»Was hast du heute vor?«, fragte Tina von Riensberg ihre Schwester Veronika, die ihr in einem hübschen Reitdress am Frühstückstisch gegenübersaß. »Das Leben ödet mich manchmal an.« Sie warf den Kopf mit dem dunklen Haar wild zurück, während es in ihren Augen funkelte. »Immer dasselbe, nie die geringste Abwechslung! Ich frag mich manchmal, ob es in einem Gefängnis nicht schöner sein muss als bei uns hier.«

Veronika, im Gegensatz zu ihrer Schwester blond und sehr viel ausgeglichener, verzog den Mund zu einem leichten Lächeln.

»Der Vergleich mit dem Gefängnis dürfte hinken«, stellte sie belustigt fest. »Arbeit gibt es bei uns genug. Vater will heute in den Wald, der Förster schlägt ihm vor, welche Bäume gefällt werden sollen ...«

»Und du musst natürlich dabei sein, um möglichst viel zu lernen«, fiel Tina ihr schnippisch ins Wort. »Du glaubst gar nicht, wie mich dieser ganze Kram langweilt.«

»Ich langweile mich nie«, behauptete Veronika lachend. »Hier gibt es doch immer etwas Neues.«

Sie begleitete den Vater oft bei Inspektionsritten, und sie lernte gern alles, was zur Bewirtschaftung eines großen Gutes notwendig ist. Tina dagegen las lieber Bücher und Illustrierte, und dabei verging ihr die Zeit natürlich nicht so schnell.

»Man müsste in der Stadt leben«, seufzte Tina. »Und das sage ich dir, Veronika, wenn ich es irgendwie schaffe, heirate ich einen Mann aus der Stadt, wenn er nur genügend verdient.«

»Mädchen, versündige dich nicht!« Ernst geworden, schaute Veronika auf ihre so leichtfertig sprechende Schwester. »Du tust gerade so, als könne man es hier nicht aushalten. Was willst du eigentlich? Du hast keine Sorgen, wir besitzen genügend Geld ...«

»Und keine Gelegenheit, es auszugeben!«, fiel Tina ihr aufgebracht ins Wort. »Ich möchte etwas erleben, versteh das doch! Feste mitmachen, Theater besuchen ... aber hier gibt es kein Theater.«

»Nur das, was du manchmal machst«, schmunzelte Veronika mit feinem Spott. »Und nun entschuldige mich, du unglückliche, unverstandene Frau.«

In ihrem Reitanzug sah sie entzückend aus, die blonde Veronika. Sie gab sich völlig natürlich und ungezwungen, und das Gesinde verehrte sie wie ein höheres Wesen.

Tina stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus, als ihre Schwester gegangen war. Es war traurig hier, keine Abwechslung, keine Unterhaltung. Die ganze Familie arbeitete, als hätten sie es nötig, dem Gelde nachzulaufen. Sie selbst hatte keine Lust zum Arbeiten.

Es war zehn Uhr, und sie wusste nicht, was sie mit sich anfangen sollte.

»Wenn doch nur jemand käme, der mich von hier erlöste!«

Sie war tatsächlich bereit, einen ungeliebten Mann zu nehmen, wenn er ihr nur die Möglichkeit bieten würde, der Einsamkeit des Gutes zu entkommen.

Tina trug ein helles, duftiges Sommerkleid, das ihre schmale, zierliche Taille betonte und sie jünger erscheinen ließ, als sie war. Sie schlenderte auf den Hof hinaus. Um diese Zeit war er vollkommen leer. Das Gesinde arbeitete draußen auf den Feldern.

Die Gutsbesitzer der Nachbarschaft arbeiteten jetzt auch alle, selbst abends fanden sie im Sommer keine Zeit, Besuche zu machen. Nur im Winter gab es so etwas Ähnliches wie ein gesellschaftliches Leben.

»Wie mich das alles anödet«, seufzte Tina.

Sie fasste mit beiden Händen an ihren weiten Rock, der durch einen Petticoat beim Gehen hübsch wippte, und wandte sich dem Wald zu. Dort würde es wenigstens kühler sein. Sie hielt den Kopf beim Gehen gesenkt, und in der Sonne wirkte ihr Haar fast lackschwarz. Es gab ihr ein südländisches Aussehen, obwohl ihre Mutter gleichfalls blond war wie die ältere Veronika. Ihre Großmutter stammte aus Italien, und vielleicht hatte sie ihr das unruhige Blut vererbt.

Blind für die Schönheiten des Waldes, schlenderte Tina den Weg entlang.

Hundegebell weckte sie plötzlich aus ihrer Versunkenheit. Tina blieb stehen, als der alte Förster an der Wegbiegung auftauchte. Er trug einen Vollbart. Die Kinder hingen an ihm, und auch ihr Vater äußerte sich über den alten Brünning nur in den Tönen höchsten Lobes.

Mit knappem Gruß wollte Tina ihn vorbeilassen, aber der Spaniel, den er an der kurzen Leine bei sich führte, war offenbar anderer Meinung. Er riss sich los und sprang übermütig an Tina empor. Seine Pfoten hinterließen ein paar deutlich sichtbare Schmutzflecken auf ihrem duftigen Kleid.

»Passen Sie doch besser auf Ihren Köter auf«, schimpfte Tina. »Mein schönes Kleid!«

Förster Brünning schmunzelte.

»Wie heißt der Hund?«

»Ivo«, erklärte der Förster. »Kostbarer Hund!«

»Besitzen Sie ihn schon lange?«

Der Förster schüttelte verneinend den Kopf.

»Menschenskind, lassen Sie sich doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Wollen Sie Ivo nicht verkaufen? Er gefällt mir.«

»Gehört mir nicht«, brummte der Alte.

Tina runzelte die Stirn. »Wem gehört das Vieh denn? Komm, Ivolein, gib dein Pfötchen«, lockte sie das Tier, das sofort zutraulich näher kam.

»Dem Pächter.«

»Was soll das denn wieder heißen? Hat Vater die Jagd verpachtet?«

Der Alte nickte.

»An wen? Und weshalb weiß ich nichts davon?«

Der Alte stieß ein kurzes, trockenes Lachen aus. Wahrscheinlich war er der Meinung, dass Henry von Riensberg nicht verpflichtet war, seine jüngste Tochter über alle seine Anordnungen zu informieren.

»Jemand aus der Umgebung?«

Förster Brünning schüttelte den Kopf.

»Ein Herr aus der Stadt?«

Das Kopfnicken bedeutete diesmal eine Bejahung.

»Jung oder alt?«

Der Alte zuckte die Schultern. Tina holte tief Luft und blitzte den Mann im grünen Lodenrock aufgebracht an.

»Reden können Sie wohl überhaupt nicht?«, schnauzte sie. »Ich habe sie gefragt, Herr Brünning. Schließlich will man doch wissen, mit wem man es hier im eigenen Wald zu tun hat.«

Ein amüsiertes Lachen hinter ihrem Rücken ließ sie herumfahren.

»Mit mir«, sagte eine dunkle, sonore Männerstimme. »Herpel«, stellte er sich vor. »Der neue Jagdpächter.« Er liebelte Ivo ab, der sich vor Freude gar nicht zu halten wusste. »Er ist noch wie ein Kind«, schmunzelte Herpel. »Wie macht er sich, Herr Brünning?«

»Wird schon werden«, brummte der Förster zurück.

»Herr Brünning betrachtet seine Worte als Gold, er gibt sie nur sehr sparsam aus«, teilte Tina ihrem neuen Bekannten mit. »Sie wohnen in der Stadt?«

»Ja, aber lieber würde ich hier leben.«

»Ich habe schon einmal bessere Witze gehört«, schnob Tina verächtlich. »Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen, was?«

Der Mann schmunzelte stärker.

»Ich weiß nicht, ob Sie sich von jedem auf den Arm oder – in den Arm nehmen lassen.«

»Frechheit«, empörte sich die junge Dame, aber sie war über und über errötet.

Aus den Augenwinkeln warf sie einen scheuen Blick auf sein markantes, energisches Gesicht. Der Mann gefiel ihr, und die Tatsache, dass er sich eine große Jagd pachten konnte, bewies, dass er auch Geld haben musste.

»Was würde Ihre Frau denn dazu sagen?«

Herpel lachte. »Wahrscheinlich nicht viel«, erklärte er in gutmütigem Spott. »Ich bin nämlich noch nicht verheiratet. Wollen Sie mir nicht Ihren Namen verraten, gnädiges Fräulein?«

»Ich heiße Tina von Riensberg.«

Wahrscheinlich erwartete sie, dass ihr alter Name ihn einschüchtern würde, aber Falk dachte gar nicht daran, sich von ihr imponieren zu lassen. Er zog die Brauen amüsiert in die Höhe.

»Dann habe ich also die Tochter meines Jagdherrn vor mir.«

»Ihr Schlüsse sind äußerst scharfsinnig«, spottete sie. »Und so am hellen Tage können Sie es sich erlauben, im Wald spazieren zu gehen? Läuft Ihr Betrieb ohne Sie?«

»Er rast«, schmunzelte der Mann. »Was meinen Sie, wie die im Werk aufatmen, wenn ich nicht zu sehen bin.«

»Das kann ich mir vorstellen«, behauptete Tina.

»Wirke ich so einschüchternd?«

»Hm. Ihren Hund wollen Sie nicht verkaufen?«, wechselte Tina das Thema. »Er gefällt mir. Ich glaube, er mag mich auch.«

»Der Hund hat einen guten Geschmack. Man sagt ja, ein Hund passe sich seinem Herrn an. Sie wissen jetzt also, woher er seinen Geschmack hat.«

»Eingebildet sind Sie aber gar nicht«, fauchte Tina.

»Es freut mich, dass Sie das sagen«, verbeugte sich Falk. »Es gibt nämlich schlechte Menschen, die das Gegenteil behaupten. Ivo ist nicht zu verkaufen – aber wenn Sie ihn haben wollen, schenke ich Ihnen das Tier.«

»Wirklich?«, strahlte Tina, doch dann besann sie sich auf ihre Würde. »Ein Fräulein von Riensberg hat es nicht nötig, sich etwas schenken zu lassen«, teilte sie dem Jagdpächter mit. »Nennen Sie mir Ihren Preis.«

»Tja«, äußerte Falk Herpel und rieb sich mit der flachen Hand das Kinn.

Förster Brünning grinste über das ganze Gesicht, denn so alt er war, kannte er doch noch die Währung, in der ein hübsches Mädchen auch ohne Geld bezahlen kann.

»Ich denke, mit einem langen, zärtlichen Kuss als Bezahlung würde ich mich einverstanden erklären.« Falk wippte unternehmungslustig auf Ferse und Ballen hin und her. »Was meinen Sie dazu, ist das nicht ein faires Angebot?«

»Sie ... Sie sind unverschämt!«

»Komm, Ivo.« Der Mann nahm die Leine und wollte offensichtlich gehen, und einen vollen Meter musste er den schönen Hund geradezu über den Weg schleifen, denn Ivo wollte lieber bei dem Frauchen bleiben.

»He, Sie!« In ihrer Erregung vergaß Tina seinen Namen.

»Meinen Sie mich?« Falk blieb stehen und schaute sich langsam um. »Herpel, zu dienen.«

»Haben Sie das eben im Ernst gemeint?«, erkundigte sich die junge Dame. »Das mit dem Kuss meine ich.«

»Ja. Ivo ist ein kleines Opfer wert, und selbstverständlich weiß ich die Größe des Opfers, mich zu küssen, vollauf zu würdigen. Sehen Sie nur, wie treu Ivo Sie anschaut. Ich glaube, der Hund mag Sie gern.«

Tina glaubte es auch. Tränen schimmerten in ihren Augen, Tränen hilfloser Wut, als sie sich zu dem Tier hinabbeugte und hinter dem Ohr kraulte.

»Wenn Sie den ... am besten gleich, dann habe ich es hinter mir.«

Tina trat auf ihn zu, schloss die Augen und hob ihr Gesicht zu ihm empor. Ein verzweifelter Ausdruck lag auf ihren Zügen.

Falk hatte ein Mädchen ihrer Art noch nicht getroffen, so süß, so unberührt wie eine taufrische Rose. Dornen schien sie auch allerhand zu besitzen, aber das störte ihn nicht.

»Wollen Sie denn nicht bald?!«, herrschte Tina ihn an, als der gefürchtete Kuss auf sich warten ließ. Sie riss die Augen weit auf. »Sie sind ... Sie sind ein richtiger Tierquäler. Nun machen Sie schon zu!«

»So eilig haben Sie es, mich zu küssen?«

Falk lächelte unerwartet zärtlich, als er sie in den Arm nahm. Steif lag sie an seiner Brust, und dennoch spürte er das leichte Beben, das über ihren starren Körper rann.

Er küsste sie, und obwohl er vorgehabt hatte, sie nur auf die Stirn zu küssen, rutschte sein Mund gegen seinen Willen etwas tiefer. Aber die Verlockung war auch einfach zu groß, diese trotzigen, schön geschwungenen Lippen zu küssen.

Tina hielt den Atem an, als sie seinen Mund auf ihrem spürte. Sie hatte schon oft geküsst, selbstverständlich, aber bisher wusste sie gar nicht, was ein Kuss ist.

Ihr Gesicht überzog sich mit einer sanften Röte, und ganz plötzlich und unerwartet wurde ihr starrer Körper in Falks Armen schlaff. Als der Mann sie freigab, musste er hastig ihren Arm nehmen, denn sie taumelte zur Seite, die Augen noch immer geschlossen.

»Ivo, das ist dein neues Frauchen«, hörte sie die warme Stimme des Fremden.

Und seine Hand öffnete ihre Finger und schob die Hundeleine hinein. Ivo kläffte erregt, als habe er begriffen, dass jetzt die Zeit der leckeren Würste angebrochen war.

»Danke«, flüsterte Tina. Und dann lief sie davon, ohne sich noch ein einziges Mal nach Falk Herpel umzuschauen.

Erst als sie sicher war, dass Falk sie nicht mehr sehen konnte, blieb sie schwer atmend stehen. Mit den Fingern der rechten Hand fuhr sie sich behutsam über die Lippen.

»So ein dummer Kerl«, flüsterte sie ihrem Hund liebevoll zu. »Was der bloß an dem Kuss gefunden hat ...«

»Ich muss mir einen neuen Hund kaufen«, sagte Falk unterdessen zu Förster Brünning. »Können Sie mir dabei behilflich sein?«

Der Alte nickte.

»Das Herrenhaus liegt jenseits des Waldes?«, fragte Falk. »Ich werde mich dort einmal gelegentlich sehen lassen. Schließlich interessiert es mich ja, wie Ivos Pflegemutter ihn behandelt.«

Der alte Förster schmunzelte. Er tippte mit dem Zeigefinger der rechten Hand lässig an die Krempe seines Hutes und ging dann weiter.

Falk Herpel hatte jedenfalls nicht das Gefühl, ein schlechtes Geschäft gemacht zu haben, obwohl Tinas Währung nicht gerade seine Brieftasche füllte. Sie füllte sein Herz.

***

Vater Henry wunderte sich heute Mittag, dass seine Jüngste ihn so besonders liebevoll anstrahlte. Sie nahm ihn sogar flüchtig in den Arm und drückte einen leichten Kuss auf seine Wange.

»Gut rasiert bist du auch wieder nicht«, klagte sie.

»Ich wusste nicht, dass eine entzückende junge Dame heute das Bedürfnis haben würde, mir ihre Aufmerksamkeit zu schenken«, gab der alte Herr gut gelaunt zurück. »Du siehst wieder ganz reizend aus, Kleines.«

Tina warf ihrer Schwester einen triumphierenden Blick zu, den Veronika mit nachsichtigem Schmunzeln quittierte.

Ein paar Minuten später war Vater Henry über den neuen Familienzuwachs orientiert.

»Wer wird sich denn um Ivo kümmern?«, fragte er angelegentlich.

»Ich natürlich. Du, das wollte ich dich schon immer fragen, was für ein Mensch ist dieser Herpel eigentlich?«, erkundigte sich Tina.

»Ein netter Mensch«, tat Vater Henry verständnislos. »Wieso, willst du ihn heiraten?« Er glaubte, einen Witz gemacht zu haben.

Ihr Bruder Alexander klopfte leicht mit dem Knöchel auf die Tischplatte.

»Unser Küken heiraten?«, warf er schmunzelnd ein. »Wenn ein vernünftiger Mann Tina sieht, läuft er doch davon.«

»Was verstehst du schon davon?«, fertigte ihn seine beleidigte Schwester kurz ab.

»Hoho, ich bin schließlich ein Mann und kann mir durchaus vorstellen, wie du auf andere wirken musst.

»Kabbelt euch nicht beim Essen«, mahnte Frau Margret. »Und lasst mir die Kleine zufrieden. Seht ihr nicht, wie verlegen sie ist?«

Alle schauten auf Tina, die sich beeilte, ihr gerötetes Gesicht über den Teller zu senken.

»Was ist Herpel von Beruf?«

»Fabrikant. Übrigens nicht einer der Ärmsten im Lande. Sein Betrieb muss recht viel abwerfen. Er fährt einen tollen Wagen. Wir können uns solch einen Wagen nie im Leben erlauben.«

Veronika schmunzelte in sich hinein, als sie sah, wie Tinas Züge sich merklich erhellten. Mit glänzenden Augen sah ihre junge Schwester in die Ferne. Wahrscheinlich träumte sie von dem großen Wagen und dem abwechslungsreichen Leben an der Seite eines Mannes, der dumm genug war, ihr jeden törichten Wunsch zu erfüllen.

Das Tischgespräch bewegte sich bald in gewohnten Bahnen. Tina langweilte sich. Sie träumte von Herpel.

»Wie heißt er eigentlich mit Vornamen?«, platzte sie heraus.

Ihr Vater hatte gerade vom Holzeinschlag gesprochen und schaute sie verständnislos an.

»Wer?«, fragte er begriffsstutzig.

»Ihr Herpel natürlich«, warf Veronika ironisch ein. »Unsere Kleine hat nämlich die Absicht...«

»Willst du wohl still sein!«, schrie Tina sie an.

Veronika blinzelte ihr zu. »Ach, dein süßes Geheimnis soll noch gewahrt bleiben?«

»Wie lange kennst du diesen Mann eigentlich?«, fragte Frau Margret, der eine Ahnung zu dämmern begann.

»Praktisch überhaupt nicht. Ist es denn ein Verbrechen, wenn ich mich nach dem Jagdpächter erkundige? Schließlich besteht doch durchaus die Möglichkeit, dass man sich im Walde begegnet.«

»Er heißt Falk, Falk Herpel. Im Übrigen ist er kein Mann, der auf dich hereinfällt, Tina. Herr Herpel kann ganz andere haben, wenn er will. Mir scheint, er zieht seine Freiheit der Ehe vor.«

»Was man auch verstehen kann«, warf Alexander schmunzelnd ein.

Sein Herz hatte noch nicht gesprochen, obwohl es hübsche Mädchen genug gab, die keinen Hehl daraus machten, wie sehr er ihnen gefiel.

»Jetzt wären wir also glücklich wieder bei Herrn Herpel angelangt«, stellte Frau Margret seufzend fest. »Wenn du ihn einmal siehst, Henry, bitte ihn doch, Ivo wieder abzuholen. Wer weiß, wie sie ihn vielleicht angebettelt hat.«

»Ich habe ihn nicht angebettelt, und Ivo gehört mir. Aber mir gönnt man hier ja nichts, ihr versteht mich allesamt nicht.«

»Arme, unverstandene Frau«, spottete ihr Bruder. »Was haltet ihr davon, wenn wir in den Salon gehen und den Mokka trinken? So interessant Tinas kluge Bemerkungen ja auch sind, ich bringe es fertig, darauf zu verzichten. Ich muss nämlich arbeiten, mein liebes Mädchen. Und dir würde ich empfehlen, auch etwas zu tun, dann hast du nicht nur Männer im Kopf.«

Tina hielt es für klüger, den Mund zu halten, wenn es ihr auch schwerfiel. Heute versuchte sie sogar, eine Zigarette zu rauchen, von der Familie belustigt beobachtet. Sie hustete ein paarmal, rauchte die Zigarette aber tapfer zu Ende. Wahrscheinlich war ein Mann wie Herpel vollendete Damen gewöhnt, und eine Dame raucht. Glaubte sie jedenfalls.

Eine Stunde später war sie mit der Mutter allein. Sie langweilte sich, bis ihr Ivo einfiel.

»Ich muss den Hund ausführen!«, strahlte sie erleichtert, und als die Mutter sie wenig später mit dem Spaniel über den Hof toben sah, schüttelte sie nur den Kopf über ihre Jüngste.

Sie war ein reizendes Mädchen, ganz bestimmt, aber manchmal zweifelte sie, dass aus ihrer Tina jemals eine Dame werden würde. Vielleicht war es auch gut, gerade ihre Ursprünglichkeit und Naivität waren ja ihr größter Zauber.

Heimlich hatte sie die Kleine nämlich am meisten ins Herz geschlossen, wenn sie sich auch nach besten Kräften bemühte, ihre Vorliebe nicht zu zeigen. Sie seufzte, aber es war kein unglücklicher Seufzer.

Frau Margret war mit ihrem Leben so recht zufrieden. Sie hatte den besten und aufmerksamsten Mann der Welt, drei gesunde, lebensfrohe Kinder, und, so Gott wollte, in einigen Jahren auch Enkelkinder. Wer wohl zuerst heiraten würde?

***