Magisches Verlangen - A.B. Mars - E-Book

Magisches Verlangen E-Book

A.B. Mars

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Beschreibung

Jordan, ein bekannter und erfolgreicher Schriftsteller, steckt in einer tiefen Krise, als er nach Mystic kommt, um der Legende der Geisterschwestern, die noch immer dort herumspuken sollen, auf den Grund zu gehen. Louisiana, die seit ihrer Geburt in der Stadt lebt und dort eine florierende Gärtnerei betreibt, hat eine enge Verbindung zu den Geisterschwestern und deren Geschichte. Als die beiden aufeinandertreffen, fühlen sie sich nicht nur seltsam zueinander hingezogen, sondern sie spüren auch, dass etwas sie aneinander bindet, was keiner von ihnen so richtig zu benennen weiß. Deshalb machen sie sich zusammen daran, die Geheimnisse der Vergangenheit zu lüften und die Legende der Geisterschwestern tiefer zu ergründen, um den seltsamen Geschehnissen um sie herum auf die Spur zu kommen. Doch je näher sie sich kommen und je mehr Gefühle sie füreinander entwickeln, desto schwieriger scheint ihre Aufgabe zu werden. Und da plötzlich auch noch ein wütender Geist und ein Jahrhunderte alter Fluch eine Rolle zu spielen beginnen, stehen sie am Ende vor einer schweren Entscheidung und der Frage: Sind sie bereit für eine gemeinsame Zukunft wirklich alles zu riskieren?

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Seitenzahl: 1449

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Für alle, die noch an Magie und wahre Liebe glauben

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Epilog

Prolog

Mystic, Connecticut, 20. Juni 1775….

Lucille stand am Ufer des Mystic River und sah, wie ihre Tränen ins Wasser tropften und dort sanfte Wellen verursachten. Sie liebte das Wasser, hatte es schon immer geliebt und von Kindheit an eine ganz besondere Beziehung zu diesem Element gehabt. Sie hatte mit dem Wasser und besonders mit dem Fluss, der durch ihr Heimatstädtchen floss, kommuniziert und ihn zu Ereignissen befragt, die aktuell die Welt und die Menschen beeinflussten. Keiner hatte ihr so gute und befriedigende Antworten auf ihre Fragen geben können, und niemand hatte jemals so oft Recht behalten wie das sanfte Blau des Mystic River. Und sie wünschte, dass es beim letzten Mal anders gewesen wäre. Sie wünschte, bei der letzten Frage, auf die er ihr eine Antwort gegeben hatte, hätte er nicht Recht gehabt.

Lucille ging etwas weiter ins Wasser, das nun sanft über ihre Knöchel hinweg schwappte und den Saum ihres weißen Nachthemds streifte, das sie am Körper trug. Ihr silberblondes, langes Haar bewegte sich leicht in der Brise, die der Fluss durch die Stadt schickte, die hinter ihr in friedlichem Schlummer lag. Die Sterne funkelten am schwarzen Nachthimmel, doch ihre Schönheit konnte Lucille in dieser dunklen Stunde nicht trösten, in der ihre bernsteinfarbenen Augen immer noch in Tränen schwammen.

Sie hatte alles verloren. Alles, was ihr wichtig gewesen war. Alles, was ihr Leben zu dem gemacht hatte, was es war. Es war ihr genommen worden. Von einem sinnlosen Krieg, der in diesem Land wütete und den Menschen angeblich Freiheit bringen sollte. Doch Lucille hatte er nichts gebracht als Leid und unendlichen Schmerz. Er hatte ihr keine Freiheit gegeben, sondern sie ihr genommen. Ihre Freiheit und all ihre Hoffnung. Weil der Mensch, den sie am meisten geliebt hatte, in eben diesem Krieg gefallen war. Für die Freiheit, an die er so sehr geglaubt hatte. Für die Freiheit, die sie nun nie wieder finden könnte, da sein Tod ihr Herz zu einem Gefängnis hatte werden lassen. Zu einem Gefängnis, aus dem es kein Entkommen und keinen Ausweg mehr gab.

Vor eineinhalb Jahren in einer mondbeschienenen, kalten Nacht im Dezember, hatte sie ihren Geliebten, den Mann, der ihr Leben verändern sollte, an eben jenen Ufer des Flusses gefunden, an dem sie jetzt stand. Er war verwundet gewesen, halb erfroren und am Ende seiner Kräfte, sodass sie schon beinahe gedacht hatte, er würde sterben. Doch da sie bereits gesehen hatte, dass er kommen würde, da der Fluss ihr seine Ankunft bereits ein paar Stunden vorher vorausgesagt hatte, hatte sie gewusst, was sie zu tun hatte und war vorbereitet gewesen. Unter Aufbringung all ihrer Kräfte hatte sie ihn aus dem Wasser gezogen, ihn in die zwei Decken gewickelt, die sie mitgebracht hatte und seine Wunden versorgt, so gut sie konnte. Dann hatten ihr die beiden Männer aus der Stadt, die sie bereits zur Verstärkung gerufen hatte, geholfen, ihn zu ihrem Haus zu tragen, wo sie ihn gewaschen und gebadet hatte, seine Wunden gesäubert und verbunden hatte, und ihn danach in ihr Bett verfrachtet hatte, wo er die nächsten zwölf Stunden friedlich geschlafen hatte. Sie hatte ihn gesund gepflegt, hatte ihn umsorgt, für ihn gekocht und ihm neue Kleidung genäht. Und sie hatte sich in ihn verliebt, in den folgenden Nächten, in denen sie an seiner Seite geschlafen, seinen Geschichten gehorcht und ihn getröstet hatte, wenn er mitten in der Nacht wieder einmal von Alpträumen geschüttelt aufgewacht war. Sie hatte darauf gewartet, dass er eines Tages wieder gehen würde, dass er zurückkehren würde in seine Heimatstadt Boston, von wo aus er hierhergekommen war. Aber er war geblieben, Tag um Tag, Woche um Woche, Monat um Monat und am Ende hatte sie aufgehört, über einen Abschied nachzudenken, sie hatte aufgehört, den Fluss zu seiner Abreise zu befragen, sie hatte aufgehört, sich mit dem Gedanken zu beschäftigen, dass er sie eines Tages wieder verlassen würde. Doch genau das hatte er getan. Ganz überraschend und plötzlich, zu einem Zeitpunkt, wo sie angefangen hatte, über eine gemeinsame Zukunft und eine Familie nachzudenken. Er war gegangen, um seiner Pflicht nachzukommen, wie er ihr gesagt hatte. Seiner Pflicht seinem Land gegenüber, seiner Pflicht der Stadt gegenüber, in der er geboren worden war und nicht zuletzt der Pflicht seinen Kameraden gegenüber, die bereit waren, für das, an was sie glaubten, einzutreten und zu kämpfen. Was seine Pflicht ihr gegenüber anbelangte - diese hatte er mit keinem Wort erwähnt.

Lucille hatte ihn ziehen lassen. Sie hatte ihren Schmerz, ihre Gefühle tief in sich verschlossen und darauf gehofft, dass er eines Tages zu ihr zurückkehren würde. Dass er nach dem Kampf, nach einem Sieg - ja, selbst nach einer Niederlage - wiederkommen und sie heiraten würde. Aber ihre Hoffnung war umsonst gewesen. Denn der Fluss hatte ihr vor drei Tagen die Wirklichkeit gezeigt. Der Fluss hatte ihr von seinem Tod erzählt. Er hatte ihr die Geschichte von der Schlacht, in der ihr Geliebter gefallen war, gezeigt und nun sah sie keinen anderen Ausweg, als dem Mann, der ihr Leben gewesen war, zu folgen.

Sie nahm den Dolch, den sie in ihrer rechten Hand hielt, etwas fester und hob ihn langsam hoch, bis er direkt über ihrer Brust schwebte. Im Fluss sah sie ihr eigenes Spiegelbild, eine verzweifelte, zweiundzwanzigjährige Frau, gebeutelt vom Leben, zitternd vor Kummer, nur noch ein schwaches Abbild von sich selbst. Ihr sonst so leuchtend blondes Haar wirkte stumpf und formlos, ihre bernsteinfarbenen Augen waren blutunterlaufen, geschwollen vom Weinen und wirkten trüb. Ihr Gesicht mit der so zarten, hellen Haut war fleckig und aufgedunsen. Und ihr Körper, ihr schlanker, wohlgeformter Körper fühlte sich taub an vor Schmerz, ausgemergelt und wund, was ihren Wunsch nach einer Erlösung nur noch umso mehr festigte. Nach einer Erlösung, die sie nur noch im Tod finden konnte.

Hinter ihr fing die Kirchturmuhr an, zur Mitternacht zu schlagen und mit dem ersten Schlag ließ sie den Dolch niedersausen, bündelte ihre ganze Kraft und rammte ihn sich in die Brust, während sie die Liebe, ihre Entscheidung für diesen Mann, die ihr so viel Leid gebracht hatte und das Leben verfluchte, das ihr alles genommen hatte, was ihr je wichtig gewesen war. Sie ignorierte die tödliche Wunde, die die Klinge in ihre Brust gerissen hatte, während sie diesen Fluch aussprach und ihn mit Magie verstärkte, damit er noch Generationen nach ihr Bestand haben würde. Damit er Generationen von Frauen ihrer Familie beschützen und vor dem gleichen Schicksal bewahren würde. Vor dem grausamen Schicksal und dem unausweichlichen Tod.

Mit einem Stöhnen sank Lucille schließlich auf ihre Knie, sank am Ende ihrer Kräfte ins Wasser und sah wie ihr Bild verschwamm, um andere Bilder freizugeben. Es war, als würde der Mystic River ihr noch einmal ihr gesamtes Leben zeigen, als würde er all ihre Erlebnisse, alle wichtigen Ereignisse, die sich in den letzten Jahren in ihrem Leben ereignet hatten, von hinten aufspulen und sie sah ihnen zu, sah, wie sie an ihr vorüberzogen und fühlte, wie ihr Leben langsam aus ihr heraussickerte, zusammen mit dem Blut, das aus der Wunde über ihren Körper floss und ihr weißes Nachthemd durchdrang.

Immer noch schlug die Kirchturmuhr in der Stadt in ihrem Rücken und sie sah ihren eigenen Tod, sah sich selbst im Wasser stehen mit dem Dolch in der Hand, bevor das Bild sich abermals veränderte und der Fluss ihr ein letztes Geheimnis preisgab. Ein Geheimnis, das ihr ein weiteres Mal die Tränen in die Augen trieb, ein Geheimnis, das sie einen schmerzhaften Schrei ausstoßen ließ, ein Geheimnis, das alles für sie verändern hätte können. Doch als diese Erkenntnis sie durchdrang, als diese Möglichkeit vor ihren Augen Gestalt anzunehmen schien, war es bereits zu spät. Sie starb beim zwölften Schlag der Kirchturmuhr.

Kapitel 1

Mystic, Connecticut, 1. März 2015…

Jordan fuhr langsam an dem Schild vorbei, das verkündete, dass er nun im Städtchen Mystic angekommen sei und sah sich die ersten Wohnhäuser an, die nun am Straßenrand auftauchten. Auf den ersten Blick schienen sie ziemlich klein, ja, beinahe schnuckelig, was für einen Städter wie ihn, aus der Großstadt New York, natürlich schon ein wenig seltsam anmutete. Andererseits hatte er als kleiner Junge ebenfalls in einem relativ kleinen Ort gewohnt, wo das Ambiente eher ländlich gewesen war, sodass ihm das hier nicht vollkommen unbekannt war. Ja, beinahe dachte er, ein kleiner Teil von ihm erkannte wieder, dass solch kleine Städtchen wie Mystic eine gewisse Attraktivität hatten, die man in der Anonymität einer Millionenmetropole niemals finden konnte. Außerdem war er ja vorrangig deshalb hier, weil er sich nach ein wenig Ruhe, nach Abwechslung und Entspannung gesehnt hatte, wofür eine Stadt wie diese hier sicherlich perfekt wäre. Und dass sie zudem noch eine interessante Geschichte barg, die ihn beruflich aufs Neue herausfordern könnte, hatte seinen Entschluss vor zwei Wochen umso mehr gefestigt, sich eine Auszeit von seinem alten Leben zu gönnen und ein paar neue Dinge zu erleben.

Das kleine Städtchen Mystic, das etwa drei Fahrstunden von New York entfernt im Bundesstaat Connecticut lag, war 1654 gegründet worden und hatte sich sehr schnell zu einem der bedeutendsten Schiffsbauzentren entwickelt. Es hatte etwas weniger als viertausendfünfhundert Einwohner und lag direkt am Mystic River, was ihm, wie Jordan zugeben musste, eine gewisse idyllische Ausstrahlung verlieh, die das schöne Frühlingswetter, das heute herrschte, noch verstärkte. Außerdem zählte es zu einem der beliebtesten Badeorte an der Ostküste und war auch einer der wohlhabendsten Orte, den es in diesem Bundesstaat gab. Zusammen mit seinen Sehenswürdigkeiten, dem Mystic Seaport und dem Mystic Aquarium, bot es also durchaus ein verlockendes Angebot für Touristen, die jedes Jahr zu Massen kamen und einen Abstecher in diese Stadt machten, um ein bisschen Ruhe und Frieden zu genießen. Und doch war er sicher, dass den meisten entgangen war, was er gehört hatte und weshalb er nun hier war.

In gemächlichem Tempo fuhr er die Main Street hinunter und folgte den Hinweisen, die ihm sein Navigationsgerät gab, um zu seiner Unterkunft für die nächsten Tage zu gelangen.

Die Stadt hatte nicht nur diesen alten, neuenglischen Flair, der sie zu etwas Besonderem machte, Jordan wusste, dass sie zudem einen alten, historischen Kern hatte, in dem es viele Häuser aus dem siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert zu bestaunen gab, und es existierte eine kleine Siedlung, das Historic Mystic unweit des Mystic Seaports, das jedes Jahr aufs Neue Touristen anlockte, die sich gerne anschauten, wie das Leben früher in kleinen Städten so ausgesehen hatte. In der Nähe dieses historischen Kerns stand ein Bed & Breakfast, das er sich nicht nur aufgrund seiner günstigen Lage ausgesucht hatte, sondern vor allem auch wegen den Besitzern, die wohl eng mit der Geschichte, die ihn hauptsächlich hergeführt hatte, verwoben waren und von denen er sich ein paar Informationen erhoffte, die ihn in seinen Recherchen ein ganzes Stück weiterbringen würden.

Als er abbog und das leuchtend rot gestrichene, im Kolonialstil gebaute Old Mystic Inn in Sicht kam, stieß er einen leisen Pfiff aus und beugte sich vor, um durch die Windschutzscheibe zu sehen.

„Wow, das sieht ja gar nicht schlecht aus.“

Jordan lenkte sein Auto in die Einfahrt, parkte und stieg aus, um das Gebäude noch genauer zu inspizieren. Es gab einen kleinen Garten mit einem Pavillon, um den bereits die ersten Frühlingsblumen gepflanzt worden waren und ihre Köpfe leicht der Sonne zuneigten.

Zwischen zwei großen, schattenspendenden Bäumen baumelte eine Hängematte, die zum Verweilen einlud. Und im hinteren Teil des Gartens konnte er ein schiefergraues Nebengebäude erkennen, das, wie er sich erinnern konnte, ebenfalls an Touristen vermietet wurde, die etwas mehr Luxus und Platz wollten, oder einfach nur auf Anonymität aus waren. So wie er eigentlich. Trotzdem hatte er sich eines der acht einladenden und heimeligen Zimmer im Haupthaus ausgesucht, auch, um den Besitzern etwas näher zu sein und somit mehr Möglichkeiten zu einem kleinen, gemütlichen Gespräch zu bekommen, wobei er die Sprache geschickt auf das Thema lenken könnte, das ihn interessierte.

Er nahm seinen Koffer und seine Reisetasche aus dem Kofferraum und ging in Richtung Eingang der Unterkunft, wo er einen alten Klingelzug fand, den er betätigte und hinterher geduldig wartete, bis ihm geöffnet wurde.

„Hallo. Kann ich Ihnen helfen?“ Eine Frau um die fünfzig, mit sich lustig ringelnden Korkenzieherlocken in der Farbe leuchtenden Messings, erschien in der Tür und sah ihn freundlich an.

„Mein Name ist Wright. J.J. Wright. Ich habe hier ein Zimmer für die nächsten Tage gemietet.”, stellte er sich vor.

„Verstehe.“ Die Frau schenkte ihm ein Lächeln und hielt ihm die Türe auf. „Dann immer herein in die gute Stube. Willkommen im Old Mystic Inn.“

„Danke.“ Jordan trat ins Haus und fühlte sich augenblicklich um ein paar Jahrhunderte zurückversetzt, als er die altmodische, jedoch sehr stilvolle Einrichtung sah, die das Haus beherrschte.

Er sah im Vorbeigehen einen Frühstücksraum, acht runde Tische gedeckt mit Porzellangeschirr, das verziert war mit Goldrändern und Verschnörkelungen, eine Art Aufenthaltsraum mit hohen Ohrensesseln, großen Stehlampen und mächtigen Bücherregalen, und natürlich die Treppe, die noch aus echtem Mahagoni-Holz gemacht schien und geradewegs ins Obergeschoss führte. Auf dem alten, abgetretenen Holzboden, der stellenweise ziemlich knarrte, lagen Teppiche von historischem Wert mit aufwendigen Mustern und Fransen, und auf den Regalen, die ebenfalls antik waren, lagen fein gestickte Deckchen, die mit Rüschen aufgewertet wurden.

„Sie haben wegen des Zimmers sicher mit meiner Schwester telefoniert, da ich mich nicht an diese Reservierung erinnern kann, aber das werden wir gleich haben.“ Die Frau wuchtete ein Reservierungsbuch auf den Tresen der eher zweckmäßigen Rezeption und blätterte darin. „Ihr Name war Wright, sagten Sie?“ „Ja.“ Er ließ seinen Blick zu den beinahe kitschig wirkenden Tapeten gleiten, die in New York unmöglich gewesen wären. „Ich habe letzte Woche angerufen und die Frau am Telefon meinte, ich hätte freie Zimmerwahl.“

„Stimmt.“ Die Rothaarige lachte. „Um diese Jahreszeit haben wir eigentlich noch so gut wie keine Gäste. Die Touristen kommen erst später im Jahr.“ Sie sah ihn an. „Ich vermute mal, Sie sind kein gewöhnlicher Tourist.“

Jordan schenkte der älteren Dame ein Lächeln. „Das könnte man wohl so sagen.“

„Hm.“ Sie nickte. „Da haben wir Sie. J.J. Wright aus New York, richtig?“ „Richtig.“

„Sie bleiben für eine Woche?“ „Erst einmal.“

„In Ordnung.“ Die Dame nahm ein Anmeldeformular zur Hand und reichte es ihm zusammen mit einem Stift. „Würden Sie das hier bitte ausfüllen?“ „Natürlich.“ Er stellte seinen Koffer ab und nahm den Stift in die Hand.

„Darf ich fragen, was Sie hier machen, wenn Sie nicht als Tourist unterwegs sind?“ Die Frau gab etwas in den eher altertümlichen Computer ein, der hinter dem Tresen stand.

„Ich bin zu Recherchezwecken hier.“, antwortete er unverblümt.

„Zu Recherchezwecken?“ Ihre Korkenzieherlocken wippten, als sie zu ihm hochsah.

„Ja.“ Er schob ihr das Formular ausgefüllt wieder über den Tresen.

„Ich bin beruflich hier.“

„Sind Sie Journalist?“

„Haben Sie denn eine interessante Geschichte zu erzählen?“

Die Frau musste schmunzeln. „Nicht schlecht gekontert.“

Er lehnte sich entspannt an die Rezeption. „Ich bin Schriftsteller.“

„Schriftsteller, du meine Güte!“ Sie heftete das Formular sorgfältig ab. „Jetzt werden Sie mir gleich noch erzählen, dass sie über die Geschichte der Geister der drei Schwestern schreiben wollen.“

„Das trifft es ziemlich genau.“

Wieder riss die Dame überrascht den Kopf hoch. „Sie meinen das ernst, nicht wahr?“ Sie kniff die Augen ein wenig zusammen. „J.J.

Wright. Ich kenne diesen Namen. Das ist der Kerl, der diesen Bestseller geschrieben hat. Valentinstagkind heißt er, soweit ich mich erinnere.“

Er zuckte die Schultern. „Ich hoffe, dass den Leuten mein neuer Roman genauso gut gefallen wird.“

Die tiefblauen Augen der Älteren weiteten sich. „Sie sind tatsächlich der J.J. Wright?“

„Ein anderer ist mir ehrlich gesagt noch nicht begegnet.“ Er reichte ihr die Hand. „Darf ich fragen, wer Sie sind?“

„Oh, natürlich.“ Sie lachte wieder. „Penelope Roberts. Aber Sie dürfen mich gerne Penny nennen.“

„In Ordnung, Penny.“ Er setzte sein Lächeln gezielt ein. „Gehört Ihnen dieses wunderschöne Haus?“

„Nein.“ Sie zupfte an einer ihrer Locken. „Es gehört meiner Schwester. Ursprünglich hat es ihr und ihrem Mann gehört. Aber als dieser vor zehn Jahren völlig unerwartet starb, bin ich hierher gezogen, um ihr zu helfen, es zu führen.“

„Ihre Schwester ist demnach Pamela Phillips.“, vermutete Jordan.

Sie beugte sich vertrauensvoll vor. „Und Sie haben sich scheinbar informiert.“

„Ist Ihre Schwester da?“

„Sie lassen wohl keine Zeit verstreichen, was?“ Penny schüttelte den Kopf. „Meine Schwester wird Ihnen nichts sagen. Sie glaubt nicht an diesen ganzen Kram. Außerdem war es ihr Mann, der angeblich verwandtschaftlich verbunden war mit den Geistern.“

„Hm.“ Er überlegte kurz. „Und wie steht es mit Ihnen?“

„Wenn Sie wirklich etwas über die Geschichte wissen wollen, müssen Sie meine Nichte Montana befragen. Sie arbeitet als Touristenführerin, ist während der Saison im Old Historic Mystic unterwegs, wo sie die fantastische Geschichte der drei Schwestern erzählt und den Leuten näherbringt. Sie weiß alles, was man über die Legende wissen muss.“

„Sehr gut. Und wo finde ich Ihre Nichte Montana?“

„Im Moment?“ Sie zuckte die Schultern. „In Mexico. Irgendwo, wo es angeblich vollkommen ungefährlich für alleinreisende Frauen ist.“

„In Mexico?“ Jordan sah seine Hoffnung schwinden.

„Sie ist im Urlaub. Wie beinahe jedes Jahr, bevor die Saison beginnt.“ Pennys Ton klang beinahe etwas entschuldigend.

„Und wann kommt sie wieder?“

„Bei M kann man das nie so recht wissen. In einer Woche oder erst in zwei. Wenn ihr das Geld ausgeht vielleicht auch schon früher.

Da sie aber erst vor drei Tagen weg ist, könnte es schon noch ein wenig dauern.“

„Oh Mann.“ Der Schriftsteller fuhr sich durchs Haar. „Und sonst kennt niemand die Geschichte?“

„Naja, meine beiden anderen Nichten kennen die Geschichte ebenfalls sehr gut. Schließlich hat ihr Vater sie ihnen hunderte Male erzählt.“ Sie nahm einen Schlüssel aus dem Regal. „Allerdings würde ich Ihnen nicht raten, Carolina aufzusuchen. Sie wird Sie in hohem Bogen wieder rausschmeißen.“

„Verstehe.“ Das wurde ja immer schöner, dachte er bei sich. „Und Ihre dritte Nichte?“

„Ja, bei Louisiana können Sie Ihr Glück versuchen. Sie wird Sie mit großer Wahrscheinlichkeit freundlich empfangen und Ihnen womöglich sogar sagen, was sie weiß.“

„Womöglich?“

Penelope lächelte. „Lou ist im Moment sehr beschäftigt. Sie ist Gartenarchitektin und Floristin und hat jetzt, im beginnenden Frühling, natürlich Hochsaison. Aber wenn Sie den richtigen Zeitpunkt erwischen, wird Ihre Tür für Sie offen stehen.“

„Naja, wenigstens ein kleiner Lichtblick.“ Er nahm den Schlüssel für sein Zimmer von ihr entgegen.

„Ihr Cottage ist leicht zu finden. Es liegt kurz hinter dem Ortseingang, steht ziemlich alleine, da sie ein großes Grundstück hat, und wurde zudem auf einer kleinen Erhebung erbaut, sodass man es schon von weitem sehen kann.“ Penelope Adams schrieb eine Adresse auf einen Zettel. „Wenn Sie ein Navi haben, können Sie ja vorsichtshalber die Adresse eingeben.“

„Vielen Dank.“ Er steckte den Zettel in seine Hosentasche und nahm seinen Koffer wieder in die Hand.

„Sie haben das Blaue Zimmer, wenn Sie allerdings ein anderes wollen, können Sie gerne noch einmal zu mir kommen.“

„Blau hört sich gut an.“, meinte er.

„Ich dachte, Blau würde zu Ihren Augen passen.“ Die Frau zwinkerte ihm zu.

„Natürlich.“ Er schmunzelte.

„Frühstück gibt es morgen zwischen acht und halb zehn. Wenn Sie sonst noch irgendwelche Wünsche haben, scheuen Sie sich nicht, sich zu melden.“

„Werde ich machen.“, sagte er noch, dann ging er zur Treppe, um in seinem Zimmer seine Pläne den Umständen anzupassen.

Jordan hatte sich entschieden, einfach zu handeln und nicht mehr lange zu planen, da er ohnehin nicht wusste, was ihn erwarten würde. Hätte er angefangen, einen neuen Plan für die nächsten Tage zu entwickeln und der Besuch bei dieser Louisiana Phillips würde sich ein weiteres Mal als Reinfall entpuppen, wäre er wieder vor der Aufgabe gestanden, seine ganzen Vorhaben umzustrukturieren.

Deshalb beschloss er, sich einfach in sein Auto zu setzen und zum Cottage dieser Frau zu fahren, um dort zu sehen, was er erfahren und wie er es verwenden könnte.

Als er kurz nach dem Ortseingang die Straße nahm, die ihn zum Flower Cottage, wie es wohl regional genannt wurde, führen würde, konnte er es tatsächlich schon in der Ferne erblicken, da es höher stand als alle anderen Gebäude und zudem umgeben schien von einer wahren Explosion aus Blumen und Sträuchern, die ihm schon von weitem über den hüfthohen weißen Gartenzaun zuzuwinken schienen. Es stand inmitten einer saftig grünen Wiese mit schattenspendenden hohen Bäumen im rückwärtigen Teil des Gartens und als er näher kam, konnte er erkennen, dass es mit einem riesigen Wintergarten versehen worden war, durch dessen Glasfront er meterhohe Palmen erblicken konnte.

Jordan hielt sein Auto neben der Straße gegenüber vom Cottage an und stieg staunend aus.

Als Penny ihm gesagt hatte, ihre Nichte würde in einem Cottage wohnen, hatte er mit einem kleinen, aus Holz gebautem Häuschen gerechnet, das mit farbigen Fensterläden versehen war. Aber das hier – das war ein Haus aus einem Märchen. Es war zwar aus Holz oder zumindest zu weiten Teilen mit Holz verkleidet, aber es war leuchtend Gelb gestrichen, während die Fensterläden mit einem dezenten Grauton versehen worden waren. Es war zwei Stockwerke hoch, besaß große, lichtspendende Fenster und eine auffällige rote Haustüre, die mit einem Kranz aus Blättern und Blumen geschmückt wurde. Die Einfahrt zum Haus war ein Kieselweg, der mit großen, weißen Steinen eingefasst war und zu einer Doppelgarage führte, die links vom Haus lag. Neben dem Haus führte ein runder Bogen aus Eisenstangen, um den sich Rosen rankten, die bereits erste kleine Blätter bekamen, in den Garten, der ein Traum für jeden Botaniker sein musste. Zwei kleine rund zugeschnittene Buchsbäume flankierten den Bogen und bildeten so den Zugang zu einem saftig grünen Rasen, der wohl frisch gemäht worden war. Entlang des Gartenzauns gab es ein Blumenbeet, in dem erste Frühlingsblumen wuchsen und Knospen bekamen, und vereinzelt waren Sträucher dazwischen angepflanzt worden, um das ganze aufzulockern. Nach hinten hin, dort, wo auch der Wintergarten des Hauses angebaut worden war, öffnete sich der Garten in eine riesige Fläche, die nur unterbrochen wurde von ein paar Obstbäumen, die ebenfalls schon erste Blätter hatten und auf den richtigen Frühlingsbeginn warteten.

Ein paar lustige Vögel aus Keramik standen neben den Obstbäumen in der Wiese, deren Gefieder bunt bemalt war und alle Regenbogenfarben aufwies. Ein runder Gartenteich war in der Mitte der weitläufigen Gartenfläche angelegt worden, der mit großen weißen Steinen eingefasst war und in dem knospende Seerosen schwammen, die ein schönes Bild abgeben würden, wenn sie erst einmal blühen würden. Neben dem Teich saß ein grüner Frosch aus Keramik und eine Prinzessinnenfigur, während auf der anderen Seite des Teiches eine goldene Kugel lag, was wohl eine Anspielung auf das Märchen Der Froschkönig sein sollte. Auf der anderen Seite des Gartens entdeckte er einen Brunnen aus Naturstein, aus dem das Wasser in drei kleinen Fontänen schoss, um sich dann in das Becken darunter zu ergießen und von dort wieder nach oben gesaugt zu werden. Auf dem Becken des Steinbrunnens und auch daneben im Gras saßen je zwei bunt bemalte Eidechsen aus Glas, so als würden sie Wache schieben. Büsche waren so schlau angelegt, dass sie den Garten in verschiedene Bereiche zu unterteilen schienen und ihn doch nicht optisch verkleinerten, sondern ihn eher noch mächtiger und märchenhafter erscheinen ließen. Überall in den Beeten, in den Büschen oder in der Wiese steckten weitere Ziergegenstände wie Glaskugeln, Spiralen oder Solarlichter, die sich über den Tag in der Sonne aufluden und sobald es dunkel wurde in den verschiedensten Farben leuchteten. In den Bäumen entdeckte er Windspiele und Windlichter, die so raffiniert aufgehängt worden waren, dass es wirken würde, als befände man sich in einem verwunschenen Garten, sobald sie angezündet wurden. Und dann sah er den mit Steinplatten befestigten Weg, der zu einer Art Gewächshaus führte, das vollkommen verglast am Ende des Gartens stand und bestimmt weitere Schätze barg. An das Gewächshaus angebaut, aber fast von den Bäumen verdeckt, stand ein kleines Haus aus grauem Stein und da er das Schild am Straßenrand bemerkt hatte, wusste er, dass es sich um den Blumenladen mit dem Namen Louisianas finest handeln musste, wo all diese wunderbaren Sachen wohl mitunter verkauft wurden.

Jordan ging über die Straße, um noch einen besseren Eindruck von diesem wahrhaftig zauberhaften Garten zu bekommen, als er eine Bewegung wahrnahm und bemerkte, dass jemand im Schatten der Bäume inmitten der saftigen Wiese kniete und die Erde um ein weiteres kleines Bäumchen festdrückte, das wohl gerade erst gepflanzt worden war. Zuerst wollte er schon etwas sagen, auf sich aufmerksam machen, aber dann stand die Person auf und drehte sich um, und er vergaß augenblicklich alles, was er hatte sagen wollen.

Die Person, die in der Erde gekniet hatte, war eindeutig eine Frau.

Eine Frau Mitte Zwanzig, groß, schlank und dennoch nicht kurvenlos, die ihn nun aus bernsteinfarbenen Augen, deren Farbe er selbst über die Entfernung hinweg erkennen konnte, da sie im Sonnenlicht fast golden glänzten, anstarrte, als wüsste auch sie nicht, was sie sagen sollte. Ihre Haare, auf denen ein großer Sonnenhut aus Stroh saß, waren silberblond und fielen in sanften Wellen und vereinzelten Locken über ihren Rücken bis fast zu ihren Hüften hinunter, was ihn augenblicklich an eine Prinzessin erinnerte. Ihre langen, schlanken Beine steckten in ausgewaschenen Jeans, die teilweise schon Löcher und Risse aufwiesen, und die sie bis über ihre Knöchel hochgekrempelt hatte. Dazu trug sie Turnschuhe aus Baumwollstoff und ein dunkelrotes Arbeitshemd, das sie vorne über ihrem Bauchnabel zusammengebunden hatte, sodass ihr flacher Bauch und ihre sanft gebräunte Haut zum Vorschein kamen, was aber dennoch nicht von ihrem Gesicht ablenken konnte. Ihr Gesicht – ja, wie hätte er es beschrieben, wenn sie eine Figur in einem seiner Romane gewesen wäre – ihr Gesicht glich dem eines Engels. Sanfte Linien, hohe Wangenknochen, gerade Nase, volle, rosafarbene Lippen. Eine Stirn, auf der momentan kleine Schweißperlen standen und Wangen, die natürlich rosefarben angehaucht waren, was wohl die körperliche Arbeit verursacht hatte. Und zudem hatte sie die Haut einer Rose. Glatt, zart und mit Sicherheit wunderbar weich, was ihn beinahe dazu verlockte, sie zu berühren, um zu sehen, ob er rechthaben würde.

„Ähm…“ Jordan wusste, dass er nicht länger stumm vor ihr stehen konnte, da es irgendwie seltsam wurde und trat deshalb einen Schritt näher zum Gartenzaun. „Hallo.“

Die blonde Frau mit den faszinierenden Augen sah ihn immer noch ganz komisch an, kam aber ebenfalls näher. „Guten Tag. Kann ich Ihnen helfen?“

„Vielleicht.“ Er lächelte. „Ich bin vor zwei Stunden im Old Mystic Inn abgestiegen und Ihre Tante Penny hat mich hergeschickt.“

„Verstehe.“ Er hatte das Gefühl, dass sie bei der Erwähnung ihrer Tante ein bisschen lockerer wurde. „Braucht Tante Penny irgendetwas? Soll ich runterkommen und ihr zur Hand gehen?“

„Nein, äh….“ Irgendwie fühlte es sich blöd an, über den Gartenzaun hinweg mit ihr zu reden. „Darf ich vielleicht kurz zu Ihnen hineinkommen?“

Er hatte das Gefühl, als würde sie einen Moment zögern, aber dann machte sie eine einladende Handbewegung und zog sich ihre Gartenhandschuhe aus. „Natürlich, kommen Sie herein.“

Jordan ging zur Einfahrt, um von dort aus durch den Rosenbogen zu ihr zu gelangen und streckte ihr dann als erstes die Hand entgegen. „Entschuldigung, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist J.J. Wright und ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.“

„Louisiana Phillips.“ Sie schüttelte seine Hand, wobei sie ein paar Sekunden glaubte, ein leichtes Kribbeln zu spüren. „Und ich bin gespannt, welche Fragen das sein könnten.“

„Fragen, die im Moment wohl nur Sie mir beantworten können.“, meinte er.

„Okay.“ Sie wirkte ein wenig skeptisch, jedoch auch neugierig, weshalb sie zum Haus zeigte. „Wieso gehen wir dann nicht hinein und besprechen das Ganze bei einer kalten Limonade?“

„Hört sich nicht schlecht an.“, sagte Jordan.

„Dann bitte. Folgen Sie mir.“

Sie ging ihm voraus und steckte ihre Gartenhandschuhe in ihre Gesäßtasche, was seinen Blick unwillkürlich zu ihrem Po wandern ließ, der wirklich furchtbar knackig in diesen Jeans aussah und ihrer Figur einen zusätzlichen Pluspunkt hinzusetzte.

„Sind Sie privat hier in unserer Stadt?“, fragte sie, als sie die Haustüre öffnete und vor ihm ins Haus trat.

Da er nicht wollte, dass sie mitbekam, wie er ihr auf das Hinterteil starrte, hob er schnell seinen Blick und ging an ihr vorbei in den Flur. „Nein, ehrlich gesagt bin ich aus beruflichen Gründen hergekommen.“

„In Ordnung.“ Sie zog ihre Schuhe aus und ging barfuß weiter, wobei sie ihn mit sich winkte. „Dann sind wohl auch Ihre Fragen beruflicher Art.“

„Ja, auf jeden Fall.“ Er betrat hinter ihr eine große, helle Wohnküche und sah sich ein wenig um.

Die Wohnküche war in zwei Bereiche aufgeteilt, nämlich in Essbereich und in Kochbereich. Links gab es eine große, weiße Einbauküche mit Kühlschrank, Gefrierschrank, Regalen, Backofen und Kochfeld, sowie sämtlichen Geräten, die man in einer modernen Küche so brauchte. In eine ovale Kücheninsel in der Mitte, die viel Platz bot und deren Oberfläche aus marmoriertem Stein gemacht war, waren zwei Spülbecken eingelassen, die im Moment nur so glänzten und darüber hingen in einem bunten Sammelsurium Töpfe, Pfannen, Küchenbesteck und Kräuter, die wohl trocknen sollten. Im rechten Bereich der Küche dagegen stand ein großer Esstisch, ebenfalls oval, mit sechs Stühlen versehen, und neben der verglasten Türe, die in den Garten führte, stand eine kleine, geschnitzte Bank, die mit rot-gelb gestreiften Kissen versehen war.

„Ich gehe jedoch einfach einmal davon aus, dass Sie kein Kollege sind.“

„Wie?“ Ein wenig abgelenkt drehte er sich wieder zu ihr um, als sie gerade einen großen Krug Limonade aus dem Kühlschrank nahm.

Sie lächelte. „Ihre Fragen sind beruflicher Art, aber Sie sind kein Kollege von mir.“

„Ach so, nein.“ Auch er musste lächeln. „Mit Blumen oder Pflanzen allgemein habe ich nichts am Hut.“

„Ja.“ Sie schenkte die Limonade in zwei Gläser. „Sie sehen eher so aus, als würde jede Pflanze bei Ihnen wegen Vernachlässigung eingehen.“

„Naja, so schlimm ist es auch wieder nicht.“ Er nickte ihr dankend zu, als sie zu ihm kam und ihm ein Glas reichte.

„Das muss ich Ihnen jetzt einfach mal glauben.“ Schmunzelnd deutete sie zum Esstisch. „Setzen Sie sich doch.“

„Danke.“ Er ließ sich nieder und sah durchs Fenster hinaus auf den Garten. „Sie scheinen jedoch ziemlich viel von Ihrem Handwerk zu verstehen.“

„Sie wollen die Sache also hinauszögern, gut.“ Louisiana drehte sich ebenfalls zum Fenster. „Blumen sind mein Leben. Schon als Kind kannte ich die Namen aller Pflanzen, die bei uns wuchsen, auswendig. Ich kannte sogar die lateinischen Namen und verschlang Bücher über exotische Pflanzen, die wir hier in unseren Breitengraden nie sehen würden, was schließlich auch den Wunsch in mir auslöste, die Fähigkeiten zu erwerben, einmal eine solche exotische Pflanze züchten zu können, um sie bei uns heimisch machen zu können.“

„Und? Ist Ihnen das schon gelungen?“

„Ja und nein.“ Sie wirkte völlig entspannt wie sie so mit überschlagenen Beinen, einen Arm locker auf die Stuhllehne gelegt, vor ihm saß. „Ich habe neue Arten gezüchtet, aber manche Pflanzen sind einfach nicht dazu gemacht in unserem Klima richtig zu gedeihen.“

„Verstehe. Aber ich glaube, ich frage gar nicht erst weiter, weil alles weitere sowieso zu hoch für mich werden würde.“

„Warum versuchen Sie es dann nicht mit den Fragen, wegen denen Sie gekommen sind?“ Louisiana hatte etwas Schelmisches in ihrem Blick, während sie einen Schluck aus ihrem Glas nahm.

„Na gut.“ Er musste schmunzeln. „Ich bin hier, weil ich von der Geschichte der Geisterdamen gehört habe.“

Lou setzte ihr Glas ab und starrte ihn überrascht an. „Sie sind hier, weil Sie mir Fragen über die drei Schwestern im Nachthemd stellen wollen?“

„Die drei Schwestern im Nachthemd?“ Jordan runzelte die Stirn.

„Ja.“ Sie stellte ihr Glas auf den Tisch. „So nennt man sie hier bei uns, weil alle drei immer nur im Nachthemd erscheinen. Egal, wer die Geister jemals gesehen hat, sie erschienen im weißen, knöchellangen Nachthemd, das bei allen dreien jedoch meist ziemlich verschmutzt und von Blut durchtränkt ist.“

„Wow, das ist doch mal etwas Neues.“ Er lehnte sich zurück. „Sind die drei Geister Ihnen schon einmal erschienen?“

„Das kommt darauf an.“, meinte sie mit einem nachsichtigen Lächeln.

„Worauf?“

Sie beugte sich vor. „Zuerst einmal würde mich interessieren, warum Sie sich dafür interessieren.“

Jordan nickte. „Schließlich könnte ich ein Verrückter sein, der sonst etwas mit der Geschichte anfangen könnte.“

„Sie sehen nicht aus wie ein Verrückter.“, verkündete die blonde Schönheit. „Aber heutzutage kann man nicht vorsichtig genug sein.“

„Dann hätten Sie mich gar nicht erst in Ihr Haus lassen dürfen.“

„Sie haben doch gesagt, Sie kämen von meiner Tante. Und ich vertraue meiner Tante. Sie würde mir keinen Frauenmörder ins Haus schicken.“

„Und woher soll Ihre Tante wissen, ob ich nicht genau das bin?“,

konterte er.

„Sie sind ziemlich schlagfertig.“, sagte sie anerkennend. „Aber ich werde nicht locker lassen, bis ich die Wahrheit erfahre.“

„Sie meinen, bis ich mein Messer heraushole und es Ihnen in die Brust ramme?“

Mit einem leichten Lächeln erhob sie sich. „Lucille, die zweitälteste der drei Schwestern, starb angeblich genau so.“

„Was?“ Jordan wurde sofort hellhörig. „Sie wurde von einem Frauenmörder erstochen?“

„Nein.“ Sie schenkte sich ein weiteres Glas Limonade ein, sprach aber nicht weiter.

„Okay, okay.“ Er schüttelte den Kopf und stand ebenfalls auf. „Sie werden es ja sowieso erfahren, weil ich Ihrer Tante auch die Wahrheit gesagt habe.“ Er sah sie an. „Ich bin Schriftsteller.“

„Sie sind Schriftsteller?“ Sie klang ungläubig. „Moment.“ Er konnte deutlich sehen, dass es in ihrem Köpfchen zu arbeiten begann. „J.J.

Wright? Der J.J. Wright?“

„Wie ich bereits Ihrer Tante sagte, ich kenne keinen anderen.“,

antwortete er.

Ihre ohnehin schon großen Augen wurden noch größer. „Wie zum Teufel kommen Sie ausgerechnet hierher in unser Städtchen?“

„Ein Freund in New York hat mir von hier erzählt. Und er hat die Geschichte der Geisterfrauen erwähnt, die ich sofort furchtbar interessant fand.“, gab er preis.

„Ein Freund in New York?“ Jetzt kniff sie ihre Augen zusammen.

„Woher kennt er die Geschichte?“

„Weil er wohl hier aus der Nähe stammt.“ Jordan zuckte die Schultern.

„Wie heißt ihr Freund?“, wollte sie wissen.

„Bitte.“ Jordan hob die Hände. „Meine Quelle tut hier nichts zur Sache. Ich bin einfach nur hier, weil ich mehr über diese Geschichte erfahren möchte. Und es würde mich wirklich sehr freuen, wenn Sie mir dabei helfen würden.“

Louisiana überlegte noch kurz, dann fuhr sie sich durchs Haar. „In Ordnung. Aber eigentlich ist meine jüngere Schwester die Spezialistin, was die Geschichte anbelangt.“

„Aber diese weilt in Mexico, wie Ihre Tante mir erzählt hat.“

Sie blickte ihn an. „Richtig.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich werde Ihnen sagen, was ich weiß. Aber versprechen Sie sich nicht zu viel davon.“

„Ist okay.“ Mit einem zufriedenen Lächeln setzte er sich wieder an den Tisch und Lou folgte ihm nach kurzem Zögern, um ihm ihr Wissen preis zu geben.

Kapitel 2

„Bei den Geistern handelte es sich, wie die Geschichte besagt, um drei Schwestern, die hier in dieser Stadt geboren wurden und auch alle drei in etwa demselben Alter und innerhalb von nur zwei Jahren hier in Mystic wieder starben.“, begann sie.

„Was noch nicht erklärt, warum sie angeblich nach wie vor hier herumgeistern und Menschen erschrecken.“, meinte Jordan nickend.

„Ich weiß nicht, ob sie die Menschen tatsächlich gezielt erschrecken. Bisher schien es eher immer so, als würden ihre Erscheinungen einen gewissen Grund haben. Als würden sie gewissen Menschen zu gewissen Zeiten und in gewissen Situationen erscheinen. Aber das greift unserer Geschichte eigentlich vor.“

Louisiana lehnte sich zurück und atmete tief durch. „Die älteste von den dreien starb, soweit ich mich erinnere, mit Ende Zwanzig. Sie war verheiratet, hatte bereits ein Kind und sie dachte, sie hätte ihr Glück gefunden. Das Kind starb allerdings mit einem halben Jahr am plötzlichen Kindstod und es heißt, der Mann verließ sie nur ein paar Monate später, weil er nicht mehr ertragen konnte, was die Trauer aus seiner Frau gemacht hatte. Tatsächlich hatte sie die Trauer um ihr Kind wohl wahnsinnig gemacht und nur Tage, nachdem der Mann gegangen war, erhängte sie sich im Kinderzimmer neben dem Bettchen, in dem ihr Kind gestorben war.“

„Sie hat sich umgebracht?“, fragte Jordan überrascht.

„Ja. Genau wie ihre Schwestern. Alle drei haben Selbstmord begangen. Die größte Sünde, die man damals begehen konnte.“

„Sie wurden von der Kirche verstoßen und mit Sicherheit nicht standesgemäß beerdigt.“, schlussfolgerte der Schriftsteller. „Spuken ihre Seelen deshalb immer noch ruhelos herum?“

„Das mag sicherlich eine der Theorien sein, die kursieren. Eine andere besagt, dass sie alle drei mit ihrem Freitod einen Fluch ausgelöst haben, der sich bis in unsere Generation gehalten hat.“, erklärte sie weiter. „Aber Sie wollen doch bestimmt noch hören, was die anderen beiden getan haben, oder?“

„Unbedingt.“ Er beugte sich vor und sah sie interessiert an.

„Die Jüngste hatte sich wohl in einen Mann verliebt, der Schauspieler war und mit einer Theatergruppe in die Stadt kam, um ein paar Wochen zu bleiben und in den umliegenden Dörfern Vorstellungen zu geben und Geld zu verdienen. Sie wurde schwanger von dem Kerl, weshalb ihr Vater den Mann zwang, zu bleiben und seine Tochter zu heiraten, doch dieser war angeblich überhaupt nicht glücklich damit. In der Nacht, in der die Wehen einsetzten, bekam er Panik und sagte ihr die Wahrheit, sagte ihr, dass er sie nicht lieben würde und wollte sie verlassen. Der Vater bekam es jedoch mit und erschoss den Kerl, bevor er ins Dorf rannte, um Hilfe für seine Tochter zu holen. Doch diese bekam das Kind alleine, während ihr Geliebter starb, und im Anschluss erschoss sie sich selbst mit dem Gewehr, das ihr Vater zurückgelassen hatte.“

„Um dem Mann, der sie gar nicht geliebt hatte, zu folgen?“ Jordan schüttelte den Kopf. „Versteh einer die Frauen.“

Lou lächelte leicht. „Die dritte Schwester, die mittlere….“ Sie zögerte ein wenig. „Ihre Geschichte kenne ich wohl am besten.“ Sie schloss ihre Augen und Jordan fragte sich, ob er sie ansprechen oder nachfragen sollte, warum gerade diese Geschichte, aber er ließ es bleiben, als sie ihre Augen öffnete und er ein gewisses Funkeln darin entdeckte. „Sie hieß Lucille. Sie war bekannt für ihr sanftes, angenehmes Wesen, für ihr großes Herz, für ihre zurückhaltende Herzlichkeit, die jeder in der Stadt liebte, und auch dafür, die Geduldigste der Schwestern zu sein. Sie besaß einen tiefen Glauben, nicht unbedingt in eine Religion oder einen bestimmten Gott, aber doch in die Dinge, die ihr wichtig waren, in Werte, die ihr Leben bestimmten. Sie glaubte an die Familie, an die heilende Kraft der Natur, an den Frieden und vor allen Dingen an die Liebe. Sie hielt nichts von Hochzeiten, die nur stattfanden, weil zwei Kinder einander versprochen worden waren, bevor sie überhaupt auf der Welt waren und sie wies sämtliche Bewerber um ihr Herz ab, weil sie sich sicher war, dass der Eine, der Richtige erst noch kommen würde. Und sie war sich ebenso sicher, dass sie ihn erkennen würde, wenn er vor ihr stünde. Eines Nachts fand sie am Ufer des Mystic River einen Soldaten, der schwer verwundet und halb erfroren war, und es heißt, dass sie nur in sein Gesicht blicken musste, um zu wissen, dass sie endlich den Mann vor sich hatte, auf den sie all die Jahre gewartet hatte. Sie verliebte sich Hals über Kopf in ihn, ließ ihn von zwei Männern aus der Stadt, dessen Hilfe sie geholt hatte, in ihr Haus bringen und säuberte dort seine Wunden, bevor sie diese verband. Lucille pflegte ihn gesund, wachte nächtelang an seinem Bett und tröstete ihn, wenn er fürchterliche Alpträume hatte. Und irgendwann öffnete er ihr sein Herz, schenkte ihr sein Vertrauen und erzählte ihr seine Geschichte und wie er hier gelandet war.

Aber auch diese Liebesgeschichte endete leider tragisch. Lucille wusste, dass er nicht für immer bleiben würde. Sie ahnte, dass er eines Tages wieder in seine Heimat zurückkehren würde. Aber ihre Hoffnung, dass er doch bleiben könnte, wurde mit jedem Tag und mit jeder Woche größer, die ins Land zog und die er länger blieb.

Und als die Hoffnung so groß geworden war, dass sie anfing, über eine gemeinsame Zukunft und Kinder nachzudenken, die sie mit ihm haben könnte und von einem Heim, das sie zusammen für ihre Familie erschaffen würden, zu träumen, da traf sie seine Entscheidung zu gehen umso härter.“

Louisiana machte eine kurze Pause und es schien, als müsse sie sich kurz sammeln. „Es heißt, er zog in einen Kampf, der in seiner Heimat wütete, um seiner Pflicht als Soldat nachzukommen, um seine Kumpanen nicht im Stich zu lassen, um nicht als Feigling zu gelten, doch diese Entscheidung bedeutete am Ende seinen Tod. Er fiel in diesem Kampf und die Nachricht seines Todes traf Lucille so sehr, dass sie nur wenige Tage später zu der Stelle ging, wo sie ihn vor vielen Monaten gefunden hatte, und sich dort, am Ufer des Mystic River, einen Dolch ins Herz rammte, um vom Schmerz erlöst zu werden.“

„Wow.“ Jordan musste zugeben, dass diese Geschichte ihn faszinierte und er musste zugeben, dass Louisiana eine besondere Art zu erzählen hatte, die ihn unbewusst in einen gewissen Bann geschlagen hatte. „Sie starben also alle drei aus Liebeskummer.

Gaben ihr Leben hin, weil sie mit dem Schmerz um die verlorene Liebe nicht leben konnten und wollten.“

„Ja.“ Sie fuhr sich durchs Haar und es schien, als würde auch sie nur langsam wieder zurück in die Wirklichkeit finden. „Angeblich haben sie die Liebe im Augenblick ihres Todes verflucht. Sie haben die Männer, die sie geliebt haben, verflucht. Und sie haben geschworen, dass sie die Herzen der Frauen, die ihnen nachfolgen würden, auf ewig beschützen würden, auf dass sie nie diesen Schmerz kennenlernen müssten.“

„Und deshalb sind sie immer noch hier.“

„Möglich.“ Lou erhob sich langsam. „Keine von ihnen ist meinem Vater je erschienen, das weiß ich mit Sicherheit. Aber meine Großmutter, an die ich mich leider nur noch verschwommen erinnere, hätte wohl einiges über so manche Begegnung mit den Geisterdamen zu berichten gehabt.“

„Das heißt, sie erscheinen nur weiblichen Wesen?“ Jordan stand ebenfalls auf.

„Zumindest scheint es so.“ Sie wandte ihm den Rücken zu und sah aus dem Fenster.

„Was mich zu einer vorangegangenen Frage zurückbringt.“, meinte er. „Ist eine der drei Schwestern Ihnen schon einmal erschienen?“

Sie wandte sich zu ihm um und ihre Augen schienen ein einziges goldenes Feuer zu sein. „Ist das relevant für Ihr Buch, das Sie höchstwahrscheinlich über diese Geschichte schreiben wollen?“

„Ich möchte diese Geschichte in meinem neuen Roman verarbeiten, da haben Sie richtig geraten.“, gab er zu. „Und in diesem Sinne wäre es gut, so umfassende Informationen wie möglich über die Sache zu haben.“

„Da ich aber sicher nicht in Ihrem Buch vorkommen werde, sollten meine Erfahrungen mit den Geistern - sollte es überhaupt welche geben - bestimmt nicht von Bedeutung sein.“ Sie machte einen Schritt zur Seite und ging von ihm weg. „Sie erscheinen jedes Jahr in drei bestimmten Nächten unten am Mystic Seaport. Angeblich sind es die Nächte, in denen sie gestorben sind, aber das ist nicht genau überliefert.“

„Und in diesen Nächten haben sie auch schon andere gesehen? Leute, die nicht zu Ihrer Familie gehörten?“ Er folgte ihr mit den Augen.

„Ja.“ Sie räumte den Krug mit der Limonade wieder in den Kühlschrank. „Aber auch hier bekamen sie überwiegend Frauen zu Gesicht.“

„Frauen, die gerade furchtbar verliebt waren?“

„Darüber kann ich Ihnen leider keine Auskunft geben.“

Er wagte es, wieder etwas näher zu ihr zu treten. „Und es gibt keine Berichte, dass auch Männer die Geister schon einmal gesehen haben?“

„Es gibt Geschichten, dass manchen Männern seltsame Dinge passierten. Dass sie von etwas Unsichtbarem attackiert wurden und sie plötzlich eine eisige Kälte verspürt hätten. Aber keine Erscheinungen. Keine sichtbaren Spuren unserer Geisterdamen.“

„Hm.“ Jordan überlegte kurz. „In welchen Nächten genau erscheinen sie am Seaport?“

„Weil Sie dann das Spektakel gerne miterleben würden?“ Sie musste schmunzeln. „Den letzten Termin haben Sie knapp verpasst. Es ist die Nacht zum 01. Februar.“

„Und welche der drei erscheint in dieser Nacht?“

„Die Jüngste. Die, die sich erschossen hat.“, antwortete die blonde Schönheit.

„Und? Ist sie erschienen?“, fragte er weiter.

„Da müssen Sie meine Schwester fragen, wenn sie wieder da ist. Ich war leider nicht zugegen.“, meinte sie beinahe sarkastisch.

„Okay.“ Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Und wann wäre der nächste Termin?“

„20. Juni. Eigentlich die Nacht zur Sommersonnenwende, da sie meist um Mitternacht erscheint.“

„Darf ich raten, welche der drei Schwestern in dieser Nacht erscheint?“ Denn irgendwie glaubte er, es in ihrem Gesicht lesen zu können.

Sie seufzte. „Es ist Lucille. Und bevor Sie fragen, ob ich sie in dieser Nacht schon einmal gesehen habe – ja.“

„Werden Sie mir die Geschichte irgendwann einmal erzählen?“

Sie sah ihn an, wie er so vor ihr stand mit seinem rabenschwarzen Haar und den hellen, blauen Augen, die in diesem markanten und durchaus interessantem Gesicht sofort auffielen und herausstachen, und stieß erneut einen Seufzer aus. „Ja. Vielleicht irgendwann. Aber nicht heute.“

„Gut.“, sagte er mit einem dieser Lächeln, die sie sofort als gefährlich einstufte. „Damit gebe ich mich zufrieden.“

Lou machte eine resignierende Handgeste. „Kann ich Ihnen sonst noch bei irgendetwas helfen?“

„Nein, fürs Erste habe ich genug Informationen und Ihre Gastfreundschaft genug strapaziert.“ Sein freundlicher Ton ließ Lou wieder lockerer werden und sie ging entspannter auf ihn zu.

„Falls Sie wirklich noch brennende Fragen haben sollten, können Sie gerne noch einmal vorbeikommen.“

„Ja?“ Er sah sie erfreut an. „Sie haben nämlich wirklich ein wunderschönes Haus und einen märchenhaften Garten, wenn ich das so sagen darf.“

Ihr Lächeln kam schnell und war absolut echt und ehrlich. „Danke. Ich zeige Ihnen gerne einmal meinen Laden, auch wenn Sie sicher die Hälfte von dem, was ich Ihnen erzählen werde, nicht verstehen werden.“

„Das macht nichts.“ Er ging hinaus in den Flur. „Ich würde wirklich gerne sehen, was Sie sich hier aufgebaut haben. Von außen sah es nämlich sehr interessant aus.“

Interesse an ihrer Arbeit, an dem, was sie tat und wofür sie lebte, hatte sie schon immer schwach werden lassen. „Sie können morgen nach Feierabend vorbeikommen, wenn Sie wollen.“

„Um sieben?“ Er verbarg lieber, dass er sehr zufrieden damit war, sie ein wenig geknackt zu haben.

„Ja, sieben wäre gut.“, sagte sie. „Ich habe morgen Vormittag ein paar Außentermine bei Familien, deren Gärten ich in den nächsten Wochen herrichten soll und am Nachmittag kommt meine Freundin vorbei, um mit mir den Blumenschmuck für die Taufe ihrer kleinen Tochter zu besprechen. Dazwischen werde ich wohl im Laden zu tun haben, aber um sieben dürfte ich fertig sein.“

„Ich kann auch etwas zu Essen mitbringen, wenn Sie wollen.“

Überrascht sah sie ihn an. „Essen?“

„Naja, wenn Sie den ganzen Tag arbeiten, werden Sie am Abend sicher Hunger haben.“, sagte er ganz locker.

„Mr. Wright….“

„J.J.“, warf er lächelnd ein. „Und keine Sorge, ich habe nicht vor, Sie zu verführen und über Sie herzufallen. Obwohl ich auch nicht leugnen möchte, dass der Gedanke etwas Verlockendes für mich hat.“

„Ich….“ Er hatte sie eindeutig aus der Fassung gebracht und das war ihr das letzte Mal als Teenager passiert.

„Ist Pizza ok?“

„Ja.“ Sie fuhr sich durchs Haar und schüttelte ein wenig den Kopf.

„Ja, Pizza ist ok.“

„Hervorragend.“ Er beugte sich vor und sah, wie sich ihre Augen weiteten, als er ihr so nahe kam, dass er sie hätte küssen können.

„Bis morgen, Louisiana.“

Statt das Offensichtliche zu tun, hauchte er einen federleichten Kuss auf ihre Wange, drehte sich danach um und verließ ihr Haus mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen.

„Himmel, Herrgott.“ Lou stieß die Luft aus, als die Tür hinter dem Schriftsteller zufiel und ging in die Hocke, um ihre zitternden Beine zu entlasten.

Wenn er dieselbe Wirkung wie gerade auch morgen auf sie ausüben würde, sollte sie sich lieber schon einmal einen dicken Panzer zulegen. Denn ansonsten konnte sie für nichts garantieren.

Louisiana war froh, dass ihr Arbeitstag so voll war und sie so viel zu tun hatte, weil sie dadurch weniger Zeit hatte, über das Auftauchen des geheimnisvollen Fremden und seine Wirkung auf sie nachzudenken, was sie nur aufgewühlt und nervös gemacht hätte.

Denn das konnte sie definitiv nicht brauchen. Und die vielen Termine, die sie hatte, lenkten sie auch von ihren Gedanken den heutigen Abend betreffend ab, an dem sie den unverschämt gutaussehenden Schriftsteller wiedersehen würde und noch keine Ahnung hatte, wie genau das Ganze ablaufen sollte.

Nach den zwei Terminen am Vormittag in der Stadt, wo sie jeweils über eine Stunde durch die Gärten der Häuser gestreift war, die sie in den nächsten Wochen für den Frühling rüsten sollte, war sie in ihren Laden zurückgekehrt, wo sie kurz mit ihren Verkäufern geredet und zwei Kundenwünsche erfüllt hatte, bevor sie ins Lager gegangen war, um eine Bestandsaufnahme zu machen und Bestellungen, die nötig waren, zu tätigen. Danach hatte sie eine kurze Mittagspause eingelegt, ein belegtes Sandwich gegessen und war hinterher in ihr Gewächshaus gegangen, wo sie angefangen hatte, Blumen für ihre Aufträge auszuwählen und andere mit speziellen Pflegemitteln und Dünger zu behandeln, damit sie noch besser gedeihen konnten. Sie arbeitete auch an einigen ihrer eigenen Züchtungen weiter und als sie das nächste Mal auf die Uhr sah, merkte sie, dass sie die Zeit vollkommen vergessen hatte und ihre Freundin Marissa schon in zehn Minuten vor ihrer Tür stehen würde, weshalb sie auf schnellstem Wege zurück in ihr Cottage eilte.

Sie hatte sich gerade ein wenig gesäubert und das Wasser für den Tee aufgesetzt, als es auch schon an der Haustüre klingelte und sie hinauseilte, um ihre Freundin aus der Kindergartenzeit in Empfang zu nehmen.

„Marissa, es tut mir so leid, ich war im Gewächshaus und habe vollkommen die Zeit vergessen, deshalb ist der Tee leider noch nicht fertig und die Kekse, die ich gebacken habe, sind noch nicht mit Zuckerguss überzogen, aber ich werde mich beeilen, damit….“

„Hey, hey, hey.“ Marissa, eine strahlende Mutter mit pfirsichfarbenem Teint und rotblonden Locken, die ständig in Bewegung schienen, trat in den Flur und zog ihre Freundin in ihre Arme. „Lass dich doch erst einmal umarmen und dann beruhige dich, da ich noch nicht am Verhungern und Verdursten bin, und ganz bestimmt bin ich auch nicht deshalb hier, um zu essen und zu trinken.“

„Aber wir trinken doch immer zusammen Tee und essen Kekse, wenn du kommst.“ Lou erwiderte die Umarmung herzlich und zögerte sie ein wenig hinaus, weil es irgendwie beruhigend war, ihre Freundin festzuhalten.

„Klar, aber ich werde nicht sterben, wenn ich noch zehn Minuten warten muss und ich weiß auch, dass du im Moment viel zu tun hast.“ Marissa zog ihre Jacke aus und hängte sie an einen der Haken.

„Noch geht es, ehrlich gesagt. Weil es noch ein wenig zu kalt und das Wetter zu unbeständig ist, um die Gärten schon zu rüsten. Aber in zwei, drei Wochen….“ Die Floristin machte eine vage Handbewegung.

„Ich habe gelesen, dass du in zwei Wochen deinen Laden auch wieder samstags öffnest.“ Die junge Mutter trat an die Küchentheke und bediente sich aus der Obstschale, in der Weintrauben lagen.

„Ja, wie jedes Jahr, wenn die Saison richtig beginnt. Aber das dürfte, ehrlich gesagt, kein allzu großes Problem sein.“ Lou goss das inzwischen heiße Wasser in zwei Teetassen und gab jeweils einen Teebeutel hinein. „Hagebutte und Hibiskus für dich, Limette und Minze für mich.“

Marissa lächelte. „Sag mir, wo die Kekse sind, dann kümmere ich mich um den Zuckerguss.“

„Untersteh dich.“, meinte ihre Freundin. „Du bist hier heute Kundin und Gast.“

„Ich bin weder das eine noch das andere.“, sagte Marissa und krempelte die Ärmel hoch. „Und das seit unzähligen Jahren.“

„Ich glaube, es dürften mittlerweile über zwanzig Jahre sein.“

Die Rotblonde grinste. „Sind wir wirklich schon so alt?“

„Hey, du bist schließlich schon verheiratet und Mutter.“ Die Floristin nahm die Kekse aus einer Dose und richtete sie auf einem Teller an. „Apropos, wo hast du Amy gelassen?“

„Die schläft draußen im Auto. Ich wollte sie nicht wecken.“

„Wird es im Auto nicht zu kalt, wenn du sie dort lässt?“

„Es wird eine Weile dauern, bis es abkühlt und der Wagen steht in der Sonne. Ich hole sie in ein paar Minuten.“ Marissa hatte bereits Puderzucker, Milch, eine Schüssel und einen Pinsel geholt.

„Komm, lass mich das machen und hol du deine Tochter. Sie kann auch hier weiterschlafen.“ Ihre Freundin nahm ihr die Gerätschaften weg und scheuchte sie aus der Küche.

„Wirst du mir dann erzählen, warum du so aufgedreht und durch den Wind bist?“

Louisiana sah hoch. „Bin ich das denn?“

„Normalerweise so gut wie nie. Selbst, wenn es einmal hoch hergeht. Umso interessanter finde ich es, dass du es heute bist.“ Marissa war schon auf dem Weg zum Flur. „Du kannst dir ja überlegen, was du mir gleich sagen willst.“

Lou seufzte, als ihre Freundin zur Tür hinaus war und machte sich daran, den Zuckerguss fertig zu machen.

Als ihre Freundin zwei Minuten später zurückkam mit dem MaxiCosi, in dem ihre Tochter immer noch seelenruhig schlief, hatte Louisiana bereits ein paar Kekse bepinselt und kam mit ihnen zum Tisch.

„Der Tee dürfte auch gleich fertig sein, wir können also anfangen.“ Sie ging in die Hocke, um das Baby zu betrachten. „Gott, sie ist ja schon wieder gewachsen. Was gibst du ihr?“

„Bisher nur Milch, aber da wir seit ein paar Tagen auch mit Brei und zerquetschten Bananen experimentieren, wird sie wohl bald noch größer werden.“ Marissa hatte ein Lächeln auf dem Gesicht, das deutlich zeigte, wie glücklich sie war. „Ich kann manchmal kaum glauben, dass es schon fünf Monate her sein soll, dass sie auf die Welt kam.“

„Wenn man glücklich ist, vergeht die Zeit wie im Flug, nicht wahr?“

Louisiana erhob sich wieder und setzte sich an den Tisch.

„Ja.“ Ihre Freundin setzte sich zu ihr. „Jeff war mein Hauptgewinn, auch wenn er sich anfangs ziemlich gewunden hat.“

„Das lag nur an seinen Moralvorstellungen, weil er dachte, du wärst entschieden zu jung.“

„Was sind schon dreizehn Jahre Altersunterschied, wenn man sich liebt. Und Gott weiß, dass ich diesen Kerl liebe.“ Die Mutter sah ihre Freundin lächelnd an. „Was ist mit dir und den Kerlen? Gibt es da etwas Neues?“

„Als wenn du das nicht schon längst gehört hättest.“, meinte die Blonde mit einem Lächeln.

„Aber ich wette, dass deine Aufregung daher kommt, dass du einem Mann begegnet bist.“

„Also bitte.“ Lou verdrehte die Augen. „Bin ich so leicht zu durchschauen?“

„So aufgekratzt und nervös warst du zuletzt auf der Highschool, als dich Samuel Davis zum Ball eingeladen hat.“, konterte Marissa.

„Also, erzähl mir nichts.“

Lou lehnte sich zurück. „Der Mann aus meinen Träumen ist aufgetaucht.“

„Der….“ Ihre Freundin sah sie überrascht an. „Du meinst den Kerl, der dir letzte Woche deine Träume versüßt hat?“

„Erinnerst du dich, dass ich dir sagte, ich hätte sein Gesicht schon einmal irgendwo gesehen?“, fragte Lou statt einer Antwort.

„Ja.“

Sie nickte. „Es ist J.J. Wright. Der Schriftsteller aus New York.“

„Der….derjenige welcher, der Valentinstagkind geschrieben hat?“

„Jap.“

„Was macht der hier bei uns?“

Lou atmete tief durch. „Er will einen Roman über die Geschichte der Geisterdamen schreiben.“

„Ach, du meine Güte!“ Marissa fand die Sache immer spannender.

„Und er ist wirklich wie in deinen Träumen?“

„Rabenschwarzes Haar, das immer ein wenig unordentlich wirkt, helle, blaue Augen, die den Anschein erwirken, einem bis in die Seele zu schauen. Markantes Gesicht, das man sich gerne ein zweites Mal genauer anschaut, groß, eigentlich fast riesig, und muskulös, auch wenn er nicht zu viele Muckis hat, was gut ist, da er sonst monströs wirken würde. Er hat dieses Lächeln, das eindeutig gefährlich ist für jede Frau, diese Mimik, die ihn absolut interessant macht und diesen Blick, der einen in der Luft zerreißen, aber auch wie Schokolade schmelzen lassen kann.“

„Wenn ich nicht schon verheiratet wäre, den Mann würde ich auf der Stelle nehmen.“, meinte Marissa fasziniert.

„Marissa, er wollte von mir die Geschichte der Geisterfrauen hören, weil M ja momentan nicht zur Verfügung steht und es schien…..er hat durchschaut, dass ich mehr mit der Geschichte zu tun habe, als ich preisgebe. Das glaube ich zumindest.“ Die Floristin merkte, dass sie schon wieder vor Aufregung vibrierte.

„Und du willst es ihm nicht preisgeben?“

„Weshalb sollte ich? Du weißt, was Carolina von der ganzen Sache hält und wenn wir ehrlich sind….es ist doch nur eine Geschichte.“

„Das war es für dich nie, Liebes.“ Marissa legte ihre Hand auf die ihrer Freundin. „Und für Montana noch viel weniger. Und was Carolina anbelangt…“ Sie schüttelte den Kopf. „Wenn ihr Herz nicht so verletzt, zerbrochen und deshalb so verschlossen wäre, würde auch sie einsehen, dass die Wahrheit der Geschichte nicht zu leugnen ist.“

„Es gibt keine Beweise. Nur eine Legende.“, wandte Lou ein.

„Und es gibt Fakten, die nicht abzustreiten sind. Fakten, die vor allem Carolina mit eigenen Augen gesehen hat. Ob sie das im Moment zugeben will oder nicht.“, gab ihr die Rotblonde zu verstehen. „Aber da ich nicht involviert bin, nicht dazugehöre, geht es mich auch gar nichts an.“

„Du weißt, dass das nicht stimmt. Du hast für mich immer dazugehört.“ Nun verschränkte Lou ihre Finger mit denen ihrer Freundin.

„Das hast du schön gesagt.“ Marissa lächelte. „Aber nun sag mir, wirst du den heißen Schriftsteller wiedersehen?“

„Er kommt um sieben mit Pizza vorbei, weil er meinen Laden sehen will.“

„Und das macht dich so nervös?“

„Das und….“ Sie überlegte einen Moment. „….dass ich nicht weiß, was sein Auftauchen zu bedeuten hat.“

„Du meinst, sein Auftauchen und sein Interesse an der Geschichte könnten einen Zusammenhang haben mit der Legende?“

Louisiana hob die Hände. „Ich habe keine Ahnung. Und eigentlich finde ich, haben wir jetzt auch genug darüber geredet.“ Sie stand auf und entsorgte die beiden Teebeutel. „Lass uns darüber reden, welchen Blumenschmuck du für die Taufe der kleinen Maus haben möchtest.“

„Lou, wenn du mir dein Herz ausschütten möchtest, höre ich dir gerne zu. Ich habe haufenweise Zeit.“

Die blonde Schönheit schmunzelte. „Du solltest dringend wieder arbeiten.“

„Und du solltest dir eine andere Taktik überlegen, wenn du von dir ablenken willst.“ Marissa schüttelte den Kopf. „Lou, wann hattest du das letzte Mal ein richtiges Date?“

„Wie zum Teufel kommst du jetzt darauf, dass das heute Abend ein Date sein könnte?“

„Er kommt um deinen Laden zu sehen. Das heißt, er hat Interesse an dir.“

„Herrgott, Marissa. Er ist Schriftsteller. Wie ich das sehe, stecken die überall ihre Nase hinein.“

„Und wie ich das sehe, weißt du sehr genau, dass ich mit meiner vorherigen Aussage ins Schwarze getroffen habe.“ Die Rothaarige verengte die Augen. „Bist du deshalb so nervös, weil er Interesse bekundet hat?“

„Interesse bekundet. Wie redest du denn?“ Die Blonde machte eine fahrige Bewegung in der Luft. „Er war charmant und er ist eindeutig gefährlich, wie ich dir schon verklickert habe.“

„Und du willst dich nicht in die Gefahr stürzen?“

„Ich…das….also, jetzt Schluss damit.“, rief Lou aus. „Ich werde mit Jeff tatsächlich darüber sprechen müssen, dass er dich wieder arbeiten lassen soll. Das ist ja schlimm, wenn du nichts zu tun hast.“

„Ich habe mit Jeff schon darüber gesprochen.“, informierte sie ihre Freundin. „Aber er ist ehrlich gesagt noch ein wenig skeptisch.“

„Er will nicht, dass du wieder anfängst?“

„Er will nicht, dass ich mich übernehme und die Kleine zu viel weggebe.“

„Soweit ich das sehe, dauern deine Kurse doch immer nur eine dreiviertel Stunde und finden nur zweimal in der Woche statt.“ Lou kam zurück und setzte sich wieder.

„Und dazu könnte ich Amy auch leicht mitnehmen. Aber Jeff geht es mehr darum, wenn ich kurzfristig zu einer Geburt gerufen werde. Dazu kann ich Amy nämlich nicht mitnehmen.“, berichtete Marissa.