Maddrax 494 - Jana Paradigi - E-Book

Maddrax 494 E-Book

Jana Paradigi

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Beschreibung

Die Sorge um seinen Hydree-Freund Wang'kul treibt Quart'ol ein letztes Mal auf den Roten Planeten, der so rot nicht mehr ist. Der ökologische Wandel ist allumfassend, die Kriegsparteien sind getrennt, und Wang'kuls gottgleiche Macht wird erst jetzt richtig deutlich.
Entwickelt sich der Mars zu einer neuen Erde - oder zurück zu seinen Ursprüngen? Quart'ols Reise wird zu einem Trip in die tiefste Vergangenheit vor 3,5 Milliarden Jahren ...

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Seitenzahl: 143

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah …

Gott des Mars

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Lektorat: Michael Schönenbröcher

Titelbild: Koveck und Néstor Taylor, Agentur Ortega

Autor: Jana Paradigi und Ramon M. Randle

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7458-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, „Maddrax“ genannt, dessen Staffel ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht.

Auf dem Ringplaneten herrschen die Initiatoren, die verschiedene Spezies durch das Wurmloch entführen, um sie Kompatibilitäts-Tests zu unterziehen. So geraten auch Matthew, Aruula und Matts Tochter Xaana in das fremde Sonnensystem, stoßen jedoch durch die Einmischung der Kontras auf das dunkle Geheimnis der Systemherren: Man will einen Teil der Menschheit auf den Mond Novis umsiedeln, um deren Gehirne für eine Art Superrechner zu nutzen! Doch die Gefährten werden ihrer Erinnerungen beraubt; so helfen sie in gutem Glauben den Initiatoren. Matt und der Initiator Hordelab reisen zur Erde, um hochstehende Zivilisationen zur Evakuierung zu finden, begleitet von Xij, der Mutter Xaanas, und deren Mann Tom Ericson.

In Agartha wurde nach den Plänen der Initiatoren eine Transportplattform gebaut, mit der Hordelab das Wurmloch an jeden Ort der Erde versetzen kann. Die Evakuierung beginnt. Dann jedoch zerstören fanatische Rev’rends die Plattform. Dabei gerät das Wurmloch außer Kontrolle; Hordelab wird ohne Erinnerung von den anderen getrennt. Die durchqueren das Wurmloch mit einem Gleiter und erfahren auf Novis, dass die Offerte der Initiatoren eine Falle ist. Sie suchen Hilfe bei den Kontras und bauen gleichzeitig den Widerstand gegen Aran Kormak auf, einem machtgierigen Colonel von der Erde.

Matt erfährt die Geschichte der Initiatoren: Einst kristallisierte ihr Planet Kasyn und zwang sie, auf einen der Monde umzuziehen. Um sich vor der Kristallstrahlung zu schützen, entwarfen sie einen mit Gehirnen betriebenen Mentalschild. Aber es gibt eine Möglichkeit, die Erde zu retten! Dazu muss Matt Kontakt mit den Pancinowa aufnehmen. Auf deren Planeten Cancriss trägt Matt seine Bitte vor – der unter einer Bedingung entsprochen wird: Sie wollen Aruulas Lauschsinn erforschen. Sie willigt ein, dort zu bleiben, wird aber später durch die Telepathin Eileen ersetzt.

Matt kehrt auf die Erde zurück, wo Xij eine geniale Idee hatte: Mit der Klontechnik der Erd-Hydriten könnten genügend Gehirne gezüchtet werden! Bevor man die Initiatoren kontaktieren kann, greift Colonel Kormak die Siedler und Rebellen an, scheitert aber. Dann geht alles Schlag auf Schlag: Die Initiatoren nehmen die Idee dankbar an und eine Expedition startet, um die Rettung der Erde vorzubereiten. Dazu müssen sie ein Radioteleskop finden, dessen Schüssel ein Wurmloch von ausreichender Größe erzeugen kann. Sie finden es im VLA in New Mexico.

Kormak plant seine Flucht von Novis. Um Verwirrung zu schaffen, sabotiert er die gerade errichtete Klonfabrik der Hydriten und will mit dem Transferturm auf einen der anderen Monde wechseln – wird aber in einer Wartungskammer eingesperrt.

Gott des Mars

von Jana Paradigi und Ramon M. Randle

„Wie geht es Wang’kul? Ist er wohlauf?“ Xaanas Worte kreisten in Quart’ols Kopf. Ihr schmerzvoller Blick auf seine Antwort hatte sich wie ein Messerstich angefühlt. Wang’kul war ein Freund gewesen – war es noch.

Mitten auf dem Fabrikgelände hielt Quart’ol inne, schloss die Augen und horchte in sich hinein. Sein Herz schickte ihm eine klare Antwort auf die unausgesprochene Frage: Freunden steht man bei!Also geh, suche ihn! Finde ihn! Rette ihn!

Quart’ol riss die Augen auf und lief los. Die Pancinowa würden für sein Anliegen kein Verständnis haben; dafür war es zu abwegig. Besser, er nahm gleich den Umweg über die Erde, wo ihm seine Freunde helfen konnten …

Die Reise durch das Wurmloch war wie die Fahrt auf einer Achterbahn, die man in eine Sekunde komprimiert hatte. Quart’ol kämpfte mit der Übelkeit, als seine Transportkapsel im großen Stadion in San Antonio landete – einem Ort, an dem sich vor langer Zeit Menschen im Wettstreit begegnet waren, um Ruhm und Ehre zu erlangen. Oder auch nur die Gunst des Volkes und schnöden Reichtum.

Quart’ol selbst hatte dies nie erlebt. Doch in Maddrax’ Erinnerung gab es Bilder von gefüllten Stadionrängen. Tausende Zuschauer, die sich in bunten Farben maskiert hatten und sich die Seele aus dem Leib schrien, um ihre Mannschaft anzufeuern.

Quart’ol allerdings erwarteten andere Zuschauer, als er aus der Kapsel stieg – weit weniger begeistert und auch kein bisschen euphorisch, seit die Pancinowa die Strahlung – oder vielmehr Schwingung – des Wurmlochs eingedämmt hatten. Diese Menschen standen mit schussbereiten Waffen da und zielten allesamt auf ihn.

„Ein Fishmanta’kan!“, rief einer der Männer, und Quart’ol wünschte sich nicht zum ersten Mal, die Hydriten hätten die Legende von den blutrünstigen Fishmanta’kan damals nicht selbst in die Welt gesetzt, um die Menschen fernzuhalten.

Er hob beide Arme: „Ich bin der Hydrit Quart’ol und komme in Maddrax’ Auftrag!“, rief er. Wohl gerade noch rechtzeitig genug, um nicht von Schusssalven niedergemacht zu werden.

Ein stämmiger blonder Mann trat vor. „Ich heiße Rick Broonson“, stellte er sich vor und wies mit dem Kopf auf seinen Nebenmann, einen dunkelhäutigen Hünen. „Und das ist Otis Butcher. Wir haben den Auftrag –“

„- das Wurmloch zu schützen“, unterbrach Quart’ol ihn, um klarzustellen, dass er tatsächlich Bescheid wusste. „Und den Gleiter, mit dem Maddrax hier ankam“, fügte er hinzu.

Broonson nickte langsam, immer noch skeptisch. Doch er gebot seinen Leuten mit einem Handzeichen, die Waffen runterzunehmen. „Wir hatten eher mit Matts Rückkehr gerechnet“, sagte er.

„Er ist verhindert“, sagte Quart’ol. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, den Mond in seine alte Umlaufbahn zurückzuversetzen.“

„Die Evakuierung durch das Wurmloch wird also nicht fortgesetzt?“, fragte der schwarze Hüne.

„Nein“, gab Quart’ol unumwunden zu. „Das wird nicht nötig sein.“ Er gab sich optimistischer als angebracht, denn er hatte nicht vor, sich lange hier aufzuhalten und Diskussionen zu führen. „Um im Zeitplan zu bleiben, muss ich aber unverzüglich mit dem Gleiter nach New Mexico weiterreisen.“

Der Hydrit fühlte, wie sich seine Wangen erhitzten. Er war kein guter Lügner und wollte es auch gar nicht sein. Aber diesmal ging es nicht anderes. Er hatte das gut durchdacht: Nur der Gleiter würde es ihm ermöglichen, auf dem Mars nach Wang’kul zu suchen und einer möglichen Verhaftung aus dem Weg zu gehen.

Ließ er sich ohne Transportmittel auf den Roten Planeten versetzen, würde er, da er über keine Koordinaten der Marsstädte verfügte, irgendwo im Nirgendwo landen. Und wie lange würde ein Hydrit auf einem vornehmlich staubtrockenen Planeten wohl überleben …? Nein, er musste den Sprung mit dem Gleiter durchführen; das war seine einzige Chance.

„Der Gleiter ist startbereit“, sagte Rick Broonson. „Wir haben ihn nicht angerührt. Es ist ja auch niemand hier, der ihn fliegen könnte.“

Quart’ol atmete erleichtert auf. „Das geht klar, ich fliege ihn selbst.“

Was ihm ehrlich gesagt Angst machte. Er hatte nie zuvor einen Gleiter bedient, konnte nur auf Matts Erinnerungen als Air-Force-Pilot zurückgreifen.

„Wir hatten gehofft, mehr zu erfahren“, ergriff wieder Otis Butcher das Wort. „Der Mond verursacht auf seiner Umlaufbahn immer größere Unwetter. Wir müssen uns jedes Mal in Schutzräume zurückziehen, wenn er vorbeikommt.“

Der Hydrit nickte. „Es wird noch schlimmer werden, fürchte sich. Aber das ist bald ausgestanden. Mehr kann ich euch nicht berichten. Wie gesagt – die Zeit drängt.“

Butcher hob beschwichtigend die Hände. „Dann wollen wir dich nicht aufhalten. Zum Gleiter geht’s hier entlang …“

Die beiden Männer brachten ihn ohne weitere Umschweife zu Takeos Fluggerät, das vor dem Eingang des Stadions stand. Sie hatten es mit Grünzeug getarnt, das sie jetzt schnell entfernten.

Beim Anblick des Gleiters sank Quart’ol der Mut. Er fuhr mit der Flossenhand über den metallenen Rumpf und sortierte währenddessen Erinnerungen an Maddrax’ Zeit als Commander der US Air Force – vor über fünfhundert Jahren, als die Welt noch eine andere gewesen war.

Alles halb so schlimm, sagte er sich. Ein paar Minuten im Cockpit, dann bekomme ich ein Gefühl dafür. Matts Routine wird das Kind schon schaukeln.

Das war in der Theorie leicht gesagt. Die Praxis würde es beweisen müssen. Sozusagen learning by doing.

„Dann viel Glück – dir und uns allen“, sagte Rick, als sie die linke Frontseite erreicht hatten. Er wies auf ein Schott, das wohl den Einstieg darstellte.

Quart’ol überspielte seine Unsicherheit, griff beherzt zum Öffnungsmechanismus und betete insgeheim zu den Göttern, dass Maddrax den Gleiter nicht durch einen Code gesichert hatte.

Hatte er nicht – die Luke schwang nach oben auf und Quart’ol wechselte nach einem letzten Gruß an die Menschen ins Innere. Das Schott schloss sich hinter ihm.

Der erste Schritt war getan. Quart’ol nahm auf dem Pilotensitz Platz und studierte das Armaturenbrett.

Die schiere Anzahl an Leuchtdioden, Anzeigeelementen und Knöpfen ließ ihn aufstöhnen. Doch für Zweifel war keine Zeit. Umständlich legte er die Sicherheitsgurte an. Es brauchte drei Anläufe, bis die Schnallen einrasteten. Vor Aufregung schien er zwei linke Hände zu haben.

„Reiß dich zusammen. Das bist du Wang’kul schuldig“, schimpfte er laut mit sich selbst und atmete ein paar Mal tief durch. Aus den Tiefen seines Unterbewusstseins stiegen weitere Erinnerungen hoch. Eine merkwürdige Vertrautheit flutete seinen Geist, während seine Hände über die Schalttafeln glitten. Ein Knopfdruck und der Gleiter erwachte zum Leben. Dioden leuchteten auf, Signale für den Systemcheck erklangen. Die Sensoren bestätigten den tadellosen Zustand der Maschine.

Konzentriert fuhr Quart’ol den Antrieb hoch. Brauchten die Düsen Zeit zum Aufwärmen? Sollte er die Klappen gleich für einen maximalen Steigungswinkel ausrichten? Es war schwer, die Fakten aus all den emotionalen Bildern herauszufiltern. So würde er die koordinierten Handgriffe nie in der nötigen Geschwindigkeit erledigen können. Also entschied Quart’ol, dem Instinkt den Vortritt zu lassen.

Wie von selbst drückten seine Finger Schalter. Die Auftriebsdüsen hoben den Gleiter leicht vibrierend vom Boden. Dann ein weiterer Hebel, gefolgt von dem vertrauten Geräusch des einklappenden Fahrwerks.

Quart’ol schob den Schubregler nach vorn. Der eiserne Vogel schoss los – viel zu schnell!

Überall Blinklichter und Warnsignale. Quart’ols Herz raste. Panik schnürte ihm die Kehle zu.

Die Häuser! Kollisionsgefahr! Umkehrschub! Es war, als hörte er Matts Stimme in seinem Kopf.

Quart’ol riss den Schubregler wieder zurück und zündete gleichzeitig die Frontdüsen. Der Sicherheitsgurt presste ihm durch den plötzlichen Ruck die Luft aus den Lungen, doch immerhin konnte er einen Einschlag in die Gebäude verhindern, die nun ganz nahe waren. Er hatte den Gleiter gerade noch rechtzeitig abgefangen und schwebte auf der Stelle.

Quart’ols Hände zitterten. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Konzentriere dich. Mach schon. Lass die Erinnerungen dein Handeln übernehmen.

Er musste seinem Unterbewusstsein, in dem auch Matts Persönlichkeit schlummerte, einfach vertrauen. Uneingeschränkt. Also schloss er die Augen und atmete tief durch. Seine Finger agierten wie von selbst.

Er öffnete die Lider wieder. Wenden. Er betätigte die Steuerborddüsen, bis der Gleiter sich um hundertachtzig Grad gedreht hatte. Dann fixierte er einen Punkt über dem Stadion und richtete die Nase des Fluggeräts darauf aus. Erst jetzt gab er erneut Schub, viel behutsamer diesmal. Der Gleiter nahm Geschwindigkeit auf, schoss über den Stadionrand hinweg und hinein in den wolkenverhangenen Himmel Richtung Nordwesten.

Die Anzeigen auf dem Armaturenbrett zeigten – soweit Quart’ol das beurteilen konnte – normale Werte. Der Start war geschafft. Nun musste er im Autopiloten nur noch die Koordinaten seines Zielpunkts in New Mexico finden und bestätigen. Der Flug selbst würde ein Kinderspiel sein – jedenfalls bis zur Landung.

Planet Hydretaraque, vor 3,5 Milliarden Jahren

Jos’fol schwamm in sachten Zügen zu Mar’ial hinüber, tauchte seine Hände in das Becken mit glimmenden Lichtperlen, hob zwei Handvoll heraus und strich sie seiner Gefährtin sanft über das Gesicht, den Hals entlang und hinab bis über die Schultern. Wie immer summte er dabei die Tonfolge, die sie sich für ihre einstige Vermählung ausgesucht hatten. Eine Abfolge harmonischer Frequenzen, die die Verbindung ihrer DNA-Stränge als verschränkte Matrix darstellten. Ihr gemeinsamer genetischer Fingerabdruck.

Mar’ial seufzte mit halb geöffnetem Mund, sodass ein Strom feiner Luftbläschen emporstieg. Wie immer strahlten ihre nebelgrünen Augen diese unvergleichliche Ruhe aus, gemischt mit einem Hauch von Herausforderung. Ein Wesenszug, der ihrem Zusammensein Würze verlieh, aber auch Ärgernisse mit sich brachte.

Noch einmal ließ Jos’fol seine Finger über ihr Antlitz gleiten, bevor er seine Arme senkte. Mar’ial erwiderte die Gesten des Erwach-Zeremoniells und sprach dabei jene Worte, die sie seit ihrer Vereinigung immer wählte, wenn sie aus ihrer Ruhephase in die aktive wechselten: „ Mögen die Sonnen dein Leben erhellen, das Wasser dich behüten und unsere Einheit dein Sein erhöhen.“

Jos’fol klackerte voller Zuneigung, doch er konnte das Ritual nicht wie sonst genießen. Da war diese undefinierbare Unruhe in ihm. Eine Stimme, die ihn zur Eile drängte, obwohl nichts im Leben eines Taraque-Hydree üblicherweise an Zeitbeschränkungen gebunden war. Natürlich gab es das Konzept von Anfang und Ende. Aber in einer Kultur, die den Tod zumeist nur als willentliche Entscheidung kannte, war Zeit ein kaum beachtetes Theorem.

Nur jene, die sich entschieden, einer Siedlergruppe beizutreten, beschäftigten sich mit solcherlei. Um sich auf die möglichen Gegebenheiten eines anderen Planeten einzustellen. Viele Systeme besaßen nur einen lichtspendenden Himmelskörper. Dies bedeutete, dass die Gegensätze sich deutlich stärker in der Realität niederschlugen. Eine Folge von Tag und Nacht zwang Fauna und Flora dazu, sich ebenfalls einem gepolten Rhythmus anzupassen, statt wie auf Hydretaraque ein kontinuierliches Dasein zu pflegen.

Mar’ial gab einen liebevoll tadelnden Schnalzlaut von sich. „Dein Geist scheint mir immer noch auf Reisen zu sein, obwohl deine Augen geöffnet sind.“

„Ich weiß nicht … da ist so ein Gefühl …“, sagte Jos’fol, während er zum Schrank für die Arbeitsgarderobe hinüberglitt. Ihre Worte hatten etwas in ihm angetippt, doch der Schwarm wollte sich noch immer nicht zerteilen, um ihm klare Sicht auf den Ursprung seines Befindens zu erlauben.

„Ich lege dir eine Extraportion Zellnektar heraus. Oder meinst du, es ist etwas anderes? Ein Parasit vielleicht? Ich habe gehört, dass die Filteranlagen der Stadt längst hätten gereinigt werden müssen. Aber du weißt ja, wie Hero’dis solche Angelegenheiten behandelt, seit der Rat ihn auf den Posten des Ersten in der Verwaltung erhoben hat.“ Mar’ial plauderte vor sich hin, ohne Jos’fol überhaupt antworten zu lassen. So war sie. Ein sprudelnder Quell, selbst in den tiefsten Tiefen oder den höchsten Höhen jeden Seelenthemas.

Jos’fol griff sich ein meteorschwarzes Netzgewebe und legte es an. Er bevorzugte einen schlichten Auftritt und achtete sorgsam darauf, dass die azurglitzernden Schuppen, die sich in Linien von seinem Oberkörper bis hinab zu den Ansätzen seiner muskulösen Waden erstreckten, weitestgehend bedeckt waren.

„Ich habe mich gefragt, ob wir nicht dem Start der neuen Schöpfung beiwohnen könnten“, erklang Mar’ials Stimme aus dem Speiseraum.

„Ist das wirklich schon in diesem Sonnenlauf?“, gab Jos’fol ernsthaft überrascht zurück. Er hatte sich eindeutig zu sehr in seine Studien über die Veränderbarkeit von interstellarem Staub durch gezielten Quantenstring-Beschuss vertieft; sein Spezialgebiet im Forschungskader.

„Sie haben als Zeitpunkt den Sonnenübergang gewählt. Dann gibt es weniger Blendlicht“, berichtete Mar’ial. „Ich war ehrlich gesagt erstaunt, dass sie so kurz vor dem Niederkunftstag eine neue Schöpfung auf den Weg ins All schicken.“

„Vielleicht verhält es sich mit Feiertagen ja gerade so wie mit jedweder Lebensform. Sobald die Anzahl größer als eins ist, gruppieren sie sich und kuscheln“, gab Jos’fol mit einem schelmischen Augenzwinkern zurück.

„Also gehen wir an die Oberfläche? Ich kann mich kaum noch an den Anblick des Himmels erinnern.“ Mar’ial blieb wie immer hartnäckig, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.

Jos’fol seufzte blubbernd und schwamm zu ihr hinüber. „Reicht es dir nicht, dass wir dem Start unseres eigenen Schöpfer-Raumers beigewohnt haben? Du solltest dich auf sie konzentrieren. Schließlich sind wir beide als Goder erwählt worden, nicht nur ich allein. Wann warst du das letzte Mal im Orbitorium, um Kontakt aufzunehmen?“

„Du gehst so oft, das reicht für uns beide“, sagte Mar’ial und klang nun deutlich verstimmt. Es war einer der wenigen Reibungspunkte, die sie in ihrem gemeinsamen Dasein hatten.

„Vielleicht sind meine Sitzungen auch nur so zahlreich, weil du eben keine unternimmst“, hielt Jos’fol trotzig dagegen.

„Das kannst du dir gerne einreden, Jos, aber wir beide kennen die Wahrheit. Ich habe nichts dagegen, dass du dich als Gott-Wächter so um unsere Schöpfung mühst. Im Gegenteil, ich bewundere deine Leidenschaft dafür, neben deinen sonstigen Aufgaben. Aber wirf mir nicht vor, dass ich dir den Vortritt lasse, wenn du ihn doch von Anfang an eingefordert hast.“

Jos’fol sog geräuschvoll die letzten Schlucke aus dem Schlauch mit Zellnektar ein. Es hatte keinen Sinn, ein weiteres Mal wegen dieses Themas zu streiten. Im Grunde hatte sie recht. Er ging gerne und oft ins Orbitorium. Mehr als es die Pflicht verlangte. Doch sie verkannte, dass er diese Leidenschaft gerne in derselben Intensität mit ihr geteilt hätte.

Mar’ial brachte sich lieber in Belange ein, die die neun planetenweiten Metropolen-Städte betrafen. Die Verwaltung und ihre Regelwerke waren das, was ihr die violette Glut in die Wangen trieb, nicht die Seelenentwicklung eines Myriaden entfernt lebenden Volkes, das sie einst auf die Reise geschickt hatten.

„Es wird alte Erinnerungen auffrischen, einen weiteren Raumer ins Weltall starten zu sehen“, sagte Jos schließlich mit einem versöhnlichen Schnalzer.