Matheo - Sohn einer verbotenen Liebe - Gisela Reutling - E-Book

Matheo - Sohn einer verbotenen Liebe E-Book

Gisela Reutling

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. »Opa, Opa!« In seiner Begeisterung warf Florian die Arme in die Luft, als er aus dem Haus stürzte. »Suuper, daß du da bist!« »Das nenne ich eine Begrüßung«, schmunzelte Joachim Weber. Er schlug die Wagentür zu und nahm den Elfjährigen um die Schulter. Wie der Bub sich doch freuen konnte! Durch das Vorgärtchen gingen sie auf das hübsche Reihenhaus zu, dessen Tür offenstand. Anita kam herbei, sie streckte ihrem Schwiegervater die Hand entgegen. »Das ist aber eine nette Überraschung!« »Och, also ich bin eigentlich gar nicht so überrascht«, sagte Florian mit einem pfiffigen Lächeln. Sein Opa zwinkerte ihm zu. »Du zählst auf mich, was?« Da kam auch schon die kleine Heike. Die langen blonden Locken wippten, so hatte sie sich beeilt. »Tach, Opa!« Sie hob die Ärmchen zu dem großen kräftigen Mann auf, der sie auch sogleich wie ein Püppchen in der Luft herumschwenkte. »Rate, was ich dir mitgebracht habe!« »Gummibärchen!«

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Mami – 2002 –

Matheo - Sohn einer verbotenen Liebe

Ein Vater hatte nichts von seinem Kind gewusst

Gisela Reutling

»Opa, Opa!« In seiner Begeisterung warf Florian die Arme in die Luft, als er aus dem Haus stürzte. »Suuper, daß du da bist!«

»Das nenne ich eine Begrüßung«, schmunzelte Joachim Weber. Er schlug die Wagentür zu und nahm den Elfjährigen um die Schulter.

Wie der Bub sich doch freuen konnte!

Durch das Vorgärtchen gingen sie auf das hübsche Reihenhaus zu, dessen Tür offenstand.

Anita kam herbei, sie streckte ihrem Schwiegervater die Hand entgegen. »Das ist aber eine nette Überraschung!«

»Och, also ich bin eigentlich gar nicht so überrascht«, sagte Florian mit einem pfiffigen Lächeln.

Sein Opa zwinkerte ihm zu. »Du zählst auf mich, was?«

Da kam auch schon die kleine Heike. Die langen blonden Locken wippten, so hatte sie sich beeilt.

»Tach, Opa!« Sie hob die Ärmchen zu dem großen kräftigen Mann auf, der sie auch sogleich wie ein Püppchen in der Luft herumschwenkte.

»Rate, was ich dir mitgebracht habe!«

»Gummibärchen!«

»Falsch.«

»Honigbonbons!«

»Auch falsch.«

»Schokoriegel!«

»Das kommt der Sache schon näher.«

»Eine Tafel Schokolade!« rief Heike und klatschte in die Hände.

»Richtig.« Joachim zauberte sie aus seiner Tasche und gab sie ihr. Nun mochte man annehmen, daß das nicht gar so etwas Besonderes war. Aber Mama Anita hielt ihre Kinder mit Süßigkeiten kurz, zum Wohle derselben, wie sie meinte. Sie bekamen genug Zucker im Obst, und zum Frühstück gab es Honig und selbstgemachte Marmelade. Das reichte. Nur bei den Großeltern sah sie von diesem Prinzip ab. Großeltern mußte man die Ausnahme gestatten.

Einen Pflaumenkuchen hatte er auch mitgebracht, in Stücke geschnitten und sorgfältig eingepackt. Oma Ingrid hatte ihn am Morgen auf dem Blech gebacken. Sie sollten es sich schmecken lassen.

»Die Gute«, lachte Anita. »Sie weiß, daß ich ihr in bezug auf ihre Backkünste nicht das Wasser reichen kann.«

»Ich geh’ schon mal packen«, verkündete Florian.

»Was willst du packen?« fragte seine Mutter verblüfft.

»Das soll dir Opa erklären«, antwortete der Sohnemann verschmitzt.

»Wieso der Opa? He, hiergeblieben! Was habt ihr vor, ihr beide?«

Daß die ein Herz und eine Seele waren, wußte hier jeder. »Wir haben gestern miteinander telefoniert, Florian und ich«, begann der Großvater, und der Junge warf ein: »Ja, wegen dem Dorffest, Mama. Da wollt’ ich so gern dabei sein.« Treuherzig blickte er zu ihr auf.

»Und weil doch ein paar Tage Herbstferien sind, habe ich gesagt, ich würde mal sehen, was sich machen läßt. So war’s doch, Florian?«

»Genau. Und seitdem hab’ ich den Daumen gehalten, daß du mich holen würdest. Aber daran geglaubt habe ich schon, weil du der beste Opa von der Welt bist.«

»Soso«, sagte Anita belustigt. »Und das wird einfach hinter meinem Rücken beschlossen.«

»Ich denke, du wirst nichts dagegen haben, und Patrick auch nicht, wenn ich euch Florian für wenige Tage entführe?«

»Entführe«, wiederholte Heike, die aufmerksam der Unterhaltung gefolgt war, von einem zum anderen blickend. Mit ihren knapp fünf Jahren wußte sie schon, was das bedeutete. »Tust du mich auch entführen?«

»Och, nö«, machte Florian, aber mehr in sich hinein. Er liebte zwar seine kleine Schwester, aber dann mußte er ja immer darauf aufpassen.

Zweifelnd sah der Großvater auf das zierliche Persönchen nieder. »Du bleibst besser bei deiner Mama, Heike. Auf dem Fest werden so viele Menschen sein, da könntest du uns verlorengehen«, scherzte er.

»Ich will ja auch gar nicht mit«, behauptete die Kleine. »Da beißt mich nur wieder der Gänserich.«

Joachim lachte herzlich. »Er hat dich ja gar nicht richtig gebissen!«

»Aber er ist fauchend und schnatternd hinter mir her, und gestupst hat er mich wohl am Bein mit seinem Schnabel«, sagte Heike, und die Entrüstung stand ihr noch im Nachhinein im rosigen Gesichtchen geschrieben.

»Dieses fürchterliche Erlebnis wird dich aber doch hoffentlich nicht davon abhalten, deine Großeltern auf dem Lande wieder zu besuchen, hm?« Mit einem guten Lächeln zupfte Joachim an einer der seidenweichen Locken seiner Enkelin.

»Kann ich jetzt packen?« fragte Florian.

Und schon flitzte er davon, in sein Zimmer.

»Du bleibst aber doch zum Abendessen?« wandte sich Anita an ihren Schwiegervater. »Patrick muß auch jeden Moment kommen.«

Es war ein Freitag, da verließ er die Kanzlei nach Möglichkeit pünktlich. Der Hausherr staunte nicht schlecht, als er erfuhr, was da beschlossene Sache war. Kein Wort hatte der Lausbub davon gesagt.

»Kannst du ihn denn überhaupt brauchen, Papa? Als Bürgermeister der Gemeinde hast du doch alle Hände voll zu tun, wenn die Vereine ihr Herbstfest veranstalten.«

»Keine Sorge, ich habe schon alles im Griff, Patrick.«

Um halb acht fuhren sie los. Anderthalb Stunden ging es schon über die Autobahn. Anita konnte es nicht lassen, ihrem Sohn gute Ermahnungen mit auf den Weg zu geben. »… und sei schön brav!«

»Bin ich doch immer!« sagte Florian im Brustton der Überzeugung und schwang Mamas Reisetasche auf den Rücksitz.

*

Wenn es auch quasi nur für ein verlängertes Wochenende war, so fehlte er ihnen doch, da sein Platz am Tisch freiblieb.

»Wo er mir doch weiter aus Harry Potter vorlesen wollte«, sagte Heike vorwurfsvoll. »Jetzt weiß ich gar nicht, wie das weitergeht mit dem seiner Zauberei, haut einfach ab mit dem Opa.« Schmollend schob sie die Unterlippe vor.

»Er ist nicht abgehauen«, bemerkte ihre Mama kritisch, denn solche Ausdrücke liebte sie nicht. »Der Opa hat ihn mitgenommen, und wir sollten Florian den Spaß gönnen.«

Aber gutmütig las sie ihrem Töchterchen dann doch das nächste Kapitel aus dem Buch vor, bis ihr die Äuglein zufielen.

Ihr Mann saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher beim Freitagskrimi. Es gab einen »Tatort«, den er sich nur selten entgehen ließ. Das Geschehen auf dem Bildschirm entspannte ihn nach konzentrierter Tagesarbeit.

Weil sie der fortgeschrittenen Handlung doch nicht mehr folgen konnte, griff Anita nach einer bunten Illustrierten, die sie sich gelegentlich kaufte. Patrick pflegte sie damit zu necken: »Willst du dich wieder informieren, was sich in der High Society abspielt?«

Ach, sie amüsierte sich eher über die Skandale und Skandälchen der Prominenten, von denen da berichtet wurde. Diese rasch wechselnden Beziehungen, nicht nur bei Künstlern, sondern bis in die Politiker- und Adelskreise hinein. Wie fern lag das alles, wenn man im ruhigen Gleichmaß einer gutbürgerlichen Ehe lebte.

Daß diese Dinge doch gar nicht so fern lagen, sollte Anita noch an diesem Abend erfahren, als sie durch einen Anruf aus ihrer Behaglichkeit aufgeschreckt wurde. Sie ging ins Nebenzimmer.

Ihre Mutter war am Apparat – und sie schluchzte.

»Was ist los, Mama, warum weinst du?« fragte Anita alarmiert.

»Dein Vater ist weggefahren«, kam es undeutlich zurück.

Anita zögerte. »Ich verstehe nicht… Wohin ist er gefahren?«

»Zu der anderen…«

»Zu welcher anderen?«

»Mit der er das Wochenende verbringen will.«

»Nun mal langsam, Mutti. Das mußt du mir schon näher erklären.«

Eine ganze Weile folgte nichts. Sie rang nur hörbar um Fassung. Endlich sagte die Mutter mit schwankender Stimme: »Ja, ja, Anita, ich bin jetzt abgemeldet.«

Anita schoß das Blut ins Gesicht. »Das darf doch nicht wahr sein!«

»Ist es aber.«

»Das kann doch nicht aus heiterem Himmel kommen, daß Papa dir plötzlich untreu wird«, empörte sich Anita.

»Aus heiterem Himmel? Nein. Da sind schon seit längerem Wolken aufgezogen. Ich habe nur die Augen davor verschlossen.«

»Warum hast du mir nie etwas davon gesagt?«

»Ach…« Es klang unendlich traurig. »Ich dachte, es wird schon wieder.«

»Als wir euch im Sommer besucht haben, war nichts zu merken, daß in eurer Ehe etwas nicht mehr stimmte«, überlegte Anita laut.

»Das solltet ihr auch nicht merken. Da waren die Kinder, und ihr wart in sorgloser Ferienlaune auf dem Weg in den Urlaub. Es lag ja auch nicht offen zutage. Erst jetzt hat Eckart es mir gesagt.«

»Was hat er dir gesagt?« fragte Anita brüsk.

»Na ja, daß er einen Freiraum braucht, wie man das so nennt.«

»Und darunter versteht er, daß er machen kann, was er will? Das ist ja unglaublich«, brachte die Tochter erregt hervor. »Das darfst du dir nicht gefallen lassen, Mutti!«

»Hm, was soll ich denn machen? Soll ich mich scheiden lassen?«

»So weit würde ich nicht denken. Ihr seid seit sechs-, siebenunddreißig Jahren verheiratet.«

»Eben«, fiel Annemarie Hertstein ein. »Und dann kommt auf einmal eine Jüngere, Attraktivere. Die geht noch nicht auf die Sechzig zu.« Es klang bitter. Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Man sollte keinen Mann heiraten, der vier Jahre jünger ist. Männer bleiben biologisch sowieso länger jung.«

»Ach was, das hat damit nichts zu tun«, behauptete die Tochter. »Ihr habt euch immer gut verstanden. Soll ich mal mit Papa reden, was er sich eigentlich denkt?«

»Nein, nein«, wehrte die Mutter etwas hastig ab, »halte du dich da besser raus, Anita.«

»Meinst du«, zögerte Anita. »Es ist schließlich mein Vater, der anscheinend völlig den Kopf verloren hat. Weißt du etwas über diese Person?«

»Nur, daß sie eine Sekretärin bei Bahlinger ist.«

Das war die Firma für Treuhand- und Vermögensverwaltungen, bei der Eckart Hertstein eine leitende Stellung innehatte.

»Sie sollte sich schämen«, sagte Anita.

»Ja. Aber es gibt gewisse junge Frauen, die sich nehmen, was ihnen gefällt. Und Eckart ist ein Mann, der den Frauen immer noch gefallen kann, trotz seiner grauen Schläfen. Nur wie ich das durchstehen soll, und wie es überhaupt weitergehen soll.« Die zutiefst deprimierte Stimme erstickte.

Anitas Herz floß über vor Mitleid, das im Moment den Zorn auf ihren ungetreuen Vater verdrängte.

»Setz dich in den Zug und komm zu uns, Mutti«, schlug sie vor. »Das Wochenende ist noch lang, und ich kann mir vorstellen, welche Qual es für dich sein wird, wenn du allein zu Hause bist.«

»Du meinst es gut, Anita«, kam es müde zurück. »Aber für eine stundenlange Zugfahrt habe ich nicht die Kraft. Ich fühle mich doch wie gelähmt. Und das sollen die Kinder denken, wenn sie ihre Oma in einem solchen Zustand sehen.«

»Florian ist gar nicht da übers Wochenende. Joachim hat ihn abgeholt zu einem Herbstfest, das in der Gemeinde stattfindet. Ich möchte dich wirklich nicht allein wissen, Mama«, wiederholte Anita eindringlich. »Du kannst auch bleiben, so lange du willst. Vielleicht kommt dein Mann dann zur Besinnung, wenn er das Haus leer findet.«

»Da wird wohl eher das Gegenteil der Fall sein, wenn ich das Feld räume«, war Annemaries Meinung.

Anita seufzte. Die Mutter mochte recht haben, oder auch nicht. Es war schwer, etwas dazu zu sagen.

Sekundenlang war Stillschweigen zwischen ihnen.

»Jetzt habe ich dir auch nur das Herz schwergemacht, Anita«, sprach die Mutter. »Ich hätte dich nicht anrufen sollen. Es war mehr so eine Kurzschlußhandlung.«

»Ich bitte dich, Mama«, unterbrach Anita sie, »mit wem solltest du denn darüber sprechen, wenn nicht mit mir. Wenn ich dir nur helfen könnte!«

»Es hat mir schon geholfen, deine Stimme zu hören, Kind.«

»Ach…« Nur ein Hauch war es, der über Anitas Lippen kam. Das konnte ihr in ihrem großen Elend keine große Hilfe sein.

»Gute Nacht, Anita«, klang es etwas abrupt an ihr Ohr, und ihre Mutter hatte aufgelegt.

Mit hängendem Kopf ging Anita ins Wohnzimmer zurück. Dort stellte Patrick gerade den Fernseher ab. Der Täter war natürlich zum guten Schluß überführt worden. »Wer hat denn noch angerufen?« wandte er sich fragend an seine Frau.

»Es war meine Mutter«, antwortete Anita.

Patrick stutzte, als er ihre blasse Miene sah. »Schlechte Nachricht?«

»Das kann man wohl sagen.« Sie setzte sich. »Sie ist verzweifelt. Eckart ist für das Wochenende zu seiner Freundin gefahren.«

Der Anflug eines verwunderten Lächelns ging über Patricks Gesicht. »Seit wann hat er eine Freundin?«

Anita zuckte die Achseln, sie sah auf ihre Hände. »Man sollte es nicht glauben«, murmelte sie. »In dem Alter… und verguckt sich in eine Jüngere.«

»Das soll vorkommen«, sagte Patrick trocken. Und, beinahe heiter: »Er will wohl noch einmal einen letzten Frühling erleben.«

Vorwurfsvoll hob Anita den Blick zu ihm auf. »Da gibt es nichts zu scherzen, Patrick, wenn ein Mann nach langjähriger Ehe seine Frau im Stich läßt.«

»Das wird er wohl nicht tun. Es wird eine vorübergehende Affäre sein.«

Anita blitzte ihn an. »Und das soll Mutti hinnehmen? Kann es eine schlimmere Demütigung geben für eine Frau, als wenn ihr Mann ihr erklärt: Also, tschüs, ich gehe für zwei Tage und zwei Nächte zu meiner Freundin.«

Die Entrüstung wallte wieder in ihr auf und trieb ihr das Blut in die Wangen. Patrick warf ein: »So brutal wird er es wohl nicht gesagt haben.«

»Er hat es damit umschrieben, daß er ›Freiraum‹ brauche.« Ironisch verzog Anita den Mund. »So einfach machen sich Männer das!« Sie schüttelte den Kopf. »Ich hätte das nie von meinem Vater gedacht. Ich muß mich ja seiner schämen.«

»Nun übertreibe nicht. Eckart wird schon wieder zur Vernunft kommen.«

»Aber dann kann es doch nie mehr sein wie vorher. Das sind Scherben, die nicht mehr zu kitten sind.«

»Man soll nie nie sagen, Anita. Eine Ehe, die so lange gehalten hat, sollte wohl ein stabiles Fundament haben, das deswegen nicht gleich zusammenstürzt. Deine Mutter soll erst mal abwarten und durchhalten. Als seine Frau ist sie doch in der stärkeren Position.«

»Das sagt man so. Was glaubst du, wie sie leidet. Ich habe ihr vorgeschlagen, zu uns zu kommen. Aber das will sie auch nicht.«

»Ich hätte nichts dagegen. Doch hielte ich es nicht für richtig. Das geht nur die beiden etwas an. Wir sollten uns da nicht einmischen.«

Damit griff Patrick zur Tageszeitung, um noch einen Blick hineinzuwerfen. Auch Anita nahm ihre Illustrierte wieder zur Hand. Natürlich waren ihre Gedanken nicht dabei. Sie sah ihre Mutter vor sich, recht rundlich geworden im Laufe der Jahre, mit ergrautem Haar, dem eine modische Tönung zu geben ihr fernlag, wie sie überhaupt nicht an modischen Dingen interessiert war.

Lag darin ein Fehler, neben dem jüngeren gutaussehenden Mann? Aber kam es denn darauf an, auf diese Äußerlichkeiten? Sie sah doch immer gepflegt aus, und sie hatte so ein liebes, gutes Gesicht. War besorgt um ihren Mann und das Haus, das sie sich zusammen geschaffen hatten. Viele Jahre hatte sie ihren Beruf als Arzthelferin ausgeübt, bis der Doktor die Praxis aus Altersgründen aufgegeben hatte.

Sicher weinte sie jetzt wieder… Oh, Männer!

Anitas Blick ging zu ihrem Mann, dessen dunkler Kopf über die Zeitung gebeugt war.

Würde Patrick ihr auch jemals so etwas antun können?

Ach nein, ihre Ehe war in Ordnung. Aber das war sie ja auch bei den Eltern gewesen, sprach eine Stimme dagegen.

Freilich hatte es auch schon einmal eine Krise gegeben. Aber da war keine andere Frau im Spiel, und ganz schuldlos war sie daran wohl auch nicht gewesen, wie sie im Nachhinein erkannte.

Es war die Zeit, nachdem sie eine Fehlgeburt gehabt hatte. Sie hatte so darunter gelitten, daß sie sich völlig abgekapselt hatte, auch von ihrem Mann, dem sie mangelndes Verständnis vorwarf.

Sie hatten sich doch beide so gefreut auf noch ein Kind. Sie wie auch Patrick waren als Einzelkinder aufgewachsen, das wollten sie Florian ersparen, der damals vier war.