Dieses Kind gehört nur mir - Gisela Reutling - E-Book

Dieses Kind gehört nur mir E-Book

Gisela Reutling

5,0

Beschreibung

Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe. »Sie haben eine andere Frisur«, stellte Dr. Herbert Morgan fest, nachdem er die Kollegin auf dem Klinikhof mit einem Händedruck begrüßt hatte. Alice errötete ein wenig. Daß ihm das sogleich auffiel! »Es ist praktischer so bei der Hitze«, sagte sie leichthin. »Und vor allem steht es Ihnen sehr gut«, befand der junge Arzt, »viel besser als der strenge Nackenknoten.« Tatsächlich zeigte ihr dunkelbraunes Haar jetzt Glanz und Fülle, da es sich kurzgeschnitten und locker um ihren schmalen Kopf schmiegte. Es machte ihre etwas herben Züge weicher. Ihre Miene verschloß sich unter seinem Blick. »Wie war es im Urlaub?« fragte sie unvermittelt, sichtlich bemüht, von sich abzulenken. Herbert Morgan lächelte leicht. »Sie mögen es wohl nicht, wenn Ihnen ein Mann ein Kompliment macht, Frau Kollegin?« Alice sah ihn wieder an. Er war doch sympathisch, mit seinem offenen Gesicht, und er hatte ihr nur etwas Nettes sagen wollen. Da brauchte sie nicht gleich so abweisend zu reagieren. »Ich bin es nicht gewohnt«

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Mami Classic – 3 –

Dieses Kind gehört nur mir

Gisela Reutling

»Sie haben eine andere Frisur«, stellte Dr. Herbert Morgan fest, nachdem er die Kollegin auf dem Klinikhof mit einem Händedruck begrüßt hatte.

Alice errötete ein wenig. Daß ihm das sogleich auffiel!

»Es ist praktischer so bei der Hitze«, sagte sie leichthin.

»Und vor allem steht es Ihnen sehr gut«, befand der junge Arzt, »viel besser als der strenge Nackenknoten.«

Tatsächlich zeigte ihr dunkelbraunes Haar jetzt Glanz und Fülle, da es sich kurzgeschnitten und locker um ihren schmalen Kopf schmiegte. Es machte ihre etwas herben Züge weicher.

Ihre Miene verschloß sich unter seinem Blick. »Wie war es im Urlaub?« fragte sie unvermittelt, sichtlich bemüht, von sich abzulenken.

Herbert Morgan lächelte leicht. »Sie mögen es wohl nicht, wenn Ihnen ein Mann ein Kompliment macht, Frau Kollegin?«

Alice sah ihn wieder an. Er war doch sympathisch, mit seinem offenen Gesicht, und er hatte ihr nur etwas Nettes sagen wollen. Da brauchte sie nicht gleich so abweisend zu reagieren.

»Ich bin es nicht gewohnt«, bekannte sie einfach.

Sein Lächeln wich. Er nickte vor sich hin. Sie war schon eine eigenartige Frau, diese Dr. Alice Pavel. Gebürtige Rumänin, soviel er wußte, seit mehr als einem Jahr wissenschaftliche Mitarbeiterin von Professor Bogdan, dem die Klinik gehörte. Das wollte schon etwas heißen, was Können und Fähigkeit anging. Aber ihre Zurückhaltung war sprichwörtlich. Sie pflegte mit niemandem Umgang. Nur einmal war es ihm gelungen, sie nach einem langen Arbeitstag zum Essen einzuladen. Da hatten sie sich zufällig am Ausgang getroffen. Persönlich nähergekommen waren sie sich zu seinem Bedauern in dieser Stunde auch nicht. Er hätte gern mehr über sie erfahren, doch sie grenzte sich ab.

»Sie erkundigen sich eben nach meinem Urlaub«, sagte er Sekunden später, »vielleicht könnten wir ja wieder einmal in den ›Schwanen‹ gehen, dann erzähle ich Ihnen von Irland, falls es Sie interessiert.«

Er hatte kaum damit gerechnet, daß sie seinem Vorschlag zustimmen würde. Aber langsam und überlegend sagte sie: »Ja, es interessierte mich schon. Man nennt es ›Die grüne Insel‹, nicht wahr? Ich habe etwas darüber gelesen. Es muß schön dort sein.«

»Es ist wundervoll«, versicherte ihr der Kollege eifrig. »Ich kann Ihnen Fotos zeigen, die es beweisen. Hätten Sie morgen abend Zeit, Frau Pavel?«

Zeit hatte sie immer, wenn der Chef sie nicht gerade in Anspruch nahm, was durchaus auch abends manchmal der Fall war.

»Rufen Sie mich am besten morgen noch einmal an, Herr Morgan.« Verabschiedend nickte sie ihm zu, bevor sie nach verschiedenen Seiten auseinandergingen zu ihrem Dienst.

So ein halbes Ja wäre nicht nötig gewesen, dachte Alice indessen am nächsten Tag. Sie würde ja doch nie nach Irland kommen. Das alles lag für sie weit weg. Es gab wichtigere Dinge, als an Reisen zu denken. Für sie galt es, die Familie zu unterstützen, die in Armut lebte wie so viele in ihrem Heimatland. Auch hatte sie schon lange vor, sich eine bessere Wohnung zu suchen. Immer noch begnügte sie sich mit der bescheidenen Unterkunft im Anbau der Klinik, die ihr Professor Bogdan zur Verfügung gestellt hatte, als er sie zu sich nach Deutschland holte. Ein Landsmann, der von Jugend an hier lebte und aufgrund ihrer Doktorarbeit auf sie aufmerksam geworden war. Ein Glücksfall war das für sie gewesen – soweit man bei ihr, Alice Pavel, überhaupt von »Glück« sprechen konnte. Es war doch immer ein Fremdwort für sie geblieben.

Als sie gegen halb sieben von der Arbeit kam und das Telefon läutete, war sie entschlossen, Dr. Morgan abzusagen. Aber es war eine Kinderstimme, die sich da meldete und ihren Herzschlag stocken ließ.

»Hier ist Laura…«

»Laura!« Heiß wallte das Blut in Alice auf. »Wie schön, daß du dich mal meldest. Wie geht es dir denn?«

»Mir geht es gut. Ich wollte dich fragen, ob ich dich einmal besuchen könnte. Als du vor ein paar Monaten bei uns warst, hast du doch gesagt, ich sollte mal kommen.«

»Ja, Laura, das wäre eine große Freude für mich. Erlauben es denn deine Eltern, daß du allein fährst?«

»Klar, sonst würde ich doch nicht anrufen. Die Mama hat gesagt, es würde dich bestimmt freuen. Hast du am nächsten Wochenende Zeit?«

»Für dich immer, Laura. Du mußt mir nur sagen, wann du ankommst, damit ich dich abholen kann.«

»Elf Uhr fünfzig am Samstag«, sagte das Töchterchen prompt. »Und Sonntag nachmittag zurück. Mein Papa hat nämlich schon nachgeguckt. Aber vielleicht bleib’ ich auch ’n bißchen länger, wenn es mir bei dir gefällt«, fügte Laura treuherzig hinzu.

»Das wäre schön. Ich werde also pünktlich am Bahnhof sein. Sage deinen Eltern viele Grüße von mir.«

»Und Daniel auch?« fragte Laura schnell. »Er versteht nämlich jetzt schon eine ganze Menge, und richtige Sätze spricht er, so einfache, weißt du?«

»Ja, deinem Brüderchen auch«, lächelte Alice und wischte sich über die Augen. »Auf Wiedersehen, Laura.«

Hatte sie vorhin noch gedacht, es könnte kein Glück für sie geben?

Daß ihr Kind aus eigenem Antrieb sie besuchen wollte, das war es doch schon: Glück. Es bedeutete, daß Laura sie nicht mehr als eine Fremde ansah, wie noch vor einigen Jahren, als sie nach ihrem Kind gesucht und es endlich gefunden hatte. Im Wohlstand lebend bei inniggeliebten Pflegeeltern namens Edgar und Vera Gerstner. Nicht nur das Ehepaar, auch ihr kleines Mädchen hatte Angst gehabt, daß es sie aus ihrer Geborgenheit reißen könnte. Aber das konnte sie ihnen nicht antun.

Sie hatte zum zweiten Mal auf ihr Kind verzichtet, als sie dann wieder nach Rumänien zurückgefahren war. Wie sie einst auf ihr Baby verzichtet hatte, kaum daß es das Licht der Welt erblickte. Blutjung war sie damals gewesen, aus verzweifelter Notlage heraus hatte sie diesen Schritt getan. Die Wunden, die das Verzichtenmüssen hinterlassen hatte, waren nie geheilt. Das einzige Medikament gegen das Leid hieß Arbeit und nochmals Arbeit. Vollen Einsatz in ihrem Beruf.

Und dann geschah es, daß sie hierherzog, nur wenige hundert Kilometer von der Stadt entfernt, in der ihr Kind lebte. Aber es hatte viele Monate gedauert, bis sie ihrem heißen inneren Drängen nachgegeben hatte, und hingefahren war.

Vier Jahre hatte sie Laura nicht gesehen gehabt. Sie war nun elf, ein großes Mädchen schon. Manches hatte sich geändert in dem schönen Haus der Gerstners. Nach langer Kinderlosigkeit hatte das Ehepaar doch noch ein Baby bekommen, ein Bübchen namens Daniel. Damit hatte sich auch für Laura etwas geändert. Freilich war sie das geliebte Pflegekind geblieben, völlig zur Familie gehörig, Daniels große Schwester. Aber sie sah ihre leibliche Mutter, da diese nun wieder aufgetaucht war, mit anderen Augen an. An Schwangerschaft und erstem Mutterglück hatte die Mami sie teilhaben lassen, bisher und immerfort, das hatte viel in dem Kind bewegt. Alice Pavel war ihre Mutter, auch wenn sie sie nie gekannt hatte. Sie hatte sie doch geboren wie ihre Mama den Daniel.

Ihr Blick war nicht mehr abweisend, ging nicht mehr durch sie hindurch wie noch vor Jahren. Eine gewisse Zutraulichkeit stellte sich ein, die kleine Hand lag in ihrer Hand beim Spazierengehen.

Es war nicht zuletzt Vera Gerstners Warmherzigkeit zu verdanken, daß dies einzige kurze Wochenende harmonisch verlief. Zumal, als geklärt war, daß sie nicht gekommen war, um auf gewisse Rechte zu pochen. Es hätte nur Kämpfe und Konflikte gegeben. Keiner wäre dabei froh geworden, am allerletzten Laura, um die allein es doch Alice ging.

Man würde in Verbindung bleiben, hatte Vera Gerstner beim Abschied geäußert. So recht daran zu glauben hatte sie, Alice, nicht gewagt. Dies war eine Familie in festem Zusammenhalt. Sie würde immer jemand sein, der im Abseits stand. Und Laura, die keine Anrede für sie fand und sie nur manchmal neugierig betrachtet hatte, Laura würde ihre Existenz auch bald wieder vergessen haben.

Aber darin hatte sie sich geirrt!

Wieder wallte Freude in Alice auf. Wie wollte sie ihrem Kind schöne Stunden bereiten! Es konnte ein Anfang sein, daß ihre Beziehung zueinander sich vertiefte, wenn sie es denn einmal für sich allein hatte. Einmal Laura in den Arm nehmen und an sich drücken…

In freudiger Rastlosigkeit lief sie auf und ab. Ihre vier Wände wurden ihr zu eng. Vielleicht sollte sie noch hinausgehen an diesem Sommerabend und ein Stück laufen.

Da klingelte erneut das Telefon.

O nein, flog es Alice durch den Sinn, das würde doch nicht der Professor sein, der sie noch zu einer Arbeit zitierte!

Es war Dr. Morgan.

»Ja, Herr Morgan? Guten Abend«, sage sie überrascht.

»Das hört sich an, als hätten Sie nicht mit meinem Anruf gerechnet. Haben Sie vergessen, daß wir heute zusammen essen gehen wollten?«

Alice griff sich an den Kopf. Den Kollegen hatte sie tatsächlich über Lauras Anruf vergessen. Hatte sie ihm nicht absagen wollen?

»Sie werden mir doch keinen Korb geben«, klang es bittend an ihr Ohr. »Ich dachte, wir könnten ein Stück hinausfahren, zur ›Alten Mühle‹, das ist ein Ausflugsrestaurant, nahe am Wald gelegen, mit einem schönen Wirtshausgarten. Dort wird die Luft frischer sein als in der Stadt.«

Das klang verlockend. Ja, warum eigentlich nicht, dachte Alice. »Einverstanden«, sagte sie. »Holen Sie mich in einer halben Stunde ab.«

Sie zog ein luftiges Sommerkleid an, das sie sich erst kürzlich gekauft hatte. Es war ein Sonderangebot gewesen. Obwohl sie jetzt ein gutes Gehalt hatte, konnte sie sich immer noch nicht dazu durchringen, für sich mehr auszugeben als unbedingt notwendig war. Für modische Dinge hatte sie sich auch nie interessiert. Dafür war in ihrem Leben kein Platz gewesen.

Jetzt fühlte sie sich gut darin. Das würde sie anziehen, wenn Laura kam. Vielleicht gefiel sie ihr dann besser als in dem einfachen Kostüm, in dem sie sie gesehen hatte.

Du bist ein bißchen närrisch, Alice, sagte sie zu sich selbst. Versprich dir nicht zuviel von einem kurzen Besuch.

Aber die erwartungsvolle Freude blieb, das zarte Stimmchen in ihrem Ohr. »Hier ist Laura«…

Dr. Morgan stand schon da, mit raschen Schritten ging Alice auf seinen Wagen zu, dessen Verdeck offen war.

»Ich weiß die Ehre zu schätzen, daß Sie mir den Abend schenken, Frau Kollegin«, empfing er sie mit einem scherzhaften Lächeln.

Sie ließen die Stadt hinter sich, bald dehnten sich Wiesen und Felder zur Rechten und Linken der Landstraße. Alice ließ ihr Haar im Fahrtwind wehen. Wie gut das tat! An einem Hang wuchs der Wald empor, zog sich den Hügel entlang.

»Schön ist es hier«, bemerkte sie mit umherschweifendem Blick.

»Sagen Sie nur, daß Sie die Umgebung unserer Stadt noch gar nicht kennen«, warf Herbert Morgan hin.

»Kaum«, bestätigte Alice.

»Das soll sich aber in Zukunft ändern«, versprach der Kollege. »Der Alte soll sie nicht so sehr in Anspruch nehmen, daß Sie nicht zum Luftholen kommen. So ist es doch, oder?«

»Reden Sie nicht so respektlos von unserem Chef«, verwies ihn Alice.

»Ach, ich schätze ihn schon, aber er ist doch ein rechtes Arbeitstier. Ein Privatleben scheint es für ihn nicht zu geben.«

»Vielleicht komme ich deshalb ganz gut mit ihm aus«, meinte Alice.

Herbert Morgan streifte seine Begleiterin mit einem kurzen Blick. Aber er sagte nichts. Da war auch schon die »Alte Mühle«, ein niedriger, breit hingelagerter Bau im Landhausstil, vor den Fenstern üppig blühende Geranien. Unweit plätscherte ein Bach, der ehemals das Mühlrad betrieben hatte.

Sie nahmen Platz an einem der Tische unter den schattenspendenden Kastanienbäumen. Auf einem Holzbrett ließen sie sich Bauernschinken und deftiges Brot servieren und tranken ein kühles Bier dazu. Sie unterhielten sich. Dr. Morgan fand seine Kollegin aufgeschlossener als sonst, ihr Blick war heller, ihr Lächeln erreichte auch ihre Augen, was sonst nicht der Fall gewesen war. Er interessierte sich für ihren Werdegang, ihr Studium in dem Heimatland, in der Hauptstadt Bukarest.

»Ist es Ihnen nicht trotz allem schwergefallen, von dort fortzugehen und Ihre Angehörigen zurückzulassen?« sagte er schließlich.

»Meiner Mutter und meinem Bruder kann ich von hier aus mehr helfen, denn die Not ist dort groß. Er hat Familie, Kinder… Von meinem anderen Bruder, dem ältesten, haben wir leider lange nichts gehört«, fügte Alice wie für sich hinzu. Was mochte mit Karl sein? Die Mutter wartete doch so schmerzlich auf ein Lebenszeichen von ihm.

Sie blickte auf. Es schien ihr nun genug, was sie von sich preisgegeben hatte. »Wollten Sie mir nicht von Irland erzählen und mir Fotos zeigen?« lenkte sie ab.

»Die Fotos habe ich noch nicht mitgebracht. Ich dachte mir, die hebe ich mir für eine andere Gelegenheit auf.« Er lächelte dabei leicht verschmitzt, so daß sich winzige Fältchen um seine Augen bildeten.

Es gab Momente, in denen er direkt jungenhaft wirkte, fand Alice. Dabei mochte er fünf, sechs Jahre älter sein als sie, etwa Mitte Dreißig. Ob er verheiratet war? Einen Ring trug er jedenfalls nicht. Sonst säße er sicher auch nicht hier mit ihr, so harmlos ein kollegiales Zusammensein am Feierabend auch sein mochte.

»Ich würde gerne noch einen Spaziergang machen, bevor es dunkel wird«, schlug sie vor. Die Dämmerung sank schon herab.

Bereitwillig stimmte Herbert Morgan ihr zu. Er beglich die Rechnung, und sie brachen auf. Hügelan spazierten sie, vom Wald her kam ein würziger Geruch von frischgeschlagenem Holz, in der Stille begleitete sie das Murmeln des Baches, von irgendwo kam ein Vogelruf.

Richtig romantisch war es. Wenn ein Omnibus hier herausfuhr, überlegte Alice, könnte sie mit Laura diesen hübschen Ausflug machen. Das würde ihr doch sicher gefallen. Was konnte sie ihr denn sonst noch bieten? Im Rathaushof gab es Freilichtspiele, ob sie das interessierte?

»Wissen Sie, was ich mir wünsche?« fragte Dr. Morgan plötzlich, nachdem sie eine Weile schweigend dahingegangen waren.

»Was?« Alice mußte sich erst besinnen, so sehr war sie mit ihren Gedanken bei Laura gewesen.

»Daß wir das öfter mal machen, Frau Pavel. Sie sind soviel allein. Fällt Ihnen da nicht manchmal die Decke auf den Kopf?«

»Das kann ich eigentlich nicht sagen«, antwortete sie mit einer Kopfbewegung. »Meine Arbeitszeit bei Professor Bogdan ist nicht nach Stunden begrenzt. Ich stehe sozusagen immer auf Abruf für ihn bereit. Es ist ja sehr nett von Ihnen, Herr Morgan, daß Sie sich ein bißchen kümmern wollen, aber es ist wirklich nicht nötig.«

»Warum wollen Sie nicht, daß wir uns freundschaftlich näherkommen? Mögen Sie mich nicht?«

Seine Direktheit überraschte Alice. »So ist es nicht. Aber – ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie allein sind.«

»Ich bin geschieden. Mit einer Frau, die nur ihr Vergnügen und modischen Schnickschnack im Kopf hat, konnte ich nicht leben«, erklärte er etwas brüsk.

»Das tut mir leid«, murmelte Alice. »Ja, vielleicht können wir uns mal treffen, wenn mein Besuch wieder fort ist.«

»Sie bekommen Besuch?«

Alice nickte, in ihren braunen Augen glänzte es auf.

»Aus Rumänien«, vermutete der Mann. Sicher hatte sie dort jemanden, mit dem sie sehr verbunden war. Das würde ihre außerordentliche Zurückgezogenheit verständlicher machen.

»Nein, nicht aus Rumänien. – Gehen wir zurück?«

»Ja«, sagte Dr. Morgan knapp. Es war doch nichts weiter aus ihr herauszuholen. Aber, schließlich, was ging es ihn auch an. Alice Pavel war eine Kollegin, die ihn aus irgendeinem Grund interessierte. Vielleicht, weil sie anders war als andere Frauen. Doch erzwingen konnte man nichts.

Sie redeten nicht mehr viel auf dem Rückweg bis zu seinem Wagen, und dann fuhr er sie nach Hause. Es war inzwischen dunkel geworden, in den Großstadtstraßen herrschte noch viel Leben in dieser Sommernacht.

»Dann wünsche ich Ihnen viel Freude mit Ihrem Besuch«, sagte Herbert Morgan etwas steif, als sie sich verabschiedeten.

»Danke. Und danke auch für den schönen Ausflug, Herr Morgan.«

Er sah ihr nach, wie sie davonging. Sie hatte einen anmutigen Gang, es war ihm früher schon aufgefallen.

Und es ging ihn eben doch etwas an, wie diese Frau war, die aus einem anderen Land kam und allen hier eine Fremde geblieben war.

*

»Du hast es aber gar nicht schön hier«, sagte Laura enttäuscht. Sie ließ ihren Blick über die kahlen Wände schweifen, den Boden, den kein Teppich bedeckte. Durch das Fenster sah man einen Hof, in dem es kein Grün gab.