Porkis Fluch - Jana Paradigi - E-Book

Porkis Fluch E-Book

Jana Paradigi

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Beschreibung

Eine spannende Kindergeschichte mit fantastisch-magischen Elementen für Jungen wie auch für Mädchen mit kleinen lustigen Illustrationen. Oliver ist genervt von seiner kleinen Schwester und überhaupt läuft gerade alles schief in seinem Leben. Dabei will er doch nur eins: ein großer Manga-Zeichner werden! Als ihn dazu noch ein sprechender Papagei verflucht, werden um ihn herum plötzlich lauter Figuren lebendig und fangen an ihn zu jagen. Also ruft er seine Lieblingshelden zu Hilfe. Und zwar mit Stift und Papier! Eine Abenteuergeschichte über Träume, Wut, Mut und Geschwisterliebe.

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Jana Paradigi

Porkis Fluch

 

 

 

 

 

Jana Paradigi

Porkis Fluch

www.janaparadigi.de

 

Content Notes:

Mobbing in der Schule, Papagei, Schuhe, Fluch, Albtraum

 

1. Auflage September 2022

Copyright © Novel Arc Verlag, Fridolfing 2022

Novel Arc Verlag, Kirchenstraße 10, 83413 Fridolfing

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk darf im Ganzen wie auch in Teilen nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben, vervielfältigt, übersetzt, öffentlich zugänglich gemacht oder auf andere Weise in gedruckter oder elektronischer Form verbreitet werden.

 

www.novelarc.de

 

Umschlaggestaltung: Marek Bláha

Illustrationen innen: Risto Artworks

Lektorat: Ina Solowij

Korrektorat: Katja Scholz

 

Gebundene Ausgabe: 978-3-98595-360-8

E-Book: 978-3-910238-03-9

 

Selbst die Größten haben

klein angefangen

und dann einfach

immer weitergemacht.

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 1

 

 

»Ich will aber keine neuen Schuhe!«

»Komm schon, Oliver, deine alten sind ausgebeult und zerschlissen. Und drücken tun sie bestimmt auch, so sehr, wie du in den letzten Monaten gewachsen bist.«

Seine Mutter kniete sich an der Garderobe vor ihn hin und stupste ihn auf die Nasenspitze. »Raus damit, warum sträubst du dich so, mein Großer?«

Ihr Lächeln wirkte wie die Sonne auf einen Becher Eis. Unter dem Blick ihrer schokoladenfarbenen Augen schmolz Olivers Widerstand dahin. Trotzdem zog er einen Schmollmund. »Nein, ich will nicht!«

Wie konnte er ihr bloß klarmachen, dass Schuhe kaufen kurz nach Beginn des neuen Schuljahres nicht in Frage kam? Der Grund dafür war doch offensichtlich. Aber bei solch wichtigen Themen schienen Erwachsene ja grundsätzlich taub und blind zu sein. Sonst hätte seine Mutter mitbekommen, dass Benny und Fred Tikajashi-Schuhe trugen – die Renner der aktuellen Manga-Kollektion.

So ein Paar zu besitzen, wäre für Oliver die Erfüllung gewesen. Wäre. Er wusste, dass seine Mutter mit ihrem Halbtagsjob im Blumenladen nicht genug für derlei Luxus verdiente. Und normalerweise war das auch kein Problem. Freunde konnte man auf andere Weise gewinnen. Osman zum Beispiel. Der war Olivers Freund und fester Sitznachbar, seit er ihn hatte abschreiben lassen.

Aber Benny und Fred waren die beliebtesten Jungs in der Klasse und hatten das Sagen. Wenn die sich über einen lustig machten, war man verloren. Dann half einem keiner der anderen Jungs. Wahrscheinlich nicht einmal Osman. Da waren Oliver Löcher in den Sohlen eindeutig lieber.

»Nein, nein, nein!« Er schüttelte den Kopf und hockte sich mit vor der Brust verschränkten Armen auf den Boden.

Seine Mutter seufzte.

»Ich will rosarige Sandalen - rosarige mit überall Glitzer dran«, flötete es da aus dem Garderobenschrank.

»Sandalen sind was für den Sommer, mein Mäuschen«, antwortete die Mutter mit einem Schmunzeln. »Aber bei Rosa lässt sich vielleicht etwas machen.«

Sie hob Olivers kleine Schwester Ari unter den Mänteln hindurch aus dem Schrank und half ihr, den Reißverschluss der Jacke einzufädeln und zuzumachen.

Ari strahlte. »Fertig, wir können los!«

»Und wie sehen deine Wunschschuhe aus, mein Großer? Sollen es welche mit Tieren drauf sein oder vielleicht welche mit Rennautos?«, versuchte es die Mutter erneut.

»Ich bin doch kein Baby mehr!«

Er war schließlich in der vierten Klasse. Dieses Jahr würde er den Fahrradführerschein machen und nächstes Jahr wahrscheinlich aufs Gymnasium wechseln.

Seine Mutter betrachtete ihn mit gerunzelter Stirn, tippte sich nachdenklich an die Unterlippe und sagte dann: »Du brauchst wohl etwas Seriöseres? Wie wäre es mit … Häschen? Die passen bestimmt prima zu so einem griesgrämigen Brummbär wie dir!«

Bevor Oliver antworten oder sich wehren konnte, schlang sie die Arme um seine Hüften, zog ihn hoch und drückte ihm einen Kuss in die blonde Stoppelmähne.

»Mamaaa! Ich will nicht!« Verzweifelt schlug er auf ihre Arme ein, doch seine Mutter ließ nicht locker.

»Schluss mit dem Gezeter. Du läufst auf keinen Fall mit Löchern in den Schuhen rum. Entweder du kommst mit und suchst dir selbst welche aus, oder ich mach das für dich.«

»Welche mit Häschen«, sagte Ari und kicherte.

»Dann zieh ich die neuen einfach nicht an!«

»Oh doch, das wirst du, wenn ich die alten weggeschmissen habe!«, entgegnete seine Mutter und ging mit Ari zur Haustür. »Also, was ist?«

Häschen oder Rennautos, dachte Oliver mit Abscheu. Über solche Babymotive würden sich Benny und Fred auf alle Fälle lustig machen. Also was blieb ihm übrig?

Oliver griff nach seinem Anorak und trottete mit zerknirschter Miene hinterher.

 

Sie mussten sieben Stationen mit dem Bus zum Einkaufszentrum fahren. Sieben lange Stationen, in denen sich immer mehr Menschen in die Sitzreihen und Gänge drängten.

An diesem Samstagvormittag hatte offenbar die ganze Stadt beschlossen, einen Ausflug zu machen. Und weil es draußen kalt war und nieselte, dampften all die vielen Jacken und Mäntel, in die sich die Leute eingepackt hatten. Es roch muffig – nach Keller, Stinkekäse und alten Socken.

»Bäh, ich hasse Busfahren«, motzte Oliver und zog den Kopf ein, bis seine Nase hinter dem hochgeschlagenen Kragen des Anoraks verschwand.

»Ich nicht. Ich mag das!«, rief Ari neben ihm und malte ein Strichgesicht auf die beschlagene Fensterscheibe.

Arietta, wie seine Schwester mit vollem Namen hieß, war mal wieder die Fröhlichkeit in Person. Überhaupt schien ihr Lächeln geradezu festgewachsen zu sein. Ätzend! Immer war sie brav, hörte auf das, was ihre Mutter sagte und zankte sich nie mit ihm, ganz egal, wie sehr er sie triezte. Gerade das ärgerte Oliver am meisten.

Er hätte viel lieber jemanden gehabt, mit dem er sich hätte raufen können. Ja, mit einem Bruder hätte er Spaß gehabt, so wie Shuki-Chan, Olivers Lieblingsheld der Tikajashi-Comicserie, mit seinem Kampfgefährten Shanjan-Chi. Die beiden waren unschlagbar zusammen. Während Shuki-Chan die Gegner mit grünen Feuerballgeschossen aus seiner Meteoritenfaust in Schach hielt, spann der Jüngere unbemerkt sein magisches Fangnetz. Auf diese Weise hatten sie bisher jeden Bösewicht der Serie zur Strecke gebracht.

Aber er, Oliver Bobbler, musste ja eine Schwester haben!

»Malst du mir ein Kikimu-Huhn?«, bettelte Ari und hielt dabei ihr Lieblingsstofftier hoch – ein fußballgroßes Manga-Maskottchen.

Oliver verschränkte die Arme vor der Brust und guckte stur geradeaus.

»Bitteee, du kannst doch so doll gut zeichnen.«

»Kann ich nicht«, wehrte Oliver ab.

»Doooch. Mama sagt auch immer, dass du gut zeichnen kannst. Gell, Mama?« Ari zupfte der Mutter, die zwischen zwei ältere Herren gequetscht neben ihnen im Gang stand, solange am Ärmel, bis sie sagte: »Mach ihr doch die Freude, Ollilein, hm?«

Oliver spürte förmlich, wie die Blicke der anderen Fahrgäste sich auf ihn hefteten. Gab es irgendetwas Peinlicheres als Kosenamen und Schwestern?!

»Bitte, bitte, bitteee!« Ari schaukelte vor und zurück wie ein Elefant im Zoo.

Am liebsten wäre Oliver an der nächsten Station ausgestiegen. Aber das ging ja nicht bei dem Gedränge. Also gab er nach, beugte sich vor, streckte lustlos den Zeigefinger aus und verpasste Aris Strichgesicht auf der Scheibe einen krakeligen Schnabel mit herausgestreckter Zunge und dazu einen Hahnenkamm. »Da hast du dein doofes Huhn.«

Ari zog die Nase kraus und hob sichtlich gekränkt die Schultern. Mehr nicht. Kein Schimpfen, Schreien oder Heulen. Zum Aus-der-Haut-fahren war das!

Seine Mutter seufzte.

»Nächster Halt: Blumenplatz – Einkaufspassage«, tönte die Stimme des Busfahrers durch die Lautsprecheranlage. Die Bremsen quietschten. Die Fahrgäste wurden durcheinandergeschüttelt. Dann blieb der Bus stehen. Die Türen sprangen auf und die Menschen strömten hinaus auf den großen, gepflasterten Platz. Wie eine Armee Ameisen eilten sie auf unsichtbaren Spuren durch den Nieselregen auf die Eingänge des Einkaufszentrums zu.

»Auf, auf ihr zwei. Ab ins Getümmel und ran an die Schuhe!«, rief die Mutter, schob Oliver nach draußen, nahm Ari an die Hand und kam mit beschwingten Schritten hinterher. Und das bestimmt nicht nur, weil sie es geschafft hatte, ihn und Ari hierher zu schleusen. Sondern wegen diesem verdammter Würgeros!

 

Kapitel 2

 

 

Das Einkaufszentrum sah von außen wie ein zu kurz geratener Turm mit Übergewicht aus. Die drei Fensterreihen wölbten sich wie Speckringe aus seinem Körper. Auf der grünen Wandverkleidung dazwischen prangten kreuz und quer aufgehängt die Werbeschilder der Geschäfte. Kleine, große, runde, eckige, dünne, dicke, welche mit einfacher Schrift oder aufwendigen Logos. Manche davon leuchteten sogar. Im Winter, wenn die Scheiben und Eingänge zusätzlich mit Lichterketten behängt waren, wirkte das Gebäude wie ein kunterbunt geschmückter Weihnachtsbaum.

Nachdem sie zu dritt durch einen der vielen Eingänge gehuscht waren, standen sie direkt vor den Rolltreppen - der wichtigsten Stelle der Einkaufspassage. Von hier aus waren alle drei Etagen erreichbar: der Keller, in dem die großen Supermarktketten und ein Blumenstand ihren Platz hatten, dann das Erdgeschoss, in dem sich ein Buchladen, ein Uhrengeschäft, ein Süßigkeitenkiosk, ein Zooladen, ein Lottoladen und verschiedene Kleiderboutiquen befanden. Und schließlich der erste Stock. Dort gab es neben einem kleinen Bistro, einer Parfümerie, dem Gemüse-, Fleisch- und Fischhändler auch Herrn Orakulos’ Geschäft für Schuhe und Schnürbedarf.

Eigentlich ein ziemlich kleiner, unscheinbarer Laden mit wenig Auswahl, wie Oliver fand. Laut seiner Mutter aber mit fairen Preisen und einem äußerst liebenswürdigen Verkäufer – Herrn Olaf Orakulos persönlich.

Der Würgeros, wie Oliver ihn heimlich nannte, war in etwa so alt wie seine Mutter, hatte schulterlanges, zerzaustes Haar und war schrecklich altmodisch gekleidet. Wie konnte man nur braune Karopullunder und orangefarbene Cordhosen gutfinden? Und trotzdem schien seine Mutter ihn zu mögen.

Oliver wünschte sich schon lange einen neuen Vater. Einen, der Kinder mochte und lieb zu Mama war. Aber doch nicht den!

Sein Vater war damals nach Ariettas Geburt mit Sack und Pack abgehauen. Weil er was von der Welt sehen und nicht in einen Käfig eingesperrt werden wollte. Wieso denn Käfig? Das hatte Oliver nie verstanden. Natürlich war seine Mutter manchmal streng. Aber eingesperrt hatte sie Ari und ihn noch nie. Ihre Zimmertüren hatten ja noch nicht einmal Schlüssel im Schloss stecken.

Während sie zu dritt die Rolltreppe nach oben fuhren, beobachtete er Ari, wie sie summend auf einer Stufe stand und mit den Händen über das schwarze Gummi des Handlaufs strich. Sie hatte es gut. Sie hatte nie einen Vater erlebt und konnte ihn deshalb auch nicht vermissen. Bestimmt war sie deshalb immer so fröhlich - schrecklich fröhlich.

»Krieg ich ein Eis, Mama? Ich will ein rosariges, erdbeeriges Erdbeereis.« Seine kleine Schwester hüpfte mit einem Satz über das Ende der Rolltreppe und zeigte mit dem Finger auf eine Glasvitrine am Bistrostand.

Die Mutter strich Ari liebevoll über die haselnussbraunen Haare. »Vielleicht nachher, mein Mäuschen, wenn wir uns mit Rosalia zum Mittagessen treffen und du in der Zwischenzeit ganz arg brav bist. Aber jetzt besuchen wir erstmal Herrn Orakulos und seine Schuhe.«

Rosalia war Mamas allerbeste Freundin. Sie arbeitete in der Parfümerie neben dem Bistro. Und wenn sie ins Einkaufzentrum fuhren, gehörte nach alter Tradition immer auch ein Mittagessen mit ihr dazu.

»Ich bin ganz doll brav. Wirst sehen, Mama.« Mit leuchtenden Augen stürmte Ari voraus, an den vollgestopften Schaufenstern vorbei und hinein in das kleine Geschäft für Schuhe und Schnürbedarf. »Hallo, Mister Orakulooos, wir brauchen ganz dringend Schuhe!«

Wie so oft waren sie die einzige Kundschaft im Laden. Und viel mehr als drei Leute hätten auch gar nicht hineingepasst. Denn im Gegensatz zu einem normalen Geschäft, in dem es nach Größen sortierte, fein säuberlich eingeräumte Regale gab, herrschte in diesem hier heilloses Durcheinander.

Sandalen thronten auf gestapelten Kartons neben Stiefeln, Pumps und Slippern in jeglichen Größen, Formen und Farben. Rote Stöckelschuhe schwankten auf Papptürmen mit hässlichen Herrenhalbschuhen um die Wette. Darunter, auf einem kleineren Stapel, hockte ein Paar gelber Gummistiefel mit Blümchenmuster. Oliver hasste dieses Durcheinander.

»Frau Bobbler. Das Glück muss wahrlich vom Himmel fallen, wenn die Sonne persönlich in meinem unbedeutenden Reich aufgeht.«

Olaf Orakulos eilte mit ausgebreiteten Armen aus seinem kleinen Büro am hinteren Ende des Ladens. Statt eines Pullunders trug er diesmal ein orangegrün kariertes Hemd, passend zu seiner orangefarbenen Cordhose.

Igitt!, dachte Oliver und verzog angewidert das Gesicht. Auf keinen Fall durfte dieser Kerl sein neuer Vater werden!

»Womit kann ich dienen? Vielleicht mit ein paar rosa Schühchen für die kleine Prinzessin?«, fragte der Würgeros und zwinkerte.

»Woher weißt du das?« Ari staunte.

Merkte seine Schwester denn nicht, was ablief? Dieser Kerl war doch nur nett, um Mama zu beeindrucken. Ari mochte er auf diese Weise täuschen, aber ihn nicht.

Als der Schuhverkäufer sich zu Oliver herunterbeugte, um ihm die Hand zu schütteln, verschränkte der die Arme und schob trotzig die Unterlippe vor.

»Danke für diesen herzlichen Empfang, Herr Orakulos. Wir kommen immer wieder gerne zu Ihnen. Hier ist das Einkaufen so viel persönlicher als in den großen Ladenketten.«

Olivers Mutter lächelte und schob ihn ein Stückchen vorwärts. Doch er drehte sich blitzschnell zur Seite und floh zwischen die Kartonberge.

»Ich will keine neuen Schuhe!«

»Mein Großer ist heute ein wenig quengelig«, hörte er seine Mutter sich entschuldigen.

Quengelig! Es ging hier doch nicht um einen gewöhnlichen Schuhkauf. Von diesem Tag hing vielleicht der Verlauf des gesamten Schuljahres ab! Schon die falsche Marke reichte, um ihn zu einem Außenseiter zu machen. Ein alberner Verschluss bedeutete Spott und ausgelacht zu werden. Die falsche Farbe stempelte ihn als uncool ab. Warum sah seine Mutter das denn nicht? Verärgert stieß Oliver mit der Hand einen Fellstiefel vom Karton und kickte ihn vor sich her.

In solchen Momenten wünschte er sich einen Vater. Seine Mutter war in Ordnung, keine Frage, aber ein Vater hätte ihn bestimmt verstanden, auch ohne, dass er sein Problem erst groß und breit erklären müsste.

Den Blick auf den Boden geheftet, schlurfte Oliver durch die Regale und suchte nach einer Lösung seines Problems. Vielleicht konnte er seine alten Schuhe auf dem Weg zur Schule irgendwo verstecken und heimlich anziehen?

»Trottel, Troo-Troo-Trottel«, krächzte es da plötzlich.

»Hey, was soll das?« Oliver blickte halb zornig, halb verwirrt auf und blieb stehen.

Ohne es zu merken, war er nach hinten zu dem kleinen Ladenbüro gelaufen. Und der, der ihn da eben so unverschämt beschimpft hatte, war ein Vogel!

In der winzigen Kammer, in der kaum mehr als ein Schreibtisch und ein Stuhl standen, hockte ein Papagei. Er hatte leuchtend blaues Gefieder und große, gelb umrandete Augen. Oliver kannte diese Sorte Papageien aus dem Zoo. Aras nannte man die. Aber so nah war er noch keinem gekommen. Der Blauara saß einen Meter entfernt auf einer dicken, hüfthohen Stange, knabberte mit seinem kurzen, gebogenen Schnabel an einer Kralle und gab dabei heisere Krächzlaute von sich.

»Halt deinen Schnabel, du Krähe«, sagte Oliver und wollte gerade weitergehen, da hob der Papagei seinen Kopf.

»Trottel«, wiederholte er und wippte auf der Stange.

»Ich sagte, du sollst deine Klappe halten!«

»Trooottel.«

Oliver schnaubte. »Ich lass mich doch nicht von einem vorlauten Papagei beschimpfen. Na warte.«

Leicht geduckt, damit ihn Herr Orakulos und seine Mutter nicht sehen konnten, kramte er in seinen Hosentaschen. Aus der linken zog er ein altes Kaugummipapier, faltete es zusammen und bog es so, dass es wie ein U aussah.

---ENDE DER LESEPROBE---