Mami 1751 – Familienroman - Susanne Svanberg - E-Book

Mami 1751 – Familienroman E-Book

Susanne Svanberg

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Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese einzigartige Romanreihe ist der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. Es war bereits dunkel, als Irene Dahrendorf die Redaktion verließ. Der kühle Herbstwind ließ ihre langen blonden Locken flattern. Fröstelnd schloß sie die Knöpfe ihres Blazers und eilte die wenigen Stufen hinab. Unter der Laterne auf der Straße hatte sie ihren Freund Martin entdeckt. Der junge Ingenieur, der in seinem Job viel früher Feierabend hatte, holte sie häufig ab. Groß und breitschultrig war er, ein Mann, den niemand übersehen konnte. Er war ein Sonnyboy, der überall Frauen hatte. Das Leben verwöhnte ihn. Alles fiel ihm leicht, überall hatte er Erfolg. Dazu trugen auch sein gutes Aussehen und sein unerschütterliches Selbstbewußtsein bei. Irene liebte ihren Martin und war glücklich mit ihm. Lachend lief sie ihm entgegen und fiel ihm stürmisch um den Hals. Sie küßten sich mit einer Innigkeit, die jedem Vorübergehenden sofort signalisiert hätte, daß diese beiden ein beneidenswert glückliches Paar waren. Es ging aber niemand vorbei, nur Irenes Kollege Michael Fischer stand am Fenster des Redaktionsbüros und beobachtete die zärtliche Begrüßung. Er empfand Wehmut dabei, denn er liebte die hübsche Kollegin heimlich, obwohl er wußte, daß er gegen Martin Roeder keine Chance hatte. "Hast du Lust zu einem kleinen Bummel? Ich möchte Verschiedenes mit dir besprechen." Martin sah seine Partnerin strahlend an. Irene verspürte keine Lust, denn ihr war es viel zu kühl. Doch sie mochte ihrem Martin keinen Wunsch abschlagen. Nur zu gern ließ sie es geschehen, daß Roeder schützend seinen Arm um sie legte. Sie lehnte sich im Weitergehen an ihn und hatte keine Ahnung, daß es jemand gab, der ihnen traurig nachschaute.

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Mami -1751-

Kinder träumen von Geborgenheit

Roman von Susanne Svanberg

Es war bereits dunkel, als Irene Dahrendorf die Redaktion verließ. Der kühle Herbstwind ließ ihre langen blonden Locken flattern. Fröstelnd schloß sie die Knöpfe ihres Blazers und eilte die wenigen Stufen hinab. Unter der Laterne auf der Straße hatte sie ihren Freund Martin entdeckt.

Der junge Ingenieur, der in seinem Job viel früher Feierabend hatte, holte sie häufig ab. Groß und breitschultrig war er, ein Mann, den niemand übersehen konnte. Er war ein Sonnyboy, der überall Frauen hatte. Das Leben verwöhnte ihn. Alles fiel ihm leicht, überall hatte er Erfolg. Dazu trugen auch sein gutes Aussehen und sein unerschütterliches Selbstbewußtsein bei.

Irene liebte ihren Martin und war glücklich mit ihm. Lachend lief sie ihm entgegen und fiel ihm stürmisch um den Hals. 

Sie küßten sich mit einer Innigkeit, die jedem Vorübergehenden sofort signalisiert hätte, daß diese beiden ein beneidenswert glückliches Paar waren. Es ging aber niemand vorbei, nur Irenes Kollege Michael Fischer stand am Fenster des Redaktionsbüros und beobachtete die zärtliche Begrüßung. Er empfand Wehmut dabei, denn er liebte die hübsche Kollegin heimlich, obwohl er wußte, daß er gegen Martin Roeder keine Chance hatte.

»Hast du Lust zu einem kleinen Bummel? Ich möchte Verschiedenes mit dir besprechen.« Martin sah seine Partnerin strahlend an.

Irene verspürte keine Lust, denn ihr war es viel zu kühl. Doch sie mochte ihrem Martin keinen Wunsch abschlagen. Nur zu gern ließ sie es geschehen, daß Roeder schützend seinen Arm um sie legte. Sie lehnte sich im Weitergehen an ihn und hatte keine Ahnung, daß es jemand gab, der ihnen traurig nachschaute.

»Ich war heute bei meinem alten Kumpel Gustav. Du weißt schon, der Architekt. Er hat mir versprochen, daß das Haus im nächsten Frühjahr fertig ist.«

»Aber im Moment ist doch gerade erst die Baugrube ausgehoben«, antwortete Irene etwas zerstreut. Sie war mit ihren Gedanken noch bei der Arbeit in der Redaktion. Kurz bevor die Seiten der Tageszeitung in Druck gehen sollten, war noch eine wichtige Meldung gekommen, die unbedingt in die morgige Ausgabe mußte. Alles mußte nochmals umgestellt und einige Artikel gekürzt werden. Eine umfangreiche Arbeit, für die nur wenig Zeit zur Verfügung stand. Allein hätte es Irene gar nicht geschafft. Michael Fischer hatte ihr dabei geholfen, obwohl er keinen Spätdienst hatte.

»Gustav meint, wenn es keinen Frost gibt, steht der Rohbau bis zum Jahresende. Und dann können wir die Innenausstattung auswählen. Du, ich freue mich.«

»Ich auch«, erwiderte Irene etwas lahm. Bis jetzt konnte sie sich für das mit Schlammpfützen übersäte Grundstück, auf dem ihr späteres Zuhause entstehen sollte, nicht begeistern.

Das junge Paar ging gerade auf den Fluß zu, der sich in vielen Windungen durch die Kleinstadt schlängelte. Im Sommer führte er nur wenig Wasser, doch wenn im Frühjahr in den Bergen die Schneeschmelze einsetzte, wurde er zum reißenden Strom. Deshalb gab es zu beiden Seiten einen hohen Damm mit schattigen Spazierwegen. An einer mittelalterlichen Brücke, geschmückt mit einer Statue des Heiligen Nepomuk, bog er auf diesen Weg ein. Tagsüber gingen hier junge Mütter und Rentner spazieren, um diese Zeit war der Damm menschenleer. Das welke Laub der Linden bedeckte den Weg. Es raschelte bei jedem Schritt. 

Martin blieb stehen und wandte sich zu Irene. »Was hältst du davon, wenn wir im März heiraten? Die Hochzeitsreise machen wir auf die Seychellen, das ist genau die richtige Zeit. Wenn wir zurückkommen, ziehen wir ins neue Haus. Man, ist das nicht super?« Roeder schlang beide Arme um Irenes schmale Taillie, zog die mädchenhafte junge Frau eng an sich.

»Hm.« Irene lächelte. Sie ließ sich von Michaels Begeisterung nicht anstecken, denn es gab so viele andere Dinge, die sie beschäftigten.

»Ist das alles, was du dazu sagst?« fragte der junge Ingenieur etwas enttäuscht. »Irene, wir reden vom schönsten, vom wichtigsten Tag in unserem Leben. Ich kann es kaum erwarten, bis wir offiziell zusammengehören. Ich liebe dich doch so sehr, und ich möchte stolz sagen können: das ist meine Frau. Wir werden bestimmt sehr glücklich sein miteinander. Und wenn wir irgendwann ein Baby bekommen, werden wir eine perfekte Familie. Du und ich und ein süßes kleines Mädchen. Mein Gott, das Leben ist so schön…« Verliebt küßte Martin seine künftige Frau auf die Stirn. Er strich mit liebevoller Geste ihre blonden Locken zurück.

Die Berührung seiner Finger war angenehm, trotzdem drehte Irene den Kopf weg.

»Nicht für alle ist das Leben schön«, murmelte sie bedrückt.

Michael zog seine Irene noch inniger an sich. »Daran sollten wir nicht denken, nicht jetzt. Wir können doch nichts daran ändern.«

»In diesem Fall schon.« Ernst sah Irene zu dem wesentlich größeren Martin auf. Das Licht der Laterne fiel auf ihr apartes Gesicht mit den großen grauen Augen, dem herzförmigen Mund und der kleinen Nase, die Irene einen kindlichen Reiz verlieh.

»Sprichst du von den Kindern deiner Schwester?« erkundigte sich ihr Partner ahnungsvoll. Er hätte sich gewünscht, daß Irene nicht davon anfing, nicht jetzt.

»Du weißt ja, wenn ich Spätdienst habe, muß ich erst am Nachmittag in der Redaktion sein. Heute war ich draußen im Kinderheim. Bianca und Björn waren in der Schule, ich traf nur Barbara an. Sie hat sehr geweint, weil sie in eine Familie vermittelt werden soll und somit von ihren Geschwistern getrennt wird. Die Heimleiterin hat mir bestätigt, daß für Barbara und Björn jeweils eine Adoptionsfamilie gefunden worden sei, während es schwierig ist, Bianca zu vermitteln. Sie ist immerhin schon zwölf, und die Ehepaare, die bereit sind, ein Kind zu sich zu nehmen, möchten am liebsten Babies.« Irene seufzte bedrückt.

Michael beugte sich hinab, bis seine Stirn Irenes Haaransatz berührte. »Ich finde diese Entwicklung gar nicht so ungeschickt. Wenn es dich beruhigt, können wir ja Bianca zu uns nehmen. Sie ist sicher ein vernünftiges Mädchen, dem man schon kleine Hausarbeiten übertragen kann und das auf das Baby achten kann, das wir vielleicht schon nächstes Jahr haben werden.« Martin hielt diesen Vorschlag für sehr großzügig.

Um so enttäuschter war er, als Irene mit einem entschiedenen Nein antwortete. »Die Kinder träumen davon, zusammenzubleiben. Verstehst du das nicht?« fügte sie etwas ärgerlich hinzu.

»Schön und gut. Werden sie eben einsehen müssen, daß dies nicht möglich ist. Sie können ja trotzdem Kontakt miteinander pflegen.«

»Wie denn, wenn Barbara nach Hannover vermittelt wird und Björn in ein bayrisches Dorf? Es ist einfach unmenschlich, die Geschwister auseinanderzureißen.«

»Immerhin noch besser, als sie in einem Heim aufwachsen zu lassen. Wer ist schon bereit, sich mit drei fremden Kindern zu belasten.« Martin hatte seinen Griff gelöst und ging langsam weiter. Wie ein schmollender kleiner Junge wirbelte er bei jedem Schritt das welke Laub auf.

Irene blieb an seiner Seite. »Für uns sind es keine fremden Kinder. Freilich, ich habe mich mit meiner Schwester nicht besonders verstanden und hatte deshalb auch nichts dagegen, daß die Kinder in ein Heim kamen, als ihre Eltern bei diesem schrecklichen Flugzeugunglück ums Leben kamen. Aber inzwischen habe ich die drei näher kennengelernt, und ich mag sie sehr. Es ist meine Pflicht, ihnen zu helfen, weil ich ihre einzige Verwandte bin.« Irene spürte den frischen Wind, der die restlichen Blätter von den Ästen der Linden schüttelte, nicht mehr. Ihr war jetzt richtig warm.

»Du urteilst mit dem Herzen, aber nicht mit dem Verstand. Überlege doch, welche Probleme drei Kinder mit sich bringen. Es ist nicht damit getan, daß sie ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen haben. Jedes von ihnen ist eine eigene Persönlichkeit, braucht Ansprache, Verständnis, Rücksicht. Dabei wird aber keines bereit sein, Rücksicht auf uns zu nehmen. Die drei Rangen werden streiten, toben, schreien und das rund um die Uhr. Weißt du denn, welche Belastung das für ein junges Paar ist, das dabei ist, sein eigenes Leben aufzubauen?«

»Woher weißt du denn das alles so gut?« erkundigte sich Irene skeptisch. Sie war nicht bereit, sich von Martins Argumenten überzeugen zu lassen.

»Weil ich drei Geschwister hatte und weiß, wie es in einer großen Familie zugeht.«

»Aber es ist doch auch schön, das hast du selbst erzählt.«

Martin schnaubte unwillig. »Natürlich war es schön für uns Kinder, aber nicht für meine Eltern. Mein Vater hat ständig Überstunden gemacht, um mehr zu verdienen, meine Mutter saß bis tief in die Nacht vor der Nähmaschine, um das Geld für unser Studium zusammenzubekommen. Nein, Irene, so habe ich mir unser Leben nicht vorgestellt. Ich möchte nicht, daß du dich für die Kinder deiner Schwester aufopferst. Dazu habe ich dich viel zu lieb. Wenn Opfer gebracht werden müssen, dann für ein eigenes Kind. Eines, verstehst du?«

»Martin, du bist ein Egoist. Wozu bauen wir ein großes Haus, wenn es nicht einmal Platz für drei Waisenkinder hat?« Temperamentvoll ballte Irene die Hände zu Fäusten, als gelte es, für ihre Idee zu kämpfen.

»Weil diese Kinder unser Glück zerstören würden, noch bevor es richtig begonnen hat.«

»Nicht, wenn wir sie akzeptieren, wenn wir beide zu dieser Aufgabe stehen. Ich könnte es mir als sehr beglückend vorstellen, die Kinder großzuziehen, ihnen den Weg ins Leben zu ebnen, ihre Entwicklung zu verfolgen, sie zu leiten und zu beschützen bis sie stark genug sind, ihren eigenen Weg zu gehen.«

Martin ging immer rascher, als könne er so diesem für ihn unangenehmen Gespräch entfliehen. Er hatte eine andere Vorstellung von der Zukunft, und darin hatten die drei fremden Kinder keinen Platz.

»Das sind große Worte, doch das Leben besteht aus Alltagskleinigkeiten, an die du vermutlich nicht denkst. Diese Aufgabe würde uns aufreiben, zermürben, würde uns wenig Freude machen. Von den finanziellen Schwierigkeiten ganz zu schweigen. Reden wir nicht mehr darüber, denn es gibt erfreulichere Erörterungen für uns.« Sie hatten die nächste Brücke erreicht, Martin schwenkte ab, um der gemeinsamen Wohnung zuzustreben.

*

An diesem Abend redete Irene nicht mehr von ihrer Absicht, den beiden Nichten und dem Neffen eine neue Heimat zu geben. Ihre Pläne gab sie trotzdem nicht auf, denn sie konnte stur sein, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Außerdem dachte sie gar nicht daran, sich von Martin bevormunden zu lassen, auch wenn er noch so oft von der Hochzeit sprach und davon, daß sie künftig alles gemeinsam tun würden.

Wenn sich Martin ihrer Meinung nicht anschloß, würde sie eben die Entscheidung allein treffen, denn noch waren sie nicht verheiratet.

Nach dem Tod der Schwester und des Schwagers war Irene als einzige Verwandte der drei Wieland-Kinder zum Vormund bestimmt worden .Diese Tatsache und ihre Aussage, demnächst zu heiraten, bewogen das Vormundschaftsgericht, ihrem Antrag auf Pflegschaft zuzustimmen. Nach Ablauf der vorgeschriebenen Frist würde sie dann die Adoption beantragen können.

Irene war mit dem Erreichten sehr zufrieden. Sofort begann sie, sich auf die neue Situation einzustellen. Zunächst brauchten die Kinder ein Zimmer. Kurzerhand räumte Irene den Raum aus, in dem Martins Schreibtisch stand. Eine erstaunliche Kraft und Energie entwickelte sie dabei.

Als Martin an diesem Spätnachmittag nach Hause kam, traute er seinen Augen kaum. Im Flur stapelten sich seine Bücher, die Bretter der Regale lehnten an der Wand neben dem zusammengerollten Teppich. Irene war gerade dabei, Martins Schreibtisch ebenfalls in den Flur zu zerren.

»Du bist hier?« fragte der Ingenieur überflüssigerweise.

»Ich habe gekündigt, und da ich noch jede Menge Urlaub abzubummeln habe, brauche ich bis zum Quartalsende nicht mehr in der Redaktion zu erscheinen.« Mit dem Ärmel wischte sich Irene den Schweiß von der Stirn und schüttelte gleichzeitig die zu einem Pferdeschwanz zusammengenommenen Haare zurück.

Martin machte große Augen. Bei den zu erwartenden hohen Kosten für den Neubau hatte er Irenes Gehalt einkalkuliert. »Was hast du…? Und warum erfahre ich das erst jetzt?« murmelte er verblüfft.

»Weil es ohnehin nicht zu vermeiden gewesen wäre. Daß ich zu Hause bleibe, ist die Voraussetzung für die Pflegschaft.«

»Für die was…?« Martin ahnte Schlimmes, hoffte aber trotzdem, daß alles nur ein dummer Scherz war. Gleich würde ihm Irene um den Hals fallen und ihm sagen, daß sie ihn mit einer neuen Tapete überraschen wollte. Das war zwar unsinnig, weil sie in wenigen Monaten ausziehen würden, doch es war wenigstens keine Katastrophe, wie sie hinter dem Wort »Pflegschaft« zu vermuten war.

»Du weißt doch seit langem, daß ich die Kinder meiner Schwester zu mir nehmen will«, ächzte Irene, noch immer am Schreibtisch ziehend.

Martin machte keine Anstalten, ihr zu helfen. Er erkannte, daß eingetreten war, was er kaum für möglich gehalten hatte. »Du willst ohne mich zu fragen…«

»Ich muß. Wir haben doch darüber gesprochen. Es gibt keine andere Lösung.« Irenes Möbeltransport stoppte, denn der schwere Schreibtisch blieb an der Türschwelle hängen.

»Ich habe erklärt, daß ich nicht einverstanden bin«, wiederholte Martin in sachlichem Ton. »Die Gründe habe ich dir auseinandergesetzt. Sie sind vernünftig und berücksichtigen deine Interessen ebenso wie meine. Doch was du jetzt tust ist unfair. Du führst Verhandlungen hinter meinem Rücken und stellst mich vor vollendete Tatsachen.«

Irene kannte Martin lange genug, um zu wissen, daß er wütend war, wenn er so ruhig und beherrscht sprach. Sehr wütend sogar. Sie mußte ihm zuvorkommen, denn sie stand zu ihrer Entscheidung und dachte nicht daran, sie rückgängig zu machen. »Welche Argumente du auch vorbringst, ich kann nicht anders handeln. Jede Diskussion ist sinnlos. Ich habe den Kindern gegenüber eine Verantwortung, die ich nicht einfach ignorieren kann«, entgegnete die junge Frau heftig.

»Und was ich dazu sage, ist dir gleichgültig«. Jetzt wurde auch Martin lauter. Er haßte nichts mehr, als wenn die Ruhe seiner Freizeit gestört wurde. Und es sah so aus, als sei dies nicht nur heute der Fall.

»Natürlich nicht!« brüllte Irene zurück. »Hilf mir lieber, den Schreibtisch über die Schwelle zu bringen.«

»Du hättest mich fragen müssen, wenn du mein Zimmer ausräumst.« Beleidigt verzog Martin das Gesicht.

»Auch dazu gibt es keine Alternative. Es ist der einzige Raum, den wir als Kinderzimmer einrichten können. Im Neubau werden wir für jedes der Kinder einen Raum vorsehen.«

»Hast du das auch schon entschieden? Sind die Pläne bereits entsprechend geändert? Nett, daß ich überhaupt davon erfahre.«

»Niemand hat etwas geändert!« wehrte sich Irene und versuchte mit hochrotem Kopf, den Schreibtisch etwas anzuheben. Vergeblich.

»Es geht nicht nur um den guten Willen, sondern auch ums Geld. Wer soll denn das alles bezahlen?«

»Es gibt eine Erziehungsbeihilfe und Kindergeld. Im übrigen hätten wir alle Kosten ohnehin.«

»Aber nicht in dieser Höhe, das dürfte dir doch klar sein. Falls du mich als Zahler vorgesehen hast, muß ich dir sagen, daß das nicht funktioniert. Ich habe keine Lust, in fremde Kinder zu investieren.«

Vielleicht hätte Martin das nicht sagen dürfen, denn es ärgerte Irene ungemein. Sie wußte, daß sie sich nicht ganz richtig verhalten hatte und war eben noch bereit gewesen, es zuzugeben. Doch Martins Äußerung verhalf den Eigenschaften ihres Sternbildes Stier zum Durchbruch. Sie gab sich stur und uneinsichtig.

Ruckartig ließ sie den Schreibtisch los, stemmte die Arme in die Taille. »Du hast vielleicht noch nicht daran gedacht, daß ich in dieser Wohnung genau die Rechte habe wie du.