Mami 1760 – Familienroman - Gisela Reutling - E-Book

Mami 1760 – Familienroman E-Book

Gisela Reutling

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Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese einzigartige Romanreihe ist der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. "Sandra hat geschrieben, Mutti!" Felix wedelte mit der Karte, die er aus dem Briefkasten geholt hatte. Sie war sehr bunt und zeigte Palmen und weiße Häuser am blauen Meer. "So, was schreibt sie denn?" fragte Beate. "Lieber Felix", las ihr Elfjähriger mit Betonung vor, "ich sende dir viele Grüße aus Südfrankreich. Daniel kann schon schwimmen. Wir haben viel Spaß. Deine Sandra." Beate lächelte. "Siehst du, sie denkt doch immer an dich.""Ich ja auch an sie", behauptete Felix. "Aber du bist schreibfaul", hielt seine Mutter ihm vor. "Du könntest ihr ruhig auch mal wieder einen Gruß senden." "Och, ich telefoniere lieber. Guck mal, was für eine saubere Schrift sie hat. Dafür kriegt sie von unserem Leuchtturm bestimmt 'ne Eins." Der "Leuchtturm" war der Klassenlehrer, der seinen Spitznamen seiner Länge von fast zwei Metern verdankte. Beate warf einen Blick auf die Mädchenhandschrift. Sie nickte. "Da kommst du freilich nicht mit", bemerkte sie. Ein Lausbubenlächeln ging über das runde Gesicht ihres Sohnes. "Papa sagt immer, ich hätt' 'ne Klaue!" "Womit er nicht ganz unrecht hat", sagte seine Mutter. "Siehste, dann kann Sandra das vielleicht gar nicht lesen, was ich ihr schreibe", folgerte der Junge. Beate tupfte ihm auf die sommersprossige Nasenspitze. "Um eine Ausrede bist du nie verlegen, du Schlingel." "Aber im Anfang", redete Felix weiter, "da hab' ich Sandra doch viele Ansichtskarten geschickt, damit sie auch sieht, was für eine tolle Stadt Hamburg ist. Und das Foto, das sie mir mal geschickt hat, hab' ich sogar in einen Rahmen gesteckt." Er blickte zu seiner Mutter auf.

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Mami -1760-

Gibt es eine Rettung für Silvie?

Gisela Reutling

»Sandra hat geschrieben, Mutti!«

Felix wedelte mit der Karte, die er aus dem Briefkasten geholt hatte. Sie war sehr bunt und zeigte Palmen und weiße Häuser am blauen Meer.

»So, was schreibt sie denn?« fragte Beate.

»Lieber Felix«, las ihr Elfjähriger mit Betonung vor, »ich sende dir viele Grüße aus Südfrankreich. Daniel kann schon schwimmen. Wir haben viel Spaß. Deine Sandra.«

Beate lächelte. »Siehst du, sie denkt doch immer an dich.«

»Ich ja auch an sie«, behauptete Felix.

»Aber du bist schreibfaul«, hielt seine Mutter ihm vor. »Du könntest ihr ruhig auch mal wieder einen Gruß senden.«

»Och, ich telefoniere lieber. Guck mal, was für eine saubere Schrift sie hat. Dafür kriegt sie von unserem Leuchtturm bestimmt ’ne Eins.«

Der »Leuchtturm« war der Klassenlehrer, der seinen Spitznamen seiner Länge von fast zwei Metern verdankte.

Beate warf einen Blick auf die Mädchenhandschrift. Sie nickte. »Da kommst du freilich nicht mit«, bemerkte sie.

Ein Lausbubenlächeln ging über das runde Gesicht ihres Sohnes.

»Papa sagt immer, ich hätt’ ’ne Klaue!«

»Womit er nicht ganz unrecht hat«, sagte seine Mutter.

»Siehste, dann kann Sandra das vielleicht gar nicht lesen, was ich ihr schreibe«, folgerte der Junge.

Beate tupfte ihm auf die sommersprossige Nasenspitze. »Um eine Ausrede bist du nie verlegen, du Schlingel.«

»Aber im Anfang«, redete Felix weiter, »da hab’ ich Sandra doch viele Ansichtskarten geschickt, damit sie auch sieht, was für eine tolle Stadt Hamburg ist. Und das Foto, das sie mir mal geschickt hat, hab’ ich sogar in einen Rahmen gesteckt.« Er blickte zu seiner Mutter auf. »Ob sie immer noch so hübsch aussieht, wo sie doch jetzt schon zehn ist?«

»Warum sollte sie das nicht«, lachte Beate amüsiert.

»Also«, Felix reckte sich in den Schultern, »dann pinn’ ich die Karte mal an die Wand.« Damit flitzte er in sein Zimmer.

Beate fuhr in ihrer Bügelarbeit fort. Sie lächelte leise in sich hinein. Es war rührend, daß diese Kinderfreundschaft die Jahre überdauerte! Dabei waren sie doch so verschieden gewesen, die kleine, zarte Sandra Fabricius und ihr kräftiger Bub Felix. Und wie lange hatten sie sich nicht mehr gesehen. Beate rechnete nach. Ja, das waren mehr als fünf Jahre.

Mein Gott, wie doch die Zeit verging!

Sie waren seinerzeit Nachbarn gewesen, der Chirurg Dr. Clemens Fabricius mit seiner schönen Frau Bianca, die eine berühmte Pianistin war, und eben diesem Töchterchen Sandra. Freilich war es ein großer Unterschied zwischen der Villa Fabricius und ihrer, Beate Herders, bescheidener Dachwohnung in einem neuerbauten Mietshaus zwei Straßen weiter, wo sie den Lebensunterhalt für sich und ihren Felix mit dem Übersetzen von Büchern verdiente. Doch die Kinder hatten sich zusammengefunden auf dem Spielplatz im großen Garten, der die Villa umgab.

Sie war oft einsam gewesen, die kleine Sandra, deren Mutter mehr auf Konzerttournéen war als zu Hause. Beneidet hatte sie den Nachbarsjungen, der seine Mama ganz für sich hatte. Sie hatte nur Frau Scholl, die das Haus tadellos in Ordnung hielt und dafür sorgte, daß es dem Kind an nichts fehlte. Nur der liebeshungrigen Seele des kleinen Mädchens konnte sie kaum Genüge tun.

Sandra hatte einen Vater, der ihr all seine Liebe gab. Doch ihn nahm sein Beruf sehr in Anspruch. Allzuviel Zeit blieb da nicht.

Auch Clemens Fabricius war im Grunde einsam gewesen…

Beate setzte ihr Bügeleisen ab, sah mit einem verlorenen Blick zum Fenster hin.

Sie hatte ihn gemocht, den hochgewachsenen Mann mit dem ernsten, markanten Gesicht. Durch die Kinder hatten sie sich kennengelernt und auch hin und wieder eine Stunde zusammen verbracht. Zwei Menschen, die abends, wenn ihre Kinder schliefen, zumeist allein waren.

Bianca Fabricius feierte irgendwo ihre Triumphe, und sie – ach, sie hatte Nils Eckert längst aus ihrem Leben gestrichen, auch wenn Felix sie mit seinen Augen ansah.

Fabricius war nach ihm der erste Mann gewesen, der es vermocht hatte, etwas in ihr zum Klingen zu bringen. Sie hatten gute Gespräche miteinander geführt. Er interessierte sich für ihre Arbeit, die Bücher, und nicht nur dafür. Wenn er sich entspannte, sie sinnend mit seinem ruhigen Blick betrachtete, ihre Blicke ineinander versanken, dann konnte es geschehen, daß sie sich plötzlich sehr nahe waren.

Aber es konnte und es durfte nicht mehr zwischen ihnen sein. Er war verheiratet, liebte seine Frau, auch wenn sie ihm nur zu einem kleinen Teil gehörte, weil ihr Leben der Musik geweiht war.

Es kam dann auch bald die große Wende in ihrer beider Leben.

Wie ein Film zog das an Beates geistigem Auge vorüber, während sie ihre Arbeit nun wieder aufnahm.

Nils war plötzlich wieder da, der blonde Seemann, den sie einst so sehr geliebt hatte. Damals hatte er ihr versprochen, wiederzukommen, und sie, die junge Beate, hatte ihm vertraut. Aber das abenteuerliche Leben auf fernen Weltmeeren hatte ihn gefesselt. Allein mußte sie das Kind zur Welt bringen, von dessen Existenz er nichts ahnte.

Dann sah er ihn, der sein Ebenbild war und dessen Herz ihm zuflog. Welcher Junge wäre nicht stolz gewesen auf seinen Vater, und welcher Vater nicht auf diesen prächtigen Jungen.

Nils, wie es so seine Art war, dünkte es einfach, ihre Liebe wiederzugewinnen. Aber einfach war es nicht gewesen. Da war noch eine Sperre in ihr. Sie konnte ihm nicht an die Brust sinken, der sie enttäuscht und verlassen hatte. Sie widerstand zunächst diesem Werben, seinen Versprechungen, fortan an Land zu bleiben und seßhaft zu werden.

Doch ein Funke mußte doch noch unter der Asche geglommen sein, der sich eines Tages unter seinen Küssen wieder zur Flamme entzündete. Sein Mund wurde ihr erneut vertraut, seine Zärtlichkeiten. War es nicht wieder wie früher, als es nichts anderes für sie gegeben hatte als Nils und nochmals Nils – nichts vorher und nichts nachher?

Ja, die Liebe war wieder erwacht. Wie auf Flügeln ging es nun in eine gemeinsame Zukunft hinein. Was Nils auch anpackte, gelang ihm: Er fand eine gute Anstellung bei einer Schiffahrtsgesellschaft in Hamburg, wo sie seither lebten. Eine glückliche kleine Familie namens Eckert.

Ob Dr. Fabricius auch glücklich geworden war?

Seltsam, daß sie jetzt an ihn denken mußte. Der Gruß seines Töchterchens an ihren kleinen Freund Felix hatte die ferne Erinnerung an ihn wieder lebendig werden lassen.

Weil damals ihr Leben auch im Umbruch gewesen war, hatte sie es mehr oder weniger nur am Rande wahrgenommen, was drüben in der Villa geschah. Jedenfalls hatte es Aufregungen genug gegeben.

Seine Frau Bianca hatte sich das Handgelenk gebrochen, was für die Pianistin eine Katastrophe war. Sie würde nicht nur lange pausieren müssen, sondern in Zukunft wohl überhaupt keine großen Konzerte mehr geben können. Es hatte aller Liebe und des Zuspruchs ihres Mannes bedurft, sie wieder aufzurichten aus ihrer Niedergeschlagenheit.

»Mama, wann bist du denn hier fertig mit deiner Bügelei?« unterbrach Felix ihren Gedankengang.

»Gleich, mein Schatz. Warum?« Sorgfältig legte Beate ein Hemd ihres Mannes zusammen.

»Hm, weil ich nämlich schon bald wieder Hunger hab’.«

»In einer Stunde gibt es Mittagessen, dann kommt auch der Papa. Nimm dir inzwischen einen Apfel.« Sie zog den Stecker des Bügeleisens heraus. »Felix, weißt du eigentlich noch, wie das war, als wir uns vor dem Umzug von den Fabricius’ verabschiedeten? Ich mußte eben daran denken, wie lange das schon her ist.«

»Klar weiß ich das noch ganz genau.« Felix nickte bekräftigend. »Da war Sandras Brüderchen unterwegs, und sie hat von nix anderem geredet, als daß sie es schon fühlen konnte im Bauch ihrer Mutter. Von dem Daniel erzählt sie mir auch immer, wenn ich sie mal anrufe. Mit dem ist sie ganz verrückt.«

»Es war ein Glück für Sandra, daß sie noch ein Geschwisterchen bekam, Felix«, sagte Beate ernst. »Sie hatte doch nie ein richtiges Familienleben kennengelernt.«

»Ist ja wahr«, mußte Felix zugeben. »Und die Frau Fabricius ist da auch besser drüber weggekommen, daß sie wegen ihrer Hand nicht mehr spielen konnte. Da mußte sie sowieso zu Hause bleiben für das Baby«, schloß er altklug.

Beate nickte nachdenklich. Sie überlegte, ob eine Frau, die jahrelang herumgereist, gefeiert und umjubel worden ist, nicht etwas vermißte, wenn ihr Leben sich nur noch auf den Kreis der Familie beschränkte.

Aber die Zeit der Triumphe war ja nun auch für sie schon lange vorüber, und sie würde sich daran gewöhnt haben, mit der Liebe zu Mann und Kindern zufrieden zu sein. Und überhaupt – was gingen sie die ehemaligen Nachbarn an! Wenn die Kinder nicht noch losen Kontakt hielten, wüßte man nichts mehr voneinander.

Sie räumte zusammen und begab sich in die Küche. Fisch kam heute auf den Tisch, frisch vom Markt.

»Nimmst du mich nachher mit zum Hafen, Papa?« fragte Felix, als sie um den Tisch saßen und es sich schmecken ließen.

Er strich doch gar zu gern dort herum, wo die großen Schiffe lagen und unweit sein Vater in einem großen Haus seine Arbeit tat. Manchmal holte er ihn dort auch ab, und sie besichtigten so einen Pott, wobei er sich vom Papa alles genau erklären ließ. Denn der war schließlich jahrelang zur See gefahren und kannte sich aus.

»Mal sehen«, antwortete Nils. »Die Mutti sieht es ja nicht so gern, wenn du dich dort stundenlang allein herumtreibst.«

»Ich treib mich nicht rum«, widersprach sein Sohn. »Ich guck mir nur an, was da so vor sich geht, und ich studiere die Schiffe, den Aufbau, die Takelage und so.«

»Und siehst dich schon als zukünftigen Schiffsbauingenieur«, warf sein Vater mit gutmütigem Spott ein.

»Klaro«, sagte Felix und rutschte vergnügt auf seinem Stuhl hin und her.

»Dann mußt du aber erst mal bessere Noten schreiben, mein Sohn. Dein letztes Zeugnis war nicht gerade eine Erbauung.«

Felix machte eine pfiffige Miene. »Schätze, daß du auch nicht nur Einser nach Hause gebracht hast, wo dich doch immer nur die Seefahrt interessiert hat. Hast du mir doch erzählt.«

Nils sah seine Frau an. »Was soll ich dem Lauser nur darauf antworten, Beate?«

»Vielleicht besser schweigen«, lachte sie, denn sie wußte, daß er die Schule gehaßt hatte.

»Hahaha«, machte Felix und schob sich ein Salatblatt in den Mund.

»Von Respekt keine Spur«, behauptete Nils grimmig.

Freilich nahm er ihn dann doch mit, als er wieder zum Dienst mußte. Sie machten sogar noch einen Umweg, um Felix’ Freund Holger abzuholen, der schon dreizehn war und in dieselbe Schule ging. Aber jetzt waren Schulferien, und die Freiheit mußten sie genießen.

Die daheimgebliebene Beate nahm sich den Novellenband vor, den sie aus dem Englischen übersetzte. Sie hatte die ihr liebgewordene Tätigkeit nie ganz aufgegeben, es war schließlich auch ihr Beruf. Nur hatte sie es seit ihrer Heirat nicht mehr nötig, jeden Auftrag anzunehmen, auch gar nicht die Zeit, mit ihrem Haushalt und ihren beiden Lieben. Nils hatte überhaupt nicht viel Verständnis für diese Art von geistiger Arbeit, aber: Du hast eben Köpfchen, pflegte er zu sagen, und seine blauen Augen lachten dabei.

Sie hatte zwei, drei beschriebene Manuskriptblätter neben der Schreibmaschine liegen, als das Telefon läutete.

Ihre langjährige Freundin Ingeborg Basler war am Apparat. Obwohl sie nun schon seit langer Zeit einige hundert Kilometer trennten, waren sie doch immer herzlich verbunden geblieben, so wie damals, als sie noch in einer Stadt wohnten und Freud und Kümmernisse miteinander teilten.

»Wir wollen euch auch in diesem Jahr wieder heimsuchen«, sagte Ingeborg in scherzhaftem Ton. »Ich bin schon beim Kofferpacken!«

»Macht ihr doch wieder Ferien auf der Insel Amrum?« fragte Beate erfreut. »Ihr wolltet doch eigentlich nach Süden?«

»Ja, aber du weißt ja, Berthold ist ein Gewohnheitstier. Dort kennt er jeden Weg und Steg und braucht sich nicht auf etwas Neues einzustellen. Wir gehen wieder in dieselbe Pension.«

»Das hat den Vorteil, daß wir uns wiedersehen, Ingeborg. Wir werden uns ein paar schöne Stunden zusammen machen, und sicher werden wir euch an einem Wochenende wieder besuchen. Felix wird sich auch auf Uli freuen.«

»Ja, der Uli ist dieses Jahr in die Höhe geschossen«, erzählte Ingeborg von ihrem Sohn, »lang und dünn ist er geworden. Die Seeluft wird ihm guttun.«

Sie plauderten noch ein wenig hin und her, bevor sie sich mit einem froh betonten »Auf Wiedersehen!« verabschiedeten.

Felix warf die Arme in die Luft, als er erfuhr, daß die Baslers auf der Durchreise wieder bei ihnen Station machen würden.

»Au, dann darf ich vielleicht wieder ein paar Tage bei denen sein, ja? Das war doch voriges Jahr super. Auf ihrer Rückreise können sie mich dann wieder hier abliefern.«

»Du meinst, daß wir dich mal ein paar Tage los sind«, bemerkte sein Vater augenzwinkernd. »Aber dann haben die dich am Hals.«

Felix nahm Boxerhaltung an, als wollte er auf ihn losgehen. Aber Nils schnappte ihn sich, hob ihn empor, als wäre er ein Federgewicht, und schwenkte ihn herum, daß eine Lampe ins Wackeln geriet.

»Oh, ihr zwei«, sagte Beate. »Jetzt wollen wir erst mal abwarten, was unsere Freunde dazu sagen.«

»Die haben mich gern am Hals«, behauptete Felix und gab seinem Vater doch noch einen kleinen Knuff.

Sie kamen zwei Tage später, Ingeborg und ihr Mann Berthold und Sohn Ulrich, Uli genannt. In der Wohnung herrschte auf einmal Leben, Lachen, Reden.

»Mönsch«, staunte Felix, der tatsächlich zu seinem »alten« Freund Uli aufsehen mußte, »willst vielleicht auch ’n Leuchtturm werden?«

»Werd du erst mal dreizehn, dann bist du auch nicht mehr so ein Knirps«, sagte Uli gönnerhaft, aber er lachte dabei.

Den Knirps überhörte Felix großzügig. Er wußte, daß er zwar noch kleiner, aber bestimmt kräftiger war als der magere Uli. Sowieso konnte er es mit jedem aufnehmen.

Zu einem vertraulichen Gespräch kamen die beiden Freundinnen nicht, dafür war die Zeit zu kurz. Die Baslers wollten weiter, um am Abend ihr Ferienquartier beziehen zu können.

Das hatten sie erst bei ihrem Wiedersehen auf der Insel, wo Felix nun eine ganze Woche bleiben durfte. Ingeborg war es sehr recht, daß ihr Uli, der sich nicht so leicht anschloß, Gesellschaft bekam. Die Jungs würden in einem Zimmer schlafen und sich tagsüber zusammen am Strand vergnügen.

Erholsam war es hier, wo der Himmel unendlich zu sein schien und Ebbe und Flut ein tägliches Naturerlebnis für die Großstädter war. Der Alltag war fern, wo Bertold Basler in einem Fachhandel für Elektrogeräte sein Brot verdiente und Ingeborg noch halbtags als Zahnarzthelferin tätig war. In der schönsten Zeit des Jahres, wie es so hieß, konnte man das mal vergessen, was es da gelegentlich auch an Streß gab.

»Und verwöhnt werden wir hier von der Wirtin, die selber das Regiment in der Küche führt«, schwärmte Ingeborg. »Es schmeckt so gut, daß ich schon wieder ein paar Pfund zugenommen habe.« Dabei klopfte sie auf ihre Hüften.

Etwas kritisch betrachtete Beate ihre Freundin. Ingeborg war immer eine aparte, schlanke Frau gewesen, inzwischen ging sie wirklich aus der Form. Schade eigentlich.

»Was sagt Berthold denn dazu, daß du immer molliger wirst?« fragte sie.

»Ach der«, Ingeborg machte eine wegwerfende Handbewegung, »dem ist es egal, wie ich aussehe.«

Beate wiegte den Kopf. »Ich glaube, so etwas sollte eine Frau nie sagen«, meinte sie bedenklich. »Egal ist das bestimmt keinem Mann.«

»Sei du erst mal fünfzehn Jahre verheiratet. Da wird man so nach und nach ein bequemes älteres Ehepaar. Berthold füllt seine Lottoscheine aus, und ich sitze vor dem Fernseher und knabbere Erdnüsse.«

»Und futterst dir Pfunde an«, vollendete Beate vielsagend. »Ich habe dich schon mal anders gekannt, meine Liebe.«

»Man paßt sich an«, sagte Ingeborg achselzuckend.