Lovesong für Emma - Karin Spieker - E-Book
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Lovesong für Emma E-Book

Karin Spieker

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Beschreibung

Eine turbulente Liebesgeschichte für alle Trauzeuginnen, Schwiegermütter und Bräute »Konnte man mit genug Aufwand eine ganze Hochzeitsgesellschaft in Liebesstimmung bringen? Halt! In eine romantische Stimmung bringen? Vielleicht konnte man mit genug Geld und Accessoires alle Gäste in eine rosa Wolke hüllen?« Wie konnte das passieren?  Emma plant als Trauzeugin auf einmal die Hochzeit ihrer besten Freundin Pia. Dabei hat sie doch gar keine Ahnung von Avocadocremetorten, Reifröcken und Lasercut-Karten mit Banderole! Gut, dass ihr gleich drei hilfsbereite Männer zur Seite stehen: Pias neuer Kollege Ariv, Emmas alter Freund Leopold – und natürlich Tim, für den Emma schon ewig schwärmt. Leider klopft Emmas Herz zuverlässig immer dann, wenn es nicht klopfen soll, und so werden die Hochzeitsplanungen immer komplizierter ... »Eine schöne und unterhaltsame Wohlfühlgeschichte, die ich gerne gelesen habe.« ((Leserstimme auf Netgalley))  »Eine unterhaltsame und witzige Abrechnung mit dem Hochzeitswahnsinn, der in dieser Geschichte immer größere Ausmaße annimmt.« ((Leserstimme auf Netgalley))   »Einfach schön romantisch, zart und fesselnd.« ((Leserstimme auf Netgalley))  

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© Piper Verlag GmbH, München 2022

Redaktion: Susann Harring

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Epilog

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Prolog

Ich schloss mein Fahrrad an den vollbesetzten Fahrradständer neben dem Parkplatz an und beobachtete nervös das bunte Treiben im Biergarten vor mir. Pia hatte mir geschrieben, dass sie längst da war, mir war also keine Galgenfrist mehr vergönnt. Ausnahmsweise freute ich mich überhaupt nicht darauf, meine Freundin zu treffen. Mir stand nämlich ein höchst unangenehmes Gespräch bevor.

Ich wollte endlich aus der Organisation ihrer Hochzeit aussteigen. Sechs Wochen vor dem großen Tag. Sicher, ich wusste, ich hätte viel eher die Notbremse ziehen sollen. Aber ich war da so reingerutscht, es war nach und nach immer komplizierter und aufwendiger geworden. Dabei hatte ich nie davon geträumt, eine Hochzeit zu planen. Nicht mal meine eigene!

Natürlich wollte ich irgendwann mal heiraten. Aber mir würde für diesen Anlass ein simpler Anruf im Standesamt genügen. Ich träumte davon, dass mein Zukünftiger und ich eines Tages so viel Glück aus unserem Eheversprechen ziehen würden, dass wir nichts weiter benötigten. Keinen Beifall. Keine Glückwünsche. Keinen Zuckerguss und keine Diamantringe.

Das war schon immer mein romantisches Ideal gewesen: Termin vereinbaren, hingehen, »Ja« sagen – und der Rest des Lebens kann beginnen. Meine Eltern hatten so geheiratet. Sie waren damals irrsinnig ineinander verliebt gewesen und erst seit wenigen Wochen zusammen. Und weil aus diesem Grund niemand Verständnis für ihre überstürzte Hochzeit gehabt hätte, hatten sie heimlich das Aufgebot bestellt und ganz unaufgeregt zu zweit geheiratet. An einem verregneten Mittwochnachmittag. »Das war der schönste und romantischste Tag unseres Lebens!«, sagen die beiden noch heute.

Warum mir diese Geschichte so gut gefiel? Weil ich den Gedanken mochte, dass man sich auf das Wesentliche konzentriert: auf die Liebe.

Eigentlich hatte Pia das immer genauso gesehen wie ich. Wir haben nicht mal als kleine Mädchen von opulenten Hochzeiten geträumt. So mit Wattebäuschchen-Kleid und sechs frisch geputzten Schimmeln vor der Kutsche und Zuckerguss auf den Tischen und Glitzer auf den Einladungskarten, sieben aufregend dekorierten Gängen und einem Profi-Kamerateam, das den schönsten Tag des Lebens perfekt ausleuchtet und bis ins Detail für die Nachwelt festhält.

Ganz so schlimm war es jetzt, mit Pias Hochzeit, natürlich nicht. Aber manchmal kam mir das Monstrum, für das ich mehr und mehr Verantwortung übernommen hatte, vor wie ein irrer Ausflug in das Hirn einer Grundschülerin, die am liebsten rosa Wendepaillettenshirts trägt und Disney-Filme schaut.

Das alles hatte schon lange nichts mehr mit Pia zu tun. Oder mit mir. Ich wusste überhaupt nicht mehr, mit wem das alles etwas zu tun hatte. Mit Gabriel, Pias Zukünftigem, etwa? Wohl kaum. Dann schon eher mit seiner Mutter. Und mit der dämlichen Adriana, von der sich Pia viel zu viel sagen ließ.

Aber vielleicht sollte ich nicht hier einsteigen. An dem Punkt, an dem ich nach einem langen Leidensweg endlich meinen Seelenfrieden über mein Trauzeuginnen-Amt stellen würde.

Vielleicht sollte ich lieber am Anfang einsteigen. Am Anfang konnte sich noch keiner von uns vorstellen, dass diese Hochzeit je solche Ausmaße annehmen würde!

Ich beginne diese Geschichte am besten an jenem Abend, an dem Pia mich fragte, ob ich ihre Trauzeugin werden möchte, und ich begeistert rief: »Ja! Ich will!«

Dumme Emma.

Kapitel 1

Gut sechs Monate früher

An besagtem Abend saßen wir zu viert im Restaurant: Pia, ihr Freund Gabriel, dessen Freund Leopold und ich.

Wir vier kannten uns gut, fühlten uns wohl miteinander, und die Konversation in unserem kleinen Kreis funktionierte mühelos. Besonders jetzt, da alle bis auf Leopold schon an ihrem zweiten alkoholischen Getränk nippten.

Das indische Restaurant, das Pia für heute Abend ausgesucht hatte, war einfach spitze! Wir hatten uns drei Vorspeisen und vier Hauptgerichte geteilt, und als der Kellner je ein Mango-Eis für Pia, Gabriel und mich brachte, war ich bereits so satt, dass ich die Kugel nahezu unberührt von mir schob.

»Ich platze!«, verkündete ich, lehnte mich zurück und tätschelte liebevoll meinen Bauch. »Ich denke, es wird ein kleiner Papadam«, sagte ich versonnen.

»Eher eine Horde von Papadams, wenn ich mir deinen Bauch so ansehe«, witzelte Leopold.

»Als ob Emma einen Bauch hätte!«, mischte sich Pia empört ein. »Ehrlich, Leo, du musst gerade reden!«

»Wo hab ich denn bitte einen Bauch?«, fragte Leopold empört. Er setzte sich sehr aufrecht hin und strich demonstrativ sein Hemd über seinem Oberkörper glatt. »Da – alles flach!« Er sah schwer beleidigt aus.

Gabriel schüttelte milde lächelnd den Kopf. »Ärgere ihn nicht, Schatz«, sagte er und legte Pia einen Arm um die Schulter. »Du weißt doch, wie empfindlich er ist, wenn es um seine Figur geht.«

Das wusste sogar ich. Leopold hatte in den letzten Jahren über zwanzig Kilo abgespeckt. Inzwischen rannte er fast täglich ins Fitnessstudio und ernährte sich konsequent Low Carb. Zucker – auch in Form von Nudeln, Reis, Kartoffeln, Obst, Alkohol und Brot – mied er wie der Teufel das Weihwasser. So viel Askese war mir reichlich suspekt. Trotzdem fand ich Pias Stichelei gemein.

»Mach dir keine Sorgen«, tröstete ich Leopold. »Dein Bauch ist absolut flach. Pia zieht dich nur auf.«

»Danke, Emma.« Er lächelte mir zu und schenkte mir einen seiner freundlichen Hundeblicke. »Ich hab dich übrigens auch nur aufgezogen. Du hast gar keinen Bauch. Du siehst richtig super aus! Ich mag übrigens deine neue Frisur!«

Meine neue Frisur? Welche Frisur? Ach ja, ich war letzte Woche beim Friseur gewesen und hatte mal wieder etliche Zentimeter meiner überschulterlangen braunen Haare abschneiden lassen. Wenn meine Haare zu lang waren, lag ich nachts ständig auf Haarsträhnen, und das nervte.

»Äh … danke.« Das mit Leopold wurde mir jetzt doch zu flirty. Schnell wandte ich mich ab und wechselte das Thema. »Und, wie lief es diese Woche in der Apotheke?«, fragte ich Pia.

Die grinste breit. »Hochzeitsfotos, Hochzeitsfotos, Hochzeitsfotos!«, sagte sie. »Sonja ist aus den Flitterwochen zurück. Sie bringt täglich neue Bilder mit und hält sie jedem unter die Nase, der sie sehen will. Oder auch nicht sehen will. Mittlerweile habe ich so viele Fotos von der Feier gesehen, dass ich langsam glaube, ich wäre dabei gewesen! Selbst Ariv wird nicht verschont. Gestern wurde er ganz blass, als Sonja aus der Mittagspause kam und rief: Der Hochzeitsfilm ist da!«

Gabriel und ich lachten.

Pia arbeitete in einer kleinen Apotheke in der Innenstadt, und ich kannte ihre beiden langjährigen Kolleginnen Sonja und Adriana recht gut. Wir waren schon öfter zusammen feiern gewesen oder hatten gemeinsam Veranstaltungen besucht. Nur Ariv, den neuen Apothekenleiter, der erst seit fünf Wochen im Team war, kannte ich noch nicht. Angeblich war er sehr nett, Pia mochte ihn viel lieber als ihre alte Chefin.

»Armer Ariv«, sagte ich. »Der Mann genießt mein Beileid. Sonja kann sehr … nun ja … überzeugend sein, wenn sie in Schwung ist.«

»Gnadenlos, das richtige Wort ist gnadenlos«, sagte Pia grinsend. »Nein. Spaß beiseite. Ich mag Sonja. Und ob du es glaubst oder nicht – ich habe mir auch ihre Hochzeitsfotos gern angeguckt. Ein Wahnsinns-Aufriss! Man kann sich das nur vorstellen, wenn man es in allen Details gesehen hat! Ich wusste gar nicht, dass man so opulent heiraten kann! Die Hochzeiten, auf denen ich bisher war, waren offenbar alle low budget. Alles war perfekt – sogar das Wetter. Keine Selbstverständlichkeit bei einer September-Hochzeit.«

»War es noch aufwendiger als bei deiner Großcousine?«, fragte ich interessiert.

Pia lachte. »Aber ja! Mir ist jetzt klar, dass Julia ein total bodenständiges, bescheidenes Fest gefeiert hat.«

»Bodenständig? Im Gegensatz zu den anderen Hochzeiten der letzten Jahre fand ich es ganz schön üppig«, sagte Gabriel. »Sie hat immerhin groß gefeiert. Den ganzen Gasthof gemietet, eure Riesen-Verwandtschaft eingeladen, überall waren Blumen, und die beiden hatten sich schwer in Schale geschmissen. Was will man denn noch?«

»Na ja«, sagte Pia. »Bei Sonja war alles ein paar Nummern größer. Sie hatte nach der standesamtlichen Trauung noch eine freie Zeremonie im Garten des Schlosshotels. Mit üppiger, weißer Blüten-Deko von dieser Edel-Floristin am Dom, mit einem Streichquartett von der Musikhochschule und mit einer Freiluft-Cocktailbar. Und sie hatte außerdem …« Pia grinste plötzlich. »… vier perfekt ausstaffierte Bilderbuch-Blumenmädchen über eine Agentur gebucht.«

»So etwas gibt es?«, warf Gabriel fassungslos ein.

Pia nickte. »Gefeiert haben sie dann im Schlosshotel. Über zweihundert Gäste. Alle in Schwarz-Weiß gekleidet. Nur Sonja trug ein opulentes, knallrotes Kleid. Nein, halt, ich korrigiere: Sie trug zwei knallrote Kleider. Ein total üppiges, langes Designer-Hochzeitskleid für die Trauungen und ein scharfes, kurzes Cocktailkleid für den Abend.«

»Klingt ja wahnsinnig!« Leopold schüttelte fassungslos den Kopf. »Das muss doch ein Vermögen gekostet haben!«

»Klar«, sagte Pia ungerührt. »Und ich bin noch nicht fertig. Es gab drei Profi-Fotografen und absolutes Fotoverbot für die Gäste! Bewahre, dass jemand ein hässliches Bild vom Brautpaar produziert! Ein Fotograf hat sich auf die Gäste konzentriert, einer hat den ganzen Tag das Brautpaar im Visier gehabt, ein dritter hat gefilmt. Ein Pianist hat während des Dinners gespielt, eine Band dann nach Mitternacht. Das Dinner hatte sieben Gänge, alle ebenfalls in Schwarz-Weiß. Nach Sonnenuntergang gab es ein Riesen-Feuerwerk. Und natürlich sind sie in einer weißen Limousine mit Chauffeur in die Flitterwochen gerauscht – und auf die Seychellen geflogen, wo sie vier Wochen lang in einem Luxus-Resort einen Bungalow mit eigenem Pool und Badesteg bewohnt haben. Hm, habe ich noch was vergessen?«

»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Haben sie ein paar Promis einfliegen lassen? Oder haben die Gäste irgendwelche absurden Ideen gehabt? Gab es von denen auch ein paar ausgefallene Aktionen?«

Pia schüttelte den Kopf. »Nein, Sonja und ihr Mann wollten das nicht. Stand schon in der Einladung: ›Von Spielen und anderen Beiträgen zu unserer Feier bitten wir abzusehen.‹ Sonja hatte wohl Angst, dass ihre durchgestylte Feier mit unprofessionell gespielten Sketchen zerstört werden könnte.«

»Klingt ziemlich egozentrisch und reichlich durchgeknallt, wenn du mich fragst.« Gabriel zog mein mittlerweile halb geschmolzenes Mango-Eis zu sich heran und aß noch einen Löffel. »Gut, dass Julia gleichzeitig geheiratet hat! Dafür musste ich mir wenigstens keinen neuen Anzug kaufen. Ich konnte einfach meinen blauen anziehen.«

Pia seufzte. »Im Nachhinein hätte ich den ganzen Zirkus schon gern gesehen«, gab sie zu. »Den Bildern nach war es absolut außergewöhnlich. Adriana kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus!«

»Wundert mich nicht«, sagte Gabriel und sah auf einmal aus, als hätte er in eine Zitronenscheibe gebissen. Adriana war nämlich nicht nur Pias Kollegin, sondern außerdem Gabriels Ex-Freundin. »Adriana hatte schon immer einen Hang zum Luxus. Ich schätze, dass sie sich ihre Hochzeit ähnlich vorstellt. Nur noch aufwendiger.«

Ich fand ja eigentlich, dass Gabriel Adriana dankbar sein sollte, schließlich hatte er Pia nur kennengelernt, weil Adriana mit ihm Schluss gemacht hatte.

Als Gabriel Adrianas Klamotten damals aus seiner Wohnung in die Apotheke gebracht hatte, hatte er dort zufällig Pia statt Adriana angetroffen. Pia hatte ihm seine Reisetasche abgenommen. Und da Gabriel ausgesehen hatte wie der lebendige Tod, hatte sie spontan ihre Mittagspause geopfert, um ihn zu trösten.

Am nächsten Tag hatten sie sich wieder zum Mittagessen verabredet. Und am darauffolgenden Tag wieder. Und schließlich hatte Gabriel Pia zum Abendessen eingeladen. Statt Gabriel weiterhin zu trösten, hatte Pia etwas ganz anderes mit ihm getan.

Seit jenem Abend waren Pia und Gabriel ein Paar.

»Adriana ist gar nicht so schlimm«, behauptete Pia jetzt. »Sie ist ein Hund, der gern bellt, aber nicht beißt. Sie fantasiert zwar von Luxus und Glamour und lungert ein bisschen zu häufig bei den Testern vom Kosmetikaufsteller herum, aber sie putzt auch ohne zu murren die Kundentoilette.«

»Denk, was du willst, ich glaube trotzdem, dass Adriana von einem Wahnsinns-Aufriss träumt, wenn es um ihre eigene Hochzeit geht«, beharrte Gabriel mit verkniffener Miene.

»Wahrscheinlich träumen viele Frauen von so einer Riesen-Hochzeit, oder?«, fragte Leopold.

»Überhaupt nicht«, sagte ich entschieden. »So ein Tag wäre der reinste Albtraum für mich! Den ganzen Tag im Mittelpunkt stehen, am besten noch in den unbequemsten Klamotten aller Zeiten? Nein, danke. Dafür bin ich einfach nicht geboren. Außerdem finde ich es total unromantisch.«

»Sehe ich auch so«, pflichtete mir Pia bei. »Ich stelle mir meine Hochzeit schlicht vor, ganz still. Eine standesamtliche Trauung, ein schönes Abendessen im kleinen Kreis, vielleicht am nächsten Tag ein Kaffeetrinken mit der näheren Verwandtschaft und anschließend ein paar romantische zweisame Tage im Gebirge. Ich brauche keine riesige Feier.«

»Kann man auch verstehen.« Leopold nickte. »Aber da seid ihr wahrscheinlich echte Ausnahmen. Die Sache mit der Riesen-Hochzeit, das scheint schon ein weit verbreiteter Frauen-Traum zu sein.«

»Du bist sexistisch, Leo!«, schimpfte Pia mit todernster Miene. »Ich bin mir sicher, dass die Black-and-White-Hochzeit nicht von Sonja, sondern von ihrem Gatten geplant worden ist.«

Leopold und Gabriel lachten auf, und auch ich musste schmunzeln.

»Eigentlich eine berechtigte Frage«, überlegte ich laut. »Sind an diesen Riesen-Hochzeiten immer nur die Bräute schuld? Oder gibt es auch Kerle, die sich ein Ja-Wort mit Glanz und Glamour wünschen?«

Pia sah Gabriel prüfend an und sagte: »Hetero-Kerle? Wohl nicht. Was diese Spezies betrifft, frage ich mich übrigens manchmal, ob die sich überhaupt Hochzeiten wünschen.«

Lag da etwa ein kleiner, bitterer Unterton in ihrer Stimme? Unwillkürlich hielt ich die Luft an.

Gabriel blickte auf. »Warum habe ich nur das Gefühl, dass du gerade über mich redest?«

»Tja, warum wohl?« Pia sah ihm direkt in die Augen.

Ich rutschte etwas tiefer in meinen Stuhl. Au Backe. Hoffentlich würden Leopold und ich nicht unfreiwillig Zeugen eines Beziehungsstreits werden. Hatte unser harmloses Geplänkel über Hochzeiten etwa wunde Punkte berührt, von denen ich nichts geahnt hatte?

Pia und Gabriel fixierten einander, und die Spannung am Tisch stieg.

»Ich wünsche mir durchaus eine Hochzeit«, verkündete Gabriel schließlich, und ein winziges Lächeln erschien in seinem Mundwinkel.

Ganz allmählich wurde auch Pias Gesichtsausdruck weicher.

Gabriel lächelte noch breiter. »Ehrlich gesagt denke ich seit Wochen darüber nach, dich zu fragen.«

Er räusperte sich, stand auf und kniete sich vor Pia auf den Boden. Mitten im Restaurant. »Also wie ist es, Pia – willst du meine Frau werden?«

»Klar!«, sagte Pia. Von einem Augenblick auf den anderen waren ihre Augen feucht geworden. »Natürlich will ich das!«

Schon lagen die beiden sich in den Armen, und rundum wurde applaudiert.

Selbstverständlich wurden Leopold und ich Trauzeuge und Trauzeugin. Und selbstverständlich blieben wir nach dieser sensationellen Szene noch sitzen und überlegten, wie die Hochzeit ablaufen sollte.

Gabriel schlug vor, einfach im Standesamt in der Innenstadt anzurufen, sich den nächsten freien Samstagstermin zu schnappen und danach hier, beim Inder, einen Tisch zu reservieren.

»Braut, Bräutigam, Trauzeuge, Trauzeugin. Ein angenehmer, kleiner Termin, ein schöner Abend – und schon sind wir verheiratet«, sagte er, küsste Pia auf die Wange und sah sehr zufrieden aus. »Stell dir das mal vor!«

So war Gabriel. Ich vermutete, dass er schon eine Mitarbeiterin des Standesamtes an der Strippe gehabt hätte, wenn dieses Gespräch zufällig in deren Sprechzeiten gefallen wäre. Er suchte immer nach direkten Lösungen und hielt sich ungern mit langen Diskussionen auf. Als Projektleiter in der IT musste er wohl so ticken.

Ob Gabriel wohl an seine Finanzen dachte, wenn er die Hochzeit noch jetzt, zum Jahresende, plante? War sein Antrag ganz rational gesteuert gewesen? Wollte er sich für die diesjährige Steuererklärung schnell noch die günstigen Konditionen eines verheirateten Mannes sichern? Aber nein! So wie er Pia anstrahlte, hatte er ihr den Antrag sicher nicht nur des Geldes wegen gemacht. Ich und meine Vorurteile. Warum sollte man nicht auch in den Wintermonaten aus Liebe heiraten dürfen?

Pia sah nicht ganz so zufrieden aus wie Gabriel. »Ich weiß nicht …«, sagte sie. »Sollen wir nicht wenigstens unsere Eltern und Geschwister und Opa Lutz mitnehmen? Die engste Familie?«

»Ich glaube, das solltet ihr. Deine Mutter wäre untröstlich, wenn du ohne sie heiraten würdest!«, stimmte ich zu.

»Wir können nicht Opa Lutz einladen, aber meine Großeltern außen vor lassen.« Jetzt sah auch Gabriel nicht mehr so zufrieden aus. »Und wenn meine Großeltern kommen, kommt garantiert Tante Line mit. Sie lässt Oma und Opa nirgendwo mehr allein hinfahren.«

»Na ja, das geht doch immer noch, oder?« Pia nickte aufmunternd. »Unsere Eltern, Großeltern, Tante Line, dazu deine Schwester mit ihrer Familie, mein Bruder, Emma, Leopold und vielleicht noch ein paar ausgewählte Freunde … Wie viele Personen wären wir dann? Ungefähr zwanzig, oder? Das wäre immer noch im Rahmen.«

»Ja, aber bei zwanzig Personen unterschiedlichen Alters könnt ihr nicht mehr gut hier feiern«, stellte ich fest. »Indisches Essen ist nichts für Kinder und Senioren. Im Alter verträgt man scharfes Essen doch gar nicht mehr.«

»Für meine Eltern ist das auch nichts«, sagte Gabriel. Inzwischen war seine Zufriedenheit ohne jeden Zweifel dahin. »Wir sollten lieber im Ratskeller reservieren, oder? Dann kriegt Opa Lutz sein Schnitzel, die Kinder meiner Schwester ihre Chicken-Crossies und meine Mutter ihren Fisch und einen ordentlichen Weißwein.«

»Und eine moderne Behindertentoilette gibt es dort auch«, ergänzte ich pflichteifrig. »Für Opa Lutz.« Ich wusste, dass Pias Mutter erleichtert sein würde, wenn sie sich nicht mit ihrem Vater in eine winzige Klokabine quetschen musste.

»Ich nehm dann auch den Fisch«, mischte sich Leopold fröhlich ein. »Bieten die im Ratskeller sogar als Low-Carb-Variante an. Schmeckt super, ich war neulich mit meinen Eltern da.«

»Ja dann …«, murmelte Pia und sah Gabriel unsicher an.

»Ja dann …«, murmelte auch Gabriel.

Glücklich wirkte keiner von beiden.

An dieser Stelle kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass die Sache mit dem Heiraten möglicherweise komplizierter werden könnte als angenommen. Es war erstaunlich, wie schnell wir von einer stillen, unkomplizierten Feier beim Inder zu einem Zwanzig-Personen-Familienevent im Ratskeller gekommen waren. War das wirklich nötig? Oder war uns ein Denkfehler unterlaufen? War es etwa meine Bemerkung über Senioren und indisches Essen gewesen, die die Planung der Feier in eine falsche Richtung gelenkt hatte?

Irgendwie fühlte ich mich als frischgebackene Trauzeugin plötzlich dazu verpflichtet, den unglücklichen Ausdruck von den Lippen des Paares zu nehmen. »Klärt doch erst mal die Terminfrage. Und dann finden wir bestimmt noch ein Restaurant, das genauso geeignet ist wie der Ratskeller und nicht ganz so dunkelbraun und rustikal rüberkommt«, sagte ich in dem munteren Ton, den ich auch unseren Beschäftigten gegenüber anschlug, wenn diese mal wieder das Gefühl hatten, dass sie ihr Leben nie ganz auf die Reihe bekommen würden.

Pia lächelte dankbar, ich lächelte zurück.

Und – schwupp! – verließ er zum ersten Mal meine Lippen, jener verhängnisvolle Satz, den ich in den nächsten Monaten im Zusammenhang mit der Hochzeit viel zu oft aussprechen würde. »Ich helfe euch gern!«

Kapitel 2

Pia ist meine älteste und engste Freundin.

Ihre Familie ist ein bisschen auch meine Familie, denn als ich gerade die zehnte Klasse begonnen hatte, verschwanden meine abenteuerlustigen Eltern mit ihrem Hab und Gut nach Griechenland, genauer gesagt in ein winziges, abgelegenes Örtchen auf Kreta. Sie hatten dort ein kleines Hotel am Strand gekauft und sich einen Traum erfüllt.

Natürlich wollten Mama und Papa, dass ich sie begleitete und die Schule dort beendete. Schließlich war ich erst fünfzehn.

Ich aber hatte mich gerade zum ersten Mal verliebt. In Marc. Und deshalb weigerte ich mich mit der vollen Kraft einer trotzigen, rebellischen Teenagerin, das Land zu verlassen.

Und zwar ausdauernd. Über Wochen.

Ich quengelte, jammerte und tobte und war mir sicher, dass ein Umzug nach Griechenland mein Leben zerstören würde. Ich heulte stundenlang. Ich verweigerte demonstrativ das Essen. Ich schloss mich in meinem Zimmer ein. Ich sagte, ich würde sie hassen, ich würde Griechenland hassen und ich würde Hotels hassen. Ich glaube, ich behauptete sogar, das Meer zu hassen.

Schließlich verlegte ich mich auf Drohungen. Ich drohte damit, abzuhauen, mich mit Marc irgendwo im Wald zu verstecken.

Und ich behauptete, wenn sie mich von Marc, der Schule und meinen Freundinnen trennen und nach Griechenland schleppen würden, würde ich mir dort die Pulsadern aufschneiden.

Als ich diesen letzten Satz hervorschleuderte, saßen wir gemeinsam beim Abendessen, und meine Eltern müssen schon ganz schön mürbe gewesen sein von einem wochenlangen Kampf gegen die wütende Tochter. Denn völlig überraschend knickte meine Mutter ein, seufzte tief und sagte den magischen Satz: »Gut. Dann bleibst du eben ohne uns hier! Aber nur, wenn du eine überzeugende Lösung für deine Unterbringung findest.«

Ich war begeistert. Einerseits. Denn – hey, ich durfte in Deutschland bleiben! Bei meinen Freundinnen, bei Marc. Aber da war auch ein großes Andererseits. Wo bitte sollte ich wohnen? Eine eigene Wohnung kam noch lange nicht infrage und Marcs Eltern mochte ich nicht besonders, denn sie waren sehr streng.

In den darauffolgenden Tagen sprach ich mit sämtlichen Schulkameradinnen wieder und wieder über dieses Problem. Alle guten Freundinnen fragten ihre Eltern, ob ich bei ihnen einziehen könnte. Wenig verwunderlich verneinten sämtliche Eltern.

Schließlich kam Pia eines Morgens freudestrahlend in die Schule kam und sagte: »Du kannst bei uns wohnen. Meine Mutter fände das gut, weil ich dann während ihrer Nachtschichten nicht mehr allein sein müsste.«

Ich war überglücklich. Marc war überglücklich. Und Pia war es auch. Zwar kannte ich Pias Mutter nicht allzu gut – wir hatten uns schon immer eher bei mir getroffen, weil ich näher bei der Schule wohnte –, aber ich mochte sie. Jutta hatte warme braune Augen, lebhafte Lachfalten und immer einen netten Satz auf den Lippen, wenn sie mich sah. Pias Vater hatte die Familie verlassen, als Pia noch sehr klein gewesen war. Er war angeblich ein attraktiver Chirurg mit wenig Familiensinn, einem ausgeprägten Alkoholproblem und einem Wanderpimmel, der inzwischen in Süddeutschland lebte. Weder Jutta noch ihre Kinder vermissten ihn sonderlich.

So kam es, dass ich wenig später tatsächlich zu Pia zog, das neuerdings leer stehende Zimmer ihres studierenden Bruders mit Beschlag belegte und auf einmal eine weitere Familie hatte.

Die Sache mit Marc war schnell vorbei. Und natürlich hatten meine Mutter und Jutta damals geplant, mich nach Griechenland zu schicken, sobald unsere »Beziehung« beendet wäre.

Aber schon in den ersten Monaten, die ich bei Pia verbrachte, verschmolzen Jutta, Pia und ich zu einer so glücklichen, wohl funktionierenden Einheit, dass keiner von uns sich eine Trennung vorstellen mochte.

Wir unternahmen viel zusammen, kochten gemeinsam und spielten abends Brettspiele. Wir gingen ins Kino und ins Theater. Wir belegten einen Griechisch-Kurs an der VHS und hörten uns gegenseitig Vokabeln ab. Und an vielen Wochenenden kam Tim nach Hause, ich räumte sein Zimmer und zog zu Pia auf die Gästecouch und wir alle amüsierten uns noch mehr. Denn Tim war genauso lustig und unkompliziert wie Jutta und akzeptierte mich von Anfang an als neues Familienmitglied.

Immer seltener war die Rede von meinem Umzug nach Griechenland.

Ich vermisste meine Eltern, aber von unseren täglichen Telefonaten her wusste ich, dass sie praktisch rund um die Uhr arbeiteten. Außerdem lag das Hotel meiner Eltern im Nichts, und eine einigermaßen gute, internationale Schule war fast zwei Stunden Fahrzeit entfernt. Ein Internat, in dem ich von montags bis freitags schlief, wäre in Griechenland die einzige Lösung für mich.

Weihnachten verbrachte ich schließlich dort, bei meinen Eltern im kleinen Strandhotel. Und so schön es war, die beiden zu sehen, so idyllisch das Hotel auch lag: Ich hatte fast jede Minute Heimweh nach Deutschland, nach Jutta und Pia und unserem lustigen, harmonischen Alltag.

Erst nach dem Abi verbrachte ich ein Jahr bei meinen Eltern und arbeitete im Hotel mit. Nach diesem Jahr war endgültig klar, dass ihr Traum nicht meiner war. Ich machte gern Urlaub am Mittelmeer, ich fand es herrlich, im heißen Sommer in einen kühlen Pool zu springen. Aber ich kümmerte mich nicht gern um anspruchsvolle, vorzugsweise grauhaarige Touristen, die die unmöglichsten Wünsche in den unangemessensten Tonfällen äußerten.

Und ich vermisste Deutschland! Die breiten Straßen, die imposanten, alten Laubwälder, das Vollkornbrot, die vertraute Sprache … Einfach alles. Nach diesem Jahr wusste ich, dass ich in Deutschland leben und arbeiten wollte. Und nirgendwo sonst.

Ich hatte mich also in meiner Heimatstadt für Sozialpädagogik eingeschrieben, mit großem Interesse studiert und schon während des Anerkennungsjahrs mit psychisch kranken Menschen gearbeitet. Seit einigen Jahren war ich im Sozialen Dienst einer größeren Einrichtung beschäftigt, die mehrere Werkstätten für Menschen mit Behinderung betrieb.

Heute besuchte ich meine Eltern zwei- bis viermal im Jahr für einige Tage, verbrachte fast jedes zweite Wochenende gemeinsam mit Pia bei Jutta und freute mich insgesamt darüber, so viel nette Familie in meinem Leben zu haben: nämlich einen Vater und eine Mutter in Griechenland. Und eine Freundin-Mutter und eine Freundin-Schwester in Deutschland. Und ab und zu, wenn Tim mal nach Hause kam, hatte ich sogar eine Art Bruder.

Aber zurück zu jenem Abend beim Inder.

Gabriel und Pia wirkten nach dem Antrag so verliebt, wie ich sie lange nicht mehr erlebt hatte. Ständig lächelten sie sich an und tauschten Blicke. Einige Male hatte ich sogar beobachtet, wie sie sich unter dem Tisch kurz an den Händen fassten, ein ganz und gar untypisches Verhalten für die beiden. Normalerweise gingen sie eher freundschaftlich miteinander um, sodass viele Leute gar nicht auf die Idee kamen, die beiden könnten ein Paar sein.

Wir trennten uns gegen Mitternacht. Gabriel und Pia schwangen sich auf ihre Räder und verschwanden fröhlich quatschend in die Nacht. Leopold und ich blieben vor dem Restaurant zurück.

»Soll ich dich nach Hause fahren?«, fragte er. »Ich parke um die Ecke an der Stadtmauer.«

Ich wohnte seit einigen Jahren am Stadtrand – dort bekam ich einfach mehr Wohnung für mein Geld – und war deshalb mit dem Bus gekommen. Ich gähnte herzhaft. »Das wäre toll! Wenn es dir wirklich nichts ausmacht …«

Normalerweise ließ ich mich nicht von Leopold durch die Nacht kutschieren. Aber heute Abend fand ich es praktisch. Schließlich waren wir beide jetzt Trauzeugen und mussten nette kleine Pläne schmieden, damit sich Gabriel und Pia später gern an ihre Hochzeit erinnern würden.

Leopold führte mich zu seinem nagelneuen, silbernen Golf, auf dem ich nicht den leisesten Anflug von Dreck entdecken konnte. Ich kannte den Wagen noch nicht, er musste neu sein. Passte aber zu ihm, fand ich. Mit einem coolen Oldtimer oder einem unvernünftigen Sportwagen hätte er mich regelrecht schockiert. Wir stiegen ein, und ein typischer Neuwagen-Geruch umfing mich.

»Ich habe keine Ahnung, was man als Trauzeuge so macht«, stellte Leopold fest, während er das Auto aus der Parklücke lenkte. »Wird von uns noch mehr verlangt, als eine Unterschrift unter die Heiratsurkunde zu setzen? Müssen wir uns Spiele ausdenken, oder erwarten Gabriel und Pia, dass wir bei der Organisation helfen? Wenn ich an die Hochzeit meines Kumpels neulich denke, kann so etwas ganz schön ausarten. War zwar eine tolle Party, aber ich bin im Moment beruflich sehr eingespannt, für so etwas habe ich überhaupt keinen Kopf.«

»Mach dir keine Sorgen«, beruhigte ich ihn. »Du hast die beiden doch gehört. Das wird eine ganz kleine, gemütliche Feier. Ich helfe Pia dabei, ein nettes Restaurant zu finden, in dem sich alle wohlfühlen. Eins mit Spielecke und Behindertentoilette. Dann wird dort ein schönes Essen bestellt, und du und ich, wir überlegen uns kurz vor der Hochzeit noch ein paar Kleinigkeiten für das Brautpaar. Vielleicht können wir gemeinsam die Hochzeitstorte backen, das hat eine Bekannte von mir für ihre Braut gemacht, als sie Trauzeugin war. Fand ich schön!«

»Kannst du so was denn?«, fragte Leopold erstaunt. »Ich persönlich hab in der Küche ja zwei linke Hände.«

»Es kommt doch auf die Geste an«, behauptete ich.

In der Tat hatte ich noch nie eine mehrstöckige Torte gebacken, aber mein Apfelkuchen gelang immer gut, es war also nicht so, dass ich eine blutige Anfängerin gewesen wäre.

»Irgendetwas werden wir schon produzieren. Pia braucht bestimmt keine perfekte Torte! Aber vielleicht haben ja auch die anderen Gäste noch Ideen. Auf den ganzen Klimbim, den man heutzutage in Hollywoodfilmen sieht, haben auf jeden Fall weder Pia noch Gabriel Lust. Ich schätze, dass Pia sich nicht mal ein weißes Kleid kauft.«

»Wäre schön, wenn du recht hättest. So klingt das ziemlich stressfrei«, sagte Leopold und hielt an einer Ampel, die gerade rot wurde. Ich wäre noch schnell drüber gewischt, wenn ich am Steuer gesessen hätte. Aber Leopold fuhr ebenso Auto, wie er sein sonstiges Leben lebte. Äußerst ruhig, gleichmäßig und diszipliniert.

Wieder gähnte ich. »Schade, dass ich nicht weiter weg wohne«, murmelte ich und ließ meine Augenlider testweise nach unten sacken. »Ich könnte mich ewig so durch die Nacht fahren lassen.«

»Ich finde es auch sehr gemütlich«, stimmte Leopold zu. »Du bist eine sehr angenehme Beifahrerin.«

Das sagte er nur, weil ich seinen Opa-Fahrstil nicht kommentierte, dachte ich und schloss die Augen noch ein wenig fester. Sehr schön. Urgemütlich. Ich gähnte noch einmal.

»Soll ich dich noch ein bisschen weiterfahren? Einfach so?«, bot Leopold aus weiter Ferne an. »Mache ich gerne. Ich fand es früher auch immer so kuschelig, wenn meine Eltern nachts mit mir unterwegs waren.«

Etwas in seiner Stimme ließ irgendwo in meinem Inneren eine Alarmglocke schrillen. Seine tiefe Stimme klang fast zärtlich, oder? Sollte ich mich wirklich von ihm durch die Nacht kutschieren lassen. Nein, Emma, pfui, natürlich nicht! Wer weiß, welche Rechte er daraus ableiten würde. Oder – schlimmer – welche Pflichten ich daraus ableiten würde. Am Ende gab ich ihm noch einen Gute-Nacht-Kuss, wenn er zum Abschied diesen putzigen Leopold-typischen Welpenblick aufsetzte. Und wenn Pia und Gabriel davon erfahren würden, könnte ich gleich eine Doppelhochzeit planen.

Bedauernd riss ich die Augen auf und kämpfte mich zurück in den Wachzustand. »Danke, Leopold«, murmelte ich. »Ein nettes Angebot, aber ich glaube, ich möchte direkt ins Bett. Und schlafen«, setzte ich sicherheitshalber hinterher. Nicht, dass er noch auf dumme Gedanken kam.

Wenig später stand ich wie gewünscht allein in meiner Wohnung und fühlte mich schlagartig wieder hellwach. Da hatte ich mir vielleicht was eingebrockt! Darüber, dass ich in den nächsten Monaten automatisch Zeit mit Leopold verbringen würde, hatte ich gar nicht nachgedacht, als ich das Trauzeuginnen-Amt angenommen hatte. Wenn das mal gut ging.

Es lag leider auf der Hand, dass es für uns alle unheimlich praktisch gewesen wäre, wenn es zwischen Leopold und mir gefunkt hätte. Schließlich waren wir beide Singles und eng mit Gabriel und Pia befreundet.

Dummerweise stand ich nicht auf Leopold. Er war mir ein bisschen zu brav. Zu konservativ. Er trug eine randlose Brille, Karohemden und gebügelte Stoffhosen. Und in meinem Kopf würde er wohl immer etwas unsicher und mondgesichtig bleiben, auch wenn er jetzt, dank der Kombination aus viel Sport und strenger Diät, objektiv betrachtet ziemlich gut aussah und viel selbstsicherer wirkte als früher.

Außerdem mochte ich seine Freundlichkeit, seine warmen braunen Augen und seine hübschen, langgliedrigen Hände.

Ich seufzte. Heute Abend hatte ich wieder mal den Eindruck gewonnen, dass Leopold sich mehr zwischen uns beiden vorstellen konnte. Und ich fand ihn definitiv nicht langweilig genug, um mir meiner selbst ganz sicher zu sein.

In der jüngeren Vergangenheit hatte leider schon einmal ein fataler kleiner Sympathiefunke gereicht, um mich in eine Beziehung zu treiben. Meinen Ex und Kollegen, Holger, hätte ich nämlich nie in Betracht gezogen, wenn er mich nicht plötzlich so hartnäckig in Betracht gezogen hätte. Er redete nahezu ausschließlich von Fußball und PC-Spielen und hielt lesen für Zeitverschwendung. Außerdem war er einen halben Kopf kleiner als ich, vier Jahre jünger und rothaarig. Nichts davon entsprach meinem Beuteschema.

Nach der vorletzten Weihnachtsfeier waren wir trotzdem auf einmal ein Paar gewesen, was mich in der ersten Zeit nicht nur überrascht, sondern manchmal geradezu schockiert hatte.

Er hatte mich zu später Stunde im Besprechungsraum mit überwältigender Leidenschaft geküsst und gestammelt, dass er mir mit jeder Faser seines Körpers verfallen wäre. Wie hätte ich denn da bitte seine Träume zerschlagen sollen? Ich hatte mich widerstandslos küssen lassen. Immerhin stand Weihnachten, das Fest der Liebe, vor der Tür, da stieß man niemanden unnötig vor den Kopf. Also sagte ich, dass ich ihn ebenfalls sehr nett fände. Zumal der Kuss mich wirklich nicht ganz kalt gelassen hatte.

Und so taumelte ich einige Monate ziemlich verdattert an Holgers Seite durchs Leben. Und war nicht mal sonderlich unglücklich dabei, denn Holger liebte mich heiß und innig und gab sich auf wirklich jedem Gebiet unendliche Mühe, mich glücklich zu machen.

Immerhin: Dadurch, dass wir Kollegen waren, hatten wir immer genug Gesprächsstoff. Holger arbeitete als sogenannte Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung im Arbeitsbereich Holz. Er wusste genau, mit welchen Problemen sich unsere Beschäftigten manchmal quälten, und hörte mir nach Feierabend geduldig zu, wenn ich über besonders belastende Fälle sprechen wollte.

Erst als Holger immer öfter von einer gemeinsamen Wohnung redete, merkte ich, auf was für einen grauenvollen Irrweg ich mich begeben hatte. An einem furchtbaren, regnerischen Juninachmittag brach ich ihm im Café am Stadtpark das Herz. Seitdem trafen mich in den Fluren unserer Einrichtung regelmäßig verletzte Blicke aus wasserblauen Augen. Und selbstverständlich redeten wir nur noch das Nötigste. Immer, wenn ich Holger auch nur von Weitem sah, fühlte ich mich schlecht.

So etwas, das hatte ich mir geschworen, würde mir nie wieder passieren! Ich würde nie wieder in eine Beziehung geraten, die ich eigentlich gar nicht wollte! Und schon gar nicht in eine Beziehung mit Leopold! Ich musste in der nächsten Zeit auf der Hut sein und ihn immer schön auf Distanz halten. Wenn Leopold gar nicht erst darauf kam, dass ich an ihm interessiert sein könnte, waren wir beide in Sicherheit.

Kapitel 3

Gabriel und Leopold waren in der folgenden Woche für ein Projekt in Barcelona, sodass Pia und ich uns zunächst ohne die Männer auf die Suche nach einem geeigneten Restaurant machen wollten.

»Gabriel ist sowieso mit allem einverstanden«, hatte Pia am Telefon behauptet.

Pia hatte bereits mit dem Standesamt in der Innenstadt telefoniert. Im Winterhalbjahr konnte man ihr etliche Hochzeitstermine anbieten, sogar an vielen Samstagen war noch etwas frei. Man hatte ihr geraten, sich zunächst um ein Restaurant zu kümmern. Besonders, wenn die Hochzeit noch in diesem Jahr stattfinden sollte und folglich in die Zeit der Weihnachtsfeiern fiel.

Ich holte Pia nach der Arbeit in der Apotheke in der Innenstadt ab, damit wir zusammen zu ihr gehen und dort in Ruhe nach einem schönen Restaurant suchen konnten. Pia begrüßte mich kurz und verschwand dann in die hinteren Räume, um sich umzuziehen.

Währenddessen hing ich am Tresen herum und unterhielt mich mit Adriana. Sie schien ohnehin gerade nichts zu tun zu haben, denn sie sah sich auf ihrem Handy ein Video an.

»Wollt ihr shoppen gehen?«, erkundigte sich Adriana, legte ihr Handy weg und strich sich mit einem pink lackierten Fingernagel eine ihrer langen hellblonden Strähnen hinter das Ohr. »Falls ja, dann geht unbedingt zu Hartmann. Die haben gerade tolle Cocktailkleider reduziert. Die nächste Hochzeit kommt bestimmt, nicht wahr? Irgendwie sind um mich herum gerade alle im Hochzeitsfieber.«

Ich nickte vorsichtig. Hatte Pia es ihr etwa doch schon erzählt? Eigentlich hatten wir doch vereinbart, niemandem in die Hochzeitspläne einzuweihen, bevor die Gästeliste feststand.

»Obwohl ich nie gedacht hätte«, Adriana senkte die Stimme, »dass ausgerechnet sie«, sie machte eine Kopfbewegung Richtung Hinterzimmer, »vor mir heiratet. Ich weiß genau, dass sie vor ein paar Monaten noch behauptet hat, sie fände heiraten überflüssig!«

»Na ja«, versuchte ich, Pia zu verteidigen, »Pia hat wahrscheinlich nur gemeint, dass sie riesige Traum-Hochzeiten nicht unbedingt braucht. Vom Heiraten generell hat sie, soweit ich weiß, schon immer viel gehalten.«

»Pia? Wieso Pia?« Es raschelte laut. Adriana hatte vor Überraschung eine etwas zu ausladende Bewegung mit ihrem Arm gemacht und einige Traubenzuckerschachteln vom Tresen geschubst. »Ich hatte eigentlich von Sonja gesprochen. Pia heiratet?«

Mist! So ein Mist! Sonja war also auch da? Was sollte ich jetzt sagen? »Äh …« Ich lachte verlegen. »Nein, also… Wie kommst du denn jetzt darauf?«

Adrianas Augen funkelten. »Du hast es mir gerade quasi gesagt. Also?« Das klang fast wütend. Warum eigentlich? Weil keiner sie eingeweiht hatte?

Wieder probierte ich ein Lachen. »Am besten fragst du Pia einfach selbst«, sagte ich, darum bemüht, zu retten, was noch zu retten war.

Wie aufs Stichwort erschien Pia wieder im Verkaufsraum. »Was fragt sie mich selbst?«, erkundigte sie sich. »Warum guckt ihr beide so schief?«

Adriana drehte sich mit verschränkten Armen zu Pia um. »Du heiratest?«, fragte sie. »Echt jetzt?«

Kurz sah Pia geschockt aus, aber dann wurde ihr Gesicht auf einmal weich. »Ach, Adi, sei mir nicht böse«, schmeichelte sie. »Ich hab noch nichts gesagt, weil ich es selbst erst seit ein paar Tagen weiß. Wir wissen noch gar nichts. Nicht, wann wir feiern, nicht, wo wir feiern …«

»Aber du heiratest?«

Pia nickte.

»Gabriel?«, frage Adriana überflüssigerweise, und Pia nickte abermals.

In Adrianas Augen flackerte etwas Undefinierbares auf, aber das war so schnell verschwunden, dass ich es mir vielleicht auch eingebildet hatte. »Ja dann«, ein echt wirkendes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, und schon hatte sie ihre Arme um Pia geworfen. »Herzlichen Glückwunsch, Süße! Sieht so aus, als wäre ich bald die letzte Junggesellin in dieser Apotheke.«

Während sich Pia und Adriana noch in den Armen lagen, tauchte auch Sonja auf, dicht gefolgt von einem großen, dunklen Typen, der etwas älter als Pia und ich, vielleicht Ende dreißig, sein mochte und als Einziger in der Apotheke einen weißen Kittel trug. Ariv, folgerte ich messerscharf. Der neue Apothekenleiter. Sah nett aus. Mit den kleinen Lachfältchen um die Augen war er mir auf Anhieb sympathisch.

Es gab ein großes Hallo, als Adriana den anderen die frohe Botschaft überbrachte. Natürlich musste auch Sonja Pia kräftig durchknuddeln, und selbst Ariv gratulierte mit einer kurzen Umarmung. Dann musste ich natürlich Sonja umarmen und ihr zu ihrer Hochzeit gratulieren, weil ich sie seit ihrer Hochzeit noch nicht gesehen hatte.

Und erst als all diese Umarmungen abgearbeitet waren und Adrianas und Sonjas aufgeregtes Kieksen wieder auf Zimmerlautstärke zurückgegangen war, gab ich Ariv die Hand und sagte: »Hallo, wir kennen uns noch nicht, ich bin Pias Trauzeugin. Emma.«

»Ariv. Nett, dich kennenzulernen.«

Sein Händedruck war angenehm.

»Es gibt traumhafte Hochzeits-Locations in der Gegend«, schwärmte Adriana. »Habt ihr euch das Gut Schwanensee schon angeguckt? Oder Schloss Schönstein? Dahin fährt man auch nur eine halbe Stunde von hier aus.«

»Es soll eine ganz kleine Hochzeit werden«, wiegelte Pia hastig ab. »Nur die Familie und die Trauzeugen. Eine standesamtliche Trauung, ein nettes Essen. Fertig.«

»Das wird bestimmt schön«, sagte Ariv. Er nickte Pia noch einmal zu und ging auf eine Kundin zu, die gerade mühsam mit ihrem Rollator die Apotheke betreten hatte. Ihr runzeliges Gesicht leuchtete bei Arivs Anblick geradezu auf.

Pia kicherte. »Das ist Frau Vogel«, raunte sie mir leise zu. »Die lässt sich garantiert wieder von Ariv den Blutdruck messen. Seit er hier ist, kommt sie fast täglich rein und hat angeblich irgendwas. Aber sie kauft immer nur Traubenzucker. Ariv hat eine Engelsgeduld mit solchen Kundinnen.«

Pia lag bestimmt richtig, ich sah, wie Ariv mit der betagten Kundin im halboffenen Beratungsraum verschwand. Ich lächelte. Nett von ihm, dass er in Frau Vogels Fall auch die vorgeschobenen Wehwehchen ernst nahm.

Adrianas Züge hingegen verhärteten sich. »Stopp, zurück zu deiner Hochzeit«, forderte sie. »Du willst wirklich nur deine Familie dabeihaben? Und was ist mit guten Freunden oder mit uns Kollegen? Dürfen wir wenigstens zur Trauung kommen?«

»Genau«, schloss sich Sonja an. »Wenn du heiratest, möchte ich schon gern zugucken! Ich hatte dich schließlich auch eingeladen. Nicht meine Schuld, dass du abgesagt hast.«

Pia warf mir einen hilfesuchenden Blick zu. Ich zuckte die Schultern. Woher sollte ich die Antwort auf diese Fragen kennen? »Ich bin nur die Trauzeugin«, murmelte ich.

»Natürlich will ich euch dabeihaben!«, schoss es aus Pia hervor. »Natürlich laden wir unsere besten Freunde und Kollegen ein! So klein soll die Feier nun auch nicht werden.«

Schon lächelte Adriana wieder zufrieden. »Gut«, schnurrte sie. »Einen Moment lang war ich fast schon beleidigt.«

»Was meinst du denn, wie viele Gäste werden es?«, erkundigte sich Sonja.

»Na ja, so um die fünfzig bestimmt«, hörte ich Pia sagen.

Fünfzig, dachte ich schockiert. Wolltest du nicht eigentlich zu viert heiraten?

»Fünfzig? Wie nett! Eine Freundin von mir heiratet auch ganz klein«, erzählte Sonja. »Aber ihr Holder will das unbedingt noch in diesem Jahr über die Bühne bringen. Wegen der Steuer. Ich persönlich würde das nicht mitmachen. Schließlich heiratet man nur einmal, wenn alles gut geht! Da will man doch keine armselige Winterhochzeit feiern! Fotos, auf denen die Braut blaue Lippen hat vor lauter Kälte, braucht kein Mensch. Ich fand meine Septemberhochzeit schon grenzwertig. Man stelle sich vor, wenn es geregnet hätte!«

»Na ja, eine Hochzeit besteht ja nicht nur aus Fotos …«, wandte ich ein.

»Aber zu einem großen Teil!« Sonja fiel mir recht aggressiv ins Wort. »Das kann man doch wohl nicht leugnen.«

Deine Hochzeit bestand praktisch nur aus Fotos, dachte ich im Stillen. Woran hast du an dem Tag eigentlich am meisten gedacht? An deinen Bräutigam? An die Gäste? Oder doch an Instagram?

»Wann soll die Party denn nun stattfinden?«, fragte Adriana. »Wie gesagt, bei Hartmann sind gerade tolle Cocktailkleider reduziert, die ganze Sommerkollektion, da könnte man sich gleich eindecken. Es sei denn, ihr wollt auch noch in diesem Jahr heiraten, und ich brauche ein langärmeliges Kleid.« Sie verdrehte lachend die Augen in Pias Richtung, so, als wäre der Gedanke ganz und gar abwegig.

»Natürlich nicht«, sagte Pia entschieden. Sie warf mir einen winzigen Blick zu, der vermutlich eine Entschuldigung für ihren nächsten Satz sein sollte. Denn für mich total überraschend sagte sie: »Wir heiraten ganz klassisch im Sommer.«

»Herzlichen Glückwunsch«, sagte ich etwas sarkastisch, als wir endlich Adrianas und Sonjas Fängen entkommen waren und die Einkaufsstraße entlanggingen. »Du hast dich gerade um Kopf und Kragen geredet! Was glaubst du, was Gabriel zu deinen neuen Plänen sagen wird?«

»Er wird sicher nicht begeistert sein.« Pia seufzte. »Es war nur… Auf einmal kamen mir unsere Pläne so armselig vor. Ich meine… Du und ich und Gabriel, wir mögen eine winzige, private Hochzeit romantisch finden. Aber für Adriana und Sonja drückt sich die Qualität einer Beziehung darin aus, wie pompös die Hochzeit gefeiert wird. Und ich wette, dass es viele gibt, die so denken. Nicht umsonst enden so viele Liebesfilme mit pompösen Hochzeiten, oder? Eben ist mir klargeworden, dass ich es nicht ertragen könnte, wenn sich die Leute über meine Hochzeit das Maul zerreißen würden.«

»Die Leute im Allgemeinen? Oder Sonja und Adriana im Besonderen?«, hakte ich nach.

»Beides, um ehrlich zu sein.« Pia seufzte. »Gerade Adriana gegenüber habe ich es manchmal ein bisschen nötig, so doof das auch ist.«

Ich verstand sie irgendwie. Adriana war immerhin Gabriels Ex, und auch wenn Pia sie mochte und gern mit ihr zusammenarbeitete, blieb da eine unterschwellige Konkurrenz. Dass Adriana auch noch eindeutig das war, was meine Oma früher immer eine »Sexbombe« genannt hatte – höchst attraktiv, höchst extrovertiert, sehr kurvig und sehr blond –, machte die Sache für Pia nicht leichter.

»Ging es eben wirklich nur um Adriana?«, hakte ich nach. »Du hast dich doch normalerweise ihr gegenüber gut im Griff. Und du bist verdächtig schnell eingeknickt.«

»Vielleicht habe ich durch Sonjas und Adrianas Gerede unsere Hochzeitspläne auch nur mit den Augen anderer gesehen. Und auf einmal fand ich das alles selbst schäbig. Eine November-Hochzeit sieht doch immer irgendwie nach Steuern sparen aus, nicht? Und natürlich ist es viel schöner, auch noch ein paar Freunde einzuladen und bei mildem Mai- oder Juniwetter eine richtige Party zu feiern.«

»Wenn du das möchtest …«, sagte ich vorsichtig. »Natürlich sind Sommerpartys meistens schöner, da gebe ich dir recht.«

»Und vielleicht …« Pia hüstelte und sah zu mir herüber. »Vielleicht möchte ich doch ein weißes Kleid? Ich meine, ich habe vor, nur ein einziges Mal in meinem Leben zu heiraten. Sollte es da nicht irgendwie doch … ein besonderer Tag werden?«

»Wird es nicht sowieso ein besonderer Tag durch die Zeremonie? Durch den schlichten Umstand, dass Gabriel und du offiziell eine Familie werdet?«

»Ach, ich weiß nicht. Vielleicht. Es ist etwas anderes, von einer stillen Zeremonie zu fantasieren, als das dann wirklich durchzuziehen.« Pia schnitt mir eine Grimasse und richtete ihren Blick zurück Richtung Straße.

Wir gingen eine Weile schweigend weiter. Schließlich tauchten die riesigen Schaufenster von Hartmann auf, dem größten Modekaufhaus der Stadt. Wie Adriana gesagt hatte, klebten überall auf den Schaufensterscheiben große rote Sale-Schilder.

In den beiden hinteren Fenstern waren tatsächlich Cocktailkleider ausgestellt. Glänzende, glitzernde Satin- und Chiffon-Gebilde, von denen ich bislang immer gedacht hatte, sie hätten nichts mit mir zu tun. Oder mit Pia.

»Hochzeitskleider haben die hier nicht, oder?«, sagte Pia plötzlich. »Ich meine … Wir könnten ja wenigstens mal gucken. Wenn ich an meinem Hochzeitstag kein Kleid anziehe, wann dann?«

Sie zog es also ernsthaft in Erwägung. Meine Freundin Pia, die ich seit einer Ewigkeit zu kennen glaubte, erwog ernsthaft, an ihrem Hochzeitstag ein weißes Kleid zu tragen. Nachdem sie sich jahrelang über unpraktische, übertriebene Outfits lustig gemacht hatte. Nachdem sie standhaft zu jedem festlichen Anlass ihre »gute schwarze Hose« und ihre hellgraue »Sonntagsbluse« übergeworfen hatte.

Was würde als Nächstes passieren? Unterhielten wir uns in Kürze über Hochsteckfrisuren und professionelles Make-up? Ausgerechnet wir, die wir weder Lippenstifte noch ein Glätteisen besaßen?

Und falls Pia in voller Montur antreten würde – bedeutete das, dass auch ich als Trauzeugin ein elegantes Kleid tragen musste? Ich hasste Kleider! Nicht nur, weil sie nicht zu mir passten, sondern vor allem, weil man zu Kleidern grundsätzlich sehr unbequeme Schuhe tragen musste.

Aber Pia war die Braut. Und es war mein Job, gemeinsam mit ihr ihre Hochzeit exakt so zu planen, wie sie es sich wünschte. Und wenn es dabei ein paar Kröten zu schlucken galt – bitte schön, ich würde sie schlucken. Und ihren Jubeltag notfalls mit schmerzenden Füßen durchstehen. Denn das war es, was ich unter wahrer Freundschaft verstand.

Ich unterdrückte also jedes Seufzen und jede kritische Bemerkung, die mir auf der Zunge lag, und sagte mit größtmöglicher Begeisterung: »Du hast recht! Wir können wenigstens mal kurz reingehen und gucken.«

In der Kleiderabteilung hingen zwar Cocktail- und Abendkleider in allen Formen und Farben, aber Hochzeitskleider waren nicht dabei. Das Seltsame war, dass Pia das »schade« fand. Mich beschlich die dumpfe Ahnung, dass ich irgendwann in naher Zukunft mit ihr im Brautmodengeschäft stehen und immer wieder »Wunderschön!« hauchen würde. Hm. Eine seltsame, eine überaus seltsame Vorstellung!

Noch seltsamer fand ich, dass Pia auf einmal vor den langen Abendkleidern stand und sie sich Stück für Stück ansah. »So was in weiß könnte ich mir schon vorstellen«, sagte sie und hielt mit ein langes, leuchtend blaues Kleid entgegen, dessen Oberteil aus irgendwie drapierten Stoffbahnen bestand. »Lang, schlicht, ohne viel Firlefanz. Was meinst du?«

Immerhin: Weder glitzerte noch glänzte das Kleid. Ein beruhigender Anfang. Vielleicht konnte Pia zu so einem Kleid sogar ihre normale Frisur – schulterlange rotblonde Locken – und ihr normales Gesicht – leuchtend hellbraune Augen, unzählige Sommersprossen und lustige Wangengrübchen – tragen. »Doch, doch«, sagte ich. »So etwas ginge.«

Das war nicht gelogen. Immerhin konnte ich mir vorstellen, dass Pia in dem Kleid, das sie mir hinhielt, nicht total verkleidet wirken würde. Im Gegensatz zu mir. Die Farbe wäre zu meinen dunkelblauen Augen und mittelbraunen, glatten Haaren zwar okay, aber ich war etwas größer und etwas kräftiger gebaut als Pia – ein schulterfreies Kleid würde bei meinem üppigen Dekolleté unmöglich aussehen.

»Ich weiß nicht.« Pia hängte das Kleid zurück. »Ich muss leider zugeben: Seit ich Sonjas Fotos gesehen habe, frage ich mich, ob ein bisschen Glamour nicht doch zu einer Hochzeit dazugehört. Und ob ich nicht auch mal für einen Tag total aufgebrezelt aussehen möchte. Nicht ganz so … hm … puppenartig wie Sonja vielleicht, aber einfach mal … richtig weiblich. Oder richtig schick, nenn es, wie du willst. So eine Hochzeit ist vielleicht die Gelegenheit, mal eine neue Seite an sich zu entdecken. Und immerhin wäre das Kleid ja lang, da müsste ich meine Beine nicht zeigen.«

Aus irgendeinem Grund lösten ihre Worte ein unangenehmes Zucken in meiner Magengegend aus. Wahrscheinlich ahnte ich allmählich, dass eine unbekannte Macht von meiner Freundin Besitz ergriff. Eine Art Hochzeits-Virus.

»Wenn du dir das vorstellen kannst, solltest du das unbedingt ausprobieren«, sagte ich vorsichtig. »Vielleicht macht dir die Kleidersuche ja sogar Spaß.«

»Und dir?« Pia grinste.

Ich verzog das Gesicht. »Ich find’s bestimmt nicht ganz so schlimm, wie ich momentan befürchte.«

Vielleicht konnte ich das Ganze wie eine Karnevalsparty betrachten? Eine, bei der sich Pia als Braut und ich mich als Figur aus Sex and the City verkleiden würde? Nicht, dass ich die Serie je gesehen hätte, aber ich kannte die Filmplakate.

Plötzlich fiel mir auf, dass Pia nicht mehr grinste. Stattdessen musterte sie gespannt mein Gesicht. »Wir müssen uns keine Kleider angucken, wenn du keine Lust hast«, sagte sie.

Ich gab mir einen Ruck und zwang mich zu einem Lächeln. »Doch! Du bist die Braut, und ich bin deine Trauzeugin. Wenn du das wollen würdest, würde ich tagelang Kleider mit dir anprobieren. Weil ich dich sehr mag und weil ich dir genau die Hochzeit wünsche, die du haben möchtest.«

»Aber …«

»Kein aber. Du bestimmst, und ich bin für dich da. Okay?«

Pia nickte und küsste mich sehr schnell und sehr laut schmatzend auf die Wange. »Danke, Emma. Das weiß ich zu schätzen.«

Ich lächelte. »Gut so. Falls wir tatsächlich irgendwann einen Termin in einem Brautmodengeschäft machen, hoffe ich nur, dass die Kleider haben, die zu Sneakers passen!«

Kapitel 4

Pias neuester Einfall, die Hochzeit nun doch in den Mai oder Juni zu verlegen und die Anzahl der geladenen Gäste auf fünfzig zu erhöhen, würde die Planung nicht unbedingt vereinfachen, das merkten wir leider sehr schnell.

Bei Pia angekommen, kochten wir uns eine Kanne Tee, schnappten uns jede ein iPad – ich durfte Gabriels benutzen – und googelten auf dem Wohnzimmersofa lümmelnd Hochzeitslocations in unserer Nähe. Schon die ersten drei Treffer – ein Restaurant mit tollem Biergarten, ein Gutshof und eine umgebaute Scheune – verkündeten auf ihrer Startseite, man wäre für die Monate Mai und Juni im kommenden Jahr bereits restlos ausgebucht, von Anfragen wäre bitte abzusehen.

Das brachte uns auf den Gedanken, die Lage könnte bei den Standesämtern möglicherweise ähnlich aussehen.

»Das hat doch so rum keinen Sinn«, bemerkte Pia schließlich. »Wir können doch jetzt nicht mühsam eine Location suchen, die uns einen einzigen freien Sommertermin anbietet, nur um dann festzustellen, dass Gabriel an genau diesem Termin geschäftlich verreisen muss. Oder dass seine Eltern dann zufällig verreist sind. Die sind nämlich ständig unterwegs. Sollten wir uns nicht erst mal mit allen zusammensetzen, die für die Hochzeit wirklich wichtig sind, einen gemeinsamen Termin finden und dann in die endgültige Planung einsteigen?«

»Super Idee!«, stimmte ich zu.

Ich hielt die Idee vor allem deshalb für super, weil ich mir keineswegs sicher war, dass Gabriel mit Pias neuen Plänen einverstanden sein würde. Er war zwar grundsätzlich sehr anpassungsfähig und überließ Pia gern sämtliche Alltagsentscheidungen.

Aber jetzt sollte aus einem gemütlichen Abend und einer dreistelligen Restaurantrechnung auf einmal ein edles Sommerfest werden, das vermutlich einen fünfstelligen Betrag verschlingen würde. Und ich hielt es durchaus für möglich, dass er das nicht ohne Einwände schlucken würde.

Tat er auch nicht. Er war alles andere als begeistert.

Ich war zwar nicht dabei, als Pia ihm eröffnete, dass ihre Pläne sich geändert hatten, aber sie rief mich am nächsten Abend an und erzählte mir davon. Gabriel war so ungehalten gewesen, dass Pia sogar kurz befürchtet hatte, er würde die ganze Sache abblasen.

Aber auf dem Höhepunkt der Hochzeitsdebatte, wie Pia es nannte, hatte das Schicksal zu ihren Gunsten eingegriffen. Das Telefon hatte geklingelt und Gabriel hatte reflexartig abgenommen. Seine Mutter war dran gewesen.

»Zum Glück!«, sagte Pia. Sie war zwar normalerweise kein Fan dieser allzu regelmäßig stattfindenden Mutti-Kontroll-Anrufe, aber ausnahmsweise hatte sie sich darüber gefreut. Als Mutti nämlich erfuhr, dass ihr geliebter Sohnemann zu heiraten plante, hatte sie sich klar auf Pias Seite geschlagen.

»Selbstverständlich wünsche ich mir, dass ihr heiratet, wie es sich gehört«, hatte sie gesagt. »Ich habe nur einen Sohn – was glaubst du, wie ich mich fühle, wenn der einfach so im Vorübergehen heiratet? Natürlich möchte ich als Mutter eine ordentliche Feier für dich und schöne Bilder, die ich mir aufhängen kann. An deine Hochzeit werden wir uns ein Leben lang erinnern, Papa und ich.«

Gabriel wusste, dass er verloren hatte. »Gegen mich und seine Mutter ist er noch nie angekommen«, berichtete Pia zufrieden. »Wir heiraten im Sommer, und wir heiraten wenigstens im mittleren Kreis.«

Nicht ganz so zufrieden war sie damit, dass Gabriels Mutter von einer kirchlichen Trauung träumte. Und dass sie, wenn sie die schon nicht bekam, wenigstens eine opulente standesamtliche Trauung sehen wollte. In festlicher Kleidung, mit Sektempfang und ganz sicher nicht in dem schäbigen Standesamt in der Innenstadt, sondern selbstverständlich in einer geschmackvollen Außenstelle, die fototechnisch etwas hermachte.

Und etwas hermachen sollte bitte auch die künftige Schwiegertochter. »Wenigstens ausnahmsweise mal«, sagte Pia sarkastisch.

»Hat sie das so gesagt?«, fragte ich vorsichtig.

Ende der Leseprobe