Maddrax 576 - Jana Paradigi - E-Book

Maddrax 576 E-Book

Jana Paradigi

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wang'kul hat es vorhergesehen - nun ist es so weit: Die böse kosmische Macht nähert sich dem Sonnensystem und schickt den Odem des Wahnsinns voraus! Ihr Ziel ist die Erde, doch zuerst wird sie auf den Mars treffen.
Schon einmal bedrohte ein Streiter den Roten Planeten, doch diesmal ist es anders. Wang'kul glaubte sich vorbereitet, aber seine Pläne drohen zu scheitern. Vielleicht kann der Erdmensch helfen, der mehr über die Entität weiß als alle anderen und der den ersten Streiter vernichtend schlug: Matthew Drax. Er braucht ihn hier, auf dem Mars!


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 150

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Was bisher geschah...

Die letzte Bastion

Leserseite

Vorschau

Impressum

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die degenerierte Menschheit befindet sich im Krieg mit den Daa'muren, die als Gestaltwandler ein leichtes Spiel haben. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, »Maddrax« genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde, und es gelingt ihm, die lebende Arche, den »Wandler«, gegen dessen kosmischen Feind zu verteidigen, woraufhin sich der Wandler mit den Daa'muren ins All zurückzieht ...

Während es Matt und Aruula in ein anderes Sonnensystem verschlägt, hat der Kampf gegen den Streiter dramatische Folgen: Der Mond nähert sich der Erde! Als Matt und Aruula endlich einen Weg in die Heimat finden, gelingt es mit außerirdischer Hilfe, den Mond in seine Umlaufbahn zurückzuversetzen, doch dies verursacht eine Schwächung des Raum-Zeit-Kontinuums, das an besonderen Punkten aufbricht – an den Bruchstellen tauchen nun Areale verschiedener Parallelwelten auf.

Zusammen mit dem Pflanzenwesen GRÜN gelingt es unseren Helden, mittels eines Tachyon-Prionen-Organismus die Risse zu versiegeln – bis eine letzte Bruchstelle kollabiert und ein gewaltiges Areal um den Victoriasee in Afrika in die Gegenwart versetzt. Das Luftschiff des Sohnes von Kaiser Pilâtre de Rozier, der dort regiert, verschwand darin, während der See durch eine gewaltige Stadt ersetzt wurde. Die Menschen dort verbreiten einen »Dunklen Keim«, der sich immer weiter ausdehnt.

Auch die Wolkenstadt Château-à-l'Hauteur wird von den Dunklen angegriffen; nur Pilâtre entkommt. Da treffen die befreundeten Daa'muren Grao und Ira ein, die durch das Portal den Todesschrei eines Wandlers empfangen haben. Durch sie erlangen die Gefährten ein erstes Heilmittel: Die Splitter von Daa'muren-Kristallen können den Dunklen Keim aus den Infizierten herausholen! Matt, Aruula und die Daa'muren holen etliche Kristalle aus dem Kratersee. Sie erobern Château zurück, doch Shadar kann sich mit seiner Gefährtin Elloa absetzen. Für weitere Hilfe wendet sich Matt an Colonel Kormak, der eine Eingreiftruppe gründet, die Dark Force. Sie versuchen Shadar in Mombassa in eine Falle locken, doch wieder kann der Gottsprecher entkommen. Schwer verletzt, rettet ihn die Stadt selbst, indem sie ihn in ihr Dunkles Herz aufnimmt.

Das wird Matt und Aruula bei einem Flug über die Stadt zum Verhängnis: In den Tiefen der Stadt werden sie zum Bösen umgepolt und ermorden de Roziers Enkel und über hundert Hydriten, bevor sie sich daran machen, Ei'dons Friedensbemühungen zu sabotieren. Als sie sich Fort Knox als ihr nächstes Ziel wählen, ist ihnen Quart'ol auf den Fersen. Die beiden werden überwältigt und zur Wolkenstadt gebracht. Dort erschießt Pilâtre Aruula aus Rache für Pilou – und gleichzeitig wacht eine andere Aruula im Zentrum der Stadt auf! Das Dunkle Herz schuf Zwillinge der beiden aus deren bösen Anlagen. Sie können aus der Stadt gerettet werden, wobei Grao auch Matts böses Ich tötet. Es gelingt ihnen, das Zentrum der Stadt zu sprengen. Dabei stirbt Shadar; das Dunkle Herz überlebt.

Doch da naht schon eine neue Gefahr: Der Roboter mit dem Geistesinhalt von Jacob Smythe begegnet im All einem Streiter und lockt ihn zur Erde. Zunächst aber wird die kosmische Wesenheit auf den Mars treffen ...

Die letzte Bastion

von Jana Paradigi

Der Schemen mit über tausend Kilometern Durchmesser kam näher. Zielstrebig, suchend – und ausgehungert. Er verdeckte die Sterne und verdunkelte den Himmel nicht nur durch seine Größe, sondern auch durch seine Präsenz des absolut Bösen. Auf seinem Weg der Vernichtung absorbierte er das Sein, saugte es auf und fraß es, ohne je genug davon zu bekommen. Und er wollte mehr!

Das zweite Mal in seiner Geschichte sieht sich der Mars einem Streiter aus dem All gegenüber. Und abermals bringt das Tachyonen-Monster den Wahnsinn mit sich. Doch diesmal steht ein Urhydree an der Seite der Marsianer! Wang'kul nimmt den Kampf gegen die kosmische Entität auf...

Rückblick: Vier Wochen vor der Ankunft des Streiters

Umeko wanderte durch Neu-Utopia. Sein Ziel war der Versammlungsplatz. Doch der Gang fiel ihm schwer. Seit die Mutanten vor zwei Monaten ihre Kräfte für ganze drei Wochen verloren hatten, beherrschten Unsicherheit und Angst die Gemeinschaft der Saat.

Diese drei Wochen ohne ihre gewohnten Fähigkeiten hatten ihnen allen aufgezeigt, wie abhängig sie mittlerweile von der Macht waren, die ihnen die grünen Sporen verliehen hatten. Dabei ging es nicht nur darum, dass es den Alltag erleichterte. Manche Aufgaben waren ohne die Kräfte gar nicht mehr zu meistern.

Die organisch gewachsenen Häuser, die sich in der Mehrzahl aus lebendigen Pflanzen zusammensetzten, brauchten Pflege, die man allein mit Gießkanne und Gartenschere nicht leisten konnte. Die Ernten einzuholen, stellte plötzlich eine schier unüberwindliche Hürde dar. Weil sie nicht die geeigneten Maschinen dafür besaßen, die man als Nicht-Mutant ohne Windkraft, Erdkraft oder besonderer Stärke zum Ziehen der Karren benötigte.

Eine Krise zeigt für gewöhnlich, wie gesund und überlebensfähig eine Gemeinschaft ist, so hieß es. Diese hier ließ Umeko das erste Mal seit der Gründung zweifeln. War es naiv gewesen, zu glauben, dass ihre Kräfte für immer Bestand haben würden? Hatte er den Einfluss als Variable im Zusammenhalt unterschätzt? Er war kein Genetiker und verstand nichts davon, was sich genau im Körper abspielte, wenn man mit den Sporen in Kontakt kam. Wahrscheinlich war es dumm gewesen, sich darüber keine Gedanken zu machen. Er war dumm gewesen. Und wohl nicht nur in diesem einen Punkt.

Noch bevor er den Versammlungsplatz erreichte, holte Eislanze ihn ein und schritt stumm an seiner Seite. Ihre Miene spiegelte seine Gefühle wieder. Ihre Augenringe waren das Ergebnis schlafloser Nächte. Jeder hatte sich insgeheim Gedanken gemacht, weil es einfacher war, die schlimmsten Befürchtungen nicht laut aussprechen zu müssen.

Und wenn sie doch miteinander gesprochen hatten, dann hauptsächlich, um dem anderen Mut zu machen. Noch war nichts verloren. Noch konnten sie hoffen, dass der Verlust ihrer Kräfte ein einmaliges Vorkommnis bleiben würde. Ein schrecklicher kosmischer Zufall.

Es brachte nichts, sich zu sehr in Horrorszenarien und Was-wäre-wenn-Spielen zu verlieren. Das war die Quintessenz von Umekos Rede. Aber er wusste selbst, dass das zu kurz gedacht war. Um zu überleben, würden sie Vorkehrungen treffen müssen. Mit Bedacht, statt von Panik geleitet.

Auf dem Platz wartete bereits die Mehrheit der Bewohner von Neu-Utopia. Dicht gedrängt standen die Mutanten und ihre Familien neben Flüchtlingen aus Elysium. Waldmenschen wie Städter. Sie alle hatte ihr Weg hierher geführt, weil sie vor etwas flohen. Vor einem brutalen Regime, vor Diskriminierung und Vorurteilen oder allzu festgefahrenen Ritualen und Regeln. Für all jene, die sich verloren und einsam glaubten, hatte Umeko die Gemeinschaft gegründet.

Als die Leute ihren Anführer und seine Gefährtin bemerkten, bildeten sie einen Durchgang bis zur Rednerbühne. Umeko las – vielleicht das erste Mal – Zweifel in ihren Augen, als er betont ruhig, aufrecht und entschlossen durch die Reihen marschierte. Und obwohl auch er Unsicherheiten spürte, würde er sich nichts anmerken lassen. Weil diese Stadt Zuspruch brauchte, um nicht im Chaos zu versinken.

Sein Blick blieb beim Vorbeigehen an Nomi hängen, die zusammen mit ihrem Sohn und Nachtstimme gekommen war. Eine Frau, die einmal an der Spitze der Regierung gestanden hatte. Doch auch sie wirkte von Furcht gleichsam zerfressen.

»Lass dich nicht kleinkriegen«, flüsterte Eislanze, als sie gemeinsam die Stufen zur Bühne hinauf stiegen.

Umeko war zu konzentriert, um zu antworten. Ein knappes Nicken, dann löste er sich von ihrer Seite und betrat die Rednerempore.

»Ich fühle genau wie ihr!«, rief Umeko und das Gemurmel erstarb. »Vor einigen Wochen hat ein Ereignis mein Leben zutiefst erschüttert! Aber meine Vision ist auf einem stabilen Fundament erbaut! Unsere Gemeinschaft lebt von Zusammenhalt und Mut! Wir lassen uns nicht von Albträumen schrecken, die der Vergangenheit angehören!«

»Vielleicht hat genau dieser Hochmut uns das eingebrockt!«, rief jemand aus der Masse dazwischen, und sofort meldeten sich weitere Stimmen.

»Wir hätten nicht mit den Städtern kooperieren sollen!«

»Der Rotgrund hat uns ein Zeichen geschickt!«

»Wenn wir jetzt nicht umdenken, werden wir alle vernichtet!«

Umeko kannte dieses Gerede bereits. Für ihn war es schwer, solche abergläubischen Ansichten ernst zu nehmen. Andererseits wusste er durchaus, wie zerstörerisch religiös gefärbter Aktionismus sein konnte.

Er ließ die Stimmen zu, stand unbewegt da und stellte sich den Blicken seiner Anhänger. Zu eifrige Gegenrede erzeugte nur noch mehr Aggression auf der Gegenseite. Die Gemeinschaft sollte sich Luft machen dürfen, Druck ablassen und sich gehört fühlen.

Aber er würde sich nicht allein auf diese eine Taktik verlassen. Eislanze war seine Gefährtin und sein emotionaler Beistand, aber ihre Fähigkeiten würden die Gemüter auf ganz real erlebbare Weise abkühlen, wenn es notwendig sein würde. Außerdem standen Emi als Empathin und Gorh, der Trugbilder in die Köpfe zaubern konnte, jeweils links und rechts neben der Bühne, um im Fall der Fälle ebenfalls eingreifen zu können.

»Wir müssen dem Roten Vater durch ein Opfer beweisen, dass wir unsere Lektion gelernt haben!« Das war Emanuel Hill, der Umeko schon früher mit seinen extremistischen Ansichten aufgefallen war. Ein Städter, der sich selbst gerne reden hörte und genug Charisma ausstrahlte, um eine kleine Anhängerschaft um sich zu scharen. Doch seine Ansichten waren, wie bei so vielen, die von Angst getrieben waren, von blindem Aktionismus geprägt. Möglichst radikal, möglichst publikumswirksam.

»Das Schicksal lässt sich nicht erkaufen«, antwortete Umeko laut und deutlich. »Der Rotgrund hat uns durch die Kraft der Ursuppe unsere Kräfte geschenkt. Dabei hat er weder versprochen, dass wir sie für immer behalten werden, noch hat er uns Regeln auferlegt.«

»Warum sollte der Rote Vater sie uns nehmen? Außer, um uns zu bestrafen?«, hielt Hill dagegen.

»Zum Beispiel, weil wir bereit dafür sind, uns auch ohne Übermacht zu behaupten. Weil wir als Gemeinschaft zusammengewachsen und erstarkt sind.«

»Wie soll das gehen? Beantworte uns das!«, rief Hill.

Umeko bereute bereits, dass er sich auf eine Diskussion mit einem Einzelnen eingelassen hatte. Genau das hatte er vermeiden wollen. Denn jetzt musste er dieses Wortgefecht gewinnen, um als Anführer zu bestehen.

»Nicht ich werde das beantworten, sondern wir. Denn gerade das ist unsere Stärke. Wir funktionieren als Einheit und nicht als eine Herde, die, von einem falschen Hirten angetrieben, stumpfsinnig vor ihm her in den Abgrund läuft oder sich im Blut geschlachteter Säuglinge suhlt. Der Rotgrund allein war und ist immer noch unser Hüter und Beschützer – und nicht unser Henker.«

Emanuel Hill verengte die Augen und presste die Lippen aufeinander. Für heute würde er schweigen, aber sicher nicht für immer.

Umeko würde ihn im Auge behalten und für die nächste Konfrontation bessere Antworten parat haben müssen. Und dieses nächste Mal würde schneller kommen, als ihm lieb war.

Höhle im Krater des Elysium Mons

»Ich muss es tun. Das kleinere Übel zu wählen, um ein Größeres abzuwenden, ist weiser, als den Untergang einer ganzen Welt zuzulassen. Nicht, wahr meine Liebe?«

Wang'kul stand über Chandras Revitalisierungskammer gebeugt und blickte ihr durch die Sichtluke ins Gesicht. Die ehemalige Präsidentin des Mars wirkte so entspannt und friedlich, versunken in heilsamen Erinnerungen und Träumen. Der Urhydree meinte sogar ein kleines Lächeln erkennen zu können.

Gewiss nahm sie es ihm nicht übel, dass sie nur wegen ihm in dieser Lage war. Weil er ihre Essenz auf die Erde entsandt hatte. Ein geisterhaftes Abbild ihres jüngeren Ichs, um als Mittlerin zwischen ihm und Chandras Freunden zu fungieren.

Tatsächlich hatte es ihm wichtige Erkenntnisse darüber gebracht, wie man die drohende Gefahr aus dem All abwehren könnte. Wie man einen alles verschlingenden Streiter besiegen konnte. Doch die Lösung lag in weiter Ferne – und ausgerechnet in seinem heimatlichen System.

Es hatte Tage gebraucht, um den duplizierten Zeitstrahl im Vulkankrater neu auszurichten und so zu justieren, dass man mit genügend Energie eine mentale Botschaft über diese unglaubliche Distanz bis ins Ringplanetensystem senden konnte. Energie, die schlussendlich aus vielen Quellen verstärkt werden musste.

Es hatte sich unwirklich angefühlt, wieder mit jemandem auf Aquus in Kontakt zu stehen. Und das nicht nur aufgrund der schieren Entfernung. Die Insel, die Polatai-Kinder und die liebenswerte Hyketty* Delene fühlten sich an, als stammten sie aus einem anderen Leben, an das sich Wang'kul nur noch wie im Traum erinnerte. So viel war seit seiner Abreise zum Mars passiert. Auf der Welt und auch mit ihm.

Der Rotgrund hatte sein Schicksal gelenkt und ihn zu einem Urhydree werden lassen, um als Botschafter zwischen den Kindern des Mars und dem Roten Vater zu fungieren. Doch Wang'kul fühlte, dass die Verbindung schwächer wurde. Weil er für seine Kinder mehr kämpfte, als es für ein neutrales Überwesen angemessen war.

»Aber wie soll ich denn bei solch einer drohenden Gefahr neutral bleiben? Ich bin sicher, du hättest dich auch nicht zurückhalten lassen. Ich weiß es sogar! Schließlich hast du so einen Angriff ja bereits einmal miterlebt.« Wang'kul tätschelte väterlich das Fensterglas der Luke zu Chandras Kapsel und richtete sich auf.

»Mir wird der nächste Schritt im Herzen genauso wehtun wie meinen Kindern. Aber wenn es gelingen soll, Delene klare Anweisungen zu geben, damit sie ihrerseits alles Nötige unternehmen kann, um den Transfer des Flächenräumers zu ermöglichen, muss es sein.«

Neu-Utopia

Nomi ging nach der Versammlung mit Scharan an der Hand und Nachtstimme an ihrer Seite zurück in die Wohnung, die seit einigen Monaten ihre neue Heimat war. Doch wie ein Zuhause fühlte es sich für Nomi immer noch nicht an. Und das lag nicht nur an ihren Plänen, Chandra zu finden und, wenn nötig, zu befreien.

Sie passten einfach nicht in diese Stadt und nicht zu diesen Leuten. Umeko und Eislanze waren Visionäre, die Nomi durchaus bewunderte. Auch die wachsende Gemeinschaft, die sie auf den Ruinen der alten Stadt Utopia aus dem Nichts gegründet hatten, war wundervoll: ein Zusammenschluss aus gleichberechtigten Individuen, die sich gegenseitig respektierten und unterstützten. Zumindest bisher.

Der Verlust ihrer Kräfte hatte, so Nomis Eindruck, die Mutanten in mehrere Lager gespalten. Wie sie es auch aus Elysium kannte. Eine Krise offenbarte eben nicht nur das Beste bei einem Marsianer, sondern auch das Schlechteste. Der Instinkt stellte ganz automatisch den Selbstschutz an oberste Stelle, wenn man sich bedroht fühlte. Umso mehr bewunderte Nomi Umeko und seine gefasste, wohl überlegte Ansprache.

Doch sie und ihre Familie hatten sich bereits zuvor für einen anderen, eigenen Weg entschieden. Das Chaos hatte ihre Pläne zwar behindert, aber nicht durchkreuzt.

Sie würden Chandra holen. Mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln.

Es hatte Zeit gebraucht, die nötigen Utensilien zu besorgen, um sich auf den Weg machen zu können. Sowohl Nomi als auch Nachtstimme besaßen kaum etwas anderes als ihre Arbeitskraft, um sie gegen andere Güter einzutauschen. Besonders Nachtstimme hatte für ihr Vorhaben bis zur Erschöpfung gearbeitet, während Nomi bei Scharan geblieben war.

Stück für Stück hatten sie sich einen alten Planwagen und das passende Zugtier erkämpft. Dazu das Nötigste an Ausrüstung, um sich gegen die nächtliche Kälte zu wappnen, und genug Vorräte und Wasserbehälter.

Die Leute um sie herum hatten von all dem entweder nichts mitbekommen, oder es interessierte sie schlichtweg nicht.

Beides war Nomi recht. Sie wollte bloß noch weg aus diesem angeblichen Paradies, das sich für sie wie eine tickende Zeitbombe anfühlte.

Wer wusste schon, was als Nächstes schiefging? Vielleicht verloren die Mutanten dann nicht ihre Kräfte, sondern nur die Kontrolle über sie.

Ehemalige Städter und Waldmenschen, die jetzt über Fähigkeiten verfügten, die Explosivgeschossen gleich kamen. Nein, in dieser Welt wollte sie keine Sekunde länger als nötig bleiben.

Nachtstimme indes haderte mit ihrer Entscheidung. Natürlich hatte er sich sofort bereiterklärt, Chandra zu retten, nachdem sie ihren Aufenthaltsort nun endlich kannten.* Aber im Gegensatz zu Nomi fühlte er sich in Neu-Utopia wohl und willkommen. Vielleicht, weil er ein Waldmann war. Weil auch er über besondere Kräfte verfügte. Wenn auch nicht über solche, die wie Waffen wirkten.

Seine Fähigkeit, sich über den Gesang mit Vögeln zu verbinden, hatte sie immer fasziniert und geliebt. Sie konnte sich noch gut an einen der ersten Ausflüge erinnern, als er sie auf den Berg zu den Vogelnestern geführt hatte. Sein Lied hatte ihr Herz damals erfüllt und eine vage Zuneigung zu tiefer Liebe heranwachsen lassen.

»Ich denke, es ist an der Zeit, aufzubrechen«, sagte Nachtstimme.

Nomi blickte überrascht auf. »Heute?«

Er lächelte. »Warum länger warten? Wir haben alles, was nötig ist. Ich sehe doch, wie ruhelos du bist.«

Genau dafür liebte sie ihn. Für sein Gespür, auch wenn es viel zu oft auf andere gerichtet war statt auf die Familie. Aber womöglich war das normal. Ganz natürlich. Vielleicht sagten einem Mann die Gene, dass er das, was er hatte, beschützen und deshalb seinen Blick nach außen richten musste. Auch wenn er dabei das wirklich Wichtige aus den Augen verlor.

Oder lag es an ihr? Zeigte sie ihm jemals ihre wahren Gefühle? Alle Gefühle? Auch die schlechten? Nein. Zumindest nicht offen und direkt. Wie konnte sie dann erwarten, dass er sie erriet? War das nicht die ewige Diskussion zwischen zwei Liebenden?

»Du hast recht. Ich will weg hier. Nicht nur, um meine Mutter zu finden. Dieser Ort fühlt sich einfach... falsch an«, antwortete Nomi so ehrlich wie kaum je zuvor. »Die Kräfte der Saat-Mitglieder machen mir Angst. Auch wenn das vielleicht eine unlogische und rein emotionale Empfindung ist. Aber sie ist echt.«

Nachtstimme nickte langsam. Sein Blick war intensiv auf sie gerichtet. Nicht enttäuscht oder wütend, sondern vorsichtig suchend. Als würde er sie stumm darum bitten, tiefer dringen zu dürfen.

»Ich weiß schon, dass es nicht das erste Mal ist«, fuhr sie fort. »Ich mache es uns nicht leicht, das ist mir klar. Aber ich finde, ich habe das Recht, meine Meinung so oft zu ändern, bis es sich richtig anfühlt. Auch wenn ich dieses richtig nicht benennen kann.«

Nomi sagte das nicht nur zu ihm, sondern auch zu sich selbst. Sie musste sich diese Freiheit selbst erlauben. So wie es Umeko gesagt hatte. Sie musste sich selbst dazu ermächtigen. Keine schmerzvollen Kompromisse mehr, die doch nur alle unglücklich machten.

»Dann gehen wir und suchen uns eine neue Zukunft.« Nachtstimme trat dichter an sie heran. Doch er überließ es ihr, die unsichtbare Grenze zu überschreiten.

Sie ergriff seinen Nacken, zog sich an ihm das Stück hinauf, um ihn mit wilder Innigkeit zu küssen.

»Nicht wieder miteinander rumschmatzen«, sagte Scharan neben ihnen.