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Was ist das Geheimnis des Erfolgs im Management und im Leben? Es sind nicht nur Kompetenz, Erfahrung und politisches Gespür. Es sind Werte wie zum Beispiel Vertrauen, Integrität und Wertschätzung, die unser Verhalten steuern. Werte prägen, was wir tun und wer wir sind. Die Autorin beleuchtet den Unterschied zwischen den Werten eines Sustainable Leaders und jenen, die einen Toxic Leader anleiten. Es geht u.a. um Macht versus Autorität, Haltung oder Opportunismus, Duckmäusertum oder Rebellendasein, um den allgemeinen Konformitätsdruck bis hin zur Bedeutung von Freiheit als gesellschaftlichen Wert. Dabei blickt sie über den Management-Tellerrand hinaus ins Alltagsleben: Werte enden nicht an der Bürotür. Am Beispiel einiger zentraler Werte zeigt sie, wie sich Werte auf Erfolg und Zufriedenheit eines Menschen auswirken und wie man die beste Version von sich selbst werden kann. Und: Wie vermeiden wir es, im Stress von Management, Familie und Alltag selbst toxisch zu werden? Jeder Mensch hat seinen Werte-Kompass. Dieses Buch gibt Gelegenheit, sich mit den eigenen Werten zu beschäftigen und sie , vor allem in Krisensituationen, zu überdenken, zu verändern oder neu zu priorisieren.
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Seitenzahl: 492
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Wiebke Köhler ist Strategieberaterin, Key Note Speakerin und Gründerin. Sie arbeitete viele Jahre in den Top Management Beratungen bei Roland Berger und McKinsey & Co auf internationalen Projekten in den Bereichen Travel & Logistics sowie Finanzdienstleistungen. Als Partnerin im Executive Search begleitete sie internationale, globale Konzerne bei der Besetzung von Vorstandsmandaten. Zuletzt bekleidete sie die Position als Personalvorständin bei der AXA Konzern AG in Deutschland. Seit 2019 ist sie CEO der Top Management Beratung impactWunder und unterstützt Konzerne und Mittelständler in strategischen Fragen des Marketings, im HR sowie beim Kultur-, Werte- und Machtwandel und bei der Führungskräfteentwicklung.
„Schach der Dame! Was Frau (und Mann) über Machtspiele im Management wissen sollte“, BoD 2019, Norderstedt
„Führen im Grenzbereich – Was Manager aus Grenzsituationen für den Unternehmensalltag lernen können“, BoD 2020, Norderstedt
„Wettbewerbsfaktor Mensch – Wie man durch Mitarbeiterbegeisterung und moderne Führung Mehrwert schafft“; Hamm, Ingo; Köhler, Wiebke; Springer Gabler 2020, Berlin
„Besuch bei der Truppe – Menschen in Uniform“, BoD 2020, Norderstedt
„Dreizehn Holzwege guter Führung“; Cyriax, Hans-Ulrich; Köhler, Wiebke; BoD 2021, Norderstedt
Auf den folgenden Seiten werden Sie ausschließlich die maskuline Form von Nomen finden. Nicht weil ich etwas gegen Frauen hätte – wie könnte ich, ich bin selber eine. Sondern weil ich etwas gegen einen holpernden, gestörten Lesefluss habe, was ich als gelinde Zumutung empfinde, wenn ich selber Bücher lese. Ich denke, wir können ohnehin davon ausgehen, dass jene Leser, die das intellektuelle Wagnis der folgenden Seiten eingehen, intelligent und genug sind, um zu wissen, dass das Leben des eigenen Wertekanons nichts mit dem Genus von Nomen zu tun haben: Allein darum geht es – auf den folgenden Seiten und in Ihrem aktuellen und/oder künftigen Führungsjob.
Eine Anmerkung zu den Vorstellzitaten zu Beginn jedes Kapitels: Die Motivationssprüche wurden dankenswerterweise von Dominik Götzfried zur Verfügung gestellt. Mehr von diesen intelligenten Anregungen finden Sie auf seinem Kanal #specialforcesmotivation auf Instagram.
Vorwort
Erstes Kapitel
Giftige Chefs
Zweites Kapitel
Die Macht einer Führungsrolle
Drittes Kapitel
Die beste Version von sich selbst werden
Viertes Kapitel
Haltung oder Opportunismus
Fünftes Kapitel
Werte und Führung – Prinzipien eines Sustainable Leaders
Sechstes Kapitel
Wer aufgibt, kann gewinnen
Siebtes Kapitel
Vertrauen ist die Basis von allem
Achtes Kapitel
Die drei Todsünden von Frauen im Management
Neuntes Kapitel
Mutig sein und die Klappe halten
Zehntes Kapitel
Manager oder Leader
Elftes Kapitel
Sinn und Unsinn des Noble Purpose
Zwölftes Kapitel
Chefs mit Charakter
Dreizehntes Kapitel
Der Weg der Disziplin
Vierzehntes Kapitel
Kadavergehorsam und Konformitätsdruck
Fünfzehntes Kapitel
Unternehmertum in Konzernen – Die verschleppten Enscheidungen
Sechzehntes Kapitel
Frauen in die Chefetage!
Siebzehntes Kapitel
Macht versus Autorität
Achtzehntes Kapitel
Integrität und Charakterstärke
Neunzehntes Kapitel
Zehn Überlebensregeln im Alltag
Zwanzigstes Kapitel
Praxisbericht: Toxische Offiziere
Einundzwanzigstes Kapitel
Der innere Inquisitor
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Duckmäuser oder Rebell
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Freiheit über alles?
Nachwort von dem, was Wert hat
Warum sagte Albert Einstein: „Versuche nicht, ein Erfolgsmensch zu werden, sondern versuche lieber, ein Mensch mit Werten zu sein.“ Hatte Einstein etwas gegen Erfolg?
Nein, im Gegenteil. Er schätzte Erfolg – immerhin hat er den Nobelpreis dafür bekommen. Doch als Genie erkannte er recht schnell die Lösung des Henne-Ei-Problems: Erfolg führt nicht zwangsweise zur Ausprägung von Werten. Es ist genau umgekehrt: Solide Werte bilden das Fundament für Erfolg.
Werte und Tugenden sind sozusagen „Die Mütter des Erfolgs“. Die falschen Werte ermöglichen toxische Erfolge. Das wissen alle, die schon einmal das erlebt haben, was heute „Toxic Leader“ heißt, einen „giftigen Chef oder Kollegen“. Auch der Toxic Leader lebt streng nach Werten: Manipulation, Egozentrik bis zum Egoismus, Anspruchsmentalität, Unredlichkeit … Weiß er das?
Möglicherweise ja, häufig nein. Der springende Punkt ist aber: Es interessiert ihn nicht weiter. Wir alle haben Werte. Werte steuern unser Verhalten, unsere Erfolge und unsere Befindlichkeit, 24 Stunden am Tag, als Privatperson wie im Job. Doch an 23 von 24 Stunden des Tages steuern diese Tugenden uns völlig unbewusst. Weil wir ihrer im Sinne des Wortes nicht bewusst sind. Das geht einem Toxiker da nicht anders als uns anderen.
Werte und Tugenden sind das lange gesuchte Geheimnis des Erfolgs. Nachhaltige Führungskräfte, sogenannte Sustainable Leaders, sind deshalb so überragend und langfristig erfolgreich, nicht weil sie klüger, stärker, kompetenter oder erfahrener wären, sondern weil sie eine andere, verträgliche, wertschätzende Werteauswahl für sich priorisiert haben – möglicherweise unbewusst – und danach sich und andere behandeln.
Daher ist das sicherste Erfolgsrezept, dem Wahlspruch des Apollo-Orakels zu Delphi, Nosce te ipsum, zu folgen und seinen eigenen Werten auf die Schliche zu kommen: Welche Werte und Tugenden sind Ihnen explizit oder insgeheim wichtig? Welche zeichnen Sie aus? Welche steuern, quasi hinter Ihrem eigenen Rücken, Ihr Verhalten und Ihren Blick auf die Welt? Ändern sich Ihre Wert-Prioritäten in Zeiten von Krisen und ist Ihr Werte-Kanon über die Zeit stabil?
Jeder nachhaltig erfolgreiche Mensch hat seinen eigenen Werte-Kompass bestimmt. Weil Werte unser Verhalten so sehr steuern, gibt es dafür sogar Listen im Internet: Werte-Listen. Mit unzähligen verschiedenen Werten.
Ich würde jedem empfehlen, sich so eine Werte-Liste einmal herunterzuladen und jene Werte anzukreuzen, die man selbst für hoch relevant hält. Das erhellt und macht Spaß. Die ersten zehn Werte zu identifizieren, ist einfach. Sie dann jedoch so zu priorisieren, dass die Top3 aufscheinen, ist harte Arbeit, die nur deshalb so hart ist, weil wir das möglicherweise noch nie in unserem Leben gemacht haben. Oder viel zu selten. Das ist so, als wenn der Kfz-Mechaniker noch nie einen Motor auseinandergenommen hätte: Er weiß dann nicht wirklich, was das Auto antreibt. Deshalb heißt das auch Werte-Arbeit: Das macht Arbeit.
Doch der ROI dieser Arbeit ist geradezu phänomenal. Manche kommen zum Beispiel zum Ergebnis: „Mir ist Freiheit des eigenen Handelns und Denkens der wichtigste Wert in meinem Leben!“ Dann fällt manchem ein, dass er gerade bei einem internationalen Großkonzern beschäftigt ist, der streng nach Command & Control regiert wird, und man einen Vorgesetzten hat, der sich im Micro-Management übt. Als Konsequenz aus dieser Erkenntnis bearbeitet er diesen aufgedeckten Werte-Konflikt, gründet ein Start-up oder eine eigene Firma und entfesselt ein Potenzial in sich, das immer schon da war, jedoch erst durch die Entdeckung des eigenen Leitsterns vollständig und buchstäblich entfesselt werden konnte. So mächtig sind Werte. Wenn wir sie entdecken, reflektieren und bewusst statt unbewusst unser Handeln leiten lassen. Wer seine Werte kennt, kennt den Sinn des Lebens – seines Lebens. Er kennt seine Prioritäten. Er kennt seinen Sesam-öffne-dich-Schlüssel zu dem, was für ihn Erfolg bedeutet.
Nach der Schule wollten wir alle eine möglichst coole Karre fahren: klare Priorität, klarer zentraler überragender Wert: Anerkennung anderer. Selbst wenn sich der Wert von Anerkennung im Laufe des Lebens möglicherweise nicht verändert hat, so wahrscheinlich doch der Ausdruck dessen. Mit fünfzig spielt das Auto vielleicht weniger eine Rolle, stattdessen ist einem auf einmal das eigene ökologische Engagement wichtig, das einem die Wertschätzung anderer einbringt. Vielleicht hat aber auch der Wert Anerkennung an sich im Lauf des Lebens an Wichtigkeit verloren und wurde durch einen anderen ersetzt.
Werte sind keine Konstanten. Das ist eine nette Erkenntnis.
Im Management sind diese Werte-Erkenntnisse nicht „nett“, sondern von einer Wirkmächtigkeit, die alles andere übertrifft – siehe Einsteins Hinweis. Wer diese Wirkmacht nutzen möchte, sollte seine Werte und Tugenden ergründen oder besser kennenlernen. Das ist für Menschen im Management oft nur in einem Management-Kontext möglich, da Werte hoch kontextabhängig sind, sie werden je nach Umfeld in anderer Stärke und Ausprägung gelebt: Im Kontext „Familie“ stehen andere Werte im Vordergrund als im Kontext „hitziges Vorstandsmeeting“. Und selbst wenn die Werte in diesen beiden Kontexten genau gleich wären, so würde man sie sicherlich anders ausleben, das Verhalten nach dem Umfeld anpassen und daran ausrichten. Genau diesen Kontext für das Management und Ihren Alltag als Mensch liefern Ihnen die folgenden Kapitel, die Sie einladen, Ihren eigenen, wirkmächtigen Werte-Kompass anzulegen, zu vervollständigen, zu ergründen und zu einer Reife zu bringen, mit der Sie all das erreichen, was Sie sich wünschen und dann, weil es auf soliden Werten fußt, auch verdient haben.
Das Buch beleuchtet dabei lediglich eine Auswahl an Werten, die im Leben und Alltag allgemein sowie im Management eine wichtige Rolle spielen. Es soll keine abschließende Aufzählung relevanter Werte darstellen. Stattdessen sollen die diskutierten Werte eine Anregung sein, seinen eigenen Werte-Kompass zu ergründen und auf den Prüfstand zu stellen.
Anhand der ausgewählten Werte zeigt das Buch auf, was toxisches Verhalten ist, wie sich Toxiker im Management-Alltag und im Leben bewegen und welche Schneise der Verwüstung sie hinterlassen. Und wie sich im Unterschied dazu herausragende Führungskräfte oder Mitarbeiter behaupten, die anderen Werten und Überzeugungen folgen und sich dadurch „sustainable“, nachhaltig und wertschätzend verhalten.
Auch wenn jeder seine eigenen Prioritäten festlegen muss, so ist dieses Buch dennoch ein klares Petitum für einen wertschätzenden Umgang miteinander und für einen nachhaltigen Führungsstil. Der einzelne kann zwar nicht seine Umgebung und so manchen toxischen Mitmenschen ändern – er kann aber sehr wohl seine eigene Werte-Leitkultur entwickeln und danach handeln. In diesem Sinne – viel Spaß bei der Lektüre und Attacke!
„Tut mir leid, wenn ich deine Erwartungen nicht erfülle. Meine eigenen sind mir wichtiger.“
Schon mal einen toxischen Chef gehabt? Seltsam, nicht? Das Schlagwort „Toxic Leader“ ist relativ neu, doch jeder weiß sofort, was damit gemeint ist und noch seltsamer: Jeder und jede hatte schon (mindestens) einen toxischen Chef oder kennt einen. Vorweg: Toxizität ist nicht auf Vorgesetzte beschränkt. Toxische Menschen gibt es überall, in Parteien, der Kirche, Wohlfahrtsorganisationen, Sportvereinen, den Streitkräften, in der Großfamilie. Selbstverständlich auch in Unternehmen, wo sowohl Vorgesetzte, aber auch Kollegen, Mitarbeiter und einzelne Betriebsräte toxisch sein können. Beleuchten wir den toxischen Vorgesetzten einmal näher.
Toxische Vorgesetzte können sein: übergriffig, überfordernd, entscheidungsschwach, mikro-managend, abgehoben, lediglich an Firmenpolitik zu eigenen Gunsten interessiert, fachlich nicht immer kompetent, menschlich schwierig bis neurotisch, grob, unhöflich, respektlos, nur an der eigenen Karriere interessiert, beziehungsindolent, abwertend, egozentrisch … Warum?
Warum gibt es solche Vorgesetzte? Weil das Leben kein Ponyhof ist und nicht jeder ein Engel auf Erden sein kann oder will. Andere mögliche Antwort: Weil das System sie nach oben gespült hat, sie bei Beförderungsrunden trotz allem durchgekommen sind. Was Toxic Leader manchmal gut können, ist managen. Mit guter Führung hat das bloß nichts zu tun. Na, dann ist die Lösung ja einfach: Bringt ihnen gute Führung bei!
Diesem Irrtum sind einige Teile der Managementpraxis jahrelang anheimgefallen. Wie viele Millionen wurden in diesen Jahrzehnten für Führungstrainings ausgegeben? Und immer noch gibt es eine Menge toxischer Chefs; aus der Praxis hört man: „Mehr denn je!“ Warum das? Steile These: Weil es nicht (nur) an der Führungskompetenz liegt. Es liegt an der Führungspersönlichkeit, dass wir toxische und so wenige nachhaltige Chefs, Sustainable Leaders, haben. Auch dieses Schlagwort ist relativ neu, jedoch bereits in aller Munde: Sustainable Leadership. Wie wird Führung nachhaltig?
Wo fängt gute Führung an? Die Antwort ist so einfach, dass viele sie übersehen: bei Ihnen höchstselbst. Bei wem sonst? Gute Führung fängt bei Ihnen an, Ihren Werten, Überzeugungen, Interessen, Zielen, Ihrer eigenen Persönlichkeit. All das hat Sie geprägt und prägt auch Ihre Führung. Das ist logisch, doch das haben, wie gesagt, nur wenige auf der Liste:
Der Nukleus guter Führung ist Persönlichkeit.
Und Persönlichkeit wiederum wird hauptsächlich nicht geprägt durch Augen- oder Haarfarbe, Vorlieben für eher Wein oder Bier, sondern durch die eigenen Werte, Tugenden und Überzeugungen. Ein als „harter Hund“ stigmatisierter Vorgesetzter lebt und verfolgt den Wert unbarmherziger Leistungsorientierung. Eine „zickige Vorgesetzte“ verfolgt die Werthaltung, dass Kommunikation gelegentlich auch persönlich und direkt werden darf. Werte und Tugenden determinieren unser Denken und Handeln und selbstverständlich auch unsere Führung.
Es ist die Persönlichkeit, die unsere Welt regiert. Und Werte machen die Persönlichkeit aus. Tugenden definieren uns.
Wir sind unsere Werte.
Persönlichkeit existiert nicht im luftleeren Raum, und sie ist kein monolithischer Block. Persönlichkeit wird beeinflusst von und interagiert mit allem, was um uns herum ist. Auf den Managementalltag bezogen „von oben“, durch Unternehmensstrategie und Vorgesetzte. Lateral sind wir eingebettet in den Kreis der Kollegen, der uns beeinflusst. Nach unten, hierarchisch betrachtet, ist die Persönlichkeit durch die Führung des Teams mit den mannigfachen Einflüssen durch unsere Mitarbeiter verzahnt. Die Persönlichkeit, ihre Werte, ihre Haltung strahlen nach unten durch und „Feedback von unten“ beeinflusst uns selbstverständlich auch. Das alles sind Einflüsse auf die Persönlichkeit. Im Kern der Persönlichkeit stehen und regieren immer noch und seit Jahrtausenden die inneren Werte eines Menschen. Sie bestimmen,
wie wir unsere Führungsrolle ausfüllen
wie wir Ziele erreichen – mit Disziplin (ein Wert) oder eher mit Laissez-faire (auch ein Wert)
ob wir eher direktiv oder eher kollegial führen (beides sind Werte)
wie wir uns geben: mit Haltung? Oder opportunistisch?
ob wir mutige Entscheidungen treffen im Sinne von Bold Leadership oder lieber auf Nummer sicher gehen, wenn es darauf ankommt (Sicherheitsdenken als Wert)
ob und wie sehr wir uns reinhängen, besser zu werden, aber nicht immer, überall und unbedingt „Der Beste“ sein müssen
Kurz gesagt: Führung beginnt nicht bei der Führung, sondern bei der Persönlichkeit, auch wenn darauf in der modernen Wirtschaftsgeschichte eher wenig Augenmerk gelegt wurde. Bislang ging es in Management und Leadership hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich, um Fähigkeiten wie Konfliktmanagement und Kommunikation, um Führungsstile und -praktiken, um Ergebnisse, Status und Position. Und wohin hat uns das gebracht? Zum aktuellen Zustand der Welt, der Meere, des Klimas und der Umwelt und im persönlichen Bereich an einen Sättigungspunkt, an dem ein Topmanager eines internationalen Konzerns es so formulierte: „Ein Hamsterrad sieht nur von innen aus wie eine Karriereleiter.“
Wenn Persönlichkeit so wichtig, so essenziell ist für wirksame, für exzellente, für nachhaltige Führung, was ist dann die wichtigste Charaktereigenschaft einer Führungskraft?
Viele antworten wie aus der Pistole geschossen: Selbstbewusstsein! Stimmt das?
Wenn sich toxische Vorgesetzte durch etwas auszeichnen, dann das: außerordentliches Selbstbewusstsein. Sie sind stark, und Stärke zu zeigen, ist ihr meist unreflektierter stärkster Wert, dem sie folgen. In Konsequenz blenden sie eigene Schwächen, Unwissen oder Fehler aus, überhöhen ihr eigenes Können und vermitteln oft den Eindruck, dass sie die gemeinsamen Ziele so gut wie alleine erreichen könnten, wenn sie nur wollten. Ist das Selbstbewusstsein?
Dafür wird es meist gehalten – von toxischen Vorgesetzten. Der Rest der Welt hält das meist für Überheblichkeit und Selbstüberschätzung. Doch die Strategie funktioniert und beschleunigt oft (kurzfristig) die Karriere: Confidence instead of competence. Selbstbewusstsein statt Kompetenz.
Nachhaltige Führungskräfte sind durchaus ebenfalls selbstbewusst, jedoch auf eine komplett andere, eben nachhaltige Art, die sich bereits in einem Wortspiel offenbart: Der Sustainable Leader ist vor allem deshalb selbstbewusst, weil er sich seiner selbst bewusst ist. Das ist etwas gänzlich anderes als Arroganz. Wer sich seiner selbst bewusst ist, weiß, wofür er steht, was die eigenen Werte sind und wie sie sich aufs eigene Führungsverhalten auswirken.
Wer sich seiner selbst bewusst ist, weiß, was er gut und was er weniger gut kann – und versteckt das auch nicht verschämt oder verunsichert. Selbstbewusstsein in diesem Sinne bedeutet eine realistische Selbsteinschätzung. Natürlich sorgt die verbreitete sogenannte Strategische Selbstüberschätzung für eine beschleunigte Karriere – kurzfristig. Doch eben nicht langfristig, nicht nachhaltig, weil bereits mittelfristig die (Selbst)Täuschung in aller Regel auffliegt. Wie schon Lincoln sagte: You can fool some of the people all of the time, and all of the people some of the time, but you cannot fool all of the people all of the time. Man kann einige Leute die ganze Zeit hinters Licht führen und sämtliche Leute einige Zeit, doch nie alle Leute die ganze Zeit.
Das gilt auch für die Überkompensation, die von Toxic Leaders oft benutzt wird: Jene mit geringem Selbstwertgefühl häufen oft die größte Machtfülle an.
Wer sich selbst im tiefsten Inneren und unterbewusst für nicht wertig erachtet, fühlt sich von anderen häufig untergebuttert und kämpft verständlicherweise dagegen an. Das äußert sich darin, dass sich ein Mensch mit wenig Selbstvertrauen dann mit viel Machtfülle umgibt, Informationen nicht teilt (Informationsasymmetrie schafft) und sich an jene anlehnt, die mehr Macht und Status haben – in der Hoffnung, dass diese Machtfülle auch auf ihn abstrahlen möge.
Oder man tritt übertrieben selbstbewusst auf, klopft mächtig auf den Busch, weil man denkt: Je lauter ich bin, desto weniger trauen sich andere, mich zur Rede zu stellen und möglicherweise meine Schwächen zu enthüllen. Angriff ist die beste Verteidigung.
Das Problem dieser toxischen Täuschungsmanöver: Sie fliegen auf. Früher oder später. Die anderen merken das. Immer. Weil diese Täuschungsmanöver eben nicht strategisch, nicht langfristig, nicht nachhaltig funktionieren und nicht authentisch sind: Menschen haben einen eingebauten Bullshit-Detektor. Irgendwann durchschaut auch der Letzte die Täuschung. Dann sieht jeder: Aha, ein toxischer Vorgesetzter.
Es ist erstaunlich, wie viele Vorstände und Geschäftsleitungen solche Toxic Leaders auf allen Ebenen der Organisation im Management still dulden.
Nicht nur frustrierte Mitarbeiter interessieren sich für das Thema „Toxische Führungskräfte“, sondern auch die Wissenschaft. In BWL und Managementlehre werden Toxic Leaders meist anhand der „Dunklen Triade“ kategorisiert. Das sind drei Verhaltensweisen, die meist in Kombination auftreten:
Narzissmus
Machiavellismus und
Psychopathie
Das sind drei heftige Fachbegriffe aus dem Bereich der Psychopathologie? Ja. Das sind sie. Sie rücken das Thema in einen Grenzbereich, der nicht nur für empfindsame und statusbewusste Führungskräfte zu heftig sein könnte.
Außerdem dämonisieren sie Führungskräfte – unnötig. Tatsächlich bedienen sich frustrierte Belegschaften und unsoziale Medien häufig dieser Dämonisierung und bezeichnen ihre Vorgesetzten oft als „Sadisten“ oder „Narzissten“.
Das ist wenig erhellend, da es ein Werturteil ist. Obendrein ist es wenig hilfreich. Kein Chef ändert sein Verhalten, bloß weil ihn irgendwer als „Sadist“ bezeichnet. Das eigene Verhalten ändert eher, wer seine Werte und Tugenden betrachtet – also genau das, was wir auf diesen Seiten tun.
Die Spezialkräfte aller Nationen kennen den Begriff des Toxic Leaders schon lange. Lange bevor er sich auch im zivilen Management durchsetzte. Warum?
Weil es bei Delta Force, SAS oder KSK jeden Tag um Spitzenleistung geht. Deshalb gilt dort seit jeher: „Toxic Leaders können wir uns nicht leisten!“ Sie würden die verlangte und erwartete Spitzenleistung und die sichere Auftragserfüllung zu sehr gefährden. Also werden sie aussortiert. Wie?
Mit einer Führungs- und Selektionsdichotomie. Führung bei den Spezialkräften hängt stets an zwei Parametern: Erfahrung und Vertrauen.
Das ist ein deutlicher Unterschied zum privatwirtschaftlichen Management, wie wir es kennen. Bei den Spezialkräften ist jemand ein Toxic Leader selbst dann, wenn er sehr viel Erfahrung mitbringt und qua Experience, Können, Wissen, Leistung und Erfolg der eigentlich am besten Geeignete für die Führung eines Kommandotrupps wäre.
Sofern er jedoch zu wenig das Vertrauen seiner Kameraden im Kommandotrupp genießt, wird er für toxisch gehalten und nicht zum Anführer für die anstehende Mission gewählt. Denn das mangelnde Vertrauen der Kameraden könnte Leben kosten oder zumindest Schwierigkeiten im Einsatz erzeugen. Und wer würde seine Unversehrtheit schon in die Hände von jemanden legen wollen, dem man nicht vertraut? Keiner. Das hat seine Gründe.
So hat der toxische Leader sich beispielsweise seine beachtlichen Erfolge auch dadurch erworben, dass er seine bisherigen Teams „verheizt“ hat. Und wie motiviert ist wohl sein neues Team, wenn es zum Beispiel zu einer Geisel-Befreiung aufbrechen muss, bei der Aussicht, nun ebenfalls verheizt zu werden? Nicht sehr motiviert. Bei Einsätzen mit „nicht sehr motivierten“ Einsatzkräften jedoch sterben dann womöglich Geiseln oder Kollegen, also Polizisten bzw. Soldaten. Das will niemand. Also bekommt ein Toxic Leader nicht die Führung des Einsatzteams.
Wo es auf echte Spitzenleistung ankommt, zählt das Vertrauen des Teams ebenso stark wie frühere Erfolge. Wem andere nicht vertrauen, der ist toxisch, und wer toxisch ist, dem vertrauen andere nicht.
Werden Führungskräfte und vor allem Mitarbeiter gefragt, wer oder was ein toxischer Vorgesetzter ist, fällt jedem dazu etwas ein. Jeder kennt die Pappenheimer in der eigenen Firma auch namentlich. Sie sind bekannt wie bunte Hunde. Und nicht wirklich beliebt. Die Toxizität im Management ist durchaus so weit verbreitet, dass sie auch wissenschaftlich erforscht wird; zum Beispiel von Padilla, Hogan und Kaiser (2007), die sechs Pathologie-Felder toxischer Vorgesetzter identifiziert haben.
Wenn Vorgesetzte toxisch sind, dann meist wegen ihres typisch toxischen Verhaltens, das sich stets einem oder mehreren der sechs folgenden Felder zuordnen lässt. Sie können Ihren toxischen Vorgesetzten anhand dieser sechs Felder typisieren. Da gibt es dann den Autokraten, die Narzisstin, den Manipulator, die Einschüchternde, …
Im Regelfall verkörpert jede toxische Führungskraft einen Mix aus mehreren Einzel-Symptomen der sechs Felder, mit situativem Schwerpunkt auf einem der sechs Felder. Wer möchte, kann den folgenden Symptomkatalog auch als Checkliste zur Diagnose von Vorgesetzten verwenden. Informell und meist spontan machen wir das alle ohnehin schon immer – meist, indem wir uns über die beobachteten oder erlittenen toxischen Symptome aufregen oder mokieren. Es spricht nichts dagegen und vieles dafür, die Beobachtung und Diagnose dann doch gleich wissenschaftlich fundiert anzustellen:
Der toxische Vorgesetzte nutzt Position und Autorität aus, um seinen Willen durchzusetzen, ohne Ideen oder Input anderer mehr als marginal zu berücksichtigen
Es geht ihm an erster Stelle nicht um Erfolg oder Leistung und schon gar nicht ums Team, sondern darum, die Kontrolle zu behalten und selbst gut dazustehen
Toxische Fehlerkultur: Fehler sind nicht erlaubt; wer einen begeht, wird abgestraft
Der Toxiker hat kaum Vertrauen ins Team: „Die können das nicht“, „Ich mache das lieber selber“. Er delegiert selten. Deswegen haben Toxic Leaders auch stets viel zu tun. Nur unwichtige Aufgaben werden (gerne) abgegeben
Geführt wird eher mit Anweisung als mit Erklärung
Fordert sein Team eine Erklärung, kommen Antworten wie „Dafür haben wir jetzt keine Zeit“ oder „Das ist die Situation und so wird das jetzt gemacht“ oder noch schärfer: „Zerbrechen Sie sich nicht meinen Kopf!“
Es geht dem Toxic Leader nicht um „Wir alle zusammen“ oder „Wir gegen den Rest der Welt“ oder gar „Einer für alle, alle für einen“ sondern um: „Mitarbeiter sollen mitarbeiten – dafür werden sie bezahlt“. Also wird er sein Team eher ausnutzen statt sich gemeinsam mit ihm zu entwickeln.
Natürlich: Autokratie funktioniert in Notfallsituationen und wird dort auch weitgehend akzeptiert. Der Toxiker jedoch führt auch außerhalb von Notfällen autokratisch.
Der Toxiker überschätzt seine eigene Bedeutung, Kompetenz und Leistung weit über das für ein gesundes Selbstwertgefühl übliche Maß hinaus
Er hegt einen übertriebenen Wunsch nach Anerkennung von außen; es geht ihm stark um seine Selbstdarstellung und sein Ego
Arrogantes, fast schon selbstherrliches Auftreten. Nicht interessiert an den Zielen anderer, nur interessiert am eigenen Erfolg und Fortkommen statt an der langfristigen Entwicklung des Teams und der Organisation
Fehlende emotionale Intelligenz und Empathie; kein Interesse an anderen oder deren Bedürfnissen
Typische Aussagen sind: „Ich habe … erreicht“; „Ihre persönlichen Probleme sollten Sie zu Hause lassen.“
Während autokratische und narzisstische Tendenzen noch halbwegs menschlich oder tolerabel erscheinen, wird es richtig gefährlich, sobald toxische Vorgesetzte andere für ihre Zwecke manipulieren:
Position, Beziehungen und das System an sich werden für den eigenen Nutzen eingespannt und gegenüber anderen manipulativ eingesetzt
Diese Manipulation ist jedoch selten von außen erkennbar, da der Manipulator seine Strippen meist im Verborgenen zieht
Typische Aussagen: „Der Zweck heiligt die Mittel!“, „Alles ist erlaubt, so ist das Business!“, „Wenn ich es nicht mache, macht’s ein anderer.“
Diesen Tox-Faktor kennen die meisten von uns aus dem ganz gewöhnlichen Berufsalltag:
Der Toxiker lässt kaum andere zu Wort kommen
Er schüchtert andere mit Gesten, Worten oder seiner bloßen Lautstärke ein
Er wird vom Team gefürchtet und gemieden. Man geht der Person lieber aus dem Weg, weil niemand gerne und vor allem häufig eingeschüchtert wird
Typische Aussagen: „Ich bin nicht hier, um anderen zu gefallen“, „Was sind das für Mimosen? Die sollen nicht so empfindlich sein!“, „Not tough enough for business!“
Der Toxiker will um jeden Preis gewinnen, im Zweifel geht er über Leichen
Möglicherweise mauschelt er auch, um zu gewinnen
Er möchte gewinnen, „koste es, was es wolle!“, weshalb die Kosten oft größer (für Mitarbeitern, Firma und Kunden!) sind als Nutzen, Leistung oder Erfolg
Er hinterlässt dabei eine Spur ausgepowerter, überarbeiteter Teammitglieder
Weshalb viele dieser Vorgesetzten an der Basis auch als „Durchlauferhitzer“ oder „(Ver)Heizer“ bekannt sind
Mitarbeiter, die das hohe Tempo nicht schaffen, werden abgestraft: „Ist das zu hart, bist du zu schwach“, „Lunch is for losers!“
Der Toxiker ist zu beschäftigt, um sich mit seinem Team auseinanderzusetzen
Er denkt von sich, dass er hohe Standards pflegt und andere inspiriert – dabei überfordert er sie lediglich.
Diversität in allen ihren Facetten wird nicht wertgeschätzt: Meinungsvielfalt, Mix an Fähigkeiten im Team, andere Werte, Arbeitsweisen, kulturelle Hintergründe
Stattdessen klont der toxische Chef sich selbst, umgibt sich mit „more of the same“, das heißt mit Personen, die ihm ähneln …
… und natürlich mit Ja-Sagern
Er zeigt wenig Respekt für andere Meinungen
In 360°-Feedbacks, falls vorhanden, ist oft über Toxic Leaders zu lesen: „ist nicht kritikfähig“ oder „ist beratungsresistent.“
So weit die sechs Faktorfelder toxischer Führung. Sie definieren, was einen toxischen Leader ausmacht. Niemand will das! Niemand möchte ein Toxic Leader sein – wenigstens niemand, der diese Seiten liest. Ein schöner Vorsatz. Wie realisieren Sie ihn? Tun Sie das vielleicht bereits schon? Oder rutschen Sie täglich mehrfach ganz ungewollt in die Toxizität hinein? Das finden wir jetzt heraus.
Wie wird man Sustainable Leader? Die simpelste Antwort lautet: Schau dir die obigen sechs Toxic-Felder an – und mach so oft und so weit wie möglich exakt und präzise das Gegenteil davon! Was ist jeweils das Gegenteil?
Das ist eine gute Übung für Workshops, die dort auch in wenigen Minuten jede teilnehmende Führungskraft mit Bravour meistert. Das Gegenteil von etwas zu finden und zu formulieren, schafft jeder. Das schaffen Sie auch ohne Workshop, jetzt – wenn Sie es beim Durchlesen der sechs Felder nicht ohnehin schon im Geiste gedanklich getan haben. Was haben Sie dabei gemacht?
Sie haben synoptisch gedacht, binär: links der giftige Chef, rechts die perfekte Führungskraft. Das hört sich trivial an, doch diese geistige Fingerübung hat es in sich. Wie das Sprichwort sagt: Erkenntnis ist der erste Schritt zur Selbstverbesserung. Weil wir das alle wollen, intensivieren wir die optimierende Wirkung dieser Synopse jetzt. Eine Workshop-Teilnehmerin deutete die folgende Gegenüberstellung übrigens zum Self-Check um: „Wie toxisch bin ich manchmal/häufig schon? Und wo bin ich schon ziemlich nachhaltig?“
Das ist eine empfehlenswerte Übung. Natürlich lässt sich der Spieß auch umdrehen: Die folgende Tabelle dient Ihnen auch als Schnell-Diagnostik bei der Begegnung mit (neuen) Führungskräften: Wen habe ich vor mir? Einen Toxiker – eine ganz normale Führungskraft – oder gar bereits einen Sustainable Leader?
Der Toxic Leader …
Der Sustainable Leader …
1. Selbstverständnis
… überschätzt seine Bedeutung massiv, sieht sich selbst als Heilsbringer. Nutzt Machtsymbole, Intrigen und gelegentlich unethisches Verhalten, um sich selbst ins rechte Licht zu rücken. Geringes Selbstwertgefühl, übertriebenes Bedürfnis nach Bestätigung aus dem Außen
… weiß um seine Stärken und Schwächen, um Fähigkeiten und Kenntnisse, aber auch um seine Defizite. Überzeugt durch Kompetenz und Authentizität und hat es nicht nötig, zu übertreiben. Lässt seine Leistungen und Erfolge und seine motivierten Mitarbeiter für sich sprechen.
2. Ausdauer und Disziplin
… lässt vor allem andere hart ar- beiten und sieht sich eher in der Rolle des Kontrolleurs und „Einpeitschers“. Selbst anpacken wird er nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt – oder er tut nur so. Auch findet er Ausflüchte: „Ich hatte einfach keine Zeit!“ Härte zeigt er eher gegen andere als gegen sich selbst. Statt Durchhaltewillen eher Durchhalteparolen für andere
… verfolgt seine Ziele nachhaltig und akzeptiert, dass es dabei Höhen und Tiefen gibt. Der Weg geht nicht immer nur nach oben. Und trotzdem gilt: Er strengt sich selbst an, lernt ständig dazu und gibt nicht auf. Scheitert er mit einem Plan, ändert er den Weg, nicht das Ziel. Er verlangt sich selbst das ab, was er anderen zumutet, z.B. bei Arbeitszeiten o.ä.
3. Vorbildfunktion
… hält sich selbst für ein Vorbild, wird von anderen jedoch nicht so gesehen. Ist oft wankelmütig, nicht lesbar, steht nicht loyal hinter seinem Team oder nur, wenn es ihm selber nutzt
… verhält sich und arbeitet genauso, wie er es von anderen erwartet – oder übertrifft das sogar. Gilt als glaubwürdig, ehrlich, geradeaus, lesbar und berechenbar, verlässlich. Vor allem aber: Andere sehen in ihm ein Vorbild – die Fremdeinschätzung ist positiv
4. Vertrauen
… pflegt eine Führungskultur von Misstrauen und Missgunst. Statt aus Einzelteilen ein gemeinsames Ganzes zu formen, bleibt jeder für sich, weil man sich angeblich nicht auf andere verlassen kann. Der Toxic Leader trägt nichts dazu bei, das zu ändern
… pflegt einen gegenseitigen Umgang, der von Respekt und Vertrauen geprägt ist. Jeder weiß, was man vom anderen zu erwarten hat, und man kann sich aufeinander verlassen. Das gilt von oben nach unten und umgekehrt
5. Verantwortung
… ist dann gerne verantwortlich, wenn es um reputationsträchtige Aufgaben und Projekte geht. Auch wenn Erfolge einzuheimsen sind, ist er vorne dabei. Wenn das eigene Team oder er selbst dagegen Fehler begehen, sucht er die Schuld bei anderen und versucht sich herauszureden bzw. auf andere zu zeigen
… übernimmt stets Verantwortung für sein eigenes Tun und Handeln und für die Auswirkungen nach außen und sucht nicht nach Ausflüchten. Auch übernimmt er für sein Team Verantwortung, im Erfolgs- wie auch Misserfolgsfall. Im Außenverhältnis zeigt man sich als geschlossenes Team, im Innenverhältnis kann man auch Kritik äußern
6. Haltung
… ist das berühmte Fähnchen im Wind und stets danach ausgerichtet, woher der Unternehmenswind gerade weht. Es geht ihm nicht darum, eine eigene Meinung zu einem Thema zu entwickeln, sondern das zu befürworten, was eine Mehrheit im entscheidenden Gremium hat, das ihm Punkte einbringt oder Verbündete schafft. Auch knickt er bei Gegenwind von oben sofort ein, aus Angst, sich die Karriere kaputt zu machen
… zeigt eine klare Haltung zu konkreten Themen. Diese ist nachvollziehbar und transparent, weil er sie offen erläutert. Auch bei Gegenwind bleibt er sich und seiner Linie treu, lässt sich aber bei neuer Faktenlage von anderen Optionen überzeugen, besteht also nicht stur auf einer vorgefassten Meinung
7. Kompetenz
… glaubt, praktisch alles zu können, vor allem besser als andere. Betrachtet Mitarbeiter höchstens als Erfüllungsgehilfen, nicht als wertstiftendes Mitglied einer Teameinheit. Eigene Kompetenzmängel versucht er zu übertünchen
… weiß darum, was er kann und zeigt das auch in angemessener Weise. Er packt selbst mit an, wo nötig, aber muss anderen nicht beweisen, dass er alles (besser) könnte. Er weiß darum, dass 1+1=3 ist und günstige Synergien durch eine Vielfalt an Persönlichkeiten, Fähigkeiten und Herangehensweisen entstehen
8. Ständiges Lernen und Verbessern
… lernt hauptsächlich dazu, um andere auszustechen, sich als herausragend zu präsentieren und daraus einen eigenen Vorteil zu schlagen. Behindert das Lebenslange Lernen seiner Mitarbeiter eher, damit er sich keine „Kronprinzen“ heranzieht
..macht ständiges Lernen und Sich-weiter-Entwickeln zum festen Bestandteil des Arbeitstages wie auch im Privatleben. Ihm geht es dabei nicht darum, andere auszustechen oder immer der Beste sein zu müssen. Sondern darum, selbst weiter zu wachsen und das Beste aus sich und anderen herauszuholen. Anspruch: Das eigene Potenzial maximal nutzen
9. Unangenehmes auf die Agenda bringen
… vermeidet unbequeme Wahrheiten bei Entscheidungen oder Feedback. Er vermeidet und verdrängt das, weicht auf vage Ausflüchte aus oder gibt Plattitüden von sich: „Das müssen die Leute nicht wissen! Das beunruhigt sie nur!“
… spricht unbequeme Wahrheiten offen aus, erläutert auch unpopuläre Entscheidungen, steht zu seiner Meinung. Das gilt im Falle von Unternehmensentscheidungen, die nicht allen gefallen, aber auch beim persönlichen Feedback. Offenheit und Transparenz. Er geht offen mit dem betreffenden Thema um, ohne dass er Vertrauliches ausplaudert
10. Macht
… nutzt die eigene Position aus, um Projekte, Maßnahmen und Entscheidungen herbeizuführen, die dem eigenen Wohle nutzen, die eigenen Ziele unterstützen und andere ggf. sogar beschränken, beschädigen, ausnutzen. Häufiger Machtmissbrauch, der als legitime Machtausübung verstanden und/oder getarnt wird
… handelt machtvoll, zum Wohle der Organisation und des Teams. Dafür setzt er sich und seine Position zielführend ein. Macht nutzt er z.B., um Projekte umzusetzen, Menschen zu fördern – aber nach objektiv nachvollziehbaren Kriterien und nicht zum Eigennutz. Verantwortungsvoller Umgang mit Macht
Wenn diese Tabelle in Workshops oder Coachings diskutiert wird, polarisieren sich die Meinungen. Die einen meinen: „Einen so extrem ausgeprägten Toxic Leader, wie in der linken Spalte beschrieben, wird man wohl kaum in einem realen Unternehmen finden!“ Worauf mindestens ein teilnehmender Manager erwidert: „Stimmt. Bei uns ist es noch schlimmer. Ich könnte locker weitere fünf Punkte aufführen.“ Irgendwo zwischen diesen beiden Extremen spielt sich die Bandbreite des Führungsverhaltens im Alltag ab. Deshalb ist es hilfreich, zu ermitteln: Wo stehe ich auf dieser Bandbreite? Die Nutzung der Tabelle als Self-Check anhand folgender Schlüsselfragen wird empfohlen – wenn Sie das nicht längst schon intuitiv beim ersten Überfliegen der Tabelle gemacht haben:
Wohin tendiere ich in der generellen Betrachtung bei jedem der zehn Check-Items?
Meine das lediglich ich selbst von mir (Selbstbild)? Oder könnte das ein Vertrauter, Coach, Mentor ebenfalls bestätigen (Fremdbild)?
Wie fällt die Summe über rechte und linke Spalte aus?
Bin ich per Saldo also eher toxisch oder eher nachhaltig?
In welchen kritischen oder stressigen Situationen rutsche ich unwillkürlich noch ins Toxische?
Wie sieht die „Hitliste“ dieser Situationen aus, in Rangreihenfolge?
Wie würde nachhaltiges Führungsverhalten in diesen Situationen aussehen?
Wie kann/werde ich es mir aneignen?
Welche situativen oder emotionalen Trigger katapultieren mich ins Toxische? Welche toxischen Personen?
Wie immunisiere ich mich dagegen, angetriggert zu werden?
Was das früh- und rechtzeitige Erkennen von toxischen Vorgesetzten erschwert, ist das Tarnen und Täuschen. Toxiker sind nicht naiv. Im Gegenteil. Die meisten sind intelligent und/oder erfahren. So intelligent und erfahren, dass sie genau wissen oder zumindest ahnen, dass sie toxisch sind und dass die Opfer ihrer Toxizität dieses Verhalten nicht gutheißen oder auch nur tolerieren. Deshalb sind sie in der Regel Meister und Meisterinnen des Nebelkerzenwurfs, der Verschleierung, des Schönredens, der eleganten Ausrede, des Whitewashings, der pseudo-intellektuellen Erklärung, die auf den ersten Blick absolut plausibel erscheint, sowie der Blendgranaten. Sie sind blitzgescheit und tarnen sich gut, weshalb toxisches Verhalten auch kurzfristig durchaus die Karriere fördert. Doch spätestens nach einigen Monaten durchschaut jeder, vor allem jedes Opfer, die Tarnung, weshalb Toxic Leaders regelmäßig nach zwei bis vier Jahren das Unternehmen wechseln: Wenn jeder sie durchschaut hat, funktioniert ihre Masche nicht mehr oder nicht mehr so gut.
Oft benutzen Manager die obige Tabelle nicht nur als Self-Check, sondern auch als Chef-Check. Leider ist kein Instrument so einfach, als dass es nicht fehlangewendet werden könnte.
So kreuzen Manager immer wieder in der linken Spalte, sagen wir, drei bis vier Items an, schlussfolgern daraufhin jedoch: „Ja, so ist unser Vorgesetzter – aber sonst ist er ganz okay!“ Warum? Weil sie sich schon an diese drei bis vier „Macken“ gewöhnt haben. Das rächt sich immer. Denn dann entwickelt der Vorgesetzte mit der Zeit plötzlich ein fünftes oder sechstes toxisches Symptom und dann sind alle total schockiert und frustriert: „Wie kann er nur! Das sind wir gar nicht von ihm gewohnt!“ Das ist ein klassisches Missverständnis.
Viele glauben, toxische Vorgesetzte bleiben ihren Macken treu. Doch genau das ist nicht die Natur der Toxizität. Ihre Natur ist dynamisch: Wer heute mit einem toxischen Symptom durchkommt, versucht es bis in zwei Jahren mit sechs weiteren. Und damit sollte man rechnen. Wenn der Vorgesetzte bislang dreimal toxisch war, dann ist das sicher nicht das Ende. Rechne mit mehr! Und stell dich darauf ein! Wer sich darauf einstellt, kann von Toxizität nicht mehr überrascht und damit nicht mehr so gravierend geschädigt werden.
Nebenbei bemerkt: In vielen Unternehmen ist der Chef-Check lediglich die formelle Bestätigung für das, was ohnehin schon jeder weiß. Es ist wenig erstaunlich, dass so gut wie alle in einem Unternehmen wissen, wer die Toxic Leaders sind und wo sie sitzen. Man braucht nur zu fragen. Hinter vorgehaltener Hand wird einem sofort gesagt, welche Personen toxisch sind – und darunter sind beileibe nicht nur Vorgesetzte. Es gibt auch Kollegen, Mitarbeiter und Kunden, sogar Betriebsräte, die ganz schön toxisch sein können.
Da die Essenz und der Nenner eines Sustainable Leaders zwingend das Vertrauen ist (s.o. Tabelle, 4.), erfolgt hier ein Plädoyer für eine neue, zusätzliche Mess- und Beurteilungsgröße im Unternehmen. Als Messgröße für die Bewertung von Mitarbeitern und Führungskräften sollte zusätzlich zu den üblichen Maßgrößen die Schlüsselfrage dienen:
Wer würde wieder mit diesem Vorgesetzten arbeiten?
Und als Indikator für die Unternehmenskultur als Ganzes: Wer genießt in diesem Unternehmen das Vertrauen? Wessen Vertrauen? Und wie groß ist dieses Vertrauen? Wer dieses Vertrauen genießt – und daneben auch die Leistung und die Erfahrung besitzt, der soll euer Vorgesetzte sein! Wie bei den Spezialkräften. Das wäre in der freien Wirtschaft der Idealfall? Das wäre es. Es gibt übrigens in fast allen Ländern der Welt einige Unternehmen, in denen das so gehandhabt wird: Die Mitarbeiter und Teams wählen ihre eigenen Vorgesetzten. Auch in manchen digitalen Umfeldern ist das mittlerweile üblich. Meist gewinnt der Kompetenteste, der zugleich das größte Vertrauen genießt. Würden wir nicht alle gerne in so einem Unternehmen arbeiten? Wer antwortet auf diese Fragte mit Nein?
Natürlich, Sie haben es erraten: die Toxischen. Denn dann könnten sie keine Karriere machen, da niemand einem Toxic Leader vertraut (nicht einmal andere Toxic Leaders).
Es gibt übrigens in wirklich jedem Unternehmen bereits Menschen, die größtes Vertrauen genießen. Wer ist das? Das sind die Meinungsführer, die Aufrechten, denen andere Menschen am Herzen liegen, die sich für andere einsetzen, die „Geheime Hierarchie“, das Schattenmanagement.
Wenn Vertrauen und Sustainable Leadership so wichtig sind, sollten wir dann nicht unsere Führungskräfte in diese Richtung personalentwickeln? Etliche Unternehmen machen das bereits. Vor allem jene mit langfristiger Unternehmens- und Personalstrategie. Denn sie haben festgestellt, dass Toxic Leaders meist sehr kurzfristige Selbstoptimierer sind – was jedem Unternehmen langfristig schadet.
Dieser Trend in der Kompetenzentwicklung für Führungskräfte wird auch durch ein anderes Schlagwort unterstützt: Followership. Es zeigt sich immer mehr, dass „Führen auf Anweisung“ im 21. Jahrhundert immer schlechter funktioniert. Führungskräfte, die keine frustrierten Mitarbeiter, sondern motivierte Follower haben, sind deutlich erfolgreicher. Also versuchen Unternehmen, Führungskräfte einzustellen und zu entwickeln, denen ihre Mitarbeiter nicht auf Anweisung, sondern mit Begeisterung folgen. Wie schon das Sprichwort sagt: A Leader without followers is just a guy going for a walk. Eine Führungskraft, der niemand folgt, ist einfach nur eine Person auf einem Solo-Spaziergang. Der Toxic Leader hat und produziert im besten Fall Mitarbeiter. Der Sustainable Leader hat Follower.
Was Sie aus dem Kapitel an Werterkenntnis mitnehmen können:
Nachhaltige Führung beginnt nicht bei Erfahrung oder Führungstechniken, sondern bei der Persönlichkeit
Auch Toxic Leaders haben Persönlichkeit: eine toxische Persönlichkeit, die sich durch die Toxische Triade auszeichnet (Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie)
An ihrem Verhalten werdet ihr sie erkennen: Toxic Leaders erkennt man hauptsächlich an ihrem Einsatz von sechs Gift-Faktoren
Umgekehrt nähert man sich allein dadurch schon dem Ideal des Sustainable Leaders, indem man sich im eigenen Verhalten bei den Top10 der Sustainable Leadership Skills verbessert
Denn auch hier gilt: Man wird, was man tut!
„Sage den Menschen nicht, wer du bist, sondern zeige es ihnen. Deine Taten zeigen mehr, als jedes Wort es könnte.“
Herzlichen Glückwunsch – Sie haben es geschafft! Mit harter Arbeit, vorzeigbaren Ergebnissen und echter Leistung haben Sie den nächsten Karriereschritt getan und eine höhere Position erlangt: Chapeau! Und nun?
Nun passiert etwas, das man leider allzu oft beobachten kann. Die frisch beförderte Führungskraft lehnt sich zurück – was nachvollziehbar ist! – und denkt sich: „Ich habe es geschafft!“ Was zweifellos stimmt. „Jetzt habe ich das Sagen!“ Und genau das stimmt nicht. Noch nicht.
Gewiss: Die frisch beförderte Führungskraft hat diese neue Position inne, die einiges an zusätzlicher Macht verleiht; rein formell, qua Organigramm, auf dem Papier – aber eben leider (noch) nicht in der Praxis, wie viele Führungskräfte viel zu schnell nach der kurzen Euphorie der Beförderung feststellen. Denn ein ganz bestimmter Prozentsatz der eigenen Mitarbeiter sagt oder denkt sich, noch während der frisch Beförderte innerlich jubelt: „Was will der denn? Mit wem ist der verwandt, dass er den Job bekommen hat? Der hat doch keine Ahnung von unserem Laden und riskiert schon eine dicke Lippe! Aber den sitzen wir auch noch aus.“ Jede mit offenen Antennen ausgestattete Führungskraft merkt das sicherlich.
Sie registriert die seltsame Passivität einiger/etlicher Mitarbeiter, die stirngerunzelten Blicke, das vereinzelte Zögern, die latente Skepsis, die hämischen Bemerkungen hinter vorgehaltener Hand oder hinterm Rücken des neuen Vorgesetzten. Und selbst, wenn sich die Mitarbeiter nichts expressis verbis oder durch ihre Mimik anmerken lassen, so kann die frisch beförderte Führungskraft getrost davon ausgehen, dass diese Gedanken in den Köpfen mancher Mitarbeiter vorhanden sind.
„Akzeptanzproblem“ sagt der Fachmann dazu. Prompt beschweren sich viele Führungskräfte: „Was haben die gegen mich? Ich habe denen doch nichts getan. Die könnten mir doch mit positiver Offenheit begegnen! Warum sind sie stattdessen so distanziert?“
Weil wahre Macht niemandem verliehen werden kann – auch wenn das eine Beförderung suggeriert. Die Suggestion ist irreführend, selbst wenn viele der frisch Beförderten auf diese Suggestion hereinfallen. Macht bekommt man nicht verliehen, man muss sie sich erarbeiten, in die neue Rolle „hineinwachsen“, wie der Volksmund sagt. Die Rolle, die Sie verliehen bekamen: Nehmen Sie sie an, um sie ganz auszufüllen. Oder wie Goethe im Faust meint: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.“ Leider machen sich nicht alle Führungskräfte etwas aus Goethe.
Sie erwerben die neue Rolle nicht („Wozu auch? Ich bin doch schon befördert!“). Sie wachsen nicht rein in die neue Rolle, sie legen – in bester Absicht – gleich mit dem neuen Job los und rennen mit dieser Taktik prompt gegen die sprichwörtliche Wand der weitreichenden Skepsis, der nur zögerlichen Akzeptanz durch ihr Team und werden von diesem schlimmstenfalls befördert: zum „Toxic Leader“. Das ist der international gebräuchliche Begriff für die vernichtende Diagnose: „als Führungskraft von der Basis rundheraus abgelehnt“. Diese Diagnose ereilt übrigens nicht nur „normale“ Führungskräfte, sondern auch gekrönte Häupter.
Wer zu jung ist, das als wahre Zeitgeschichte noch selbst miterlebt zu haben: Das Schicksal der jungen Gracia Patricia von Monaco wurde in „Grace of Monaco“ (2014) mit Nicole Kidman in der Titelrolle und Tim Roth als Fürst Rainier in einer Mischung aus schockierender Dokumentation und voyeuristischem Entertainment perfekt von Hollywood verfilmt.
Der Film zeigt, dass Grace exakt so in die neue Position kommt, wie jede andere Führungskraft auch. Sie schafft den Sprung auf die nächste Stufe der Karriereleiter – zwar nicht durch Beförderung, sondern durch Heirat. Doch sie tappt ebenfalls prompt in die Toxic Trap, die Falle der Toxic Leadership, der vergifteten Führung: Sie ist so stolz auf ihre neue Position und sich ihres neuen, hohen Rangs vollkommen bewusst. Sie ist voller guter Absichten und will viel Positives bewirken. Denn sie weiß: Ich habe es geschafft. Ich bin die erste Frau im Staate und mit allen Machtbefugnissen versehen, die mit der neuen Rolle einhergehen – und sie will das nutzen.
Sie übersieht dabei, was auch andere Beförderte übersehen: Sie ist „die Neue“, sie ist „nicht von hier“, niemand kennt sie, sie ist nicht Teil der am Hofe regierenden Cliquen und In-Circles, sie „gehört noch nicht dazu“, weshalb sie vom ersten Tag an ein Akzeptanzproblem mit sich herum schleppt. Da es für sie selbst unsichtbar ist, lässt sie ihr Hofstaat dann auch bei der ersten Gelegenheit voll gegen die Fassade laufen – ausgerechnet beim Besuch eines Waisenhauses.
Grace samt Hofstaat besucht ein Waisenhaus, das mangels Cash Flow ziemlich heruntergekommen ist. Grace ist über dessen Zustand – die armen Kinder! – zu Recht empört. Die Fürstin sieht auf den ersten Blick, was Not tut und möchte sich in allerbester Absicht sofort darum kümmern. Das spricht sie auch laut aus. Immerhin ist das jetzt ihr neuer Job! Die zahlreichen Gräfinnen ihres Hofstaates um sie herum nicken heftig mit dem Kopf und machen zustimmende Geräusche.
Auch das kennen wir aus jedem Unternehmen egal welcher Branche – wenn wir selber die Jasager-Geräusche machen. Wir nicken erst mal, wenn der neue Vorgesetzte mangels Insider-Wissen etwas Zweifelhaftes von sich gibt und murmeln Zustimmung. Meist überhört die gejasagte Führungskraft das Verdächtige in diesen Geräuschen. So auch Grace.
Sie überhört vor allem das Zähneknirschen hinter dem lächelnden Nicken einer der ältesten Gräfinnen, Gräfin Sandrine: Sie ist die heimliche Meinungsführerin des Teams und hegt keinerlei Absicht, sich einer „Angeheirateten“ unterzuordnen, ganz gleich, welche formelle Macht diese auch zu besitzen meint.
In jeder Abteilung jedes Unternehmens findet man solche „Platzhirsche“, die mit dem Öl der informellen Machtfülle gesalbt sind – wenn auch manchmal nur in der eigenen Vorstellung. Jeder kennt solche mächtigen Meinungsmacher – nur die neue Führungskraft nicht. Der oder die Neue kennt sie nicht, sieht sie nicht und hört sie nicht. Dabei geben Platzhirsche in der Regel einen öffentlichen Warnschuss ab.
Gräfin Sandrine lässt ihre Vorgesetzte nicht offen ins Messer laufen. Huldvoll gewährt sie ihr eine Warnung – die Grace prompt überhört. Sie sagt sinngemäß, mit Hofknicks und freundlichem Lächeln und inmitten der anderen Gräfinnen: „Bevor wir Waisenhäuser renovieren, sollten wir uns vielleicht erst um den Rosenball kümmern. Der hat eine größere Öffentlichkeitswirkung – und das Geld fürs Waisenhaus haben wir ohnehin nicht.“ Das ist gerade noch höflich, aber für ein geübtes Ohr klar erkennbar als das grelle Mündungsfeuer einer 9 mm Heckler & Koch beim finalen Warnschuss. Grace hat noch kein geübtes Ohr. Sie überhört den Knall. Warum?
Weil ihre besten Absichten gepaart mit dem Enthusiasmus über die neue Position sie taub machen. Die armen Waisenkinder hungern und frieren, Grace sieht wie jede andere fachkompetente Führungskraft genau, was getan werden muss, sie hat die formelle Macht, das Nötige zu tun – also überhört sie den gräflichen Einwand.
Formelles Machtbewusstsein macht nicht nur in Monaco taub gegenüber informellen Schüssen vor den Bug. Während Grace sich wieder den Kindern zuwendet, rollt Gräfin Sandrine mit den Augen. Wir ahnen Übles.
Als Grace zu Hause im Palast ihrem Gatten von ihren besten Absichten das Waisenhaus betreffend und dem zaghaften Einwand der Gräfin Sandrine erzählt, erkennt dieser im Gegensatz zu Grace sofort die Explosivität der Situation – wie jeder, der die heimlichen Machtstrukturen in seiner Organisation kennt. Rainier sagt sinngemäß: „Deine guten Absichten in allen Ehren, aber verärgere mir die Gräfin nicht zu sehr. Ihr Mann hat eine Menge Geld, und ich brauche ihn und sein Geld für unseren Kampf gegen das übergriffige Frankreich.“ Und die Seifenblase platzt. Wenigstens lernt Grace was dabei.
Und Grace lernt schnell. Schneller als manche Führungskräfte, die mit dem heimlichen Machtgefüge konfrontiert werden. Manche Führungskräfte lernen nicht. Sie machen etwas viel Naheliegenderes. Sie empören sich über die Platzhirsche, die ihnen Knüppel zwischen die Beine werfen und pochen auf ihre formale Macht – meist vergeblich. Denn sie wissen noch nicht: Heimliche Macht schlägt formelle Macht in neun von zehn Fällen. Grace lernt schneller. Was?
Grace lernt allein aus dieser einen Episode – was bereits von einer überragenden Auffassungsgabe kündet: Nur weil du jetzt die erste Frau im Staate bist, hast du noch keine faktische Macht per se. Jede formelle Macht ist in die bereits vorhandenen Machtverhältnisse eingebettet und allein diese bestimmen darüber, wie groß die anfängliche Macht einer neuen Führungskraft ist. Das ist eine der geheimen Regeln der Macht, die der einen oder anderen Führungskraft auch nach Monaten im Amt noch unbekannt ist:
Faktische Macht wird weniger durchs formelle Organigramm determiniert als viel stärker durch die informellen Machtverhältnisse.
Das ist nicht nur bei Hofe so. Das ist in jeder Organisation so, selbst in Familien, wo zum Beispiel der Papa beruflich Vorstandsmitglied mit siebenstelligem Gehalt ist und auch zu Hause die dicke Ansage markiert, während die Gattin im Hintergrund ihn einen guten Mann sein lässt und die eigentlichen Fäden im trauten Heim, der Familie und bei der Erziehung der Kinder zieht. Macht hat, wer sie ergreift, (informell) festigt und damit durchkommt. Nicht, wer sie verliehen bekommt. Das überrascht manchen.
Manche Führungskräfte überrascht das: Sie haben die Position inne, sie sitzen im Organigramm ganz oben, sie haben die Fachkompetenz und die besten Absichten – und trotzdem fährt ihnen irgendein subalterner Platzhirsch in die Parade? Sauerei!
Nein, keine Sauerei, sondern Führung de facto. So läuft das auf dem Planeten Erde. Das mag manchem nicht schmecken, so wie manche Fußball nicht mögen. Aber wenn die Kids auf dem Platz den Ball mit den Füßen treten, sieht man alt aus, wenn man ihn plötzlich in die Hand nimmt und zu werfen versucht: Das kommt nicht gut! Damit macht man sich nur Ärger. Doch dieser Ärger ist symptomatisch für frisch gebackene Manager.
Sie denken so konzentriert und enthusiastisch darüber nach, was sie in ihrer Führungsposition alles erreichen können, erreichen wollen, erreichen müssen, dass sie übersehen: Am Anfang hast du recht wenig zu sagen! Jedenfalls weitaus weniger, als die formelle Machtbefugnis suggeriert. Macht auf dem Papier und Macht in der Praxis sind zwei Paar Stiefel.
Wenn man die Episode mit Grace von Monaco in Workshops oder Coachings einbringt, geht unter den Teilnehmern immer einigen ein Licht auf – und „es lernt“ wie G.C. Lichtenberg sagen würde. Was?
Wenn die Teilnehmer nicht selber drauf kommen, kann man die Frage stellen: Was hätte Grace besser machen können? Die meisten Führungskräfte oder High Potentials im Seminarraum oder am Bildschirm kommen auch drauf:
Bevor ich als (neue) Führungskraft irgendwelche hochfliegenden Projekte los trete, identifiziere ich die heimlichen Machthaber, Meinungsführer, Platzhirsche und informellen Leader in meinem Team (und drum herum, wenn es ein abteilungsübergreifendes Projekt ist).
Ich stimme mich vorab jeweils unter vier Augen mit ihnen ab: „Was halten Sie von meiner Idee? Wie kann ich sie gegebenenfalls so modifizieren, dass Sie voll mit dabei sind?“
Ich bespreche meine Ideen mit meinem Vorgesetzten, integriere seine Vorschläge und hole mir dafür seine Rückendeckung.
Dann erst gehe ich mit meiner Idee in coram publico – und werde volle Akzeptanz und ganzes Commitment ernten, weil ich von Anfang an die heimliche Hausmacht auf meiner Seite habe.
Ach, wäre doch alles in Management und Führung so einfach! Tatsächlich ist Führung in vielen Fällen deutlich komplexer. Auch Grace lernt das.
Grace Kelly war vor ihrer monegassischen Heirat eine sehr erfolgreiche Schauspielerin mit extrem hohem Promi-Faktor. Für ihre „Rolle“ als Landesmutter lernt sie nun um und füllt diese Rolle auch sehr gut aus, nachdem sie zum Beispiel gelernt hat, wo in ihrem Hofstaat die heimlichen Leader sitzen. Sie wächst in die neue Rolle hinein, indem sie die heimlichen Machtstrukturen kennen und akzeptieren lernt und bald schon auf ihnen wie auf einer Klaviatur virtuos spielt. Und gerade, wenn man meint, dass man das geheime Spiel der Macht versteht und beherrscht, steigt man zum nächsten Level auf: Alfred Hitchcock ruft an.
Der berühmteste Regisseur seiner Zeit will Grace für die Hauptrolle in seinem neuen Film gewinnen.
Grace ist nicht mehr so naiv wie in den ersten Tagen als Fürstin von Monaco. Sie beherrscht ihre Rolle und das Spiel der Macht inzwischen recht gut. Sie weiß, dass es einen Aufschrei unter den Konservativen im Lande geben wird, wenn die Landesmutter plötzlich aus der Rolle fällt und wieder die Rolle eines Hollywood-Stars aufgreift. Das gibt Ärger!
Also hält sie den Anruf geheim und stimmt sich erst einmal unter schärfster Diskretion mit ihrem „Vorstandsvorsitzenden“ und Gatten ab. Der ist kein Gatte alter Prägung. Er ist ein junger, moderner Fürst, der genau weiß, dass er seiner ihm unterstellten Führungskraft so ein Sahnestück-Projekt nicht rundheraus verbieten kann. Wozu diese fortgesetzte Gängelei gekrönter Häupter führt, haben wir Jahrzehnte später bei der Prinzessin der Herzen leider auf fatale Weise gesehen, welche die Verweigerungshaltung ihres royalen Verwaltungsrates mit einem unerfüllten, unzufriedenen Leben bezahlte.
Also beschließt Fürst Rainier – seiner Zeit voraus – salomonisch: „Du kannst das machen – wenn vorab kein Sterbenswörtchen an die Medien und die Öffentlichkeit durchdringt. Das gäbe einen Aufruhr. Du solltest das vor der Veröffentlichung intern mit der heimlichen Machtstruktur und deinem Stab abstimmen, die du inzwischen alle kennst. Dann und nur dann haben wir einen Deal.“
Grace schlägt ein. Sie freut sich. Das Projekt liegt ihr am Herzen. Sie möchte nicht immer nur „Landesmutter“ spielen, auch wenn der Job sie ausfüllt. Sie möchte auch mal wieder etwas Neues, Aufregendes, Wegweisendes machen – jede Führungskraft, die ihren Job länger als zwei Jahre macht, kennt das Gefühl, wenn es einen angesichts eines attraktiven Projekts in den Fingern kribbelt. Und wie jede Führungskraft weiß auch Grace recht wohl, dass sie Gegenwind aus den eigenen Reihen bekommen wird. Sie ist darauf vorbereitet. Sie kennt das Machtspiel inzwischen. Denkt sie. Denn sie übersieht, dass einige Spieler nicht fair spielen.
Als Grace ihre Höflinge und Minister vorab unter dem Siegel der Verschwiegenheit informiert, gibt es eine hitzige Diskussion und den erwarteten Gegenwind, den Grace antizipiert und auf den sie sich argumentativ vorbereitet hat. So gut spielt sie das Machtspiel inzwischen. Sie füllt ihre Machtrolle aus. Sie beherrscht die Klaviatur.
Sie hört den üblichen Skeptikern und Bedenkenträgern aufmerksam zu, als diese monieren: „Eine Fürstin kann doch keine Filme drehen!“ Sie würdigt deren Meinung, behandelt deren Einwände sachlich und beziehungsfreundlich und überzeugt damit auch einige. Selbst jene, die sich von guten Argumenten nicht überzeugen lassen, bearbeitet sie nicht mit der Machtkeule der Androhung von Konsequenzen, sondern spielt ihren Trumpf der Machtverhältnisse aus, sinngemäß: „Leute, eure Einwände in allen Ehren – aber ich habe das bereits mit unserem CEO abgestimmt. Er hat das abgenickt und steht dahinter. Also kriegt euch wieder ein.“
Das ist das Trumpf-Ass: Rückendeckung und Placet vom Vorstandsvorsitzenden. Was gibt es Mächtigeres in einem Konzern als das Wort des Oberbosses? Worauf alle, die etwas von echter Macht verstehen, wie aus der Pistole geschossen antworten:
Die Intrige. Das Foul.
Wenn Sie ein wenig Erfahrung mitbringen, haben Sie während der letzten Zeilen die Wendung von Grace‘ Schicksals bereits antizipiert, denn Sie kennen das oder haben das leider schon selbst erlebt:
Irgendwer von Grace‘ Höflingen steckt die Sache an die Medien durch, die Hitchcocks neuen Film und die dafür vorgesehene weibliche Hauptrolle mit seitenfüllender Sensationsschlagzeile rausbringen. Die Bombe platzt.
Das hätten wir uns denken können. Grace konnte es sich damals noch nicht denken. Was dachte sie stattdessen?
Grace tobt vor Wut – und ruft Alfred an: „Hast du das durchgestochen? War es einer vom Studio?“ Hitchcock ist ein alter Machtspieler. Er kennt das Spiel und seine schmutzigen Seiten – ist in diesem Fall aber unschuldig. Er sagt: „Ich schieße mir doch nicht selber meine Wunsch-Hauptdarstellerin vom Seil – und das Studio auch nicht. Die sind nicht blöd. Jeder Film mit dir bringt ein mehr als doppelt so hohes Einspielergebnis als ohne dich.“
Es spricht für die Moralität, Integrität und Ehrlichkeit von Grace, dass sie erst danach auf die Idee kommt: Ach du dickes Ei, dann waren das am Ende meine eigenen Leute! Wir haben (mindestens) einen Verräter in den eigenen Reihen; populär auch „Whistleblower“ genannt.
Grace weiß sofort: Damit ist der Deal tot, vom Tisch. Denn sie hat gegenüber ihrem CEO das Wort gebrochen, ihre Zusage, dass intern erst alles geklärt wird, bevor das in die Presse kommt. Aus einer aktiven Rolle als Handelnde ist sie schlagartig in die Defensive gedrückt worden. Jetzt muss sie sich gegenüber der Weltöffentlichkeit rechtfertigen und unnütze Diskussionen en masse führen. Sie hat sich das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen. Warum?
Weil sie wieder auf die offizielle Macht gesetzt hatte: das Wort des Vorstandsvorsitzenden. Sie vertraute darauf, dass jeder vor dem Big Boss letztendlich kuschen würde – eine leider unrealistische Annahme. Das Wort des CEO selbst jedes Weltkonzerns ist wenig wert, sobald ein Intrigant den richtigen Zug tut. Und das wissen die Vorstandsvorsitzenden der Weltkonzerne auch; sonst wären sie nicht lange im Amt. Grace dagegen beißt in den sauren Apfel und sagt ihre Hauptrolle, ihr Herzensprojekt ab. Einige Höflinge meinten, dass sie danach nie wieder dieselbe war.
Erst jetzt lernt sie: Macht bekommt man nicht verliehen. Macht muss man sich erarbeiten, indem man das Machtgefüge kennenlernt und alle Spielzüge vorausahnt – vor allem die Fouls, Intrigen und Sauereien.
Das ist übrigens einer der Gründe, warum manche Frauen keine Führungsposition haben wollen und warum so überproportional viele Konzernvorständinnen bereits nach wenigen Jahren hinschmeißen. Sie wollen sich nicht (länger) schmutzig machen. Das ist verständlich, integer, hoch moralisch und ehrt sie. Sie übersehen dabei jedoch die erste Spielregel dieses schmutzigsten aller Spiele:
Wer das schmutzige Spiel richtig spielt, macht sich nicht selber schmutzig – und schützt auch andere davor.
Grace lernt das spät, doch sie lernt es, indem sie endlich das kennenlernt, was die Basis jeder nachhaltigen Führung ist:
Nach der Episode mit dem Waisenhaus und spätestens nach der Absage an Hitchcock kommt Grace schwer ins Grübeln: Was ist Macht? Wieviel Macht habe ich tatsächlich? Und wenn ich dieses schmutzige Spiel schon mitzuspielen gezwungen bin – gibt es eine saubere Spielstrategie?
Jede geneigte Führungskraft stellt sich diese Fragen irgendwann im Zuge ihrer Laufbahn. Manche fragen sich das täglich; vorzugsweise nachts um halb vier, wenn sie aus dem Schlaf fahren. Es gibt viele gute Antworten auf diese Fragen. Eine der intelligentesten und wirkungsvollsten kommt sowohl aus dem Filmgeschäft als auch aus Psychologie und Soziologie:
Jede Machtfrage wird letztendlich nicht durch die formelle Macht, sondern durch das Rollenverständnis entschieden.
Einer ihrer wenigen echten Vertrauten am Hof gibt Grace den Rat: „Nimm deine neue Führungsrolle im wörtlichen Sinne als Rolle an. Das kennst du doch vom Filmgeschäft. Auch da fragst du dich, bevor die erste Klappe fällt: Wie lege ich die Rolle an? Was gehört dazu, was nicht? Was darf ich in der Rolle, was nicht? Was erwartet der Zuschauer von dieser Rolle und wie kann ich diese Erwartung bedienen und gleichzeitig meine eigenen Ambitionen durchsetzen?“ Grace ist begeistert.
Sie studiert stehenden Fußes ihre Rolle als Landesmutter und als Führungskraft bei Hofe, als ob es eine echte Filmrolle wäre (was sie im echten Drama des Lebens aus Sicht von Soziologie und Psychologie natürlich auch ist). Grace lernt, wie jede Führungskraft, die sich diese Gedanken macht:
Eine Führungsrolle annehmen heißt, sich eine Maske aufzusetzen, die der Rolle entspricht
Das ist keine Absage an Authentizität oder ein Aufruf, sich selbst zu verbiegen!
Denn hinter der Maske bist du immer noch und immer weiter du
Es heißt lediglich, persönliche Meinungen, die nicht gut zur Rolle passen, erst einmal hinter der Maske zu lassen – bis man Wege findet, sie auch in der Rolle gut rüberzubringen
Die private Meinung ist hinter der Maske. Vor der Maske kommuniziert man die Meinung, die zur Maske passt
Das ist nur bei schizophrenen Persönlichkeiten ein Widerspruch. Jede andere Persönlichkeit wird den permanenten Ausgleich zwischen, hinter und vor der Maske suchen und herstellen
Alle, die einem begegnen, wenn man in Führung ist, spiegeln einem ihre Erwartungen an die Rolle. Wenn man sie erwartungsgemäß „bespielt“, folgen sie einem.