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Die Bundeswehr - für viele eine unbekannte Welt. Welche Menschen stecken in der Uniform, welche Werte leiten sie an, welche Aufgaben nehmen sie wahr? Anhand zahlreicher Interviews und Truppenbesuche entsteht ein anderes als das gängige Bild über Soldaten: heterogen, werte- und führungsstark, verfassungstreu - und zutiefst menschlich. Frauen und Männer aller Dienstgrade, vom Offizier bis zum Rekruten, berichten über ihre bedrückenden, berührenden und heiteren Einsatzerlebnisse, über Verwundung und Tod in Gefechten, über physische Gegner und Feinde im Netz. Auch erfahren Sie einiges über Verhörmethoden bei eigener Gefangennahme, über Grenzerfahrungen jenseits der Komfortzone, über Führung, Werte, Kameradschaft. Die Gespräche mit einem ranghohen US General und einem britischen SAS Kommandosoldaten runden den Blick auf die Bundeswehr durch eine Außensicht ab. Lesenswert für jeden, der neugierig auf die Truppe und die Welt hinter den Kasernenmauern ist.
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Seitenzahl: 439
Veröffentlichungsjahr: 2020
Wiebke Köhler
Wiebke Köhler arbeitete während ihrer beruflichen Laufbahn in den Top Management Beratungen bei Roland Berger und McKinsey & Co. Als Partnerin im Executive Search begleitete sie internationale, globale Konzerne bei der Besetzung von Vorstandspositionen und bekleidete zuletzt selber die Position als Personalvorstand bei der AXA Konzern AG in Deutschland. Sie ist Gründerin und CEO der Top Management Beratung impactWunder und unterstützt Konzerne und Mittelständler in Fragen des Kultur- und Machtwandels und in der Führungskräfteentwicklung.
Dieses Buch war nicht geplant – und doch ist es da. Aus den ersten Gesprächen und Kontakten, die ich mit der Bundeswehr hatte – aus Neugier auf einen Blick hinter die Kasernenmauern und völlig ergebnisoffen – hat sich für mich eine Sogwirkung entwickelt, die letzten Endes zu diesem Buch geführt hat.
So ergaben sich fortfolgend aus dem einen Interview Ideen für weitere Gesprächspartner, die weitere und diese wiederum neue Gesprächsthemen und -partner ins Spiel brachten. Bis schließlich im Gespräch mit dem Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, die Idee auftauchte, diese vielfältigen Eindrücke aus den Interviews in einem eigenen Buch festzuhalten. Mit dieser Entscheidung, einmal getroffen, folgten weitere Ausflüge und Truppenbesuche, um mit diesem Buch möglichst vielfältig und breit gefächert einen Blick auf die Truppe zu ermöglichen.
Dass dieses Buchprojekt quasi über Nacht und ungeplant entstand und sich sodann lawinenartig ausbreitete, hat den Kameraden in den zahlreichen Presse- und Infozentren (PIZ) der Bundeswehr viel Flexibilität abverlangt. Insgesamt waren es viele, die an diesem Buchprojekt beteiligt waren: Neben den jeweiligen PIZen in den Truppengattungen und bei den Teilstreitkräften auch der Presse- und Infostab im Bundesverteidigungsministerium. Daneben natürlich die eigentlichen Interviewpartner, zum Teil mit ihren Stäben und Adjutanturen. Man könnte sagen: Ich habe die Truppe ganz gut auf Trab gehalten. Meinen herzlichsten Dank dafür an alle, die das Buchprojekt ermöglicht haben – für das im Übrigen von keiner Stelle Geld geflossen ist, ein Auftrag erteilt oder eine Gefälligkeit eingefordert wurde. Nur die allseitige Begeisterung trug dieses Projekt – schöne Sache!
Dieses Buchprojekt hat mir im eigenen Erleben die kameradschaftliche Zusammenarbeit, die überall genannt wird, vor Augen geführt.
Liebe Kameraden, für diese Kameradschaft und Unterstützung möchte ich an dieser Stelle ein großes Dankeschön aussprechen: zuallererst meinen Interviewpartnern, aber auch all jenen, die sich in der Anbahnung, Durchführung und im Freigabeprozess der einzelnen Interviews intensiv engagiert haben und die damit zum Erscheinen dieses Buches maßgeblich beigetragen haben. Auch bedanke ich mich herzlich für das Vertrauen und die Bereitwilligkeit zum Austausch, für die offenen und heiteren Gespräche sowie für die Unterstützung in allen fachlichen Fragen. Ich kann wirklich sagen: Es war mir eine Freude und Ehre, mit Euch zusammenzuarbeiten. Es hat mich persönlich bereichert und mir neue Perspektiven aufgezeigt – mit dem Effekt, dass ich mich heute als Kameradin im Geiste und im Herzen fühle. Meinen herzlichen Dank! In diesem Sinne:
Ich. Diene. Deutschland.
Ein höchst persönliches Vorwort
TEIL 1 – HINTERGRÜNDE UND EINDRÜCKE IM ÜBERBLICK
1 Galerie der Interviewpartner
2 Best of – Zitate aus den Interviews
3 Hintergründe zur Truppe
4 Der Blick hinter die Kulissen – Ein Fazit
5 Zehn überraschende Erkenntnisse
TEIL 2 – DIE INTERVIEWS
6 Zum Geleit: Der Generalinspekteur der Bundeswehr
General Eberhard Zorn
7 Aus den Einsatzgebieten
7.1 Aus Afghanistan: „Es lohnt, sich hier zu engagieren!“
Generalmajor Jürgen Brötz
7.2 Aus Mali: Binational erfolgreich
Oberst i.G. Ingo Korzetz
8 Verwundung und Tod im Einsatz – Wie Helden entstehen
8.1 Aus Isa Khel (Teil 1): „Aufgeben gibt’s nicht!“
Hauptfeldwebel Maik Mutschke
8.2 Aus Isa Khel (Teil 2): Rettung aus der Luft
Ex-MEDEVAC Pilot Jason LaCrosse
9 Zur Lage: Der Inspekteur des Heeres
Generalleutnant Alfons Mais
10 Teilstreitkraft Heer
10.1 „Weitergehen, wo andere aufhören!“
Generalmajor Alexander Sollfrank
10.2 „Panzer hurra!“
Generalmajor von Sandrart
11 Einblicke in die Ausbildung bei der Truppe
11.1 „Führungskultur ist genauso wichtig wie Ausbildung und Material!“
Generalmajor André Bodemann
11.2 Grenzerfahrungen jenseits der Komfortzone
Hauptmann Almut Gebert
11.3 „Wir sind da, wo es keine Autos gibt!“
Hauptmann Sandra Muth
11.4 Widerstandsfähig bei Verhören
Dr. Karl Kubowitsch & Christian Schwarz
11.5 Reportage: Unterwegs mit den Rekruten
Das Gebirgsjägerbataillon 232
12 Militärisches Nachrichtenwesen: Zum Wohle der Soldaten
Oberstleutnant Roland Goerz
13 Luftwaffe und Personalamt: Das 4D-Tetris der Personalplanung
Oberst i.G. Mario Thieme
14 Marine und Landeskommando: „Wir sind da für Hamburg!“
Kapitän zur See Michael Giss
15 CIR und Cyberreserve: Feinde im Netz abwehren
Generalmajor Jürgen Setzer
16 Sanität: „Hier arbeitet der Chef noch selbst!“
Oberfeldarzt Karola Eggers
17 Special: Ein Blick von außen
17.1 Blick aus US-Sicht: „The End of Free-riding”
Generalleutnant a. D. Frederick Ben Hodges, US Army
17.2 Blick aus UK-Sicht: Geheime Missionen des SAS
„Mike“, Ex-Unteroffizier des SAS, British Army
„Warum tust du dir das bloß an?“ war die häufigste Frage, als ich im Bekanntenkreis erzählte, was ich vorhatte: eine Annäherung an die Bundeswehr zu versuchen.
Einen Blick in eine für mich unbekannte Welt zu werfen, eine Terra incognita. Als Frau, für die die Bundeswehr zwar Teil der Gesellschaft ist, aber eine unbekannte Materie darstellt. Meine Mission: Die Menschen in Uniform besser kennenzulernen. Mich näher mit der Truppe auseinanderzusetzen. Die vielfältigen Aufgaben der Truppe besser zu verstehen.
Tja, warum? Ich stamme aus keiner militärischen Familie. Zwar hatte mein Vater in den Fünfzigern seine Wehrpflicht absolviert. Diese Zeit seines Lebens diente aber höchstens für lustige Anekdoten an Urlaubsabenden oder bei geselligen Zusammenkünften mit seinen alten Bundeswehrkameraden. So erinnere ich mich vor allem an die Geschichte, als mein Vater und sein bester Freund, beides Akademiker-Kinder, sich an ihren ersten Tagen der Wehrpflicht auf einem Kasernenhof mit anderen Rekruten aller sozialer Schichten wiederfanden und es unglaublich genossen, diese Vielfalt an Charakteren und Herkunftsgeschichten zu erleben.
Ganz so tolerant waren sie aber wohl am Ende doch nicht, denn sie machten sich über die Sprache vom Spieß lustig, der für das zivile Jungakademikerohr sehr gestelzt sprach. Und beide lernten als Reaktion auf ihre Frechheiten gleich mal kennen, was Respekt und „sich einordnen in eine Hierarchie“ bedeutet: Sie durften die nächsten zwei Stunden den Kasernenhof im Laufschritt umrunden, bis sie völlig erschöpft umfielen.
Ansonsten fanden die Bundeswehr oder allgemein militärische Themen bei uns zu Hause nicht statt. Sicherlich, mein Lieblingsfach in der Schule war Geschichte. Mich faszinierten die Historienberichte über Königgrätz, Sedan und Stalingrad. Ich stellte mir das Schlachtengetöse vor, die unglaubliche Logistik hinter dem Aufmarsch der Soldaten und malte mir vor allem die Kampfmoral der Soldaten aus. Als Fünfzehnjährige las ich von Moltke, Clausewitz, Friedrich den Großen. Im Rahmen meines Französisch-Leistungskurses beschäftigte ich mich intensiv mit Napoleon I. und bot freiwillig ein Referat an, um meinen Notenschnitt weiter zu verbessern. Ich referierte vor meinen erstaunten Mitschülern zwei Stunden lang über die Schlacht von Waterloo und erläuterte, mit Landkarten bewaffnet, wie General Wellington und Feldmarschall Blücher Kavallerie und Artillerie gegen Napoleon in die Schlacht warfen, wer von welchem Hügel aus angriff und worin die Taktik der Schlacht lag. Es gab den gewünschten Erfolg bezüglich meiner Note – und ich hatte mich so richtig mit Militärgeschichte und -taktik angefreundet.
Als das Abitur nahte – 1990 gab es noch die Wehrpflicht – und viele meiner männlichen Mitschüler sorgenvoll einer möglichen Zeit „beim Bund“ entgegen blickten, am liebsten nicht eingezogen werden wollten und sich alle möglichen Strategien überlegten, um den Amtsarzt im Kreiswehrersatzamt zu überlisten, da nahm ich mir vor, hinter die Kulissen der Truppe zu blicken. Mir selbst einen Eindruck vor Ort zu verschaffen. Also schrieb ich an die nächst gelegene Kaserne, die Bose-Bergmann-Kaserne in Wentorf bei Hamburg. Zu meinem allergrößten Erstaunen war der Kommandeur der Kaserne bereit, mir einen Tag vor Ort zu ermöglichen.
Unvergessen, wie mich mein Vater eines Morgens um kurz vor sieben Uhr in der Früh bei einem völlig verdutzten Wachsoldaten ablieferte. Diesen Tag werde ich auch sonst nicht vergessen, denn es war genau wie erwartet: ganz weit weg von meiner zivilen Erlebniswelt. Ich lernte in Gesprächen einige Offiziere kennen, durfte die Unterkünfte, Sporthallen und die Waffenkammer inspizieren, fuhr mit dem Schützenpanzer Marder, durfte allerlei Gerätschaften ausprobieren. Mein Highlight damals: die Hindernisbahn.
Dort waren Rekruten dabei, die verschiedenen sportlichen Hindernisse im Parcours zu überwinden. Zum Beispiel eine Holzwand von über zwei Metern Höhe, hinter der ein Graben voller Wasser lag. Jeder zweite schaffte die Wand erst einmal nicht oder fiel anschließend ins Wasser. Dabei wurden sie von einem fröhlich grinsenden Spieß angetrieben. Es wurde laut und rau, Befehle wurden lautstark gerufen. Ich begann zu begreifen, dass es wohl keinesfalls der reine Spaß war, Soldat zu werden – und war froh, als ich abends wieder aus der Kaserne abgeholt wurde.
Danach habe ich mich die nächsten Jahrzehnte nur am Rande mit der Armee beschäftigt. Bis ich letztes Jahr mein Buch „Führen im Grenzbereich“ schrieb. Um zu beleuchten, wie gute Führung in Grenzbereichen aussieht, hatte ich unter anderem die Bundeswehr zu Gesprächen eingeladen. Die Gespräche mit Vertretern der Marine, Luftwaffe, Sanität und des Heeres lieferten sehr diverse Bilder zu den Persönlichkeiten, aber einheitliche Sichten auf Führungsprinzipien und Werte des Handelns. Dabei entfachten diese Gespräche – die Menschen genauso wie die Inhalte – erneut mein Interesse an der Bundeswehr und weckten meinen Entdeckergeist.
Ich bin nicht ganz sicher, welchen Typ Mensch ich vor diesem Austausch im letzten Jahr bei der Bundeswehr erwartet hatte: vielleicht irgendein Stereotyp eines Soldaten. Staubtrockene Männer mit antiquierten Sichten auf die Welt. Herumbrüllende Altvordere, die Befehl und Gehorsam einforderten. Wahrscheinlich aber hatte ich gar kein konkretes Bild davon, wer diese Soldaten eigentlich sind, auch nicht davon, warum sie Soldaten sind und was sie genau tun.
Als jemand, der nicht gedient hat, war das Militärwesen trotz der frühen Annäherung in meiner Jugend für mich so weit weg wie die andere Seite der Erde. Was ich durch den intensiven Austausch im letzten Jahr stattdessen vorfand, waren inspirierende, moderne Männer und Frauen, die mich mit ihrer klaren Haltung, ihrem tief verwurzelten Wertebewusstsein und ihren eindeutigen Führungsprinzipien beeindruckten.
Mir dämmerte zum Jahreswechsel, dass es an der Zeit wäre, die Bundeswehr besser und gründlicher zu erkunden. Denn aus Gesprächen mit meinem beruflichen und privaten Umfeld wurde deutlich, dass es anderen ähnlich geht: Entweder hat mein großes berufliches Netzwerk überhaupt keine Meinung bzw. kein Interesse an der Bundeswehr.
Oder es ist leicht negativ durch die zwei vorherrschenden Nachrichten zur Truppe geprägt: dem Fehlen von Ersatzteilen und Mängeln bei der materiellen Einsatzbereitschaft einerseits (wir erinnern uns an die Flugbereitschaft der Bundeskanzlerin, die Frau Merkel nicht zum G-20-Gipfel nach Buenos Aires 2018 fliegen konnte) und den Vorfällen verfassungsfeindlichen Verhaltens einiger Soldaten andererseits.
Kann das schon alles sein? Im besten Fall ein sehr geringes Interesse in Teilen der Gesellschaft an der Truppe, im schlechtesten Fall eine Reduktion auf stetig wiederkehrende Aufzählungen von Problemfällen. Positiv wird über die Bundeswehr berichtet, wenn sie im Rahmen angefragter Amtshilfe bei Hochwasser- oder Schneekatastrophen aushilft oder, wie in diesem Jahr, tatkräftig zur Eindämmung der COVID-19 Pandemie oder der Borkenkäferplage antritt. Diese Wertschätzung findet statt und wird vor allem auf regionaler Ebene verliehen. Eine grundlegende positive und vertrauensvoll nachhaltige Wertschätzung der Truppe durch diese sichtbaren Inlandseinsätze in weiten Teilen der Gesellschaft gelingt nach meinem Empfinden aber kaum.
Die Bundeswehr war seit der Abschaffung der Wehrpflicht lange Jahre nur unterschwellig im öffentlichen Leben und im Alltag der Bürger präsent und aus der Wahrnehmung nahezu verschwunden. In meinen Jahren als Personalberaterin hatte ich mir angewöhnt, die männlichen Bewerber zu fragen „Haben Sie gedient?“ und erhielt hier immer öfter ein Nein von den Kandidaten zur Antwort. Es gab kaum Kenntnisse über die Truppe – und es interessierte auch keinen.
Durch das kostenlose Bahnfahren für Soldaten in Uniform sind Soldaten seit diesem Jahr wieder ein wenig sichtbarer im öffentlichen Bild geworden. Grundsätzlich sind Soldaten nach wie vor nicht vollständig präsent und mittig im Bewusstsein der Gesellschaft verankert, auch wenn es hier sicher regionale Unterschiede gibt: Zum Beispiel bei den Gebirgsjägern in Bischofswiesen gibt es eine enge zivilmilitärische Verzahnung und Zusammenarbeit; die Soldaten sind gerne und häufig in der Stadt gesehen. In Hamburg dagegen sind Soldaten im Straßenbild die absolute Seltenheit.
Nicht nur schwindet das Wissen darüber, was die Truppe eigentlich macht, welche Aufgaben sie ausführt und welche Menschen dort arbeiten. Noch erstaunlicher: Es bekümmert nur wenige. Würde nicht ab und an ein Katastrophenfall wie Hochwasser eintreten, es gäbe kaum positive Berichterstattung zur Truppe und sie bliebe noch stärker unterhalb der Wahrnehmungsschwelle jener Öffentlichkeit, deren Sicherheit und Freiheit sie unter Einsatz von Leib und Leben schützt. Sie taucht ansonsten erst dann wieder auf, wenn Schreckensnachrichten aus Einsätzen zu berichten sind, Verwundete oder Tote zu beklagen sind – aber auch hier hat sich die Öffentlichkeit an diese Art Nachrichten gewöhnt. Nur wenige wissen, in welchen Einsätzen die Bundeswehr aktuell steht oder wie viele Soldaten dort ihren Dienst tun. Ein „High-Involvement-Thema“ ist die Bundeswehr selten.
Die Frage ist, ob wir uns diese Sorglosigkeit, dieses geringe Interesse, vielleicht sogar diese Ignoranz gegenüber der Bundeswehr leisten können und sollten. Wiegen wir uns nicht in falscher Sicherheit? Unser Wohlstand, unsere Werte, unsere Rechtstaatlichkeit, der Frieden und die Verfassung in diesem Land sind Güter, die mit allen Mitteln zu schützen sind – und die nicht umsonst zu haben sind.
Sicherheit hat, wie alles im Leben, ihren Preis. Die Bundeswehr trägt mit ihrem Dasein, ihrer Wehrhaftigkeit und Einsatzbereitschaft maßgeblich dazu bei, dass wir uns diesen Lebensstil erhalten können. Auch sollten wir uns die außenpolitische Lage vor Augen halten – die USA wenden sich zusehends von Europa ab, ziehen Tausende amerikanischer Soldaten ab, während Russland und China wichtige Gegner mit Expansionslust bleiben – und wir uns daher mehr denn je die Frage stellen sollten, welche Rolle die Bundeswehr zukünftig innerhalb der NATO einnehmen sollte und müsste.
Neben diesen außenpolitischen Aspekten ist mein Eindruck, dass einige Teile der Gesellschaft das Militär per se unterschwellig als etwas Verwerfliches empfinden, als etwas, dem wir als Kollektiv nicht über den Weg trauen sollten. Ob diese Zweifel dem Empfinden der Mehrheit der Bundesbürger entsprechen, ist offen. Die schweigende Mehrheit mag es möglicherweise längst anders sehen. Das öffentlich geprägte Bild suggeriert jedoch, dass ein kategorisches Anzweifeln der Truppe im öffentlichen Diskurs in Ordnung sei. Da braucht es medial keinen großen Auslöser, um weitere Zweifel zu säen und die Verfassungstreue der Bundeswehr in toto anzuzweifeln.
Nun empfiehlt es sich für jeden Staatsbürger, seinen Behörden, Institutionen und der Presse gegenüber eine gesunde Skepsis zu entwickeln, selbständig Meldungen zu hinterfragen und eigenverantwortlich Berichte zu vergleichen, weiter zu recherchieren, um eine möglichst valide, objektive und realitätsnahe Faktenlagen zu erhalten. Das ist m.E. eine allgemeine Staatsbürgerpflicht für unser demokratisches Leben – und das sollte natürlich auch in Sachen Bundeswehr für jeden gelten.
Es hilft in dieser Diskussion, sich klar zu machen, wie und von wem die Bundeswehr kontrolliert wird: Die Bundeswehr ist von unseren Gründervätern 1955 aufgrund der Lehren des Zweiten Weltkriegs als Parlamentsarmee konzipiert worden. Das bedeutet, dass deutsche Truppen nur und ausschließlich dann im Ausland stationiert und eingesetzt werden dürfen, wenn der Bundestag diese Einsätze zuvor beschlossen hat (Parlamentsbeteiligungsgesetz). Zusätzlich gibt es eine weitere parlamentarisch-zivile Kontrolle der Bundeswehr dadurch, dass der Bundestag über den Verteidigungshaushalt bestimmt. Mit dem Gremium des Verteidigungsausschusses bestehen weitere weitreichende Eingriffs- und Kontrollmöglichkeiten durch das Parlament. Und seit 1956 gibt es den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, der als Hilfsorgan für Anliegen der Soldaten zuständig ist.
Diese hier skizzierten Möglichkeiten der Kontrolle über die Bundeswehr kennen andere Nationen wie die USA und Großbritannien in dieser Intensität nicht; Frankreich hat sogar eine Präsidialarmee, über deren Einsatz das jeweilige Staatsoberhaupt entscheidet.
Die im deutschen Gesetz verankerten Kontrollmöglichkeiten machen deutlich, dass die Richtlinienkompetenz für die Bundeswehr im Bundestag verortet ist. Insofern scheint ein grundsätzliches, vorverurteilendes Anzweifeln der Bundeswehr doch wenig adäquat, es sei denn, man würde den gewählten Volksvertretern im Bundestag misstrauen.
Dennoch haben die Soldaten bei uns nur selten eine Chance auf positive Presse – außer in den erwähnten Amtshilfeeinsätzen. Aufgrund der teilweisen Vorverurteilung kann passieren, was will: Gelächter und Spott in Teilen der Öffentlichkeit sind den Soldaten sicher. Wenn dann tatsächlich vereinzelte Soldaten deutlich gegen Gesetze verstoßen und Waffenlager im Garten horten, hilft das einem besseren Bild zur Truppe natürlich nicht auf die Sprünge. Obwohl diese offensichtlichen Gesetzesverstöße durch die Führung der Bundeswehr und das Ministerium konsequent und mit ganzer Härte des Gesetzes verfolgt und bestraft werden, ist dadurch wieder einmal der notorische Generalverdacht genährt worden, wurde ein weiteres Körnchen Misstrauen an der Integrität der Truppe gestreut.
Dieser grundsätzliche Tenor befeuert solche Debatten, weil er latent immer da ist und durch aktuelle Vorfälle jederzeit wiederbelebt werden kann. So wie in öffentlichen Debatten kaum noch differenzierte Sichten dargestellt werden und Auseinandersetzungen höchst pauschalisiert geführt werden, so wird die Bundeswehr öffentlich häufig einfach nur abgewertet.
Mir liegt es fern, mit diesem Buch ein geschöntes Loblied auf die Truppe zu singen. Ich will nicht die Problemfelder bei Versorgungsengpässen von Ersatzteilen und allzu starren, administrativen Prozessen schönreden. Hierzu äußert sich unter anderem der Bericht des Wehrbeauftragten sehr detailliert. Dieser und andere Berichte helfen genau dabei, offenkundige Probleme zu beheben und bessere Bedingungen für die Truppe zu schaffen.
Auch geht es mir nicht um das für meinen Geschmack übertriebene, ebenfalls sehr pauschalisierende „Thank you for your service“, mit dem die US-Amerikaner ihren Soldaten begegnen. Diese überschwängliche Ehrfurcht vor der Armee und den amerikanischen Touch dabei halte ich für übertrieben und wenig passend für unsere deutsche, eher überkritische Mentalität.
Einen emotionalen Kniefall vor der Truppe à la USA braucht es auch nicht. Die Soldaten sind Teil unserer Gesellschaft, nicht wichtiger als andere, die dienen, aber auch nicht weniger wertig. Es benötigt stattdessen eine differenzierende Auseinandersetzung mit unserer Truppe. Differenzierung setzt Annäherung und Auseinandersetzung voraus. Diesen Austausch mit der Truppe habe ich mit diesem Buch gesucht, um zu verstehen, wer dort dient, warum die Soldaten sich für diese Laufbahn entschieden haben und was ihr Auftrag ist. Die Berichte in diesem Buch werden es Ihnen, lieber Leser, zwar nicht abnehmen, sich selber der Bundeswehr anzunähern, sich eine eigene Meinung zu bilden, Dinge gutzuheißen oder anderes zu kritisieren – unter Zuhilfenahme aller Aspekte, Berichte und Personen, die öffentlich zugänglich sind. Was dieses Buch aber leisten kann, ist eine andere, weitere Facette, einen zusätzlichen Blickwinkel auf die Truppe anzubieten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Die Bundeswehr ist ein Großkonzern mit über 185.000 Soldaten und 80.000 zivilen Angestellten – zusammen mit der aktiven Reserve von 29.000 Personen insgesamt 294.000 Mitarbeiter. Die Soldaten schwören einen Eid auf unsere Verfassung und sind bereit, diese tapfer, im schlimmsten Fall mit ihrem Leben, zu verteidigen und zu schützen. Die Ernsthaftigkeit dieses Eids wird jedem bewusst, der mit Soldaten spricht. Und sie verstärkt sich noch bei all jenen, die in verschiedenen Einsätzen gedient haben, die selbst verwundet wurden oder andere haben sterben sehen. Die einen Krieg erlebt haben – auch wenn unsere Gesellschaft das Wort „Krieg“ an sich schon kaum erträgt und lieber von Einsatz spricht. Klar, kann man sagen, das ist deren Job. Stimmt.
Wer sich seit Mitte der 1990er zur Truppe gemeldet hat, dem musste klar sein, dass dies auch mit Auslandseinsätzen einhergehen könnte. Die Ausbildung trainiert Kampf in allen Dimensionen – nicht ohne Grund, wie die Einsätze lehren. Trotz der Gefahr und Strapazen – es melden sich viele Rekruten freiwillig zur Bundeswehr und erfüllen dort pflichtbewusst ihren Auftrag. So wie die (Bundes-)Polizisten auch, bereit zu handeln, wenn höchste Bedrohungslagen vorliegen. Im Unterschied zur Polizei, die jedenfalls bis vor kurzem durchaus positiv bewertet wurde, erhalten Soldaten für ihren Dienst wenig Wertschätzung von der Gesellschaft. Ist das wirklich angemessen? Ich finde, nein.
Daher nochmal: Die Absicht dieses Buchs ist, eine weitere Auseinandersetzung mit der Bundeswehr zu ermöglichen – über Nachrichten aus den Einsatzgebieten, über Schlagzeilen zu Problemen in der Truppe oder den positiven Hilfeleistungen im Katastrophenschutz hinaus. Einen weiteren Blickwinkel auf die Truppe zu bieten, ohne den Anspruch erheben zu wollen, die alleinige Wahrheit gepachtet zu haben. Sie nicht pauschal über den grünen Klee schön zu reden, sie aber auch nicht kategorisch zu verurteilen. Mit den nachfolgenden Interviews und den Erlebnissen von den Truppenbesuchen erhält jeder Leser ein weiteres Mosaiksteinchen an die Hand und kann sich sein eigenes – positives, neutrales oder negatives Bild – zur Bundeswehr machen.
Wenn das mein beschriebener Auftrag ist – um in der Bundeswehr-Sprache zu bleiben – stellt sich mir die Frage: Wie soll ich einen Großkonzern in allen Aspekten mit einem Buch darstellen können, ihm gerecht werden? Daher lautet meine Eingrenzung wie folgt: Auf den folgenden Seiten geht es vor allem um die Menschen in den Uniformen, um ihre Motive des Handelns, ihre persönlichen Erfahrungen, ihre eigene Sicht auf die Bundeswehr – und ihren Appell an die Öffentlichkeit, welchen Umgang und Austausch sie sich wünschen würden. Diese Perspektiven arbeite ich durch zahlreiche Eindrücke aus meinen Besuchen bei der Truppe sowie den Interviews mit unterschiedlichsten Persönlichkeiten heraus. Die Interviews fanden im Frühjahr und Sommer 2020 statt.
Natürlich ist die Truppe sehr heterogen, in ihr dienen weibliche und männliche Soldaten aus verschiedenen sozialen Schichten und Regionen Deutschlands, aus unterschiedlichster Herkunft, mit verschiedenen Religionen, politischen Überzeugungen, sexueller Orientierung. Die Bundeswehr hat drei Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe, Marine, dazu die Organisationsbereiche Sanitätsdienst, Streitkräftebasis und den relativ neuen CIR (Cyber- und Informationsraum). Es gibt Soldaten, die in Einsätzen waren, und andere, die das (noch) nicht erlebt haben. Vielfalt pur. Dieser Diversität kann man auch in einem solchen Buch nicht vollständig gerecht werden. Daher haben die Interviews nicht den Anspruch, die Bundeswehr repräsentativ abzubilden. Es ist eher der Versuch, durch eine möglichst breit gefächerte Reihe von Interviewpartnern sowohl verschiedene Teilstreitkräfte, Persönlichkeiten, Werdegänge und Dienstgrade abzubilden und dabei einen Blick auf die Vielfalt an unterschiedlichsten Prägungen und Aufgaben zu bieten.
Im Teil 1 des Buches sind die Erlebnisse und Erkenntnisse zusammengefasst, die sich durch die monatelangen Recherchen ergeben und verdichtet haben. Sie erhalten eine kurze Orientierung zur Struktur der Bundeswehr, vor allem aber eine Einschätzung zu den zahlreichen Aufgaben und Menschen, die mir begegnet sind. Teil 2 des Buches enthält die jeweiligen Interviews mit den Gesprächspartnern sowie eine Reportage meines Besuches bei den Rekruten im Gebirgsjägerbataillon 232.
Im Einzelnen beleuchten die Interviews sowohl die übergreifenden strategischen Ziele für die Bundeswehr insgesamt (s. Kapitel 6), für das Heer (s. Kapitel 9) und das CIR (s. Kapitel 15) wie auch einzelne Aspekte aus den Teilstreitkräften und Organisationsbereichen: Die Marine und die Streitkräftebasis (s. Kapitel 14), die Sanität (s. Kapitel 16), die Luftwaffe (s. Kapitel 13). Um die Erfahrungen aus den Einsätzen in Afghanistan und Mali geht es in Kapitel 7. Die Gefahrenlage und Verwundung im Gefecht können Sie hautnah im 8. Kapitel miterleben. Daneben gibt es Einblicke in manche Truppengattungen wie der 1. Panzerdivision (s. Kapitel 10.2,), dem KSK und der Division Schnelle Kräfte (s. Kapitel 10.1) und den Gebirgsjägern (s. Kapitel 11.3 und 11.5). Ich beleuchte das militärische Nachrichtenwesen (s. Kapitel 12) und die psychologische Vorbereitung von Soldaten für die Gefahren einer Gefangennahme (s. Kapitel 11.4). Es kommen Frauen zu Wort (s. Kapitel 11.2 , 11.3 und 16), und verschiedene Facetten der Ausbildung werden aufgezeigt (s. Kapitel 11). Und schließlich gibt es die Sicht eines US-Generalleutnants a.D. und eines britischen SAS Unteroffiziers a.D. auf die Bundeswehr.
Die Auswahl der Interviewpartner ist dabei „Offizier-lastig“, was daran liegt, dass diese Personen bei Interviewanfragen von außen am ehesten sichtbar und ansprechbar sind. In der Reportage über das Gebirgsjägerbataillon 232 kommen jedoch auch Unteroffiziere und Mannschaftssoldaten wie auch Rekruten zu Wort und ergänzen ihre Sicht (s. Kapitel 11.5). Dennoch wird eine Verzerrung in meinen Schlussfolgerungen liegen, da die Auswahl der Gesprächspartner in diesem Buch nicht repräsentativ der Verteilung von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaftssoldaten in der Truppe entspricht. Wie in einem Konzern die Top-Führungskräfte nicht repräsentativ für die Kultur und die gelebten Werte der gesamten Belegschaft sein müssen.
Aber: Da sie Führungskräfte sind, werden sie durch ihr Wirken dazu beitragen, ihre Sicht auf Führung, Werte, Verhalten und Aufgaben den Soldaten aktiv zu vermitteln und sie in der Truppe zu verankern. Insofern sind sie Vorbild, Erzieher, Ausbilder – und damit zentral, wenn wir verstehen wollen, wie die heranwachsenden Soldaten geprägt werden.
Lassen Sie mich festhalten: Ich bin distanziert, neugierig und offen, aber neutral in dieses Projekt gestartet. Durch die vielen Gespräche, weit über die hier abgebildeten Interviews hinaus, hat sich meine Meinung zur Bundeswehr aber positiv verändert, haben die vielen Eindrücke ein höchst persönliches, positives Bild über die Menschen in der Truppe für mich ergeben.
Ich persönlich stehe der Bundeswehr daher nicht mehr neutral-distanziert gegenüber. Das gebe ich gerne zu. Mag dieses Vorwort eher Plädoyer sein und von Sympathie der Truppe gegenüber geprägt sein – die Interviews sind mit der nötigen Distanz durchgeführt worden und ermöglichen einen neutralen Blick auf den jeweiligen Gesprächspartner.
Und noch eine Bemerkung zur Form: Ich rede und schreibe, wie Sie bemerkt haben, der Lese(r)freundlichkeit halber durchgehend in der männlichen Form zum Beispiel von Soldaten, Kameraden und Lesern. Es versteht sich von selbst und bedarf keiner weiteren Betonung, dass damit durchgängig stets Soldatinnen und Soldaten, Kameradinnen und Kameraden, Leserinnen und Leser gemeint sind – was denn auch sonst?
In diesem Sinne: Möge jeder mit den folgenden Seiten seinen eigenen Blick auf die Truppe gewinnen. Ob positiv oder negativ, Hauptsache differenziert und aus einer echten Auseinandersetzung heraus. Dazu bietet dieses Buch einen Beitrag, indem es zahlreiche Personen zu Wort kommen lässt und sie näher vorstellt. Ein höchst menschlicher Blick hinter die Kulissen der Truppe, auf die Menschen in Uniform.
Ihnen gebührt unser Respekt. Wir sollten sie für ihren Einsatz, ihre Gewissenhaftigkeit und die Ernsthaftigkeit wertschätzen, mit der sie für die deutsche Verfassung im Einsatz sind und zu unserer Sicherheit in Deutschland beitragen. Denn: Sie. Dienen. Deutschland.
Wiebke Köhler, im September 2020
Die Eindrücke aus den Gesprächen mit meinen Interviewpartnern und den Besuchen bei der Truppe habe ich per Selfie festgehalten – vielleicht für den fotografischen Ästheten nicht die höchste Kunst, dafür umso stimmungsvoller und dynamischer. Mitten aus dem Leben. Mitten aus der Truppe.
Foto 1: Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, April 2020
Foto 2: Brigadegeneral Jürgen Brötz in Afghanistan, August 2020 (Rechte: Bundeswehr)
Foto 3: Brigadegeneral Jürgen Brötz im Interview, Juni 2020
Foto 4: Hauptfeldwebel Maik Mutschke bei seinem Interview, Juni 2020
Foto 5: Ex-MEDEVAC Pilot Jason LaCrosse, US Army, beim Interview, März 2020
Foto 6: Maik Mutschke und Jason LaCrosse, 2011
Foto 7: Generalleutnant Alfons Mais, Inspekteur des Heeres, beim Interview im Mai 2020
Foto 8: Generalmajor Alexander Sollfrank, Chef des Stabes im Kommando Heer, Juli 2020
Foto 9: Zu Besuch in der 1. Panzerdivision, Juni 2020 (Rechte: Bundeswehr, Fotograf Carl Schulze)
Foto 10: Generalmajor Jürgen-Joachim von Sandrart, Kommandeur der 1. Panzerdivision, Juni 2020 (Rechte: Bundeswehr, Fotograf Carl Schulze)
Foto 11: Oberst i.G. Ingo Korzetz, Kommandeur des deutschen Kontingents in Mali bis April 2020. (Rechte: Bundeswehr, Fotograf Philipp Hoffmann)
Foto 12: Generalmajor André Bodemann, Kommandeur Zentrum für Innere Führung, Bild aus seinem letzten Einsatz
Foto 13: Generalmajor Jürgen Setzer, Stellvertreter des CIR und CISO (Rechte Bundeswehr, Fotograf Sebastien Robelet)
Foto 14: Hauptmann Almut Gebert, Frühjahr 2020
Foto 15: Hauptmann Sandra Muth, Kompaniechefin im Gebirgsjägerbataillon 232, Kaserne Bischofwiesen, August 2020
Foto 16: Hauptmann Almut Gebert, Hauptmann Sandra Muth und ich, August 2020
Foto 17: Oberstleutnant Roland Goerz aus dem NATO Land Command, August 2020
Foto 18: Oberst i.G. Mario Thieme von der Luftwaffe, Unterabteilungsleiter im Personalamt
Foto 19: Kapitän zur See Michael Giss, Kommandeur Landeskommando Hamburg
Foto 20: Christian Schwarz, Oberstleutnant der Reserve, und Dr. Karl Kubowitsch, Juni 2020
Foto 21: Oberfeldarzt Karola Eggers im Einsatz
Foto 22: Generalleutnant a.D. Frederick Benjamin Hodges, ehemaliger Commanding General US Army Europe
Foto 23: Kaserne des Gebirgsjägerbataillon 232, Bischofswiesen, August 2020
Foto 24: Kaserne des Gebirgsjägerbataillon 232, Bischofswiesen, August 2020
Foto 25: Oberstleutnant Martin Sonnenberger, Kommandeur des Gebirgsjägerbataillons 232, August 2020
Foto 26: Der Übungsberg der Gebirgsjäger in Bischofswiesen
Foto 27: Antreten der Rekruten im Gelände, August 2020
Foto 28: Die Ausrüstung
Foto 29: Oberst Maik Keller, Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade 23, August 2020
„Man darf von Soldaten keine Wunder erwarten, denn: Wir sind keine Wunderheiler!“
Oberst i.G. Ingo Korzetz, Chef des Stabes der Deutsch-Französischen Brigade
„Ein Soldat, der den Krieg oder die sogenannte Bewährung im Gefecht sucht, ist mir im höchsten Maße suspekt.“
Generalleutnant Alfons Mais, Inspekteur des Heeres
„Unser Selbstverständnis ist, dass wir als verlässlicher Partner im Bündnis durch Abschreckung, Ausbildung und Unterstützung beitragen.“
General Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr
„Für die Landes- und Bündnisverteidigung ist Abschreckung das Kernelement.“
Generalleutnant Alfons Mais, Inspekteur des Heeres
„Als Stärke betrachte ich (…), dass die Bundeswehr eine gefestigte und stabile Einrichtung in unserer Demokratie ist – eine Armee, die fest verankert auch in der Bevölkerung ist und eben nur durch Parlamentsbeschluss aktiv wird.“
General Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr
„Natürlich wird ein Soldat alles tun, um sein Leben zu schützen, aber dennoch den Auftrag erfüllen, auch wenn sein Leben dabei bedroht sein sollte. Das ist gemeint, wenn wir von ‚Wir. Dienen.
Deutschland‘ sprechen.“
Generalmajor Jürgen-Joachim von Sandrart, Kommandeur 1. Panzerdivision
„Ich wünsche mir nicht, dass unsere Frauen und Männer in Uniform besser behandelt werden als andere. Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sollen nur wissen, dass sie sich auf die Bundeswehr verlassen können – egal, in welcher Lage.“
General Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr
„Ich erlebe auf lokaler Ebene viel Wertschätzung von der Bevölkerung.“
Kapitän zur See Michael Giss, Kommandeur des Landeskommandos Hamburg
Über die Soldaten im Heer: „Sie haben mein vollstes Vertrauen, weil sie in der Lage sind, aus so mancher Sch…situation immer noch Gold zu machen.“
Generalleutnant Alfons Mais, Inspekteur des Heeres
„Ich verstelle mich nicht, ich will auch nicht hofiert werden... Man muss seinem Team Authentizität und Ehrlichkeit vermitteln, auch Geradlinigkeit (…).“
General Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr
„Wenn Eile geboten ist, bleibt keine Zeit für langes Durchspielen von Szenarien. (…) Man muss abwägen und entscheiden – und dann mit den Konsequenzen dieser Entscheidung leben.“
Generalmajor André Bodemann, Kommandeur des Zentrums für Innere Führung
„Mich interessiert wirklich, was mir die Soldaten mitteilen (…).Wenn einem Dinge schöner dargestellt werden, als sie sind, kann man nichts verändern.“
General Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr
„(…) für mich ist es das Größte, eine Truppe zu führen und mit ihr konkret etwas zu bewegen. Am besten draußen im Gelände oder im Einsatz!“
Brigadegeneral Jürgen Brötz, bis August 2020 Kommandeur des deutschen Kontingents in Afghanistan im Rahmen der Mission RESOLUTE SUPPORT und Kommandeur der TAAC North
Über gelebte Werte: „For me, it is about camaraderie. There should be no ego involved. That is inadequate since you know that the line between life and death is very slim. Putting yourself in the danger zone to get your job done and to look after your crew – that is what matters most to me!“
Jason LaCrosse, Ex-MEDEVAC Pilot, US Army
„Führungskultur ist genauso wichtig wie Ausbildung und Material!“
Generalmajor André Bodemann, Kommandeur des Zentrums für Innere Führung
Fazit nach Einsätzen, über das, was wirklich zählt: „Dass es im Leben immer um Respekt und Vertrauen für den anderen geht.“
Oberstleutnant Roland Goerz, G2 Support Command, NATO Land Command
„Gute Führung bezeichnet den Willen, schlechte Führung konsequent zu sanktionieren (…).“
Generalmajor Jürgen-Joachim von Sandrart, Kommandeur 1. Panzerdivision
„Was ich nicht mag, sind ‚Raufaser-Typen‘, bei denen es keine erkennbare eigene Haltung, Meinung oder Widerstand gibt. Die sich durch übergroße Vorsicht und Risiko- und Fehlervermeidung, zigfaches Absichern und durchs Wegdelegieren auszeichnen.“
Generalmajor Jürgen-Joachim von Sandrart, Kommandeur 1. Panzerdivision
„Der Auftrag und das Wohl des Teams haben Vorrang vor dem jeweiligen Individualinteresse – und das gilt rund um die Uhr, 24/7.“
Generalmajor Jürgen Setzer, Stellvertreter Inspekteur des CIR und CISO
„Toleranz bedeutet, den Verdacht zu haben, dass der andere Recht haben könnte.“
Oberst i.G. Mario Thieme, Unterabteilungsleiter Personalführung Offiziere, Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr
„There is no room for egocentric attitude in the team – it is a team effort. People who will put themselves first will not be accepted.“
Generalleutnant a.D. Frederick Benjamin Hodges, ehemaliger Commanding General US Army Europe
„Ich habe eine Art Scharnierfunktion zwischen der Bundeswehr und dem politisch-parlamentarischen Raum.“
General Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr
„Der erste Gegner, mit dem es jeder Gebirgsjäger zu tun bekommt, ist man selbst. Gegen die Schmerzen anzugehen, zum Teil am Rande oder jenseits der eigenen körperlichen Grenzen, und voll funktionsfähig und kampffähig zu bleiben, das ist schon eine Herausforderung.“
Generalmajor Alexander Sollfrank, Chef des Stabes im Kommando Heer
„Insgesamt fühle ich mich hier pudelwohl. Mir gefällt die Abwechslung und die Vielfalt an Aufgaben, die immer wieder neuen Verwendungen, die Auslandseinsätze und die Multinationalität.“
Hauptmann Sandra Muth, Kompaniechefin im Gebirgsjägerbataillon 232
Zu der psychologischen Schulung von Soldaten für eine mögliche Gefangennahme:
„Das Ziel der Trainings ist, dass Soldaten solche Belastungen möglichst unverletzt, körperlich wie psychisch, überstehen.“
Oberstleutnant der Reserve Christian Schwarz, ehemaliger Waffensystemoffizier in der Luftwaffe
„Man übt bestimmte Reaktionsmuster und Möglichkeiten der Situationseinschätzung durch ‚Overtraining‘ ein, bis sie auch unter Extremstress abrufbar sind.“
Dr. Karl Kubowitsch
Zur Personalentwicklung: „Grundsätzlich haben wir einen Dreiklang an Kriterien, der für eine Karriereplanung und insbesondere die Förderung betrachtet werden: Eignung, Befähigung und Leistung.“
Oberst i.G. Mario Thieme, Unterabteilungsleiter Personalführung Offiziere, Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr
„Es werden alle Verletzten versorgt, egal, ob einer von ihnen eben noch eine Sprengung gegen uns gezündet hat.“
Oberfeldarzt Karola Eggers, Leiterin der Behandlungseinheit im Sanitätsversorgungszentrum Bergen
„Die Aufgabe hier in Afghanistan ist rein militärisch nicht lösbar. Die alles entscheidende Dimension ist die politische Stabilität.“
Brigadegeneral Jürgen Brötz, bis August 2020 Kommandeur des deutschen Kontingents in Afghanistan im Rahmen der Mission RESOLUTE SUPPORT und Kommandeur der TAAC North
„Mali gehört zur Sahel-Region, die eine große Bedeutung für die Stabilität in Afrika insgesamt hat. (…) Deshalb hat die dortige Lage auch Auswirkungen auf die Stabilität und Sicherheit in Europa und Deutschland.“
Oberst Ingo i.G. Korzetz, bis April 2020 Kommandeur des deutschen Kontingents in Mali, UN-Mission MINUSMA
Zur allerersten Patrouillenfahrt in Afghanistan: „Wir waren alle bestmöglich vorbereitet und ausgebildet. (…) Und dann wollten wir es auch endlich zeigen und uns im Einsatz bewähren. Das ist wie bei einer Prüfung, für die man viel gelernt hat.“
Hauptfeldwebel Maik Mutschke
„Man sieht sofort, wer diesem Stress (im Gefecht) standhält. Der eine ist gelähmt vor Angst, der andere nicht. Ich hatte komischerweise vor allem Hunger (…).“
Hauptfeldwebel Maik Mutschke
Im Gefecht: „Da agiert und schießt man einfach. Man funktioniert, arbeitet sein Schema runter und: Attacke!“
Hauptfeldwebel Maik Mutschke
„Die Grenzerfahrungen jenseits der eigenen Komfortzone lassen einen wachsen und reifen.“
Hauptmann Almut Gebert im Amt für Heeresentwicklung
Zu der Sicht auf den deutschen Alltag nach einer Einsatzerfahrung: „Ich habe erkannt, was ich alles nicht brauche, zum Beispiel zehn verschiedene Nudelsorten.“
Hauptmann Sandra Muth, Kompaniechefin im Gebirgsjägerbataillon 232
Auf die Frage, warum er sich in einem Einsatz engagiert: „Damit die Dinge, die hier passieren, nicht in meinem Land (Deutschland) passieren!“
Oberstleutnant Roland Goerz, G2 Intel Support Command, NATO-Land Command
„War changes everything. I saw things which I wish I never saw.“
Jason LaCrosse, Ex-MEDEVAC Pilot, US Army
Über die Zeit in der British Army, beim SAS: „Es war eine der schönsten Phasen in meinem Leben, trotz der Entbehrungen. Es ging darum, einfach weiterzumachen, durchzuhalten. Das ist eine Frage des Willens. Die Zeit beim SAS hat das Beste von mir zutage gefördert, was ich aus mir machen konnte.“
Mike, Ex-Unteroffizier beim SAS, British Army
„Wir haben Top-Frauen bei uns in der Truppe, die geistig und körperlich super fit sind – mitunter fitter als die Männer.“
General Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr
„Frauen haben ihre hundertprozentige Berechtigung in den Streitkräften.“
Hauptmann Almut Gebert im Amt für Heeresentwicklung
Zu Homosexualität und Frauen in der Truppe: „Mir ist es völlig egal, welche sexuelle Ausprägung oder welches Geschlecht jemand hat. Für uns zählt der Auftrag. Wenn ich gegen feindliches Feuer anstürme (…) stehe ich immer auch für den Nebenmann, die Nebenfrau ein und umgekehrt.“
Kapitän zur See Michael Giss, Kommandeur des Landeskommandos Hamburg
Ganz ehrlich? Noch vor einem Jahr war ich der typische Zivilist. Ich hatte kaum Berührungspunkte mit der Bundeswehr über das hinaus, was ich in den Medien lesen konnte. Ich musste mich erst ins Thema einarbeiten – das müssen Sie nicht!
Sie können auch gleich zu den Interviews springen, die lebhaft, unterhaltsam und informativ sind. Viele Probeleser waren jedoch so angeregt durch die Thematik, dass sie mehr wissen wollten. Damit steigert sich der Genuss, aber auch das Verständnis und der Informationsgehalt der folgenden Kapitel beträchtlich.
Denn es ist schon erstaunlich, wie wenig wir „typische Zivilisten“, die nie gedient haben und auch ansonsten keinerlei Berührung mit der Bundeswehr hatten, über die Soldaten wissen.
Oder wie ein Leser der ersten Tage sagt: „Eigentlich etwas blamabel. Diese Menschen in Uniform schützen unsere Sicherheit und Freiheit – und wir haben so gut wie keine Ahnung, was oder warum sie das tun.“ Dem helfen die folgenden Seiten ein wenig ab.
Im Schnelldurchlauf.
Jedem Bundesbürger ist bewusst, dass es bei der Bundeswehr das Heer, die Luftwaffe und die Marine gibt. Das ist bekannt. Auch, dass das Heer eine Panzertruppe hat, ist sicher den meisten vertraut. Doch welche komplexe Vielzahl an weiteren Institutionen und Funktionen sowie welchen ausgewachsenen Ministeriumsapparat es dahinter noch gibt – das ist nicht jedem in dieser Tiefe bewusst.
Das Ziel dieses Buches ist nicht, das äußerst komplexe Gebilde der Bundeswehr im Detail zu erläutern. Mal abgesehen davon, dass ich sicher bin, die Bundeswehr selbst nach dieser intensiven Auseinandersetzung in ihrer umfassenden Komplexität nicht vollständig erfasst zu haben. Jeder Tag und jedes Gespräch mit den Soldaten bringt weitere, neue Erkenntnisse. Es ist ganz erstaunlich, was man „alles über die Truppe“ wissen kann – und noch lange nicht alles weiß. Selbst die in diesem Buch befragten Mannschaftssoldaten, Unteroffiziere und mancher Offizier zog beim Lesen der Interviews an der einen oder anderen Stelle erstaunt die Augenbrauen hoch: „Das habe ich bisher auch nicht gewusst!“ Das zeigt nur, wie groß das „Unternehmen“ Bundeswehr mit seinen gut 185.000 Soldaten (dazu kommen noch die zivilen Angestellten und Reservisten) ist – und wie komplex selbst für diejenigen, die in ihr dienen.
Zum Glück gibt es mittlerweile eine gut gemachte Bundeswehr-Webseite und als weitere Schützenhilfe ein sehr hilfreiches Handbuch, das mir frühzeitig empfohlen wurde – und das auch ich jedem interessierten Leser weiterempfehlen möchte.
Welches Handbuch?
Es gibt tatsächlich ein „Handbuch der Bundeswehr und der Verteidigungsindustrie“, das alle zwei Jahre erscheint und sozusagen der Brockhaus der Truppe ist. Es ist im Buchhandel frei erhältlich.
Darin erfährt man viel über die gesetzlichen Grundlagen und Aufgaben der Bundeswehr sowie über die Institutionen rund um den Wehrbeauftragten, den Verteidigungsausschuss sowie über die politischen Grundsätze für den Export von Rüstungsgütern. Es gibt einige Informationen zur Sicherheitspolitik sowie zu den Lebensläufen leitender Personen der Verteidigung. Das umfasst sowohl die Werdegänge der Personen im Verteidigungsausschuss wie auch die oberste Führungsebene in der Bundeswehr. Daneben erhält der Leser eine umfassende Übersicht zur Struktur der Bundeswehr mit allen Institutionen, Organisationen und Zuständigkeiten. Auch werden die einzelnen Teilstreitkräfte vorgestellt. Man erfährt viel über Einsätze, multinationale Großverbände, Waffensysteme und Ausrüstung sowie zur Ausbildung der Truppe.
Auch gibt es den Ausbildungsratgeber „Der Reibert“, der als Nachschlagewerk hilfreich ist.
Keine Bange: Jetzt kommt kein Exzerpt aus einem der dicken Handbücher – die in Fülle und Substanz unvergleichlich sind – sondern es folgen lediglich ein paar grobe Linien zur ersten Orientierung für all jene, denen die Bundeswehr im Grunde komplett fremd ist.
Seltsame Frage – natürlich garantiert sie die nationale Sicherheit, unsere Freiheit und damit, strategisch betrachtet, die Nachhaltigkeit unseres Wohlstands, unserer Werte und unserer rechtsstaatlichen Ordnung. Das Grundgesetz stellt die höchste Legitimationsgrundlage für die Bundeswehr dar. Sie dient Deutschland, um den bekannten Slogan zu zitieren. Dass sie das macht, ist weitgehend bekannt.
Offiziell: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ So legt es Artikel 87a des Grundgesetzes fest. Während des Kalten Krieges war damit vor allem die Abwehr eines unmittelbaren Angriffs auf Deutschland und ihrer Partner in der NATO, der Schutz des Bündnisgebietes und der Bevölkerung vor einem potenziellen Aggressor gemeint. Heute umfasst der Begriff „Verteidigung“ mehr: Beispiele hierfür sind neue Herausforderungen wie Cyber-Bedrohungen und internationaler Terrorismus.
Im Einzelnen ist die Bundeswehr mit der Landes- und Bündnisverteidigung und mit internationalem Krisenmanagement beauftragt, die die Sicherheit Deutschlands gefährden. Daneben unterstützt die Bundeswehr bei nationalen Naturkatastrophen und Unfällen zum Schutz von Bevölkerung und der Infrastruktur. Auch sichert sie im Falle internationaler Naturkatastrophen mit der internationalen Katastrophenhilfe das Überleben der lokalen Bevölkerung.
Wie auf der Webseite der Bundeswehr nachzulesen ist: Die Verteidigung ist der wichtigste Auftrag der Bundeswehr. Während bei der Landesverteidigung der Bevölkerungsschutz auf dem deutschen Hoheitsgebiet im Fokus steht, arbeitet die Bundeswehr bei der Bündnisverteidigung eng verzahnt mit den Streitkräften anderer Nationen zusammen – und kämpft dabei unter Umständen auch auf deren Territorium.
Abgeleitet aus ihrem Auftrag verteidigt die Bundeswehr somit Deutschland, dessen Staatsbürger sowie Bündnispartner und schreckt potenzielle Gegner ab. Neben der Verteidigung des deutschen Hoheitsgebiets und Maßnahmen zur Abschreckung, Friedenssicherung und strategischen Stabilität nimmt die Bundeswehr laut Weißbuch dabei folgende Aufgaben wahr:
Abwehr von Angriffen auf das Hoheitsgebiet von Bündnispartnern
Abwehr terroristischer und hybrider Bedrohungen
Festigung der transatlantischen und europäischen Verteidigungsfähigkeit
Rückversicherung und Unterstützung von Bündnispartnern im Rahmen der Bündnissolidarität
Das Weißbuch beinhaltet den Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr. Es ist das oberste sicherheits- und verteidigungspolitische Grundlagendokument, das von der deutschen Bundesregierung herausgegeben wird. Im Weißbuch sind die Grundzüge und Ziele deutscher Sicherheitspolitik formuliert, die sich aus verfassungsrechtlichen Vorgaben sowie Deutschlands Interessen, Werten und strategischen Prioritäten ableiten.
Derzeit ist die Bundeswehr in dreizehn Auslandseinsätzen auf drei Kontinenten mit insgesamt viertausend Soldaten engagiert. Mit der Beteiligung an Auslandseinsätzen leistet die Truppe einen wesentlichen Beitrag zu weltweiter Sicherheit und Stabilität. Die deutschen Soldaten bilden malische, irakische, afghanische und libanesische Streitkräfte aus. In weiteren Einsätzen beraten sie die nationalen Sicherheitsbehörden und sorgen für die sanitätsdienstliche Versorgung. Sie überwachen verschiedene Seegebiete und verhindern so zum Beispiel Piraterie.
Neben den internationalen Militäreinsätzen beteiligt sich die Bundeswehr im Rahmen ihrer NATO-Partnerschaft auch an anerkannten Missionen. Sie ähneln Einsätzen, sind ihnen aber rechtlich nicht gleichgestellt, da sie nicht vom Bundestag beschlossen werden. Mit diesen Missionen sowie durch gemeinsame NATO-Übungen trainiert und stärkt die Bundeswehr ihre Einsatzbereitschaft und die gemeinsame Fähigkeit zur Bündnisverteidigung. Anerkannte Missionen sind zum Beispiel die ENHANCED FORWARD PRESENCE in Litauen und die AIR POLICING BALTIKUM.
Was sie macht, haben wir eben gesehen. Wie sie das macht, ist interessant, weil es an eine ganz „normale“ Wertschöpfungskette eines Wirtschaftsunternehmens erinnert. Es ist sozusagen die Wertschöpfungskette der nationalen Sicherheit unter anderem mit den Kettengliedern:
Auf strategischer Ebene die Analyse der Sicherheitspolitik weltweit sowie die Planung militärischer Aufgaben und Einsätze: Dabei wird die weltweite Sicherheitslage analysiert und für Deutschland im Weißbuch festgehalten. Daraus leiten sich das Erstellen militärischer Lagebilder und zukünftiger Szenarien sowie der dafür benötigten Investitionen für Material und Personal ab.
Militärische Entscheidungen in Einsätzen basieren auf einer umfangreichen Faktenbasis, die aus zahlreichen Quellen stammt. Zum einen ist hier das CIR beteiligt, daneben auch die Nachrichtendienste des eigenen Landes wie auch die Dienste befreundeter Nationen. Auch werden die eigenen Truppen wie auch Soldaten befreundeter Nationen nach ihren Informationen zum jeweiligen Lagebild vor Ort befragt. Es gibt auch das militärische Nachrichtenwesen, das mit der Einheit der Feldnachrichtenkräfte zum Beispiele Kriegsgefangene verhören und so weitere Informationen erfragen kann. Aus diesen Informationsbausteinen ergibt sich eine möglichst präzise Lageeinschätzung, die für strategische, operative und taktische Ziele und Aufträge verwendet wird.
Daneben gibt es die eigentlichen Einsatzkräfte bestehend aus den Teilstreitkräften Heer, Luftwaffe und Marine. Sie sind in eigenen Einheiten organisiert, zum Beispiel als Kampfpiloten, Minentaucher oder auch Fallschirmjäger. Im Heer allein gibt es 10 verschiedene Truppengattungen inklusive der Spezialkräfte, die sich aus dem Kommando Spezialkräfte (KSK), den Marinekampfschwimmern (KSM) und dem Hubschraubergeschwader 64 der Luftwaffe zusammensetzen.
Auch umfassen die Dienstleistungen umfangreiche psychologische und technische Schulungen: auf Geräten, für Einsätze, für Verhöre und Gefangennahmen.
Daneben unterhält die Bundeswehr, wie jedes andere Unternehmen auch, Unterstützungseinheiten wie zum Beispiel Personalmanagement, IT und Sicherheit, Logistik, Ausbildung, die Presse- und Informationszentren, Marketing und die Beschaffungsämter.
Der Militärische Abschirmdienst ist für die Abwehr von Gefahren für die Bundeswehr – das Personal, die Geräte, die Liegenschaften – zuständig, von innen wie von außen (übrigens nicht für das Verhören von Kriegsgefangenen).
Der Vollständigkeit halber: Neben den skizzierten Bereichen unterhält die Bundeswehr natürlich auch die beiden Bereiche Rüstung und Verwaltung.
Es ist ganz erstaunlich, dass wir entweder noch nie viel über die Bundeswehr wussten oder aber vieles seit dem Schulunterricht vergessen haben. Ich vermute, die Hälfte jener Menschen, die es abwegig finden, dass die Bundeswehr im Ausland im Einsatz ist und Zivilisten vor Bedrohungen durch Terrororganisationen beschützt, hat vergessen, dass nicht die Generäle (die Bundeswehr würde von Generalen sprechen) die Entsendung von Soldaten befohlen haben, sondern der Bundestag das Mandat dafür ausgestellt hat.
Die Bundeswehr wurde von den Gründungsvätern der Republik nach den Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg ganz bewusst als Parlamentsarmee konzipiert.
Das ist kein Welt-Standard, das machen andere Länder anders. Das heißt für die Bundeswehr jedoch: Ohne Bundestagsbeschluss verlässt kein Soldat das Bundesgebiet.
Wie wir gesehen haben: Die vordringlichsten Aufgaben der Bundeswehr sind die Landes- und die Bündnisverteidigung in der NATO sowie die Unterstützung an Einsätzen und klar umrissenen Hilfsmissionen im Rahmen von UN-Mandaten, in NATO- bzw. EU-Missionen oder im Rahmen der sogenannten Koalition der Willigen (Coalition of the Willing). Letztere bezeichnete eine Allianz von Staaten, die den Angriff der USA im Frühjahr 2003 auf den Irak im Dritten Golfkrieg politisch und militärisch unterstützten, zum Beispiel Großbritannien, Italien und die Niederlande. Seitdem versteht man darunter eine Allianz von Staaten, die eine bestimmte Mission unterstützen.
Das war nicht immer so. Denn bis Anfang der Neunzigerjahren war die Bundeswehr „nur“ im Inland eingesetzt, nicht an ausländischen Einsätzen und Missionen beteiligt. Dann änderte sich die Welt. Nicht nur wegen der deutschen Wiedervereinigung.
Seit dem ersten Golfkrieg ist die Bundeswehr auch an Auslandseinsätzen im Rahmen von NATO- oder UN-Mandaten im Ausland beteiligt. Seit 1996 nimmt die Bundeswehr – das war ein Novum damals – regelmäßig an Einsätzen und Missionen teil, unter anderem in Afghanistan (Operation ENDURING FREEDOM, ISAF, danach RESOLUTE SUPPORT; diese Mission läuft heute noch), auf dem Balkan (SFOR/KFOR), in Mali (UN-Mission MINUSMA und Europäische Trainingsmission EUTM) und im Irak.
Die Missionen und Einsätze haben immer unterschiedliche Aufträge und Ziele. Die Einsätze werden stets vom Bundestag beschlossen, der auch die Größe des deutschen Kontingents regelt. Auch beschließt der Bundestag die Rules of Engagement, das heißt die konkreten Rahmenbedingungen für das entsendete Kontingent an Soldaten, unter denen ein Auftrag auszuführen ist. Bei den Aufträgen handelt es sich zum Beispiel um Ausbildungsmissionen, um Stabilisierungseinsätze mit Aufklärungsaufträgen zur Gesamtlage, um Führungs-, Verbindungs-, Beobachtungs- oder Beratungsaufträge. Eher selten war die Bundeswehr bisher in Einsätzen zu aktiver Terrorismusbekämpfung eingesetzt, zum Beispiel bei der Operation ENDURING FREEDOM 2001 – abgesehen von den geheimen Missionen der Spezialkräfte. Auch wird festgelegt: Darf geschossen werden oder nicht? Und wenn ja, wann?
Ein „robustes“ Mandat bedeutet zum Beispiel: Die Bundeswehr darf militärische Gewalt anwenden, im Klartext: der Soldat darf schießen, wenn sich eine Gefahr ankündigt und diese mit einem Schuss abgewendet werden kann. Das Ziel muss immer sein, dass durch die Anwendung von Gewalt die im Mandat niedergelegten Ziele erreicht werden können.
In anderen Einsätzen sind die Mandate nicht so robust. Dann ist Schießen nur rein defensiv erlaubt, um sich zu verteidigen bzw. wenn der Gegner zuerst geschossen hat, um das eigene Leben oder das der Kameraden zu schützen.
In den Jahren von Mitte der 90er Jahre bis 2014 war die Bundeswehr an diversen Auslandseinsätzen beteiligt. Die Aufgaben der Landes- und Bündnisverteidigung rückten in diesem Zeitraum ein wenig in den Hintergrund. Seit der Annexion der Krim durch Russland 2014 ist diese Aufgabe dagegen wieder stärker in den Vordergrund gerückt. So hat Deutschland mit der Bundeswehr die Führung der Battle Group in Litauen im Rahmen der Mission ENHANCED FOR-WARD PRESENCE an der Außengrenze der NATO übernommen und sichert, zusammen mit anderen Nationen, die Ostflanke der NATO.
Bei der Diskussion über die Bundeswehr sollten wir das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) und die Bundeswehr gedanklich voneinander trennen. Die Bundeswehr untersteht dem Ministerium, ist aber nicht zwingend und durchgängig in Meinung und Orientierung ein „Abziehbild“ des Ministeriums.
Oberster Dienstherr im BMVg ist kein General, sondern die Verteidigungsministerin. Sie wird von zwei beamteten Staatssekretären (Benedikt Zimmer und Gerd Hoofe) und zwei parlamentarischen Staatssekretären (aktuell sind das Peter Tauber und Thomas Silberhorn) unterstützt.
Danach folgt in der Hierarchie der Generalinspekteur der Bundeswehr, der erste und oberste Soldat im Staat. Ihm unterstehen die Inspekteure der drei Teilstreitkräfte, im Einzelnen der
Inspekteur Heer
Inspekteur Luftwaffe
Inspekteur Marine
Daneben gibt es noch weitere Organisationsbereiche mit eigenen Inspekteuren, vor allem diese:
Streitkräftebasis (SKB)
Cyber- und Informationsraum (CIR)
Sanität
Dem Generalinspekteur der Bundeswehr untersteht auch das Einsatzführungskommando (EFK). Alle Einsätze der Bundeswehr werden grundsätzlich vom Einsatzführungskommando der Bundeswehr in der Henning-von-Tresckow-Kaserne in Geltow bei Potsdam geplant und geführt.
Dazu auf der Bundeswehr-Webseite nachzulesen: „Die Aufstellung des Kommandos im Sommer 2001 war zentrales Element einer grundlegenden Erneuerung der Bundeswehr. Es ist die operative Führungsebene der Bundeswehr und gibt als einzige Dienststelle nationale Weisungen an die Führer der deutschen Kontingente in den Einsatzgebieten in fremden Ländern, zum Beispiel in Mali.
Das Einsatzführungskommando stellt sicher, dass der Einsatz deutscher Kräfte mandatskonform erfolgt und die Rechtsnormen der Bundesrepublik Deutschland nicht verletzt werden. Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr trägt gegenüber dem Generalinspekteur der Bundeswehr die Verantwortung für die Führung der ihm unterstellten Einsatzkräfte.“
Das bedeutet nichts anderes als: Die Zuständigkeit der Inspekteure der Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe und Marine endet an der bundesdeutschen Grenze. Mit dem Überschreiten der Grenze findet ein „Transfer of Authority“ statt. Sobald ein Kontingent an Soldaten in einen Einsatz entsandt wird, übernimmt das Einsatzführungskommando die Zuständigkeit für diese Soldaten.
Auch vorher stellt das Einsatzführungskommando sicher, dass das zu entsendende Kontingent mit denjenigen Soldaten ausgestattet wird, die den Fähigkeiten und dem Ausbildungsstand sowie der Personalstärke entsprechen, die durch das Mandat gefordert sind und vom Bundestag bewilligt wurden. Auch stellt es sicher, dass das Kontingent mit dem Material ausgerüstet wird, das mandatskonform ist.
Das deutsche Kontingent wird vor Ort einem Kommandeur der gesamten Einsatzes unterstellt. Welches Land Führungsnation in einem Einsatz ist, entscheidet der Führungskreis des Auftraggebers.
Auftraggeber können sein: die NATO, die EU, die UN oder auch die Koalition der Willigen. Die jeweils bestimmte Führungsnation stellt den Kommandeur des Einsatzes. Der Kommandeur führt alle Soldaten vor Ort, die eigenen wie die aus anderen Nationen, denn die Einsätze bestehen häufig aus multinationalen Kontingenten mit Soldaten aus über zwanzig Nationen. Der Kommandeur des gesamten Einsatzes berichtet an den Auftraggeber und stellt sicher, dass dessen Weisungen umgesetzt werden. Auch hat er die Befehlsgewalt über die taktischen Einsätze vor Ort, da er über das lokale Lagebild verfügt. Er entscheidet zum Beispiel darüber, ob eine Patrouille durchgeführt wird, welche Wege genutzt werden, welches Gebiet an einem bestimmten Tag patrouilliert werden soll.
Nun ergibt sich eine Art doppelter Berichtslinie: der Kommandeur des Einsatzes – wie zum Beispiel Brigadegeneral Jürgen Brötz bis August 2020 im Norden Afghanistans für die TACC NORTH verantwortlich – berichtete zum einen an US-General Austin S. Miller, der die Mission RESOLUTE SUPPORT mit neun Kommandos komplett verantwortet, zu der auch die TACC NORTH zählt. Zudem berichtete Brötz an das Einsatzführungskommando. Letzteres mischt sich in die taktischen Entscheidungen vor Ort solange nicht ein, wie der Einsatz mandatskonform abläuft und die sogenannten „national caveats“, das heißt die jeweiligen länderspezifischen Besonderheiten der Entsendung von Soldaten, eingehalten werden.
Anders auf den Punkt gebracht: die „operational control“ über Material und taktische Einsätze liegt beim jeweiligen multinationalen Kommandeur vor Ort, die „full control“ über das deutsche Kontingent obliegt dem Einsatzführungskommando in Potsdam.
Die Bundeswehr ist ein großer Arbeitgeber. Es gibt aus deutscher Sicht nur wenige andere Konzerne, die gleich viele oder mehr Beschäftigte aufweisen als die insgesamt ca. 294.000 Mitarbeiter (185.000 Soldaten, fast 80.000 zivile Angestellte plus 29.000 Mann aktive Reserve).
Wie gesagt: Von Heer, Luftwaffe und Marine hat jeder schon mal was gehört. Dass es daneben noch weitere Organisationsbereiche gibt, die elementar sind, davon wissen nur die wenigsten: die Streitkräftebasis (SKB), den Sanitätsdienst und den Cyber- und Informationsraum (CIR). Diese drei Bereiche sind Organisationseinheiten und nicht Teilstreitkraft, denn sie sind mit Soldaten aus den drei Teilstreitkräften Heer, Luftwaffe und Marine besetzt.
Jede Organisationseinheit hat ein Kommando, das von einem Inspekteur geführt wird, und hat daneben einen festen Stellvertreter. Jede Einheit besitzt einen eigenen Stab und ein eigenes Presse- und Informationszentrum (PIZ).
„Reservist“ hört sich für uns Zivilisten erst mal wie „Auswechselspieler“ an – was nur wieder zeigt, wie wenig Ahnung das zivile Leben von der eigenen Sicherheit hat. Die Wahrheit ist: Die Bundeswehr funktioniert auch deshalb, weil 29.000 aktive Reservisten mit anpacken – und viele Tausend weitere, die derzeit nicht aktiv sind.