Mami 1839 – Familienroman - Gisela Reutling - E-Book

Mami 1839 – Familienroman E-Book

Gisela Reutling

0,0

Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. Gerhard Schilling fand wenig Schlaf in dieser Nacht. Im Schein der Leuchtreklame, der vom gegenüberliegenden Haus durch das Fenster fiel, sah er die gepackten Koffer, den leergeräumten Schreibtisch. Darauf lag nur noch seine Brieftasche mit, unter anderem, den Flugtickets für sich und für sein Kind. Manchmal stand er auf, ging auf leisen Sohlen herum. Wie nackt solche Zimmer wirkten, wenn nichts Persönliches mehr darin war. Morgen würde der neue Mieter einziehen, die Wohnung und die Möbel übernehmen. Nur das Kinderbett brauchte er nicht. Er konnte es verkaufen oder verschenken.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 128

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mami –1839–

Alle Schatten wichen mit der Liebe

Roman von Reutling Gisela

Gerhard Schilling fand wenig Schlaf in dieser Nacht. Im Schein der Leuchtreklame, der vom gegenüberliegenden Haus durch das Fenster fiel, sah er die gepackten Koffer, den leergeräumten Schreibtisch. Darauf lag nur noch seine Brieftasche mit, unter anderem, den Flugtickets für sich und für sein Kind.

Manchmal stand er auf, ging auf leisen Sohlen herum. Wie nackt solche Zimmer wirkten, wenn nichts Persönliches mehr darin war. Morgen würde der neue Mieter einziehen, die Wohnung und die Möbel übernehmen. Nur das Kinderbett brauchte er nicht. Er konnte es verkaufen oder verschenken.

Gerhard betrachtete sein Töchterchen, das reglos darin schlief, das »Bärli« neben sich auf dem Kopfkissen. Seine Züge wurden weich. Seine Angela, sein Engelchen. Sie sah so süß aus mit dem blassen Gesichtlein unter dem leichtgelockten dunklen Haar. Auch für sie sollte nun ein neuer Lebensabschnitt beginnen. Aber immer sollst du behütet sein, dachte der Mann voller Zärtlichkeit.

Er setzt sich wieder auf seine Bettkante und sah vor sich nieder.

Fünfeinhalb Jahre New York… Es war nun genug. Ohne Bedauern ließ er den Moloch einer Stadt hinter sich. Mit seinen Häuserschluchten, den Straßen ohne Grün, in denen jedermann auf der Jagd nach irgend etwas zu sein schien. Eine Stadt von einer bis ins Maßlose gesteigerten Ungewöhnlichkeit, in der alles möglich war.

Und für ihn, Gerhard Schilling, war hier das Märchen »Vom Tellerwäscher zum Millionär« möglich und Wahrheit geworden.

So war es freilich nicht, daß er hätte ganz unten anfangen müssen, wenn er nur aus Abenteuerlust nach Amerika gegangen wäre. Zwar hatte er kaum Geld in der Tasche gehabt, als er hier angekommen war, aber er hatte eine gute Ausbildung. Mit knapp neunzehn Abitur gemacht, dann eine Banklehre und ein weiterführendes Studium der Betriebslehre und Wirtschaftswissenschaften mit besten Noten absolviert.

Seinen guten Eltern hatte er es zu verdanken, daß er noch die Universität hatte besuchen können. Die Verhältnisse waren bescheiden. Der Vater war Hausmeister in einer Wohnanlage, es gab noch zwei jüngere Geschwister, da hieß es sich einschränken. Aber der Große sollte mal was Besseres werden, weil er den Kopf dafür hatte, war die Meinung der Eltern gewesen. Um ihnen nicht zu sehr auf der Tasche zu liegen, hatte er nebenbei gejobbt.

Als er gerade ins Erwerbsleben einsteigen wollte, sich schon seit längerem hier und dort um eine Anstellung beworben hatte, da war der Brief aus New York gekommen, von einem Notar namens Timothy Wesson. Er enthielt die Mitteilung, daß der verstorbene Arthur Hall mangels direkter Nachkommen seiner Nichte Monika Schilling, geb. Hall, eine Erbschaft über 30.000 Dollar hinterlassen hatte.

Das hatte einige Aufregung gegeben, denn auch die Mutter wußte doch kaum etwas über diesen Onkel, der nach dem 2. Weltkrieg nach Amerika ausgewandert war. Es war für eine Familie, in der es um die Haushaltskasse immer knapp bestellt war, eine beträchtliche Summe.

Alsbald war es beschlossene Sache, daß Gerhard sich dieser Angelegenheit annehmen sollte. Er sollte nach New York fliegen und das Erbe für seine Mutter antreten.

»Und bleib eine Weile«, hatte ihm der Vater geraten. »Ich hatte nie Gelegenheit, mal rauszukommen. Sieh du dich jetzt ein bißchen in der Welt um. Das wird auch für dein berufliches Fortkommen nur von Vorteil sein.«

Daß er Jahre fernbleiben würde, damit hatte freilich niemand gerechnet. Gerhard zu allerletzt.

Er hatte es gründlich getan, sich umgesehen und umgehört in der neuen Welt. Fünftausend Dollar hatte er sofort nach Hause geschickt, mit dem anderen… ja, da hatte er alles auf eine Karte gesetzt, als er eine Riesenchance an der Börse sah.

Es war ein Vabanquespiel gewesen. Er konnte sehr viel gewinnen – oder alles verlieren.

In diesem Falle, so sagte er sich, würde er es seiner Mutter von seinem späteren Verdienst zurückzahlen.

Doch er hatte nicht auf das falsche Pferd gesetzt! Die gekauften Aktien schossen in die Höhe, bald hatte sich die eingesetzte Summe vervielfältigt. Kühn und wagemutig, aber dennoch mit kühlem Kopf, hatte er die erkannte Chance weiter genutzt. Das Konto wuchs und wuchs, allein die Zinsen waren beträchtlich. Die schickte er nach Hause.

Seinen Lebensunterhalt bestritt er von seinem Verdienst in einer amerikanischen Firma, in der er eine Anstellung gefunden hatte. Hier leistete er gute Arbeit und konnte zudem in diesem hochtechnisierten Büro sein Wissen erweitern. In diesem Land war alles noch größer, noch rasender in der fortschrittlichen Entwicklung.

Zweimal war er zu seinen Lieben nach Hause geflogen, das letzte Mal vor zwei Jahren. Die Wohnung war renoviert, neue Möbel gekauft worden. Ansonsten waren sie bescheiden geblieben. Die Zahlen, mit denen der Sohn jonglierte, verschreckten die Eltern eher.

»Gewöhne dich doch nur daran, nicht mehr jede Mark umzudrehen, Mama«, hatte Gerhard liebevoll zu seiner Mutter gesagt. »Es ist dein Erbe, mit dem ich es zum Erfolg gebracht habe.«

»Aber nur deiner Umsicht und Klugheit ist es zu verdanken, daß du ein reicher Mann geworden bist«, erwiderte sie und war doch stolz auf ihn.

Nur über sein Privatleben schwieg sich der Sohn zu ihrem Leidwesen weitgehend aus. Warum nur, so klagte sie, brachte er seine Frau und das Kind nicht einmal mit. Daß sie Großeltern geworden waren, das wußten Monika und Arno Schilling.

»Angela ist noch zu klein«, wich Gerhard aus. »Mit ihrer Mutter bin ich nicht verheiratet.«

»Wer wird denn auch gleich heiraten«, sagte Anna, mit ihren vierzehn Jahren die jüngste, mit einem überlegen tuenden Lächeln.

»Mir wäre es schon lieber, wenn du dich später an die Reihenfolge hieltest, du Naseweis«, grollte der Vater. Dem einfachen, biederen Mann wuchsen die Jungen schon manchmal über den Kopf.

Aber wenn er nun für immer nach Hause kam, sinnierte Gerhard in dieser Nacht weiter, da er einen Rückblick auf die vergangenen Jahre hielt, würde er ihnen die Wahrheit bekennen müssen. Das würde ein großer Kummer besonders für seine Mutter sein.

Die Wahrheit war nämlich, daß er finanziellen Erfolg hier zwar im Übermaß gehabt hatte, ihm aber in der Liebe das Glück versagt geblieben war. Vielleicht konnte man nur das eine oder andere haben.

Gerhard legte sich wieder auf sein Bett. Er wollte nun nicht mehr weiter denken. Er wollte noch eine Stunde Schlaf suchen. Es gelang ihm nicht. Hinter seinen geschlossenen Lidern erstand Lizzys Bild, hübsch, jung und verführerisch und so eitel, daß sie an keinem Spiegel, keinem Schaufenster vorübergehen konnte, ohne sich darin zu betrachten.

Daß sie eitel und oberflächlich war, hatte er erst später erkannt. Oder er hatte es nicht sehen wollen in seiner Verliebtheit. Er hatte nicht viel Erfahrung mit Mädchen. Für Liebeleien hatte es bisher in seinem Leben nur wenig Platz gegeben. Lizzy hatte ihn betört, mit ihrem tänzelnden Gang, mit ihren funkelnden Blicken. In einem Café hatte er sie kennengelernt, sie bediente dort. Eigentlich wollte sie studieren, hatte sie ihm anvertraut, aber sie wußte nicht, für welchen Studiengang sie sich entscheiden sollte. Mit gerade mal zwanzig Jahren hatte sie ja auch noch Zeit, nicht wahr? Inzwischen verdiente sie sich hier ein bißchen Geld.

Ihr roter Mund lachte dabei. Sie schien das Leben mit einer Leichtigkeit zu nehmen, die ihm abging.

»Du bist eben ein ernsthafter Deutscher«, neckte sie ihn. »Aber du gefällst mir trotzdem wahnsinnig gut.«

Sie war bald zu ihm gezogen, weil sie keine richtige Bleibe hatte, nur ein Sofa bei einer Freundin. Sie war noch nicht lange in New York.

»Für ein Mädchen allein ist das ein viel zu gefährliches Pflaster«, hatte er gesagt, und er hatte sie in seine Arme genommen. Sie sollte geborgen bei ihm sein.

War er ein Narr gewesen, daß er geglaubt hatte, mit Lizzy glücklich zu werden!

Zuerst hatte es auch so ausgesehen. Lizzy war der sonnige Ausgleich für ihn, der sich in der harten Arbeitswelt behauptete und seine Börsengeschäfte dabei nicht aus den Augen ließ.

Nach zwei, drei Monaten ihres Zusammenlebens wurde sie schwanger.

»Das ist ja irre«, sagte sie verdutzt. »Wir kriegen ein Kind.«

»Dann werden wir heiraten«, kam es wie selbstverständlich über seine Lippen. Sie hatte langsam den Kopf geschüttelt.

»Nein, heiraten will ich noch nicht. Das muß man ja auch nicht. Das sind nur so deine Vorstellungen, Gerd. Aber ein Kind…« Sie dachte nach. »Hi«, machte sie dann, »das wäre vielleicht ganz lustig. Es gibt Frauen, die werden noch hübscher nach einem Kind.« Sie trat vor den Spiegel. »Sieht man mir schon was an?«

Gerhard mußte lächeln. War sie nicht selber noch ein Kind? »Du bist hübsch genug«, sagte er, »und du wirst eine bezaubernde Mama sein.«

Sie wurde es nicht.

Das zarte kleine Mädchen, das sie zur Welt brachte, betrachtete sie zuerst als eine Art Spielzeug. Aber es war nun einmal keine Puppe, und daß es auch nicht gerade »lustig« war, Tag und Nacht für ein Baby dasein zu müssen, wurde ihr schon bald klar. Sie ging gereizt und ungeduldig damit um. Gerhard hoffte, daß es mit der Zeit besser werden würde, mütterliche Gefühle siegen würden. Aber Lizzy wurde immer unzufriedener.

»Manchmal habe ich das Gefühl, daß du Angela gar nicht liebhast«, sagte Gerhard bedrückt.

»Sie überfordert mich total«, behauptete Lizzy. »Wie hätte ich mir das vorstellen können, daß ich nun überhaupt kein eigenes Leben mehr haben soll. Das bring ich einfach nicht zusammen.«

Gerhard beschaffte ein Kindermädchen, das halbtags kam. Damit war Lizzy nicht mehr so ans Haus gebunden. Sie konnte wieder ausgehen, flanieren, ihre Freundin besuchen.

Und eines Tages kam sie nicht mehr wieder. Ein Zettel lag auf dem Tisch. Ich gehe, Gerd. Suche nicht nach mir. Ich tauge nicht zur Mutter. Es tut mir leid. Lizzy.

Da hatte sich ihre Beziehung schon so weit abgekühlt, daß es Gerhard nicht das Herz zerriß. Längst hatte er erkannt, daß sie keine Partnerin fürs Leben für ihn war. Aber da war das Kind! Zwei Jahre alt nun, und geliebt nur von ihm, dem Vater.

Gina bekam eine Ganztagsstellung bei Mister Schilling. Sie sorgte gut für Angela, spielte mir ihr, führte sie spazieren. Seine Freizeit widmete Gerhard dem Kind, das den Papa vergötterte.

Er redete mehr und mehr Deutsch mit der Kleinen, die es auch spielend lernte. Für ihn stand es fest, daß er eines Tages in die Heimat zurückkehren würde.

Dieser Tag war nun gekommen.

Draußen war es hell geworden, früher Morgen. Er konnte jetzt schon aufstehen. Eine kalte Dusche würde ihm die Nachtgedanken vertreiben.

Dann würde er Angela anziehen und mit ihr zum Flughafen fahren. Sie war das Wertvollste, das er von hier mitnahm.

*

»Mein Junge! Ist das schön, daß du wieder daheim bist!«

Mit Freudentränen in den Augen umarmte Monika Schilling ihren Sohn. Der »Junge« war einen halben Kopf größer als sie, er drückte seine rundliche Mutter an die Brust.

»Ich freue mich auch, Mama«, murmelte Gerhard gerührt. Er ließ sie los. »Und das ist nun deine Enkelin Angela…«

Sie wandten sich dem kleinen Mädchen zu, das schüchtern mit dem Teddybär im Arm dastand. Spontan hob Monika die Vierjährige zu sich empor.

»Ich bin deine Oma, Angela.«

Mit einem ernsthaften Ausdruck sah das Kind ihr ins Gesicht. Dann nickte es. »Papa hat mir schon gesagt, daß wir zu Oma und Opa kommen. Wo ist denn der Opa?«

»Der wird auch bald dasein. Er muß noch arbeiten. Weißt du, in solchen großen Häusern mit zehn Stockwerken gibt es immer viel zu tun. Dein Opa sorgt dafür, daß alles in Ordnung ist.«

»Hier gibt es aber doch gar keine großen Häuser«, wandte Angela ein. »Sie sind alle klein.«

»Vergiß nicht, daß deine Enkelin aus New York kommt«, schmunzelte Gerhard.

»Ach ja!« Seine Mutter lachte leicht auf, sie strich Angela die hübschen Locken aus der Stirn. »Aber ich bin froh, daß du wenigstens deutsch sprichst. Deine Oma kann nämlich kein Wort englisch.«

»Mein Papa hat immer so mit mir gesprochen«, erklärte ihr die Kleine. »Gina nicht. Die konnte das nicht.«

»Gina war das Kindermädchen«, warf Gerhard ein.

»Das Kindermädchen, so.« Monika ließ die Enkelin aus ihren Armen gleiten. Von der Existenz einer Mutter schien hier nicht die Rede zu sein. »Du wirst dich ein bißchen frischmachen wollen, Gerhard. Rolfs Zimmer habe ich für euch hergerichtet. Er wohnt ja schon mit seiner Freundin zusammen.« Sie zuckte die Achseln. »So ist das eben heute.«

Alles war liebevoll vorbereitet, ein zweites kleines Bett für das Kind aufgestellt. »Du hattest mir ja schon geschrieben, daß du mit Angela allein kommen würdest«, sagte die Mutter mit abgewandtem Gesicht. Als der Sohn darauf schwieg, fügte sie fragend hinzu: »Kommt sie nach?«

»Nein.« Gerhard trug die Koffer aus der Diele herein. »Ich werde es euch später erzählen.«

Anja kam hereingewirbelt. »Hallo, Großer, da bist du ja schon!« rief sie und umarmte den Heimgekommenen.

»Hallo, Anja!« Schlank und rank war sie geworden, die nun Sechzehnjährige.

»Du hast ja deinen Babyspeck verloren«, neckte Gerhard sie.

»Ja, und jetzt kommst du, wo ich groß genug bin, um allein nach New York zu fliegen. Aber du hast mich ja auch nicht eingeladen«, schmollte sie scherzhaft. Dann sah sie Angela, der die Oma in der Küche etwas zu trinken gegeben hatte.

»Das ist deine Tante Anja«, sagte Monika.

»Ph, Tante. Wer sagt denn heute noch Tante. Ich bin einfach die Anja. Und du bist eine kleine Süße. Ich werde dich Angie nennen.«

Zum Abendessen saßen sie alle um den großen runden Tisch. Nur Rolf fehlte, er wollte am Sonntag kommen. Angela betrachtete etwas ängstlich den Opa, der so ein breitschultriger, starker Mann war, und einen Bart hatte er, der gekitzelt hatte, als er sie hochhob und ihr ein Küßchen gab.

»Nun iß mal schön, du Spatz«, ermunterte Monika ihre Enkelchen. »Du wirst dich doch nicht fremd bei uns fühlen.«

»Sie muß sich erst daran gewöhnen, in einer Familie zu sein«, meinte Gerhard lächelnd. Darauf war es einen Moment still in der Runde.

»Was ist ein Spatz?« wollte Angela nach einigem Nachdenken wissen.

Anja erklärte es ihr. Sie ließ ihre Hand über den Tisch hüpfen, als wäre der kleine Vogel, der Krümchen aufpickte. Damit brachte sie das ernste Gesichtchen endlich einmal zum Lächeln.

Aber bald wurde sie doch sehr müde, nach dem langen Flug, der in aller Morgenfrühe begonnen hatte, und den vielen, vielen neuen Eindrücken.

»Ich bring dich ins Bett«, sagte die Oma. »Dir fallen ja schon die Äuglein zu.«

»Nein, Papa«, wisperte das Kind. »Das tut immer mein Papa.«

Später brachte Arno Schilling eine Flasche Wein auf den Tisch. Die Heimkehr des Sohnes mußte doch gefeiert werden. Nur Anja wollte noch mal weg, sich mit Freundinnen treffen.

»Aber um zehn bist du zu Hause«, sagte der Vater streng.

Anja zwinkerte ihrem Bruder zu. »Da siehst du, wie man’s mit mir macht. Wenn man die Jüngste ist, wird man ewig noch wie ein Kind behandelt.«

»Laß nur, erwachsen wirst du noch früh genug«, sagte Gerhard heiter.

Als eingeschenkt war, begann der Vater ernst: »So, nun möchten wir doch gern mal wissen, was eigentlich mit deiner Frau ist. Oder mit deiner Lebensgefährtin, wie man heute sagt, denn verheiratet seid ihr ja wohl nicht, obwohl ihr ein Kind zusammen habt.«

»Ja, da sind wir nie draus klug geworden«, bestätigte Monika. »Und jetzt kommst du auch ohne Lizzy. So heißt sie doch?«

Gerhard nahm erst noch einen Schluck von dem guten Wein, dann holte er tief Atem. »Es wird euch nicht gefallen, was ich euch jetzt erzählen muß. Angelas Mutter ist vor zwei Jahren gegangen.«

»Was heißt, gegangen?« fragte der Vater barsch.

»Plötzlich hat sie uns verlassen. Ohne Abschied, ohne Vorbereitung. Sie ließ nur einen Zettel zurück, daß sie nur zur Mutter nicht tauge.«