Führen im Grenzbereich - Wiebke Köhler - E-Book

Führen im Grenzbereich E-Book

Wiebke Köhler

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Beschreibung

Viele Führungskräfte sind ob ihrer Rolle und Aufgabe verunsichert. Nicht nur wegen der VUCA-Welt, sondern auch wegen der Digitalisierung, Globalisierung und Selbstorganisation. Die häufig gestellte Frage: Braucht es Führungskräfte noch? Klare Antwort: Ja! Das zeigt dieses Buch: Was macht gute Führung aus, wie sehen Führungsprinzipien aus, wie funktionieren Kommunikation, Konfliktlösung, Umgang mit Unsicherheit? Welche Werte werden vorgelebt? Wie entsteht ein Gemeinschaftsgeist? Diesen Fragen geht die Autorin anhand von Interviews mit ausgewählten Führungspersönlichkeiten aus Grenzbereichen auf den Grund: Piloten, Intensiv- und Notfallmediziner, Offiziere, GSG 9er, Unternehmer, Wissenschaftler. Das Buch bietet einen Einblick in Krisen und Grenzbereiche, die alle unterschiedlich sind - und dennoch einen gemeinsamen Erfahrungsschatz für Führung liefern, der in jeden Unternehmenskontext übertragbar ist. Auch gibt es ein Corona-Special mit Dr. Willi Schmidbauer, Klinischer Direktor für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin aus dem Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz.

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Seitenzahl: 351

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Über die Autorin

Wiebke Köhler

Wiebke Köhler arbeitete während ihrer beruflichen Laufbahn in den Top Management Beratungen Roland Berger und McKinsey & Co. Als Partnerin im Executive Search begleitete sie internationale, globale Konzerne bei der Besetzung von Vorstandspositionen und bekleidete zuletzt selber die Position als Personalvorstand bei der AXA Konzern AG in Deutschland. Sie ist Gründerin und CEO der Top Management Beratung impactWunder und unterstützt Konzerne und Mittelständler in Fragen des Kultur- und Machtwandels und in der Führungskräfteentwicklung.

Widmung

Dieses Buch ist allen deutschen Soldaten gewidmet, die in Auslandseinsätzen gefallen sind. Darüber hinaus gilt meine allerhöchste Wertschätzung allen ehemaligen und aktiven Soldaten, insbesondere dem Kommando Spezialkräfte: Danke für Eure große Einsatzbereitschaft, Euer Können und die Bescheidenheit, mit der Ihr dient!

FACIT OMNIA VOLUNTAS

Inhalt

Vorwort und Dank

Interviews aus den Grenzbereichen

Kommando Spezialkräfte – der Wille entscheidet!

Pressestelle und Kommandosoldaten des KSK

Die vielen Seiten der Führung

Brigadegeneral Boris Nannt, Direktor Strategie & Fakultäten, Führungsakademie der Bundeswehr

Im Notfalleinsatz – die Lebensretter

Dr. Marissa Polac, Fachärztin, Asklepios Klinik Hamburg

Wenn’s brenzlig wird – die GSG 9

Jerome Fuchs, Kommandeur der GSG 9, Bundespolizei

Kerosin in den Adern – Führung bei der Luftwaffe

Brigadegeneral Holger Neumann, Direktor Ausbildung, Führungsakademie der Bundeswehr

Die Fallschirmjäger – Soldaten mit einer Mission

Oberst Markus Meyer, Kommandeur FallschirmjägerRegiment 26

Zivile Krisenlage – Führung durch den Dieselskandal

Hiltrud Werner, Konzernvorstand Integrität & Recht, Volkswagen Group

Wie Offiziere gemacht werden

Oberst Johannes Derichs, Kommandeur der Offizierschule des Heeres

In der Luft – aus dem Cockpit der zivilen Luftfahrt

Holger Boehnke, Commander Langstrecke, Europäische Fluggesellschaft

Katastrophenlagen in Krankenhäusern

Oberstarzt Dr. Willi Schmidbauer, Klinischer Direktor, Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz

Auf hoher See – Führung bei der Marine

Fregattenkapitän Markus Gansow, Kommandant des Einsatzgruppenversorgers BONN

Weibliche Führung und Frauenförderung

Monika Schulz-Strelow, Präsidentin FidAR

Digitalisierung und moderne Führung

Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyber- und Informationstechnik, Bundesministerium der Verteidigung

Grenzbereiche Luftwaffe und Russland

Quirin Wydra, ehemaliger Kampfpilot Luftwaffe und Unternehmer

Führen in der Wissenschaft

Prof. Dr. Birgitta Wolff, Präsidentin Universität Frankfurt

Learnings für den Unternehmensalltag

Zusammenfassung: Die Top10 zur Führung im Grenzbereich

Führen mit Haltung und Charakter

Was gute Führung ausmacht: Ausgewogenheit zwischen den Extremen

Auf einen Blick: Top-Verhaltensweisen für Grenzsituationen und Krisen

Was konkret im Unternehmensalltag zu tun ist

10 überraschende Erkenntnisse zur Bundeswehr

Zum guten Schluss

1. Vorwort und Dank

Dieses Buch entstand aus der Erkenntnis heraus, dass die meisten Menschen ein starkes Interesse an und ein großes Bedürfnis nach Führung haben.

Wir alle müssen, sollen oder wollen in bestimmten Lebensabschnitten Führung übernehmen: im Unternehmen, in der Projekt- oder Arbeitsgruppe, in Gesellschaft, Ehrenamt, Verein oder Familie. Wir führen oder werden geführt – meist beides zugleich. Und nicht immer führen wir gut, geschweige denn exzellent, oder werden gut geführt. Kein Wunder: Wir lernen an der Schule Lesen, Schreiben und Rechnen – nicht Führung.

Führung wird in vielen Unternehmen in Form von Führungskräfteseminaren gelehrt. Diese finden aber in vielen Unternehmen nur einmalig und nicht nachhaltig statt. Zudem wird meist implizit erwartet, dass eine Führungskraft nach einem dreitägigen Führungskräfteseminar Experte in Sachen Führung geworden ist. Meiner Erfahrung nach herrscht daher bei vielen Führungskräften eine starke latente Verunsicherung, was genau von ihnen als Führungskraft erwartet wird und wie gute Führung in der globalisierten, digitalen VUKA-Welt aussieht. Daneben kommen weitere Trends auf, wie zum Beispiel der zur Selbstorganisation, die Führungskräfte weiter in ihrer Rolle verunsichern. Aus diesem Grund wollte ich als Autorin untersuchen, aus welchen Elementen gute Führung besteht und was gute Führung ausmacht.

Dabei ging und geht es nicht um die reine Lehre, um eine akademische Untersuchung dieser Frage, sondern im Gegenteil um einen Praxisbericht von Menschen, die als herausragende Führungskräfte mit eigenem Beispiel täglich vorangehen und als Vorbild dienen. Es geht darum, von den Besten zu lernen und daraus Schlüsse für die Managementpraxis zu ziehen.

Insbesondere interessierten mich die Grenzbereiche der Führung. Das sind Grenzbereiche, in denen es zum Teil ums Überleben geht, zumindest aber um höchst kritische Sicherheitslagen. Denn eine Führung, die sich in Extremsituationen bewährt und auszeichnet, ist sicher auch relevant für Führung im Unternehmensalltag.

Da Grenzsituationen häufig das Verhalten, die Werte und Prinzipien des eigenen Handelns herauskristallisieren, die in alltäglichen Situationen so nicht oder nur bedingt sichtbar werden, war schnell klar, dass es galt, genau diese Situationen aufzuspüren. Auch weiß man aus der Forschung, dass Personen immer dann am besten lernen, wenn das Lernen jenseits der eigenen Komfortzone stattfindet. Für mich als Top Management Beraterin sind damit die in diesem Buch beschriebenen Grenzbereiche jenseits der eigenen Komfortzone angesiedelt und damit höchst aufschlussreich für die Ableitung von Erkenntnissen zum Thema Führung.

So sind in diesem Buch besonders die Persönlichkeiten zu Wort gekommen, die in genau diesen Grenzbereichen führen – sei es im Ehrenamt, im Krankenhaus auf Intensiv- und Notfallstationen, im Cockpit von Linienmaschinen, bei den Sicherheitskräften von Bundespolizei und Bundeswehr, in Krisenlagen wie dem Dieselskandal bei Volkwagen oder auch in der Wissenschaft.

Daneben haben wir auch weibliche Führungspersönlichkeiten zu ihren Führungsprinzipien befragt, da sich in einer immer noch männerdominierten Wirtschaftswelt die Frage danach stellt, wie und womit sich weibliche Führungstugenden von männlichem Führungsverhalten unterscheiden. Auch Frauen bewegen sich manchmal in rein männlichen Umfeldern in so etwas wie einem Grenzbereich – so fühlt es sich jedenfalls für viele Frauen an.

Insgesamt erhebt dieses Buch weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf „den Stein der Weisen“ zum Thema Führung. Die einzelnen Interviews sind höchstpersönliche Berichte aus verschiedenen Grenzbereichen, die selbstverständlich so nicht komplett auf jede einzelne Führungskraft und jeden Wirtschaftskontext übertragbar sind.

So sind die Spezialkräfte der Bundespolizei – die GSG 9 – und das KSK (Kommando Spezialkräfte) der Bundeswehr – relativ kleine, in sich homogene, auf der normalverteilten Kurve der Leistungsfähigkeit rechtsschiefe, weil extrem leistungsstarke Spezialeinheiten, die auch altersbedingt nur einen kleinen Ausschnitt der bundesdeutschen Alterspyramide abdecken. Insofern sind nicht alle hier angewendeten Erfahrungen auf eine normalverteilte Belegschaft eines typischen deutschen Konzerns übertragbar, in welcher High- und Low-Performer aller Altersstufen zu finden sind.

Allerdings eint alle Erfahrungsberichte das Vorkommen ausgezeichneter Führungsprinzipien und -stile sowie erprobter Methoden zum Aufbau eines Teamgeistes und eines besseren Gemeinschaftsverständnisses, die sehr wohl in den Unternehmensalltag übertragen werden können.

Dieses Buch will mit den anschaulichen Erfahrungsberichten unterhalten und en passant Ideen und Ansätze vermitteln, wie gute Führung und Sinnstiftung (neudeutsch: Purpose) in Unternehmen gelingen. Die Interviews stehen dabei für sich selbst, selbst wenn in einigen wenigen Kapiteln ähnliche Führungsprinzipien genannt werden. Der geneigte Leser wird diese Stellen identifizieren – dennoch haben die Interviews genauso eine große Strahlkraft, so dass ich sie nicht verkürzen wollte.

Mein großer Dank gilt all den charismatischen Gesprächspartnern, die dieses Buch mit ihrer Teilnahme, ihren vielen plakativen Beispielen und ihrer Begeisterungsfähigkeit zu einem lebendigen Zeugnis dafür gemacht haben, wie und wodurch gute Führung sich auszeichnet und wozu sie führt: zu durchweg begeisterten Mitarbeitern und sinnstiftender Arbeit. Ich danke Ihnen allen sehr herzlich für Ihre große Unterstützung bei diesem Projekt!

Dieses Buch ist all jenen Menschen gewidmet, die als Piloten, Ärzte, Pfleger, Krankenschwestern, Soldaten oder Bundespolizisten nicht nur unser Leben schützen und unsere Lebensweise sichern, sondern teilweise auch unter Einsatz ihres eigenen Lebens außergewöhnliche Leistungen erbringen.

Man kann ohne Pathos sagen: Sie sind bereit, das höchste Gut, das eigene Leben, einzusetzen. Sie dienen damit einem höheren Ziel, dem Gemeinwohl, unserer Gemeinschaft.

Ein bisschen weniger Egoismus und Selbstprofilierung bei uns allen und stattdessen ein wenig mehr von diesem gezeigten Geist des Dienens, der Demut und Bescheidenheit, den ich bei vielen Interviewpartnern vorgefunden habe, ein Geist des sich für andere Einsetzens und Engagierens, täte uns sicher allen gut – selbst dann, wenn wir im sicheren Büro „nur“ vor den alltäglichen Managementaufgaben stehen und diese bestmöglich bewältigen wollen.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen viel Lesefreude und schöne Aha-Momente!

2. Interviews aus den Grenzbereichen

Kommando Spezialkräfte – der Wille entscheidet!

Meine Interviewpartner

Anlässlich des Interviews für dieses Buch wurde ich nach Calw in die Graf-Zeppelin-Kaserne zum Kommando Spezialkräfte (KSK) eingeladen. Mit dem Einverständnis von Brigadegeneral Markus Kreitmayr, dem Kommandeur des KSK, und unter Leitung der Pressestelle konnte ich einen ganzen Tag lang Einblick in die Aktivitäten dieses Hochleistungsverbands nehmen und mich mit zahlreichen Soldaten näher austauschen.

Zum Programm zählten unter anderem eine Führung durch den Fallschirmgerätezug, der die Fallschirme packt und wartet, das Erleben eines Trainings im Schießausbildungszentrum sowie eine Führung durch die Multifunktionale Trainingshalle, in der die Soldaten in Fitness, Nahkampf und taktischen Maßnahmen trainiert werden. Auch wurde mir die Verbandsgeschichte des KSK näher erläutert.

Anschließend gab es einen ausführlichen Austausch mit drei Kommandosoldaten. Aus Geheimhaltungsgründen können hier keine Namen verwendet werden – dennoch möchte ich allen, die diesen Tag vorbereitet und begleitet haben, meinen herzlichen Dank aussprechen.

Führung beim KSK

Das Kommando Spezialkräfte (KSK) ist jene geheime Spezialeinheit der Bundeswehr, die vor allem für die Rettung, Evakuierung und Befreiung deutscher Staatsangehöriger im Ausland, daneben für die Terrorismusbekämpfung im Ausland und zur Militärberatung eingesetzt wird, zum Beispiel in Afghanistan.

Das KSK kommt immer dann zum Zug, wenn deutsche Staatsbürger aus Krisengebieten oder Geiselnahmen im Ausland befreit und gerettet werden müssen, wenn es um Aufklärung, das heißt die Gewinnung von Schlüsselinformationen von strategischer Bedeutung für die politische Führung, geht oder um Kampfeinsätze mit höchster politischer Priorität, im Ausland. Die Einsätze des KSK bleiben in der Regel geheim. Allerdings war das KSK auch an der Suche nach Osama bin Laden, zusammen mit Spezialkräften anderer Nationen, in den Bergen von Afghanistan beteiligt und setzte Kriegsverbrecher im ehemaligen Jugoslawien fest, die an den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überstellt wurden.

Einer der Besten

Im September 2021 feiert das KSK sein 25jähriges Bestehen. Der im internationalen Vergleich junge Verband ist, nach Aussage befreundeter Spezialkräfte, heute fraglos eine der besten militärischen Spezialeinheiten der Welt. Das Aufgabenspektrum ist umfangreich, die damit verbundenen Anforderungen an die Soldaten sind vielfältig. Angesichts der aktuellen Sicherheitsherausforderungen ist das KSK besonders geeignet, Risiken von Deutschland und seinen Bürgern fernzuhalten. Spezialkräfte gelten insoweit als Risiko-Minimierer und sind in der Lage, auch mit einem kleinen Kräfteansatz Effekte von strategischer Bedeutung zu erzielen.

Konventionelle Kräfte in der Bundeswehr profitieren oft von den Erfahrungen, der innovativen Weiterentwicklung und der Fachexpertise der Spezialkräfte. Sie werden daher komplementär zu ihnen eingesetzt. Gerade in hybriden und asymmetrischen Bedrohungsszenarien sind zunehmend die unkonventionellen und hoch adaptiven Fähigkeiten militärischer Spezialkräfte gefordert. Informationsgewinnung durch Spezial- und Zielaufklärung, Identifizierung sowie Festsetzung von gegnerischem Führungspersonal sowie die Ausbildung und Qualifizierung ausgewählter Partner zur Stabilisierung von Krisenregionen sind klassische Aufgaben von Spezialkräften.

Das alles macht das KSK interessant für unsere zentralen Fragen:

Wie funktioniert Führung im absoluten Grenzbereich?

Und was können wir von jenen Führungskräften lernen, die unter höchstem Einsatz von Leib und Leben führen und ihren Auftrag erfolgreich ausführen?

Alles, was im Gefecht und im Kampf gegen einen militärischen Gegner funktioniert und unsere Leben und die Sicherheit der Nation schützt, müsste intensive Einsichten und Erkenntnisse liefern, die sich auch in den Unternehmensalltag übertragen lassen, um auch dort herausragende Ergebnisse zu liefern – oder? Finden wir es heraus.

Die geheimste Einheit der Bundeswehr

Das KSK ist mit (soweit bekannt) rund tausend Einsatz-, Unterstützungs- und Führungskräften ein Großverband auf Brigadeebene, der in der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw stationiert ist – und viel mehr weiß die Welt auch nicht vom KSK.

Denn aus Gründen der ungeminderten Schlagkraft im Einsatz und dem Schutz seiner Angehörigen unterliegt das KSK strengster Geheimhaltung. Die offiziellen Stellen der Bundeswehr beantworten im Regelfall keinerlei Anfragen zum Thema, insbesondere nicht zu den Einsätzen und der Organisation des Verbandes. Das ist nicht etwa Hinhaltetaktik, sondern ein Gebot und eine Grundvoraussetzung für geheime Taktiken, Ausbildung, Einsatzvorbereitung und den erfolgreichen Einsatz von Spezialkräften. Eine regelmäßige Information erfolgt allerdings immer an den Verteidigungsausschuss, so dass sichergestellt ist, dass das KSK innerhalb der parlamentarischen Kontrolle operiert.

Dennoch bemüht sich das KSK um Transparenz, wo immer es möglich ist (und eben um eine erhöhte Geheimhaltung, wo nötig). Mein genehmigter Besuch vor Ort mit den zahlreichen Einblicken und Gesprächspartnern kann dafür als positives Zeichen gewertet werden.

Im Einsatz

Kommt es zum, meist streng geheimen, Einsatz, läuft das im Allgemeinen wie folgt ab: Ein Einsatzverband aus Spezialisten des KSK und spezialisierten Kräften der Luftwaffe, des Heeres, des Sanitätsdienstes und des Kommandos Cyberund Informationsraum wird zusammengestellt. Die Kräfte der direkten, taktischen oder sonstigen Unterstützung werden stets auf die jeweilige Lage hin angepasst.

Kern des Einsatzverbandes sind jedoch die Task Units der Kommandokräfte des KSK. Diese Task Units bestehen dem Auftrag angepasst aus einem oder mehreren Kommandotrupps. Dieses Team besteht aus einem Kommandotruppführer und drei weiteren Mitgliedern, die vier besondere Spezialisierungen abbilden: Sanitäter, Sprengstoff-Experte, Waffenexperte und Fernmelder. Um uneingeschränkt handlungsfähig zu sein, hat jeder Kommandosoldat zwei verschiedene unterschiedlich hoch ausgeprägte Spezialisierungen. So gibt es für jede Spezialisierung immer eine gewisse Redundanz und der hohe Grad der Autarkie im Einsatz kann sichergestellt werden.

Was und wie diese Kommandotruppführer ihr Kommando als taktisches Element führen, wird in der Vorbesprechung/Befehlsausgabe klar und eindeutig in einen Rahmen gesetzt, der vorgibt, was die Kommandoführer während des laufenden Einsatzes selbstständig entscheiden dürfen und was nicht.

Jedwede Eventualität, soweit vorausdenkbar, auch „Contingency“ genannt, wird bereits vor dem Einsatz im Rahmen der Einsatzplanung nach einem „Was wäre, wenn“-Schema durchgespielt und Optionen für denkbare Szenare vorgeplant.

Neben den taktischen Plänen sind die Rules of Engagements (RoEs) zum einen für das gesamte Mandat (durch das Parlament abgesegnet) und für den einzelnen Einsatz im Besonderen bindend für den Einsatz. Denn ein Kompetenzgerangel oder Zweifel bezüglich der Reichweite und Grenzen der eigenen Kompetenz während eines Einsatzes kann Menschenleben kosten – und nicht nur jene des eingesetzten Kommandotrupps.

Bezüglich dieses Führungsdetails bemerkte ein hochrangiger Manager eines DAX-Konzerns einmal: „Bei uns kostet das Kompetenzgerangel zwischen Projektteam, Lenkungsausschuss und einzelnen Bereichsfürsten keine Menschenleben, aber dafür Millionen – und auch die wären absolut vermeidbar.“ Es wäre wünschenswert, dass in jedem Projekt auf Unternehmensseite nach den gleichen Prinzipien geführt werden würde: mit klarem Ziel und Auftrag zu Beginn des Projektes, mit einem gesetztem Zeitrahmen sowie einem Entscheidungsrahmen, innerhalb dessen die Führungskraft selbständig entscheiden kann.

Und wenn der Kommandotruppführer wegen einer unvorhergesehenen Entwicklung der Lage etwas entscheiden muss, was er nicht entscheiden darf?

Management by Exception

Geht eine nötige Entscheidung im Einsatz über den Rahmen hinaus, der dem Kommandotruppführer exakt gesetzt wurde, muss er beim jeweiligen Einsatzleiter anfragen, der in der rückwärtigen Operationsbasis sitzt. Nehmen wir an, es geht um eine Zeitfrage.

Laut Einsatzplan muss zum Beispiel der Zugriff auf einen Terroristen bis spätestens um 04:00 Uhr erfolgen, weil sonst wegen Beginn der Dämmerung oder der Wetterlage die Luftfahrzeuge zur Unterstützung nicht mehr im gewünschten Umfang zur Verfügung stehen würden.

Ein anderer Grund könnte sein, dass die eingesetzten Hubschrauber ihre Tankkapazität in den Planungsprozess einbringen müssen. So werden die Verbringung zum Einsatzort, die maximale Einsatzdauer und der Rücktransport sichergestellt.

Es gibt eine klare Regel beim KSK wie auch bei der Bundeswehr allgemein:

Zeiten setzen – Zeiten halten.

Wenn in der Einsatzbesprechung diese Zeit als ein „finaler Zeitpunkt“ festgelegt wurde, muss der Zugriff bis dahin erfolgen – oder es muss bei der Einsatzleitung nachgefragt werden.

Zurück zum Beispiel. Leider stellt der Kommandotrupp vor Ort fünf Minuten vor vier fest: Es sind noch zu viele Zivilisten im Einsatzgebiet. Eröffnet der in die Enge gedrängte Terrorist das Feuer, sterben möglicherweise Zivilisten im Kreuzfeuer – oder der Terrorist entkommt. Trotzdem darf der Kommandoführer vor Ort nicht einfach eine Viertelstunde zugeben, bis sich der Menschenauflauf zerstreut hat. Er muss beim Vorgesetzten nachfragen. Der Zeitrahmen war in diesem Beispiel die Grenze des Entscheidungsrahmens, so dass der Kommandoführer keine autonome Führungsentscheidung bezüglich der Verlegung der geplanten Einsatzzeit treffen darf.

Nach Rücksprache mit dem Einsatzleiter erfolgt der Befehl an den Kommandoführer, die Zeitgrenze zu überschreiten (weil man zum Beispiel andere Möglichkeiten gefunden hat, die KSK Soldaten auszufliegen, so dass das Zeitlimit leicht ausgedehnt werden konnte) und dennoch möglichst bald zuzugreifen. Denn in der Zwischenzeit gab es ein neues nachrichtendienstliches Update, dass der Terrorist innerhalb der nächsten Stunde seine Abreise plant – dann muss der Zugriff unverzüglich erfolgen oder der Einsatz abgebrochen werden.

Was für die Einsatzzeiten gilt, gilt übrigens auch für die Sprache.

Führung ist Sprache

„Führung ist 90 Prozent Kommunikation“ – wir alle haben diesen Leitspruch im Führungstraining gehört und gelernt. Angewendet wird er weitaus seltener.

Im Führungsalltag der Wirtschaft gilt weitaus häufiger ein anderer Slogan: „Das Missverständnis ist der Regelfall der Kommunikation.“

In meinem Beratungsalltag erzählen mir Führungskräfte häufig von solchen Missverständnissen. Zum Beispiel die Anweisung des im Ausland weilenden Vertriebsleiters, dem neuen Auslandskunden, den er eben akquiriert hat, „schnellstmöglich zu beliefern“.

Der zuständige Mitarbeiter setzt Himmel und Hölle in Bewegung und schafft es tatsächlich noch, den Kunden vor Abreise des Vertriebsleiters mit seiner ersten Order zu beliefern. Der Mitarbeiter ist richtig stolz und erwartet den wohlverdienten Schulterklaps vom Vertriebsleiter. Stattdessen erntet er eine Standpauke:

„Sind Sie wahnsinnig? Der Express-Kurier ins Ausland hat vierstellig gekostet! Controlling macht mir die Hölle heiß! Was haben Sie sich bloß dabei gedacht?“

„Aber Sie sagten doch selbst ‚schnellstmöglich‘!“

„Damit habe ich doch keinen Express-Kurier über zweitausend Kilometer gemeint!“

Was dann? Das hat er nicht gesagt.

Führung: unmissverständlich

Aus exakt diesem Grund wird beim KSK bei der Führung mit einem Vokabular gearbeitet, das jenseits jedes Ermessens und jeder Interpretation eindeutig und unmissverständlich ist. Es gibt eine klare Kommando- und Befehlssprache, sowie eine umfangreiche Festlegung von Standards in der Zusammenarbeit, sogenannte SOPs (Standard Operating Procedures).

Dies ermöglicht im Normalfall ein abgestimmtes Vorgehen und stellt sicher, dass der Kopf in außergewöhnlichen und komplexen Lagen frei von unnötigem Abstimmungsbedarf ist und damit der Fokus auf der Erfüllung des taktischen Auftrags und der Lösung von auftretenden Herausforderungen liegen kann. Klarheit in der Sprache schafft Klarheit im Handeln und schafft Freiräume.

Niemand, der das Kommando führt, kann das Kommando führen, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Unterschiedliche Konnotationen oder Interpretationen ein und desselben Begriffes, individuelles Ermessen und Auslegung werden auf ein Minimum reduziert.

Führungskräfte in der Wirtschaft mögen das manchmal als unzulässige Einschränkung ihrer Artikulationsfreiheit verstehen. Das mag sein oder auch nicht. Sicher ist: Unmissverständliche Führung, eine klare Befehls- und Kommandosprache ist effektiver (und effizienter) – insbesondere im Gefecht, wenn Leben davon abhängen könnten.

Zur klaren Führungssprache beim KSK zählt auch die eindeutige Vorabdefinition der benötigten Ressourcen. So wird für jeden Einsatz unter anderem der Rahmen der benötigten Soldaten und notwendigen Ausrüstung vorab festgelegt. Auch wird ein „point of no return“ bestimmt.

Wenn zum Beispiel 20 Kommando-Soldaten ausrücken, schon beim Vordringen auf den eigentlichen Einsatzort acht von ihnen – wegen eines Hubschrauberausfalls oder wegen Verwundung – zurückbleiben, die festgesetzte Mindestzahl für den Einsatz jedoch mit 14 Einsatzkräften definiert wurde, dann wird der Einsatz wegen Unterschreitung der Mindestanforderungen abgebrochen. Was klar ist, ist effektiv.

Wer führt?

Selbstverständlich gibt es im KSK eine Hierarchie. Vom Kommandeur bis zum Kommandosoldaten gibt es taktische Zwischenebenen. In der taktischen Aufgabe ist allerdings der Führer vor Ort nicht immer der Ranghöchste. Auch wenn die Bundeswehr viele Dienstgrade kennt und hierarchisch ist, so zählt bei einem Kommando vor allem eines: Die Auftragserfüllung. Um Erfolg zu haben, den Auftrag erfolgreich zu bewältigen, sind die sehr guten Kenntnisse und das Zusammenspiel der vier Kommandosoldaten untereinander unerlässlich. Hierauf baut der gesamte Einsatzverband auf. Nur im Team mit allen Fähigkeiten ist der Auftrag zu schaffen. Dabei zählt das gegenseitige Vertrauen am meisten. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und in die Fähigkeiten der anderen.

Es führt der, der das Vertrauen genießt – und fachlich am geeignetsten ist. Diese Eignung ist bei allen Mitgliedern des KSK bereits auf hohem Niveau. Denn da der persönliche Einsatz durchaus hoch sein kann – Verletzung oder Tod – sind alle Mitglieder des KSK auf einem gleichhohen Leistungsstandard und Fähigkeitsniveau. Dennoch gibt es auch hier Kameraden, die bestimmte Lagen häufiger als andere erlebt haben – und unter anderem auch deswegen das größte Vertrauen für einen bestimmten Einsatz genießen.

Was die können

In Grenzbereichen, wenn es um das eigene Leben oder das des Kameraden geht, ist eine wirksame Verteidigung überlebenswichtig, wenn nötig auch lautlos, um das Überraschungsmoment auszunutzen.

Ein KSK-Soldat ist wie ein NFL-Player: Er kennt sämtliche Spielzüge im Playbook auswendig. Er kennt die Antwort auf die Frage: „Was ist, wenn?“ Und er kann aufgrund seiner Ausbildung auch in unvorhergesehenen Situationen kreativ, lösungsorientiert und handlungssicher reagieren. Daher werden bestimmte Abläufe in Trainings immer wieder und wieder geübt und ein allerhöchster Ausbildungsstand erreicht. Das ist der sogenannte Drill, der im Gefecht wertvolle Sekunden schenken und damit Leben retten kann. Zudem bleiben die Kommandosoldaten so auch unter höchstem Stress und in Lagen, in denen sie komplett auf sich selbst gestellt sind, autark und handlungsfähig. Sie bleiben physisch und mental fähig, die Lage zu überblicken, Handlungsoptionen abzuwägen und folgerichtig zu entscheiden.

Auf höchste und intensivste Ausbildung und Training wird daher viel Wert beim KSK gelegt. Man trainiert mit anderen Spezialkräften aus anderen Nationen zusammen.

In der Unternehmenswelt sieht es nicht immer so aus: Wenn die Konjunktur in die Baisse geht, ist die betriebliche Weiterbildung oft das erste Budget, das zusammengestrichen wird. Beim KSK hat Aus- und Weiterbildung sowie ständiges Training dagegen oberste Priorität – und ist überlebenswichtig. Gut ist nicht gut genug. Das Bess’re ist des guten Feind. Die überragenden Fähigkeiten der KSK-Mitglieder sprechen für sich.

Kompetenz macht den Unterschied

Stellen wir uns vor, die Projekt- oder Abteilungsleiter der Wirtschaft hätten zu jedem Zeitpunkt eine vergleichbare Kompetenz im Team zur Verfügung. Es wäre atemberaubend.

So ist der KSK-Soldat dafür ausgebildet, zum Beispiel in den Bergen Afghanistans mögliche Terroristen auszuspähen und die Lage aufzuklären. Er kann gesuchte Kriegsverbrecher aufspüren, gefangen nehmen und der Gerichtsbarkeit in Den Haag zuführen. Er kann von Terroristen besetzte Gebiete einnehmen.

KSK-Scharfschützen treffen auf 1.200 Meter einen Salatteller oder erstellen aus zwei Kilometer Entfernung foto-realistische Steckbrief-Bilder von Zielpersonen. Fallschirmsprünge aus über 10.000 Metern Höhe mit fast drei Minuten fallschirmlosem freien Fall? Kein Problem. Man stelle sich vor: Auf der Höhe von Heidelberg aus 10.000m Höhe mit dem Fallschirm abspringen, dabei ca. 120 kg Gepäck (Waffen, Sauerstoffversorgung, Munition, Wasser, Nahrung, Geräte aller Art usw.) navigieren und sicher und unbemerkt von der Öffentlichkeit in Stuttgart landen, um dort den Auftrag zu erfüllen. Das sind die Dimensionen, von denen wir hier sprechen.

Für KSK-Mitglieder nicht nur „halt der Job“, sondern die perfekte Verbindung von Arbeit und Passion. Bei so viel Passion im Job leidet natürlich die Passion im Privaten.

Einschränkungen im Privatleben

Beziehungen zu leben, erfordert Zeit miteinander. Das ist bei Kommandosoldaten nicht so einfach.

Ständig ist der Beziehungs- oder Ehepartner irgendwo im Einsatz und wenn nicht im Einsatz, dann auf Übungen, die mit hoher Frequenz gefahren werden (Kompetenzentwicklung ist oberste Priorität und vornehmste Führungsaufgabe) und weltweit stattfinden. Da das KSK in allen Klimazonen eingesetzt wird, findet das Training folgerichtig ebenfalls im Dschungel, der Wüste oder im Gebirge statt. Darüber reden darf er nicht.

Über 200 Tage im Jahr fern von heimischem Herd und Bett? Das überleben nur wenige Ehen/Beziehungen. Zumal die Bezahlung die erlittenen Entbehrungen nicht annähernd kompensieren kann. Wer beim KSK dient oder führt, macht das nicht wegen des Geldes; das zuletzt. Denn eines kann die beste Bezahlung nicht wettmachen: Der Tod ist ständiger Begleiter.

Es reicht schon eine verirrte Kugel oder ein verstecktes IED, ein Improvised Explosive Device, eine hausgemachte Bombe. Selbst beim Training können Todesfälle passieren, denn trainiert wird unter so realen, das heißt so harten Bedingungen wie möglich. Das heißt auch: „train as you fight“.

Für den Fall der Fälle hat der KSK-Soldat seine Notfallmappe, in der er alles geregelt hat: Familienangehörige, die benachrichtigt werden sollen, Nachlass, Versicherungen, Art des Begräbnisses. Und außer seinen nächsten Angehörigen erfährt niemand etwas davon, am allerwenigsten davon, dass er als Held der Freiheit, Sicherheit und Demokratie von einer Öffentlichkeit gegangen ist, die in den Sozialen Medien manchmal den Eindruck erweckt, als ob eine Welt ohne Waffen und Soldaten der beste Schutz gegen Despoten und Terroristen wäre. Das ist sie rein sachlich betrachtet unter den gegebenen Umständen nicht. Doch es dauerte sehr lange, bis die deutsche Regierung das erkannte. Die Erkenntnis dämmerte erst 1994.

Der Impetus

1994 hatten Rebellen in Ruanda Mitarbeiter der Deutschen Welle (das ist der Auslandssender der Bundesrepublik) in deren Relaisstation als Geiseln genommen – und Deutschland stand hilflos da. Keine Spezialeinheit war vorhanden, die das hätte regeln können.

Die GSG 9, die Elite-Einheit der Bundespolizei, ist für Kriegsgebiete weder ausgebildet noch entsprechend ausgerüstet. Außerdem ist die Bundespolizei für Einsätze in einem „permissive environment“ vorgesehen. Eine Relaisstation im Ausland fällt nicht (in erster Linie) in das Aufgabenfeld der GSG 9. Aber in wessen Aufgabengebiet dann?

1994 hatte die Bundesrepublik noch keine adäquate Antwort darauf. Also mussten militärische Spezialkräfte aus dem kleinen Belgien dem großen deutschen Nachbarn beispringen und die Geiseln befreien. Als Resultat, um diese Fähigkeitslücke in Deutschland zu schließen, wurde zwei Jahre später wurde das KSK gegründet. Schon im April 1997, also nicht einmal ein Jahr nach Aufstellung, meldete das KSK die ersten 20 Mann einsatzbereit zur Rettung deutscher Staatsangehöriger aus Geisellagen im Ausland. Noch heute sind Soldaten für diesen Kernauftrag bzw. diese Daueraufgabe des KSK rund um die Uhr abrufbereit.

Vier Jahre später, 1998, vollstreckte das KSK unter Freigabe der NATO den Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag gegen Milorad Krnojelac in der Nähe von Sarajevo. Der 57-jährige Kriegsverbrecher war des 29-fachen Mordes und der Folter angeklagt und hatte sich bis dato der Verhaftung entzogen. Das KSK hat die Festnahme sechs Monate vorbereitet, Teile der Wohnung des Kriegsverbrechers nachgebaut, den Einsatz hundertfach geprobt und trainiert – und letztendlich in weniger als einer halben Stunde erfolgreich durchgeführt.

Dabei profitierte das KSK vor allem in seiner Anfangszeit von der Erfahrung und den Ausbildungskonzepten vieler Spezialkräfte anderer Länder, allen voran vom SAS der Briten (Special Air Service), der Mutter aller Spezialkräfte.

Jeder ein Spezialist

Kompetenz ist oberstes Gebot. Jeder KSK-Soldat erfährt das Beste an Ausbildung, das vorstellbar und machbar ist.

Doch zuvor gilt es, ein mehrstufiges Eignungsfeststellungsverfahren zu bestehen. In einem einwöchigen Eingangstest wird die psychische und physische Leistungsfähigkeit der potenziellen KSK-Soldaten geprüft. Dabei ist zum Beispiel ein 10-Stunden-Marsch zu bewältigen, ein nur wenige Grad warmes Gewässer zu durchqueren, ein 25kg schwerer Baumstamm kilometerweit den Berg hoch zu tragen – das alles ergänzend zum „normalen“ Ausrüstungsgewicht durch Waffen, Schutzweste und andere Geräten, die ca. 20-30kg ausmachen.

Hier trennt sich bereits die Spreu vom Weizen. Nur, wer diese Aufgabe wirklich will, wird durchhalten: Der Wille entscheidet.

Wie einer der Kommandosoldaten im Interview sagte: „Natürlich braucht man eine gute Fitness und psychische Stärke. Aber was wirklich zählt, ist der Kopf. Alles ist zu schaffen, wenn man es wirklich will!“ Daher stammt auch das Motto des KSK: Facit omnia voluntas. Was so viel heißt wie: Der Wille entscheidet! Darüber, ob man durchhält oder aufgibt. Und das gilt für die gesamte Zeit im KSK, nicht nur für Auswahl.

Nach einer vorangehenden grundsätzlichen Eignungsfeststellung schließt daran mit dem sogenannten „Zehn-Wochen-Programm“ eine erste längere Sichtungsphase an, in der die Kandidaten auch auf den Abschlusstest vorbereitet werden, der gerne mit der „Höllenwoche“ bei den US-Spezialkräften verglichen wird. Nach Bestehen der Eignungsfeststellung beginnt die zweijährige „Basisausbildung“ zum Kommandosoldat.

Die Spezialausbildung entweder zum Waffenexperten, Fernmelder, Sprengstoff-Experten oder Combat-Medic inklusive der Verbringungsausbildung Land, Gebirge, Amphibisch und Vertikal (klassisch per Fallschirm) dauert wiederum ein Jahr.

Und auf jedem dieser Spezialgebiete wird Höchstleistung verlangt und abgeliefert. Das geht ans Eingemachte.

Das psychologische Profil

Deshalb begleitet ein Team von Psychologen die Einsatzkräfte, bildet sie in Stress- und Mentaltechniken aus – und schützt sie vor emotionaler Verrohung. Die Psychologen kennen auch das psychologische Profil des typischen KSK-Soldaten:

Stark leistungs- und zielorientiert, ehrgeizig

Hohe Schmerztoleranz, hart gegen sich selbst, steckt einiges weg und steht auch nach Rückschlägen verlässlich wieder auf

Hohe Ausdauer, gibt nicht oder nicht schnell auf

Absolut leistungsfähig, auch unter Extremstress

Verschwiegen (wegen der Geheimhaltung)

Hohe Souveränität und Autarkie (die zum Beispiel verhindern, dass jemand die Fassung verliert, wenn mal was daneben geht oder es monatelang nichts als Warten und Trainieren gibt)

Teamgeist gekoppelt mit hohem eigenen Einsatzwillen

Überzeugt davon, am richtigen Platz zu sein, eine wichtige Aufgabe zu erfüllen und mit der eigenen Leistung einen wichtigen Beitrag zu leisten

Wertefundament auf Basis der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung

Würden wir uns für unser Unternehmen nicht auch solche Führungskräfte wünschen? Wo findet man solche? Erstaunlicherweise überall.

Wo findet man solche Spitzenkräfte?

Zum KSK kommen viele Menschen mit handwerklicher Ausbildung oder Abitur – doch viele waren in ihrer Jugend bereits leistungsstark und räumten in ihren Sportarten Siege und Preise ab. Das, was sie heute sind, werden sie aber durch die Ausbildung beim KSK.

Der Eignungstest dazu ist in den Worten eines ehemaligen KSK-Kommandeurs „das Härteste, was man Menschen in einer Demokratie zumuten darf“. In einigen Durchgängen scheitern 80 Prozent der Bewerber. Gewaltmärsche und stundenlange Scheinverhöre unter real anmutenden Bedingungen gehören zum Testumfang. Der Eignungstest wird aktuell umfangreich überarbeitet, um sicherzustellen, dass es immer gelingt, den Richtigen für die Aufgabe zu gewinnen und das Potential der Bewerber vollends auszuschöpfen. Am Ende bleibt die Hürde für den Beginn der Ausbildung im KSK allerdings hoch - denn im Einsatz und im Gefecht muss der Richtige am richtigen Platz sein. Jeder Bewerber macht das freiwillig mit und kann jederzeit aufgeben, wenn er möchte.

Mentale Stärke

Die Kommandosoldaten sind immer wiederkehrend über Monate am Stück in Einsätzen, unter mannigfachen Entbehrungen und zum Teil unter Lebensgefahr. Nicht wenige Soldaten waren bereits 10 Mal im Einsatz in Afghanistan. Wie steckt man das mental weg? Verändert das die eigene Sicht auf die Welt?

Wie ein Kommandosoldat dazu sagt: „Viele Dinge, die ich im und mit dem KSK erlebt habe, haben mich mental stärker und selbstbewusster gemacht. Damit meine ich nicht nur positive Erlebnisse, sondern auch die Tiefschläge. Vor allem aber zählt für mich die Kameradschaft im KSK und das Bewusstsein, dass wir eine gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen.“

KSK: Start-up-Spirit?

Wer sich näher mit dem KSK befasst, dem kommt nach einiger Zeit einiges vage bekannt vor. Irgendwann stellt sich die Erkenntnis ein: Führung beim KSK stellt eine Parallele zu dem dar, wie wir in der digitalen Welt denken und führen (sollten). Und der oft zitierte Begriff der „Digital Leadership“ nimmt das auch auf. Wenn man „digital führt“, dann meint man genau das:

Es wird im Vorfeld so exakt wie möglich ein Ziel beschrieben, das „Was“, der Auftrag (das Prinzip „Führen mit Auftrag“)

Die Details der Zielerreichung, das „Wie“, werden nicht von der Führung vorgegeben, sondern (Stichwort Empowerment) innerhalb eines gesteckten Rahmens den ausführenden Mitarbeitern überlassen

Alle möglichen und denkbaren Varianten und Szenarien werden vorab mitgeplant und durchgespielt

Es gibt einen Abbruch-Punkt, ein Mindestniveau, das den Erfolg der Maßnahme definiert

Die Leitung des einzelnen Einsatzes muss nicht der Ranghöchste übernehmen, sondern immer der Geeignetste zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die Führung ist aufgabengebunden und mit der Gesamtleitung abgestimmt

So wird in Start-ups geführt, in digital transformierten Unternehmen – und beim KSK. Das wünschen wir uns alle? Das möchten wir bezweifeln.

Führung heißt Verantwortung

Wenn ein Teamleader in der zivilen Wirtschaft maximale Entscheidungsfreiheit genießt, dann sollte er auf der Kehrseite der Medaille auch die volle Verantwortung für jene Entscheidungen übernehmen, die er oder sie innerhalb dieser maximalen Freiheit trifft. Exakt diese Doppelbedeutung und - bödigkeit von Führung vs. Verantwortung ist in der Führungspraxis alles andere als weitgehend klar oder auch nur breit akzeptiert: Viele, die mehr Freiraum fordern, lehnen diese Kehrseite ex- oder implizit ab.

Oder wie es die Personalleiterin eines großen Handelsunternehmens ausdrückt: „Jeder will möglichst alles entscheiden – aber keiner will die Verantwortung dafür tragen!“ Das ist etwas grob formuliert, trifft jedoch die Realität vieler Abteilungen, Fachbereiche und Unternehmen. Beim KSK ist das anders.

Jeder Kommandotrupp besteht aus vier Mitgliedern. Wenn dann im Einsatz sprichwörtlich die Kugeln fliegen, wird entschieden, was entschieden werden muss – und hinterher ganz selbstverständlich die Verantwortung dafür getragen. Mit Stolz, mit Haltung und Einsicht, nicht als Bürde. Verantwortung ist Privileg, nicht lästige Pflicht. Für dieses Reframing, für diese Umdeutung von Pflicht zu Privileg muss man kein KSK-Mitglied sein. Die richtige Einstellung zur Führungsverantwortung ist nicht an eine Uniform gebunden. Oder wie es Tom Cruise in „A few good men” formuliert: „You don't need to wear a patch on your arm to have honor.”

KSK-Teams und Kundenteams

Wenn sich im unmittelbaren Einsatzgebiet eines KSK-Teams blitzschnell die Lage ändert, muss das Team ebenso schnell reagieren und eigene Entscheidungen fällen können: Führung von vorne.

Das Team vor Ort, am Boden oder auch der Ground Force Commander wird vom Operations Center (OPCEN) unterstützt. Das OPCEN beschafft Informationen für das Team vor Ort, steuert und führt die Gesamtoperation. Der taktische Führer vor Ort führt allerdings die Einsatzkräfte in der taktischen Aufgabe entsprechend seiner Freigaben.

Erhält die rückwärtige Operationsbasis, das OPCEN, jedoch grundlegend neue Informationen, zum Beispiel vom Geheimdienst oder von Verbündeten, die dem Team am Einsatzort fehlen, dann werden diese (neuen) Informationen mit einem gegebenenfalls veränderten Auftrag an das KSK-Team umgehend übermittelt und der (neue) Auftrag umgesetzt:

Beim KSK wird die perfekte Melange dieser beiden gegenläufigen und sich doch ergänzenden „Führungsrichtungen“ praktiziert. Die digitale, dynaxe (dynamische und komplexe) Welt funktioniert nicht anders.

Hier haben wir keine KSK-Teams, jedoch Projekt-, Entwickler, Marketing-, Key Account- und Kundenteams, die extrem schnell darauf reagieren müssen, was der Wettbewerb macht, wie rasant voranschreitende Technologien sich entwickeln und was die vom fortschreitenden Wertewandel getriebenen Kunden wünschen. Daher sollten diese Teams befähigt werden, innerhalb eines gesetzten Rahmens so schnell, umfassend, mindestens reaktiv, wenn nicht pro-aktiv, und so autonom wie möglich angemessene Entscheidungen selbst treffen zu können. Beim Militär nennt man das „Auftragstaktik“.

Wenn solche operativen Ad-hoc-Entscheidungen – wie leider noch in manchen Unternehmen üblich – erst die Hierarchie hoch den normalen Dienstweg in die Zentrale und wieder zurück nehmen müssen, ist es im digitalen Zeitalter der Befriedigung von Kundenwünschen in Echtzeit leider meist schon zu spät. Die schnelleren Fische düpieren die langsamen.

Warum geht jemand zum KSK?

Die Frage drängt sich auf. Vor allem, wenn man unter der Hand von KSK-Mitgliedern hört, dass sie, zum Beispiel in Afghanistan, nächtens in völlig unerforschtem Territorium abgesetzt wurden, sich einer gegnerischen Übermacht ausgesetzt sahen, einen Auftrag erfüllen mussten, der als „heikel“ eingestuft wurde und trotzdem ausnahmslos sämtliche Teammitglieder den extrem gefährlichen Einsatz so motivierend und herausfordernd fanden, dass sie heute noch davon erzählen (unter sich, nach außen dringt nichts). What makes them tick?

Ruhm und Ehre sicher nicht. Denn darüber reden dürfen die Soldaten nicht. Auch wird – zum Teil aus Unkenntnis, zum Teil aus Unverständnis – die Arbeit des KSK in der Öffentlichkeit kaum wertgeschätzt. Auf öffentliche Anerkennung braucht man nicht zu hoffen. Oder wie es einmal ein ehemaliger Kompaniechef formulierte: „Das ist wie für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen, aber eben immer ohne Applaus und Publikum!“ Also stellt sich erst recht die Frage nach der Motivation der KSK-Soldaten.

Vor allem angesichts der Tatsache, dass man im Einsatz jederzeit und auch schon mal im Training unter widrigen Umständen getötet oder schwer verletzt werden kann. Bei einem Einsatz Ende der 90er Jahre konnte eine Zielperson zum Beispiel nicht rechtzeitig entwaffnet werden, zündete eine am Körper versteckte Handgranate und verletzte drei KSK-Teammitglieder so schwer, dass sie danach nur noch Innendienst leisten konnten. Dass so etwas jederzeit passieren kann, wissen auch alle Bewerber. Warum bewerben sie sich trotzdem? Warum macht jemand so einen Job im Grenzbereich des Lebens?

Ein zentrales Motiv liegt auf der Hand: Wer zum KSK gehört, gehört zur absoluten Elite seines Berufs. Schon wer die extrem hohen Eignungsvoraussetzungen schafft, darf sich mächtig was zugutehalten. Wer sie schafft, gehört zu einem sehr exklusiven Kreis weniger Auserwählter, genießt international einen exzellenten Ruf und darf mit den Besten der Besten trainieren, zusammenarbeiten und sich mit ihnen messen. Was für den Profi-Fußballer die Champions League ist, ist das KSK für die Bundeswehr.

Noble Purpose

Doch die vorherrschende Motivation allein mit Ehrgeiz und Wettkampfgeist zu erklären, greift etwas kurz. Mit jedem Einsatz deutsche Staatsbürger zu retten oder den Fortbestand von Demokratie und bürgerlichen Freiheiten zu verteidigen und zu sichern, motiviert ebenfalls stark. Das ist der sogenannte Noble Purpose, der höhere Zweck des eigenen Tuns: der Gemeinschaft bestmöglich zu dienen.

Ein Kommandosoldat der ersten Stunde: „Das KSK galt damals und gilt heute als absolute Elite in Deutschland. Ich wollte einfach nur zu den Besten gehören.“

Nach einem ganzen Tag voller Gespräche mit Ausbildern und Kommandosoldaten in Calw komme ich zu dem Schluss, dass die wichtigsten Motive nicht Ruhm & Ehre sind.

Es sind schon eher Motive wie „Teil eines besonderen Teams zu sein“, sich selbst in diesem Hochleistungsumfeld beweisen zu können, eine Top-Ausbildung zu erhalten, ein Agieren in internationalen Umfeldern. Vor allem aber ist den Soldaten anzumerken: Sie agieren mit Demut, Bescheidenheit und dem Willen, zu dienen.

Ihnen ist bewusst, dass ein Einsatz auch tödlich enden kann und sie sind bereit zu dieser Aufgabe, weil sie zutiefst daran glauben, das Richtige zu tun. Es herrscht eine Art von Kameradschaftsgeist und Teamspirit, die ich so nur in wenigen anderen Hochleistungsumfeldern erlebt habe. Das Bewusstsein, nur im Team Erfolg haben zu können, das Vertrauen, dem Soldaten nebenan das eigene Leben anzuvertrauen und umgekehrt die Verantwortung für seines zu tragen – das alles vor dem Hintergrund einer erfolgreichen Auftragserfüllung – das schweißt eben auf besondere Art zusammen.

Das bedeutet nicht, dass nicht jeder Einzelne auch ehrgeizig wäre und vorankommen möchte – aber eben nicht zu Lasten der Gemeinschaft. Diese Mischung von persönlichem Einsatzwillen und Ehrgeiz einerseits und Teamgeist andererseits ist einzigartig.

Was stark macht: Der Wille

Facit omnia voluntas. Der Wille entscheidet. Das ist das Motto des KSK. Willensstärke steht beim KSK im Zentrum von Bewerberauswahl, Training und Führung. Nicht als Selbstzweck, sondern im Dienst einer unbedingten Ergebnisorientierung. Es gibt nur zwei mögliche Ergebnisse: Erfolg oder Misserfolg – und letzteres ist keine Option. Wie auch Dienst nach Vorschrift keine Option sein kann.

Hier wird nicht „die Arbeit erledigt“, „der Job gemacht“ oder gar Dienst nach Vorschrift. Es geht nicht um die Arbeit.

Es geht allein um den Erfolg: die Auftragserfüllung. In vielen zivilen Belegschaften wird das oft als „Führen mit Zielvorgaben“ missverstandene „Führen mit Zielvereinbarung“ inzwischen als unverhohlenes Druckmittel und schwachen Ersatz für gute Führung aufgefasst und tut der Zielerreichung damit keinen Gefallen.

Beim KSK wirkt die Auftragserfüllung jedoch immer noch und immer weiter als Motor der Motivation. Würden alle Projektteams in Wirtschaft und Verwaltung mit ähnlichem Zug zur Auftragserfüllung ihre Projekte verfolgen, gäbe es weniger Peinlichkeiten wie den neuen Berliner Flughafen, die endlich fertiggestellte Elbphilharmonie oder die vielen Projektflops in allen Branchen der Wirtschaft.

Jeder Kommandosoldat hat den unbedingten Willen (und die nötige Ausdauer), sich über alle körperlichen und mentalen Grenzen hinweg für die Auftragserfüllung einzusetzen. Mit unbeugbarem Willen: Der Wille zum Erfolg macht stark. Wenn man so hart gedrillt wird wie ein Kommandosoldat, hat man da eigentlich im Einsatz manchmal noch Angst?

Einer der Kommandosoldaten: „Eine gesunde Angst ist immer dabei und auch gut so. Wer behauptet, im Einsatz keine Angst zu haben, der lügt.“ Wie schon in den einschlägigen Werbeanzeigen zu sehen ist, findet man beim KSK nicht den Rambo-Typ, sondern den überlegten und besonnenen Kämpfer. Einen Menschen, der nach außen nicht als „Rampensau“ auffällt, sondern der möglichst unbemerkt vom Gegner seinem Auftrag nachgehen kann. Der mit klarer Ziel- und Ergebnisorientierung das tun, was getan werden muss, um einen Auftrag erfolgreich abzuschließen.

Einsatzbereitschaft und Fitness

Aus diesem starken Willen erwächst ein zweiter Starkmacher und Leistungsfaktor beim KSK: die absolute Einsatzbereitschaft. Fällt einmal der Startschuss (in der Wirtschaft: fürs Projekt, eine Maßnahme, den Arbeitstag, das Meeting …), ist jeder rückhaltlos mit vollem Einsatz dabei. Man zieht durch, was man angefangen hat, bringt es zum guten Ende. Aufgeben gilt nicht.

Wenn ich von diesen Erfolgsvoraussetzungen berichte, melden mir erfreulich viele Führungskräfte aus der Wirtschaft zurück: „Ehrlich, auch ich würde gerne jedes Projekt, jede Maßnahme, jeden Auftrag mit vollem Einsatz durchziehen – aber ich bin nicht Superman (respektive: Wonder Woman).“ Auf gut Deutsch: Der Wille ist stark, das Fleisch ist schwach. Der „normale“ Mitarbeiter oder die normale Führungskraft in der Wirtschaft ist eben weder Zehnkämpfer noch Olympionike.

Zwar wird ein Management-Job oft mit Spitzensport verglichen, jedoch müssen selbst bei wohlwollender Betrachtung weder die körperlichen noch die mentalen Voraussetzungen des Spitzensports dafür aufgebracht werden. Sportabzeichen-Fitness und die mentale Reife eines Hobby-Biathleten wären ausreichend.

Deshalb trainieren etliche Führungskräfte auch inzwischen ernsthaft (wenn auch stärker körperlich als mental), jedoch meist privat und unter dem Aspekt der Leistungserhaltung.

Sinnvoller wäre es, wenn Unternehmen ihr Corporate Health Care-Programm nicht nur mit den obligaten Health Checks, sondern auch mit seriösen Trainingseinheiten für Ausdauer, Kondition, Stehvermögen, Bounce-back-Qualität, Stressresistenz, Resilienz und Wettkampfmentalität ausstatten oder ergänzen würden. Einsatzbereitschaft ist auch Trainingssache.

Flexibilität

Jeder Kommandosoldat wird auf Mitdenken, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit trainiert, weshalb der Umgang mit neuen, ungewohnten Situationen leichtfällt und schnell und erfolgreich gemeistert wird. Alle Soldaten können auch und gerade in überraschenden Situationen schnell entscheiden und schnell handeln.

Wenn dieses schnelle Entscheiden und Handeln auch im Unternehmensalltag Usus wäre, würden die Probleme mit der vielerorts zu langsam ablaufenden digitalen Transformation obsolet sein. Projekte würden schneller laufen, Kundenwünschen schneller und umfänglicher erfüllt, die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. Was aber passiert in einem normalen Unternehmen normalerweise, wenn die Geschäftsleitung Neues, Disruptives, Digitales ankündigt?

Circa ein bis zwei Drittel der Belegschaft reagieren nicht flexibel und offen, sondern skeptisch, ängstlich, mit Bedenken oder Einwänden, verminderter statt gesteigerter Einsatzfreude; alles Symptome einer Angst vor Veränderung.

KSK-Soldaten haben keine Angst vor Veränderung, sie begrüßen sie. Natürlich machen sie sich keinerlei Illusionen über den oft übergroßen Aufwand und Einsatz, den Veränderungen erfordern. Doch die Einstellung zu diesem Einsatz ist so simpel wie wirkungsvoll: Whatever it takes! Die Auftragserfüllung ist oberste Priorität – nicht der Aufwand.

Routine

Was einen weiteren Starkmacher, die Ausbildung einer verlässlichen und hoch effizienten Routine in allen repetitiven Prozessen (jeder Handgriff sitzt – auch im Schlaf, auch unter Feindbeschuss) angeht, bemerkte ein Spartenleiter eines europäischen Pharma-Konzerns: „Wenn ich manchmal unangekündigt Meetings auf Abteilungsleiter-Ebene besuche, stelle ich fest, dass die Meeting-Teilnehmer ebenfalls eine Routine ausgebildet haben: Erst fängt man mit 20 Minuten Verspätung an, bis alle Wichtigtuer eingetrudelt sind. Dann zapft sich erst mal jeder einen Kaffee und verbreitet den neuesten Klatsch. Danach sagt jeder zu jedem Agenda-Punkt das, was jeder andere auch schon gesagt hat. Und dann wird der nötige und meist dringende Beschluss vertagt.“

Der Spartenleiter hatte beim Überfliegen des vorliegenden KSK-Materials eine Erkenntnis: „Ich mache diese Missstände nicht am Slackertum meiner Mitarbeiter und Führungskräfte fest. Mir ging vielmehr eben auf: Wir haben das nie trainiert. Wir sagen den Leuten zwar, was wir uns unter einem effizienten und effektiven Meeting vorstellen. Aber wir haben solche Abläufe noch nie so wie beim KSK trainiert: Bis und dass es sitzt wie eine zweite Natur und nur noch abgespult werden muss.“ Da hat sich die Auseinandersetzung mit dem KSK doch schon gelohnt. Effiziente Abläufe können nicht proklamiert, sie können nur trainiert werden.



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