Marschall Schukow - Philipp Ewers - E-Book

Marschall Schukow E-Book

Philipp Ewers

3,0

Beschreibung

Georgi Konstantinowitsch Schukow (1896–1974) polarisiert. Für die einen ist er schlicht »der beste General des Zweiten Weltkriegs« (Eisenhower) und der Mann, der nach dem deutschen Überfall 1941 die wankende Westfront stabilisierte, Leningrad sicherte und Moskau rettete, Berlin eroberte und die deutsche Kapitulation entgegennahm, 1945 bei der Siegesparade in Moskau auf einem Schimmel über den Roten Platz ritt und die Parade abnahm, sogar zum Verteidigungsminister der Sowjetunion aufstieg und seine Memoiren veröffentlichte, die sich millionenfach verkauften. Andere halten ihn für einen »Bluthund«, einen »Schlächter«, der sinnlos das Leben Tausender Soldaten opferte, der für den waggonweisen Raub deutscher Antiquitäten bei Kriegsende zu Recht bestraft und degradiert wurde, einen Ehebrecher, der seine Frau regelmäßig betrog. Im vorliegenden Buch wird auf der Basis neuester geschichtswissenschaftlicher Erkenntnisse zu Schukow eine Neubewertung vorgenommen, werden seine Verdienste und Schwächen im Kontext der historischen Situationen beleuchtet, wird sein Leben und Werk fundiert – gestützt auf Quellen und Zeitzeugnisse – beurteilt und so die Grundlage für die künftige Beschäftigung mit dieser legendären und umstrittenen Persönlichkeit gelegt. Philipp Ewers gelang ein herausragendes Porträt!

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Philipp Ewers

Marschall Schukow

Der Mann, der Hitler besiegte

Die Biographie

ORIGINALAUSGABE

edition berolina

ISBN 978-3-95841-060-2

1. Auflage

Alexanderstraße 1

10178 Berlin

Tel. 01805/30 99 99

FAX 01805/35 35 42

(0,14 €/Min., Mobil max. 0,42 €/Min.)

© 2017 by BEBUG mbH / edition berolina, Berlin

Umschlaggestaltung: BEBUG mbH, Berlin

Umschlagabbildung: © BArch, Bild 183-P0402-011

Druck und Bindung: CPI Moravia Books s. r. o.

www.buchredaktion.de

Gewidmet den 64 Mitgliedern des Alexandrow-Ensembles (Zweifach mit dem Rotbannerorden ausgezeichnetes Akademisches Gesangs- und Tanzensemble der russischen Armee »A. W. Alexandrow«/Дважды краснознаменный академический ансамбль песни и пляски Российской армии имени А. В. Александрова), unter der Leitung von Generalleutnant Waleri Chalilow, sowie den übrigen Passagieren, die am 25. Dezember 2016 bei einem Flugzeugabsturz in Sotschi ums Leben gekommen sind.

Vorwort

Es wurde vor etwas mehr als zwanzig Jahren eröffnet, das Schukow-Museum im Städtchen Schukow, am Ugodka-Bach, in der Oblast Kaluga. Die Gemeinde mit ihren 12.000 Einwohnern, etwa hundert Kilometer südwestlich von Moskau gelegen, hieß ursprünglich nach dem dortigen Eisenwerk »Ugodski Fabrik« (Уго́дский Заво́д). Sie erhielt 1974 den Namen des berühmtesten Sohnes der Gegend, des im Dorf Strelkowka geborenen Sowjetmarschalls Georgi Konstantinowitsch Schukow. Der trutzige Bau Ecke Komsomolzen-Straße/Räte-Straße, eine Mischung aus Burg und Kirche, aus Museum und Gedenkstätte,wurde im Jahr 1995 errichtet; also ausgerechnet während der »wilden« Jelzin-Jahre, als die Erinnerung an die russische beziehungsweise sowjetische Vergangenheit mit Füßen getreten wurde, als Jelzin – vom Westen applaudiert – einen Staatsstreich unternahm und das ihm nicht willfährige Parlament in Moskau einfach auseinanderschießen ließ, während der dunklen Jahre, der neuen Wirren, der neuerlichen »Smuta«, die wenig später zum russischen Staatsbankrott und zum Aufstieg Wladimir Putins führten. Das Museum versammelt dessen ungeachtet Devotionalien aus allen Lebensphasen des Sowjet-Militärs, enthält aber auch – im zentralen Rundbau – ein monumentales Diorama der »Schlacht um Berlin« (April 1945). Abgerundet wird der Bau durch einen Turm, der zur Geburts- und Sterbestunde des Generals die schweren Bronze­glocken erklingen lässt, sowie über dem Haupteingang durch ein großes, strahlend weißes Marmorrelief des Heiligen Georg, wie er gerade einen Drachen tötet.

Wer war der Mann, dem dieses für die russische Provinz ungewöhnliche Museum gewidmet ist? Wer war General Georgi Konstantinowitsch Schukow? Sieben Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist diese Frage noch immer nicht abschließend beantwortet. Eines ist sicher: Schukow (1896–1974) polarisiert. Für die einen ist er schlicht »der beste General des Zweiten Weltkriegs« (Eisenhower) und der Mann, der nach dem deutschen Überfall 1941 die wankende Westfront stabilisierte, Leningrad sicherte und Moskau rettete, die siegreichen Schlachten von Stalingrad und Kursk leitete, Berlin eroberte und die deutsche Kapitulation entgegennahm, 1945 bei der Siegesparade in Moskau auf einem Schimmel über den Roten Platz ritt und die Parade abnahm, zum »Posterboy« des Zweiten Weltkriegs avancierte, als er auf der Titelseite des US-Magazins Life abgebildet wurde, schließlich sogar zum Verteidigungsminister der Sowjetunion aufstieg und seine Memoiren veröffentlichte, die sich millionenfach verkauften. Andere wiederum halten ihn für einen »Bluthund«, einen »Schlächter«, der sinnlos das Leben Tausender Soldaten opferte, für die größten Misserfolge der sowjetischen Kriegsführung verantwortlich war, der für den waggonweisen Raub deutscher Antiquitäten bei Kriegsende zu Recht bestraft und degradiert wurde, einen Ehebrecher, der seine Frau regelmäßig betrog. Aus einer ganz finsteren Ecke wird ihm sogar vorgeworfen, er habe im Frühjahr 1941 einen Präventivkrieg gegen Deutschland vorbereitet, und Hitler sei ihm dann mit seinem Überfall auf die Sowjetunion nur zuvorgekommen.

Im vorliegenden Buch wird auf der Basis neuester geschichtswissenschaftlicher Erkenntnisse zu Schukow eine Neubewertung vorgenommen, werden seine Verdienste und Schwächen im Kontext der damaligen historischen Situationen beleuchtet, wird sein Leben und Werk fundiert – gestützt auf Quellen und Zeitzeugnisse – beurteilt und so die Basis für die künftige Beschäftigung mit Schukow gelegt. Also mit jenem Mann, dem, darüber zumindest ist man sich einig, entscheidender Anteil am Sieg über Deutschland zukommt, der den östlichen Kriegsschauplatz dominierte – Hitler, der mit achtzig Prozent der ihm zur Verfügung stehenden Truppen hier am 22. Juni 1941 antrat, das sowjetische Imperium zum Einsturz zu bringen und dem »Großdeutschen Reich« eine gigantische Festlandskolonie im Osten zu verschaffen, verlor hier alles, die Truppen, den Krieg, jegliche Aussicht auf ein Überleben, sei es seines Regimes, sei es sein persönliches. Die »Ostfront« war der Hauptkriegsschauplatz des europäischen Teiles des Zweiten Weltkriegs. Dort fielen drei Viertel der deutschen Kriegsverluste im Zweiten Weltkrieg an. Westliche Erfolge wie bei El Alamein oder selbst die Landung in der Normandie spielten sich auf deutlich niedrigerem zahlenmäßigen Niveau ab, mit einem Bruchteil der im Osten eingesetzten Soldaten, Panzer, Geschütze, Flugzeuge. Allein in Stalingrad starben mehr Soldaten, als die USA seit ihrer Gründung 1776 überhaupt an Gefallenen zu verzeichnen hat.

Die Hauptattraktion in der Kleinstadt, die den Namen des Generals trägt, das Schukow-Museum, ist alles in allem ein nach wie vor liebevoll gepflegter Bau samt Rasenrabatten, Blumenarrangements und Aufmarschtreppen, der die Erinnerung hochhält an diese Ikone des Zweiten Weltkriegs. Schukow-Postkarten, Tassen und Briefmarken werden im Museumsshop in Schukow allerdings kaum noch verkauft. Dafür wird das Geschäft inzwischen dominiert von Fotos, T-Shirts und sonstigen Andenken des neuen Helden Russlands, der Mütterchen Russland aus den tiefsten Abgründen westlich aufgeschwatzter Privatisierungsexzesse samt Staatsbankrott errettet, die sozialen Sicherungssysteme erneuert, für die pünktliche Auszahlung von Löhnen und Renten gesorgt sowie das Land insgesamt abermals in die Spitzengruppe der Weltpolitik geführt hat, wo Russland heute neben den USA und China nach längerer Pause wieder als Zentralmacht erscheint – im Bereich des Zivilen, aber auch der Geopolitik ein würdiger Nachfolger Schukows: Wladimir Putin.

Übrigens, weil das außerhalb Russlands kaum noch bekannt ist: Der Nachname »Schukow« wird nicht mit scharfem »Sch« wie in »Schule«, sondern mit weichem »Sch« wie in »Journalist« oder »Genie« ausgesprochen.

Sankt Petersburg, Frühjahr 2017

Philipp Ewers

1. Kindheit und Jugend

Wer war der Mann, der rund ein Drittel der knapp zweihundert militärischen Operationen der Roten Armee während des vierjährigen Kampfes gegen Hitler persönlich direkt oder indirekt leitete? Kein anderer General des Zweiten Weltkriegs – egal auf welcher Seite – hat eine vergleichbare »Ausbeute« vorzuweisen. Aus welchen Verhältnissen stammte, welche Umstände prägten Schukow? Eines ist klar: Dem Feldherrn und schwungvollen Triumphator der Moskauer Siegesparade vom Juni 1945 war ein solcher Aufstieg zur Weltberühmtheit nicht in die Wiege gelegt. Bislang ist über Schukows Kindheit und Jugend nur wenig bekannt. Er selbst hat in seinen Memoiren die ersten Abschnitte seines Lebens nur kurz zusammengefasst und dabei seine harte Jugend, die Herkunft aus ärmsten Verhältnissen betont. Dokumentarische und archivalische Belege aus dieser Zeit sind rar. Dennoch wird im Folgenden zu überprüfen sein, ob seine eigenen Schilderungen nicht etwas übertrieben, ob sie nicht im »sozialistischen« Sinne geschönt waren (regimekonform), was die geradezu programmatische, prototypisch »bolschewistische« Ärmlichkeit seiner Herkunft betrifft.

Fest steht, dass Georgi Konstantinowitsch Schukow am 1. Dezember 1896 im Dorf Strelkowka geboren wird. Sein Geburtsort liegt rund hundert Kilometer südwestlich Moskaus. Für russische Verhältnisse ist Schukow also zumindest geographisch durch die Nähe zur Metropole und heimlichen Hauptstadt (neben der offiziellen Hauptstadt Sankt Petersburg, korrekt transkribiert eigentlich Sankt Peterburg) privilegiert, im Gegensatz zu Menschen, die im russischen Fernost aufwachsen oder an den anderen Rändern des Riesenreichs. Sein Vorname wird traditionell nach dem Fest des Heiligen am Tag der Geburt beziehungsweise der wenig später vollzogenen Taufe gewählt, in diesem Fall Sankt Georg der Siegreiche (nach der Nomenklatur der Ostkirche, Георгий Победоносец) – und könnte nicht passender für jemanden sein, der auf dem Höhepunkt seines Lebens das ganze Land gleich dem Drachentöter, nach dem er benannt ist, kurz vor dem schon sicher geglaubten Untergang aus den Klauen jenes barbarischen Ungeheuers rettet, das die Nazi-Invasion, der von Berlin aus entfesselte Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und ihre Einwohner, metaphorisch zusammengefasst darstellt. Nicht zu vergessen, dass er den »Drachen« (Hitler) dann auch noch in seinem Höhlenunterschlupf in Berlin (vulgo »Führerbunker«) zur Strecke bringt.

Auch für andere künftige Protagonisten im Sowjetreich ist 1896 ein ereignisreiches Jahr. Der 26-jährige Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, schmachtet monatelang hinter Gittern, weil er es gewagt hat, eine zarenkritische Publikation unter die Leute zu bringen. Er nutzt die Zeit hinter Sankt Petersburger Festungsmauern, um sein nächstes Werk, Über die Entwicklung des Kapitalismus in Russland, zu Papier zu bringen. Iossif Wissarionowitsch Dschugaschwili, noch keine achtzehn Jahre alt und noch nicht Stalin genannt, sondern nach einem georgischen Märchenräuber »Koba«, besucht das Priesterseminar in der georgischen Hauptstadt Tiflis, verfasst empfindsame Verse über die Liebe und besucht illegale Eisenbahner-Versammlungen. Lew Dawidowitsch Bronstein, der sich bald »Trotzki« nennen wird, ist gerade siebzehn Jahre alt geworden, Zögling der Sekundarschule im südukrainischen Nikolajew und liest erste nonkonforme Untergrundzeitschriften. Woroschilow, künftiger Verteidigungsminister der Sowjetunion, hat gerade das fünfzehnte Lebensjahr vollendet, Tuchatschewski, militärisches Genie und einer der Väter der sowjetischen strategischen Schule, das dritte. Für sowjetische Militärs ist die Zeit um 1896 insgesamt eine fruchtbare – eine ganze Reihe künftiger Mitstreiter gegen die deutschen Invasoren, die allesamt den Rang eines Marschalls der Sowjetunion erreichen werden, werden einige Monate vor oder nach Schukow geboren: Timoschenko (Februar 1895), Wassilewski (September 1895), Rokossowski (Dezember 1896) und Koniew (Dezember 1897).

Geprägt ist das Jahr 1896 von einer Katastrophe, die einen Schatten über die Zarenfamilie wirft und die rückblickend wie ein Menetekel, wie eine Ankündigung des Untergangs des kaiserlichen Russland wirkt: Gemeint ist die Massenpanik auf dem Chodynkafeld. Als Feierlichkeit anlässlich der Krönung des letzten Zaren, Nikolaus II., geplant, kommen am 18. Mai des Jahres bei einem Massenansturm auf die aus diesem Anlass ans Volk zu verteilenden Geschenke über 1.300 Menschen ums Leben. Angeblich, um Frankreich nicht zu düpieren, nimmt der frischgebackene Zar dennoch am selben Abend an einem Ball in der französischen Botschaft teil, was ihm vom Start weg den Ruf eines herzlosen, an seinem Volk denkbar desinteressierten Despoten einbringt. Von einem ähnlichen Ereignis war schon die Hochzeit des Franzosenkönigs Ludwigs XVI. mit Marie Antoinette 1770 überschattet worden (über hundert Tote), mit ähnlicher Menetekel-Wirkung, denn auch hier kamen der Autokrat und seine Gemahlin knapp zwei Jahrzehnte später durch Volkes Willen zu Tode.

Schukows Vorfahren sind nicht besonders weit zurückzuverfolgen. Der Vater wächst als elternloses, ausgesetztes Kind bei einer Witwe im Ort auf. Nach deren Tod wird er von einem Schuster aufgenommen, wo er den Beruf lernt, geht nach Moskau zu einem der bekanntesten Schuhmacher dort, dem Unternehmen Weiss, kehrt 1870, etwa 26-jährig, nach Strelkowka zurück und heiratet die Witwe Anna, adoptiert ihre beiden Kinder. Anna stirbt 1892, Schukows Vater (48 Jahre alt) heiratet nun die zwanzig Jahre jüngere Ustenia, ihrerseits kinderlose Witwe. Schukows Vater verdient den Lebensunterhalt für die kleine Familie weiterhin als Schuster in Moskau, kommt zweimal im Jahr für die Ernte länger nach Strelkowka, und zieht erst 1906 (im Alter von etwa 62 Jahren) dauerhaft wieder nach Strelkowka zurück, als Pensionär. Dort besitzt die Familie eine Isba, ein einfaches Einraum-Holzhaus mit Ofen und Stall. Da die Familie – wie die erhaltenen Unterlagen belegen – zu den Steuerzahlern in Strelkowka gehört, können sie nicht die Ärmsten der Armen gewesen sein, wie es Schukow in seinen Memoiren zu vermitteln versucht. Zum Einkommen des Vaters kommen die Einnahmen der Mutter, die mit einem Pferdewagen Lebensmittel von Malojaroslawez zum örtlichen Einzelhändler in Strelkowka transportiert. Schukow beschreibt seine Mutter als sehr kräftig, sie sei in der Lage gewesen, Achtzig-Kilo-Säcke zu schleppen. Wenn es stimmt, dann hat Schukow von ihr seine körperliche Stabilität, seine Widerstandsfähigkeit geerbt, die ihm in Kriegszeiten, aber auch später zugutekommt. Gegen die soziale Isolation durch große Armut spricht auch die Tatsache, dass sein Vater wiederholt die Gemeinde Strelkowka als Delegierter in der Regionalversammlung vertritt. Er kann offenbar lesen und schreiben, während Mutter Ustenia Analphabetin ist. 1902 wird er sogar zum Hilfspolizisten ernannt, was ihm ein weiteres kleines Zusatzeinkommen bringt. Und nicht zuletzt ist der Bruder der Mutter, Michail Artjomowitsch Pilichin, ein bekannter Kürschner in Moskau. Die Familie Schukow gehört also zwar nicht zur Bourgeoisie, ist aber doch gegenüber der einfachen Landbevölkerung deutlich bessergestellt.

Der Familienname selbst erinnert an das russische Wort für »Käfer« (Жук). Die Vokabel wird umgangssprachlich auch als Bezeichnung für einen Tunichtgut benutzt. Georgi ist das zweite Kind, seine Schwester Maria ist zwei Jahre älter. Fünf Jahre nach seiner Geburt ist seine Mutter wieder schwanger, das Kind, ein Junge, stirbt aber bald nach der Geburt. Die Familie trauert Schukow zufolge sehr um das früh verstorbene Baby. Was die religiöse Haltung Schukows betrifft, gibt es während des Zweiten Weltkriegs Gerüchte, dass Schukow eine wundertätige Ikone in seinem Dienstwagen mit sich führe. Sein Fahrer sagt aber Jahrzehnte später aus, ihm sei von einer Ikone im Fahrzeug nichts bekannt gewesen. Es gibt auch keine sonstigen Hinweise darauf, dass Schukow als Erwachsener ein gläubiger Mensch gewesen wäre.

Russland ist zum Zeitpunkt der Geburt Schukows auf dem Höhepunkt seiner imperialen Ausdehnung angekommen – zu keinem Zeitpunkt in der russischen Geschichte vorher oder nachher umfasst das Land ein derart großes Gebiet, das von den russischen Provinzen Finnland und Polen im Westen bis nach Fernost reicht (das russische Alaska ist einige Jahrzehnte zuvor an die USA verkauft worden), von der Arktis im Norden bis in die mittelasiatischen Provinzen an der afghanischen Grenze im Süden. Das »Sammeln russischer Erde«, wie die kontinuierliche Ausdehnung des russischen Machtbereichs seit dem 14. Jahrhundert genannt wurde, endet erst an den natürlichen Grenzen (Küsten) des Landes beziehungsweise an der chinesischen Grenze und Korea. Mehr als hundert Nationalitäten und Ethnien leben in diesem gigantischen, größten Reich der Erde. Die meisten Einwohner sind Russen, die Gesamtbevölkerung beträgt rund 140 Millionen, die meisten davon Bauern.

Die Provinz, in der Georgi aufwächst, Kaluga, stellt eines der frühen Industriezentren Russlands dar (und ist es bis heute geblieben, mittlerweile mit Werken der Automobilhersteller Volkswagen, Peugeot und anderen). Im Gegensatz zu den fruchtbaren Schwarzerdegebieten Südrusslands spielt hier die Landwirtschaft nur eine untergeordnete Rolle, neben der Industrie, der Forstwirtschaft und der Gewässernutzung. Außerdem gibt es damals schon eine gehörige Menge an Pendlern, die mit der einige Jahre zuvor eröffneten Bahnlinie nach Moskau zur Arbeit fahren. Der umfassende soziale Wandel auf dem Land beginnt in Russland im ausgehenden 19. Jahrhundert mit der Eröffnung zahlreicher Schulen im ländlichen Gebiet. Staatliche Institutionen und private Stiftungen (wie die des Schriftstellers Tolstoi) sorgen dafür, dass erstmals die Jugend auf dem Land das Privileg eines Mindestmaßes schulischer Bildung (Volksschule) erhält. Auch Schukow ist in seiner Familie der erste, der eine dreijährige Schulausbildung durchlaufen darf (vorher mussten die Kinder ab frühem Alter mitarbeiten, um die Familie zu ernähren). Da die reguläre Schulzeit für Kinder auf dem Land damals nur zwei Jahre beträgt, ergeben sich hier schon erste Indizien, dass seine Eltern Georgi über das übliche Maß hinaus fördern.

Zu den väterlichen Erziehungsmaßnahmen gehören aber offenbar auch Prügelstrafen mit dem Gürtel, die Schukow eigenen Angaben zufolge stoisch erträgt. Noch in seiner Lehrlings- und Militärzeit gehören Prügelstrafen zum Alltag. Nach insgesamt sogar fünf Schuljahren beginnt der zwölfjährige Georgi dann 1908 in Moskau, bei seinem Onkel Michail Pilichin, eine Lehre als Kürschner. Die tägliche Arbeitszeit beträgt damals zwölf Stunden, mit einer Stunde Pause. Neben der Lehre besucht Georgi zeitweise, gemeinsam mit seinem Cousin Alexander, dem Sohn des Betriebsinhabers, eine Abendschule, um sich weiterzubilden. Zu den Unterrichtsfächern gehören Russische Sprache und Kultur, Mathematik, Geographie und Deutsch. Sein Cousin wird bald schon vom Vater zur weiteren Ausbildung ins ferne Leipzig geschickt, damals die »Pelzhauptstadt« des deutschen Kaiserreichs. Für den auf dem Land aufgewachsenen jungen Georgi ist die Großstadt Moskau natürlich zunächst ein Schock – die hohen Häuser, die gepflasterten Straßen und Gehwege, die Menschenmassen, die vielen Pferdedroschken, erste Automobile, die klingelnden und ratternden Straßenbahnen, das Schienennetz, die tägliche Überfülle des Angebots an Lebensmitteln, Delikatessen, Ablenkungen, Divertissements. Er beschreibt in seinen Memoiren, wie überwältigt er war von seinen Eindrücken innerhalb der ersten Stunden in Moskau.

Michails Sohn Alexander, genau gleich alt wie Georgi, freundet sich schnell mit dem neuen Mitbewohner an. Auch der Onkel ist – im Gegensatz zur Darstellung in Schukows Memoiren, wo er als sadistischer Patron gezeichnet wird – Georgi freundschaftlich zugetan, nimmt ihn schon nach zwei Jahren Lehrzeit in sein Atelier auf, weitere zwei Jahre später, mit sechzehn Jahren, darf Georgi schon erste Geschäftsreisen allein unternehmen, so zu den Messen von Nischni Nowgorod und von Uriupino. Der frischgebackene Geselle hat nun seinerseits drei Untergebene, Lehrjungen, die er herumkommandieren darf. Am Sonntag besucht die gesamte Familie Pilichin die Mariä-Entschlafens-Kathedrale im Kreml und hört die phantastische Chormusik, die dort gepflegt wird. Georgi darf mittlerweile auch – weitere Beförderung – eigenständig Pelze ausliefern. Der jüngste Sohn des Kürschnermeisters, wie sein Vater Michail geheißen, schreibt später seine Erinnerungen an die Zeit in Moskau vor der Revolution auf. Er zeichnet das Bild einer heilen, heiteren Familie, das denkbar stark mit dem düsteren Bild kontrastiert, das Schukow in seinen Memoiren wiedergibt. Wie die anderen Angestellten darf Georgi im Sommer zwei Monate in seinem Heimatdorf verbringen, um der Familie bei den Erntearbeiten zu helfen. 1912 wird der sechzehnjährige Georgi von seinem Onkel zum Ende seiner Ausbildung neu eingekleidet: zwei Mäntel, ein dreiteiliger Anzug, Schuhe, Unterwäsche. Dazu erhält er eine Prämie für den erfolgreichen Abschluss. Georgi verdient jetzt respektable 25 Rubel im Monat (sprich 300 Rubel im Jahr) – sein Vater verdient zur selben Zeit nur 90 Rubel jährlich.

Das Kürschnerhandwerk ist in der waldreichen Region um Moskau mit ihren vielen Pelztieren eine angesehene, einträgliche Tätigkeit. Fotos aus dieser Zeit um 1914 zeigen den modisch gekleideten jungen Gesellen Georgi mit seinem Lehrjungen und den beiden Cousins Alexander (Sascha) und Michail. Georgi bezieht 1913 sogar ein eigenes Zimmer, Ecke Twerskaja Uliza und Ochotni Riad, in einer der schicksten Gegenden des damaligen Moskau. Für drei Rubel kommt er bei der Witwe Malitschewa als Untermieter unter. Wäre der Erste Weltkrieg nicht dazwischengekommen, hätte Schukow vermutlich früher oder später seinen eigenen Pelzladen eröffnet oder einen bestehenden übernommen. Schukow selbst beschreibt sich als damals völlig unpolitischen Jugendlichen, dem die allgemeine Situation egal ist, der an die Strukturen und Funktionalitäten seines Landes noch keine Gedanken verschwendet hat. Damit teilt er das Schicksal eines Großteils der russischen Jugend, die zu diesem Zeitpunkt von jeglichem politischen Engagement unbeleckt ist. Das hat seiner eigenen Sichtweise zufolge mit seiner »kleinbürgerlichen« Herkunft zu tun. In den Kreisen des unter elenden Bedingungen leidenden »Arbeiterproletariats« dagegen ist eine staatskritische Haltung damals weitverbreitet und hat sich in mehreren Krisen und »Revolutionen« – zuletzt 1905 – deutlich gezeigt. Die Abendkurse gibt Schukow nach einigen Monaten auf, um sich den angenehmen Seiten des Moskauer Lebens (und Nachtlebens) intensiver zuzuwenden. Er verliebt sich in den nächsten Monaten in Maria Malitschewa, die Tochter seiner Vermieterin, es ist sogar schon von Hochzeit die Rede.

Doch dann folgt der Kriegsausbruch 1914, das einschneidende Ereignis, das seinem Leben wie dem so vieler anderer Menschen in Europa eine neue Wendung aufzwingt. Das russische Zarenreich, obwohl durch vielfältige verwandtschaftliche Beziehungen eng mit der deutschen und anderen europäischen Herrscherfamilien verbunden, fühlt sich durch die deutsch-österreichische Reaktion auf das Attentat, dem der österreichische Thronfolger zum Opfer fällt (Ultimatum an das von Russland als slawische »Schwesternation« bezeichnete Serbien), provoziert, die langjährige Hochrüstung hat ein Klima gereizter Stimmung erzeugt, geschürt von den Rüstungskonzernen, die entsprechende Lobby- und PR-Gruppen üppigst bezahlen, um in ihrem Sinne Kriegsstimmung zu machen. Nach den schon märchenhaften Profiten der Aufrüstungsphase würde ein siegreicher Krieg noch exorbitantere Gewinne abwerfen. Dass ein Krieg auch verloren gehen kann, lassen die meisten dieser Rüstungsprofiteure in ihren von Gier und Rücksichtslosigkeit geprägten Aktionen völlig außer Acht. In Deutschland sind für derlei Kriegspropaganda beziehungsweise Schüren der Kriegsbegeisterung Tarnorganisationen wie der »Alldeutsche Verband«, der vom Nachrichtenbüro des Reichsmarineamts geführte (und von Krupp und anderen Rüstungsindustriellen finanzierte) »Flottenverein« und ähnliche »kriminelle« Vereinigungen zuständig. Vergleichbare Organisationen gibt es in Frankreich (finanziert vom Rüstungskonzern Schneider-Creusot) und in Großbritannien (unter anderem Vickers, ansonsten dort betrieben von den großen Werftkonzernen, die künftigen Geschäften und märchenhaften Profiten mit immer größeren, immer teureren Kriegsschiffen den Boden bereiten möchten). Sie alle zusammen versetzen mit millionenschweren, nationalistisch-chauvinistischen Hetzkampagnen Europa in einen Zustand der Kriegshysterie, bei dem schon ein kleiner Funke genügt, um das große Massensterben auf den Schlachtfeldern der vermeintlichen »Ehre« auszulösen. Und so kommt es auch.

Auf der einen Seite stehen nun das kaiserliche Deutschland und das kaiserliche Österreich, das Königreich Italien noch an ihrer Seite (bis zum Frontwechsel 1915); auf der anderen Seite das angegriffene Serbien, das russische Zarenreich, die britische Monarchie und das republikanische Frankreich (als »Entente cordiale«, »herzliche Vereinigung«, später nur kurz »Entente« genannte Alliierte), und ab 1917 auch die USA. Das kaiserliche Deutschland hat schon früh, weit vor dem Krieg, im Jahr 1912, in Bezug auf Russland (und Frankreich) Expansionsgelüste formuliert – wenn auch nur in verschwiegenen Hinterzimmern Berlins und der üppigen Landsitze von Hochadel und Großindustrie. Neben den Plänen hinsichtlich der lukrativen französischen Eisenerz- und Kohleregionen sowie der dem britischen Weltreich zu entreißenden Kolonien sind vom Kaiser bis zu den Industriellen alle auch bereit, »umstürzlerische« Umtriebe in Russland zu fördern, um den Gegner im Osten auszuschalten und so »freie Hand im Westen« zu haben. Ziel ist es, zunächst das russische Riesenreich zu zerschlagen, gemäß der einige Jahre zuvor beschlossenen Strategie, ihm orangenschalengleich die »Randstaaten« (Finnland, Polen, Baltikum, Ukraine, Weißrussland etc.) zu entwinden und das Maximum der russischen Bodenschätze und sonstigen natio­nalen Reichtümer in deutsche Hände zu bringen. Dem deutschen Kaiser Wilhelm II. ist es egal, dass er damit das Todesurteil für seine russische Verwandtschaft ausspricht. Die Pläne werden weiter vor­angetrieben. Und welche der staatsfeindlichen (terroristischen) Gruppierungen zwischen Moskau und Wladiwostok verspricht am meisten Durchschlagskraft gegen das zaristische Russland und seine gefürchtete Geheimpolizei, die Ochrana (Ochrannoje otdelenie, russisch: Охранное отделение, Sicherheitsabteilung)? Die Bolschewiken, eine verschworene, in langen Jahren der Verfolgung geschmiedete Vereinigung von Revolutionären, die natürlich dankbar für jegliche finanzielle und sonstige Unterstützung ist, egal woher sie kommt.

So nimmt das Deutsche Reich über verschwiegene Kanäle Kontakt mit dem im Züricher Exil vor sich hin brütenden Lenin auf, der seit Jahrzehnten auf eine Chance wartet, den großen Umsturz, die kommunistische Revolution in seinem Heimatland (und dann auch in allen anderen Industrieländern der Welt) ins Werk zu setzen, dem zu diesem Zeitpunkt aber fast alle Voraussetzungen dafür fehlen: die Finanzen, die Waffen, die Massenbasis. All dies kommt nun, dank der deutschen Millionen, die ihm in Aussicht gestellt werden, in Reichweite. Interessanterweise übernimmt der Exil-Russe Alexander Parvus, der im Umfeld des mysteriösen Waffenschiebers Basil Zaharoff das Geschäft gelernt und die ersten Millionen verdient hat, eine Schlüsselrolle in der Finanzierung des russischen Umsturzes. Geboren als Israil Lasarewitsch Helphand in einem Schtetl Weißrusslands, verbringt er seine frühen Jahre im Umfeld der Bolschewiken und speziell Trotzkis, beteiligt sich an den revolutionären Unruhen von 1905, wird zu Zuchthaus und Verbannung verurteilt, flieht ins Exil und finanziert dort seinen Lebenswandel im lukrativen Rüstungshandel. Parvus beginnt, wie sein Lehrherr, jeweils beide Seiten regionaler Konflikte auf dem Balkan und rund um die Türkei zunächst mit Waffensystemen des schwedischen Nordenfeldt-Konzerns zu beliefern, bald aber handelt er auch mit Produkten der Rüstungskonzerne Krupp, Schneider-Creusot und Vickers. Ab 1915 widmet er sich dann gemäß einem vom deutschen Außenministerium genehmigten und mit Millionen Goldmark finanzierten Vorhaben der »Revolutionierung« Russlands, indem er einige linksextreme Vereinigungen mit Geldzuwendungen überschwemmt, speziell die Bolschewiki. Alles Weitere ist Geschichte.

Doch noch ist es nicht so weit. Wir schreiben noch 1914, die von den Rüstungskonzernen künstlich erzeugte »Kriegsbegeisterung« ist auf ihrem Höhepunkt, manche Menschen sehnen sich geradezu nach dem Krieg und den mit ihm verbundenen »Abenteuern«. Mit achtzehn Jahren wäre Georgi alt genug, um sich zur Armee zu melden. Doch er wartet, vermutlich auf Anraten seiner Eltern und Verwandten, bis seine Altersgruppe ohnehin eingezogen wird. Sein Cousin Alexander dagegen meldet sich gleich zu Kriegsbeginn als Freiwilliger, wird 1917 verwundet, tritt dann in die Rote Armee ein und stirbt 1920 bei den Kämpfen um Zarizyn (Stalingrad, heute Wolgograd). In seinen Memoiren berichtet Schukow, dass gleich zu Beginn des Krieges die von deutschen oder deutschklingenden Geschäftsführern geführten Warenhäuser Moskaus geplündert werden. Auch die deutsche Botschaft in Sankt Petersburg wird gestürmt und ausgeräumt. Aus Protest gegen die deutsche Aggression lässt der Zar Sankt Petersburg in Petrograd umbenennen (und den Namen damit russifizieren). Georgi erhält schließlich Anfang August 1915 die offizielle Einberufung. Sein Onkel Michail bietet ihm noch an, ihm ein ärztliches Attest zu besorgen, das ihn für ein Jahr oder mehr vom Kriegsdienst freistellt. Doch seine Bemühungen sind vergebens. Schukow rückt ein.

Georgi Konstantinowitsch, neunzehn Jahre alt, wird dem 5. Reserve-Kavallerieregiment zugewiesen, das in Malojaroslawez (Oblast Kaluga), nahe seinem Geburtsort, stationiert ist. Dies geschieht offenbar ohne sein Zutun, aber zu seiner großen Zufriedenheit, da er – wie er in seinen Memoiren schreibt – schon immer eine Bewunderung für die berittene Truppe hegte. Interessant ist, dass er auch im Rückblick kein Wort über den Korpsgeist verliert, der bei der zaristischen Kavallerie herrschte und den Trotzki als »ultrareaktionär« bezeichnete. Das Offizierskorps besteht hier zumeist aus Aristokraten. Schukow dient insgesamt – unter wechselnden Vorzeichen – zwanzig Jahre in der Kavallerie, der er sich bis an sein Lebensende verbunden fühlt. Die zaristische Kavallerie ist damals mit Abstand die zahlenmäßig stärkste auf der ganzen Welt. 36 Divisionen zu 240 Regimentern mit insgesamt 240.000 Soldaten umfasst diese Waffengattung. Der logistische Aufwand für eine einzige Kavalleriedivision zu 5.000 Pferden ist rund fünfmal höher als für eine Infanteriedivision. Wo Schukow reiten gelernt hat, ist nicht bekannt, er schreibt darüber auch erstaunlicherweise nichts in seinen Memoiren. Man kann allerdings davon ausgehen, dass die Jugend auf dem Dorf auch kleine private Reitexerzitien umfasste, mit der übrigen Dorfjugend beziehungsweise mit dem familieneigenen Zugpferd. Seine nicht so glücklichen Dorfkameraden werden der Infanterie zugewiesen, die meisten von ihnen sterben in den für Russland immens verlustreichen Schlachten der nächsten beiden Kriegsjahre.

Mit seinem Regiment wird Schukow im September 1915 nach Charkow verlegt, wo sie Teil der neuaufgestellten 10. Kavalleriedivision werden. Sein erstes Pferd ist eine störrische Stute namens Tschaschetschnaja. Schukow hat Mühe, sie einigermaßen zu zähmen. Dafür striegelt er sie aber auch liebevoll dreimal täglich. Seine Kavallerieausbildung ist im Frühjahr 1916 abgeschlossen. Er wird nun für die Unteroffizierslaufbahn ausgewählt und zu diesem Zweck nach Isjum (am Donez) geschickt. Schukow akzeptiert, unter anderem – wie er in den Memoiren schreibt – weil ihn das vor der direkten Verlegung an die Front schützt (er sieht angeblich keinen Zweck mehr darin, das überholte zaristische System militärisch zu unterstützen). Er übersteht allerhand Intrigen und Kalamitäten, und nach weiteren Monaten erhält er dann im Juni 1916 tatsächlich die Beförderung zum Unteroffizier. In der zaristischen Armee kommen nur zwei Unteroffiziere auf eine Kompanie (ähnlich wie im k. u. k. Österreich-Ungarn), während die deutsche Armee zu diesem Zeitpunkt schon zwölf Unteroffiziere pro Kompanie vorsieht. Dieser Mangel an Kaderpersonen zieht sich bis in die Rote Armee durch, wo ähnliche Verhältnisse noch zu Beginn des Zweiten Weltkriegs herrschen werden und eine der wesentlichen strukturellen Schwächen der sowjetischen Streitkräfte zu diesem Zeitpunkt darstellen. Im August 1916 nach Moldawien, an den Dnjestr, verlegt (bis heute eine Konfliktzone entlang der Bruchlinie zwischen westeuropäischem und russischem Einflussgebiet), kommt er beim Vormarsch am 15. August erstmals unter Feuer, seine Abteilung erleidet Verluste durch Beschuss seitens feindlicher Luftwaffe. Doch schon bald erhält er Gelegenheit, sich aktiv auszuzeichnen. Die Kavallerie wird zu diesem Zeitpunkt an diesem Frontabschnitt hauptsächlich zur Feindaufklärung eingesetzt. Dabei gelingt Schukow die Gefangennahme eines deutschen Offiziers, die ihm seinen ersten Orden einträgt, das kaiserlich-russische Sankt-Georgs-Kreuz (passend zu seinem Namen).

Bei einem weiteren dieser Einsätze gerät er mit seinem Pferd in ein Minenfeld und wird schwer verletzt. Er kommt ins Lazarett nach Charkow und erhält dort sein zweites Georgskreuz. Anschließend wird er Ende 1916 wieder seiner ursprünglichen Einheit, dem 5. Reserve-Kavallerieregiment, zugeteilt, zwecks Rekonvaleszenz, stationiert südlich von Charkow. Er weiß es noch nicht, aber damit ist sein Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg schon nach fünf Wochen für immer beendet. In Russland spitzt sich in diesen Monaten die Lage zu, die Unzufriedenheit im Land mit dem negativen Kriegsverlauf, den vielen Toten, und der sich ständig verschlechternden Versorgungslage nimmt zu. Im März 1917 verweigern immer mehr Soldaten den Dienst an der Waffe, Zar Nikolaus II. – zu diesem Zeitpunkt Oberbefehlshaber – erklärt seinen Rücktritt vom Zarenthron. Zunächst soll ein Verwandter nachrücken, aber die Stimmung im Land hat sich schon so weit gedreht, dass dieser die Amtsübernahme verweigert. Daher endet mit dem Rücktritt Nikolaus II. die vierhundertjährige Herrschaft der Familie Romanow über Russland. Schukow widmet den dramatischen Ereignissen im Land gerade einmal zwei Seiten seiner Memoiren. Auf diesen fasst er den Zeitraum zwischen Ende Februar (erste Unruhen auch in der Garnison Balakleja, wo Schukow zu diesem Zeitpunkt stationiert ist) bis zu seiner Rückkehr nach Strelkowka, seinen Geburtsort, Ende November 1917 zusammen. Man kann darüber spekulieren, warum er sich gegenüber diesem für sein weiteres Leben wie für ganz Russland so entscheidenden Zeitraum so kurz fasst. Sei es, dass er damals als Soldat wenig von den dramatischen Ereignissen mitbekommen hat oder die sowjetische Zensur hier eingegriffen hat oder dass er – diese Zensur einberechnend – keine »anstößigen« Erinnerungen zu Papier bringen will, schließlich noch, weil er möglicherweise etwas verbergen, etwas mit dem Mantel des Schweigens umhüllen möchte.

Schauen wir uns diese Ereignisse an. Ende Februar – nach der Meuterei selbst der zaristischen Leibgarde-Regimenter Wolinski und Preobraschenski – übernehmen zwei neue Kraftzentren die Macht im Land, das nun Republik wird. Auf der einen Seite die Basis in Form der vielen – wie schon während der revolutionären Unruhen 1905 – spontan gebildeten Arbeiter- und Soldatenräte (das russische Wort für »Rat« ist »Sowjet«/совет), auf der anderen die alte Elite in Form der Provisorischen Regierung unter Kerenski. Diese setzt sich zusammen aus liberalen und sozialistischen Politikern, die nun die seit langem verlangten Reformen im Land durchführen und die Wahl einer Verfassungsgebenden Versammlung organisieren sollen. Die Räte halten die Macht vor Ort in ihren Händen, die Provisorische Regierung den Regierungs- und Verwaltungsapparat sowie das Militär (zumindest die Kommando-Ebene). In den lokalen Räten (Sowjets) sind die Bolschewiki sehr aktiv, eine linksextreme Abspaltung der Sozialdemokratischen Partei Russlands unter der Führung Lenins. Die Bolschewiki schaffen es, in vielen Räten den Ton anzugeben, mit radikalen Forderungen nach sofortiger Beendigung des Krieges, einer Umverteilung der Reichtümer im Land von oben nach unten und einer Aufteilung des adligen Großgrundbesitzes an die einfachen Bauern. Ihre Forderungen sind zusammengefasst in dem Slogan »Frieden, Brot und Land« – Frieden für Russland, Brot für die Arbeiter, Land für die Bauern. Die Stimmung im Land verschiebt sich immer mehr Richtung Machtwechsel, da sich die alte Elite komplett unfähig zeigt, auf die eingetretene Notsituation durch den schlechten Kriegsverlauf angemessen zu reagieren, sprich: so zu reagieren, dass die breite Masse der Bevölkerung innerhalb angemessener Zeit eine Milderung ihrer Nöte spürt. Daher gibt es auch keinen nachhaltigen Widerstand gegen den Staatsstreich der Bolschewiki im November 1917, als diese mit einer vergleichsweise geringen Anzahl von parteitreuen Soldaten und bewaffneten Arbeitern die Macht in Petrograd (ehemals Sankt Petersburg) an sich reißen.

Auch die Armee hat seit Februar 1917 das Recht, Soldatenräte auf lokaler Ebene zu wählen. Schukows Memoiren zufolge nehmen die Soldaten den Kommandeur von Schukows Kavallerieregiment, einen Baron von der Goltz, gefangen, es werden Wahlen abgehalten. Schukow erhält die meisten Stimmen bei der Wahl zum Vorsitzenden des Soldatenrats seiner Kavallerieschwadron und fungiert als Delegierter im Regimentsrat. Leider gibt es für diese Meuterei in Schukows damaliger Einheit keinen einzigen dokumentarischen Nachweis außerhalb von Schukows Memoiren. Der Ablauf der Ereignisse, wie ihn Schukow schildert, ist zudem einigermaßen unwahrscheinlich. In der Frühphase der Fe­bruarrevolution ist die Erhebung auf Petrograd (Sankt Petersburg) beschränkt, die Provinz verhält sich überwiegend abwartend. Zumal selbst die Bolschewiki (in Person von Stalin und Kamenew als die höchsten Repräsentanten vor Ort in Petrograd) sich für eine Fortsetzung des Krieges und eine Unterstützung der Provisorischen Regierung aussprechen. Erst ab Mitte April 1917, nach der vom kaiserlichen Deutschland organisierten Rückkehr Lenins aus dem Schweizer Exil nach Russland, radikalisiert sich (wie von den deutschen Finanziers der Bolschewiki gewünscht) die Position der Partei Lenins mit den Forderungen nach sofortigem Waffenstillstand, Machtübernahme der Bolschewiken, Bodenreform zur Enteignung der Latifundien des russischen Hochadels.

Der berühmte Erlass Nr. 1 der Provisorischen Regierung vom 1. März 1917 ruft zur Bildung von Soldatenräten in Petrograd auf. Diese übernehmen das Kommando über ihre Einheiten. Erst nach und nach verbreitet sich diese Bewegung im restlichen Riesenreich. Gerade der Kommandant des 3. Kavalleriekorps, zu dem Schukows Einheit gehört, General Graf Keller, tritt sofort gegen die »Revolution« auf und verbietet die Wahl von Soldatenräten. Gleiches gilt für den Kommandeur von Schukows 10. Kavalleriedivision (die zum 3. Korps gehört), General Markow (dieser gehört wenig später zu den Gründern der gegenrevolutionären, reaktionären, revanchistischen Weißen Armee um Kornilow). Die Verbote haben zu diesem Zeitpunkt keine Wirkung mehr, die Wahl der Arbeiter- und Soldatenräte auch in der unmittelbaren Umgebung Schukows ist nicht aufhaltbar. Dass er als Delegierter gewählt wird, lässt sich ebenfalls nirgends außer in seinen Memoiren belegen. Zu diesem Zeitpunkt ist noch kein aktives Eintreten für bolschewistische Positionen seitens Schukow nachweisbar. Die Wahl reflektiert eher seine Popularität unter seinen Regimentskameraden als vorbildlicher Unteroffizier. Wir wissen nichts darüber, was der Unteroffizier Schukow zwischen Mai und Oktober 1917 erlebt oder anstellt. Er übergeht in seinen Memoiren die berühmte gescheiterte russische Offensive vom 1. Juli 1917 (»Kerenski-Offensive«), die die bisherige Provisorische Regierung und alle Befürworter einer Fortsetzung des Krieges diskreditiert. Die Zahl der Deserteure erklimmt bislang ungekannte Höhen, die Nachschublager werden geplündert, Züge beschlagnahmt, es kommt zu Judenpogromen. Im September beginnen die deutschen Truppen ihren erneuten Vormarsch, nehmen Riga und Westgalizien ein. Anfang November gelingt dann der bolschewistische Putsch (Oktoberrevolution), der das Land binnen weniger Stunden in die Hand Lenins und seiner Mitstreiter bringt.

Nun schlägt die Stunde der ukrainischen Nationalisten (ebenfalls von Deutschland mit bedeutenden finanziellen Mitteln gefördert – damals wie heute). In einer biographischen Notiz aus dem Jahr 1938 schreibt Schukow (im Gegensatz zu seinen Memoiren) hierüber etwas: Es habe sich um Anhänger des Nationalistenwortführers Petljura gehandelt. Dieser hat mit seinen Leuten bereits im Juni 1917 die Autonome Republik Ukraine ausgerufen, wird jedoch kurz darauf von den deutschen Okkupanten aus Kiew vertrieben, die dort eine Marionettenregierung von eigenen Gnaden installieren (die etwas weniger nationalistisch ist als die Petljuristen). Im Regimentssowjet übernehmen bald die aus der Gegend stammenden ukrainischen Nationalisten die Mehrheit und stimmen dafür, sich den gegenrevolutionären Kräften anzuschließen. Die Nationalisten versuchen, eine größtmögliche Zahl an Kasernen, Soldaten und Nachschublagern in ihren Besitz zu bringen. Die Offiziere von Schukows Einheit werden von ihnen entwaffnet und festgesetzt. Im November wird er zusammen mit den übrigen Soldaten aus der Armee entlassen, durch einen Beschluss des eigenen Regimentsrats. In seinen Memoiren schreibt er, als bekennender Bolschewist habe er sich wochenlang vor den reaktionären Ukrainern verstecken müssen, die Jagd auf Bolschewiken machten und diese meist an Ort und Stelle erschossen. Festzuhalten bleibt, dass sich Schukow zu diesem Zeitpunkt, im Gegensatz zu vielen seiner späteren Generalskollegen der Roten Armee, keineswegs freiwillig zu den Roten Garden (dem Vorläufer der Roten Armee) meldet, sondern zunächst über Moskau nach Hause reist, um sich um seine Familie zu kümmern (was ja nur zu verständlich ist).

Schukow kommt Ende November 1917 in Moskau an. Die Stadt ist seit zwei Wochen in der Hand der Bolschewiken, das wirtschaftliche Leben ist durch die Umbrüche fast komplett zum Erliegen gekommen, es beginnt die Phase, wo es nur noch ums Überleben geht, mitten im russischen Winter. Es mangelt an Lebensmitteln, Heizmaterial und selbst Trinkwasser. Durch die revolutionären Wirren ist zuvor schon der Moskauer Kürschnerbetrieb seines Onkels in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, Michail Pilichin hat ihn daher Ende 1916 verkauft und sich in seinen Geburtsort Tschornaja Grias (bei Strelkowka) zurückgezogen. Die Zukunftsperspektiven für den jungen Kürschnergesellen und Soldaten Schukow sind daher schlecht. Eine Armee, die ihm eine Zukunftsperspektive bieten könnte, gibt es nicht mehr, und das Kürschnerhandwerk ist als Luxuswarenherstellung in revolutionären Zeiten ebenfalls für lange Zeit keine Perspektive. Es bleibt nur die Alternative, entweder in sein Heimatdorf zurückzukehren und von den familiären Lebensmittelvorräten zu partizipieren oder sich der Revolution anzuschließen und so in den Genuss staatlicher Rationen zu kommen. Doch wieder entschließt sich Schukow vorerst gegen die Revolution und kehrt in sein Heimatdorf Strelkowka zurück. Dort ist er ab Ende 1917 nachweisbar.

Am 28. Januar 1918 wird dann offiziell die Rote Armee der Arbeiter und Bauern (Рабоче-крестьянская Красная армия/Rabotsche-krestjanskaja Krasnaja armija – RKKA) gegründet, die die bolschewistische Revolution gegen die Feinde im Inneren und Äußeren verteidigen soll. Sofort wird damit begonnen, Armee-Einheiten aufzustellen und zu finanzieren (gestützt auf die deutschen Goldmark-Millionen und die den Bolschewisten mittlerweile zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel). Doch Schukow erkrankt – laut Memoiren – Anfang Februar 1918 an Typhus, einer damals grassierenden Krankheit in Russland, und verbringt die nächsten sechs Monate damit, die lebensgefährliche Erkrankung zu überstehen und ihre Folgen zu überwinden. Er wird im kleinen Spital von Ugodski Sawod behandelt und wiederhergestellt, von einem Chefarzt namens Nikolai Wseswiazki, dem Sohn des Popen, der ihn 1896 getauft hat. Das wissen wir aus Erzählungen seiner Tochter Maria, in den Memoiren steht kein Wort davon.

Nach monatelangen Verhandlungen unterschreiben die Bolschewiki schließlich am 3. März 1918 in der westrussischen Festung Brest-Litowsk (die von deutschen Truppen 1915 erobert worden war und die in der weiteren deutsch-sowjetischen Geschichte noch öfter eine Rolle spielen sollte) den von Deutschland diktierten, erpresserischen »Friedensvertrag« (»Siegfrieden«). Russland tritt damit aus dem Krieg aus, beendet die Kampfhandlungen gegen die deutschen Truppen, gibt weite Teile des bisher russischen Territoriums auf und verpflichtet sich zusätzlich zu umfangreichen Getreidelieferungen von fast einer Million Tonnen. Die Ukraine wird unabhängig und kommt sofort unter deutsches Kommando, das deutsche Kaiserreich will die »Kornkammer« dazu nutzen, die hungernde deutsche Bevölkerung zu ernähren (zulasten der lokalen Einwohner) und ihre Truppen mit zusätzlichen Lebensmitteln zu versorgen. Ebenso erhalten Polen (unter deutscher Vorherrschaft), die baltischen Staaten und Finnland die Unabhängigkeit. Russland schrumpft und wird im Prinzip – gemäß der deutschen Randstaaten-Strategie von 1912 – seiner peripheren Besitztümer, seines Cordon sanitaire, seines Glacis gegenüber Deutschland beraubt, und damit auch künftiger Verteidigungsmöglichkeiten gegen weitere deutsche Aggressionen. Es wird auf die Landmasse reduziert, die ehemals den Kern der moskowitischen Fürstentümer bildete. Einzig der russische Ferne Osten bleibt zunächst von diesem deutsch gesteuerten Landraub unbetroffen.

Die Bolschewiki um Lenin hoffen, durch diese Zugeständnisse Zeit zu gewinnen und ihre Macht im Land weiter zu konsolidieren, um dann später den Kampf um diese russischen Besitztümer wieder aufzunehmen (die Deutschen hoffen gleichzeitig, durch die Ausschaltung Russlands genügend Truppen nach Westen verlegen zu können, um dort doch noch einen weiteren »Siegfrieden« vulgo »Endsieg« zu erreichen – eine irrige Hoffnung, da viel zu viele Truppen im Osten benötigt wurden, um von der Gier diktiert, die zusätzlich okkupierten Gebiete mit deutschen Soldaten zu sichern). Doch die Deutschen auf der einen Seite und ihre Kriegsgegner von der westlichen Entente auf der anderen denken gar nicht daran, den Bolschewiki diese Atempause zuzugestehen. Dutzende westliche Militäreinheiten marschieren im Land ein und bekämpfen die Bolschewiken, wo sie sie finden. Deutsche Truppen, aber auch die von ihren nominellen Kriegsgegnern, also amerikanische, französische, britische und japanische, streifen durch das Land, zunächst ohne auf großen Widerstand zu stoßen.

Die Bolschewiken benötigen einige Zeit, um unter Trotzkis Führung eine schlagkräftige Armee aufzustellen, die in der Lage ist, jedes einzelne dieser feindlichen Kontingente nach und nach zu schlagen und aus dem Land zu treiben (angesichts der allgemeinen Kriegsmüdigkeit in allen vom Krieg betroffenen Ländern werden die Kampfeinheiten nach verlorenen Schlachten dann in der Regel zurückgezogen). Der erste größere Sieg gelingt mit der Rückeroberung Kasans durch die Rote Armee am 10. September 1918. Gleichzeitig wird die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt und nun Schukows Altersklasse eingezogen. Im Gegensatz zu vielen seiner bäuerlichen Altersgenossen, die froh sind, dem blutigen Krieg entronnen zu sein und sich nun wieder der Ernährung ihrer Familien widmen zu können, kommt Schukow dem Einberufungsbefehl nach. In seinen Memoiren schreibt er, dass er sich als Freiwilliger gemeldet habe und im August 1918 beim 4. Regiment der 1. Kavalleriedivision in Moskau den Dienst aufgenommen habe. Allerdings steht in seiner autobiographischen Skizze von 1938, dass er am 1. Oktober 1918 eingezogen worden sei.

Vermutlich kommt die zweite Variante der Wahrheit näher. Schukow kommt dem Einberufungsbescheid nach und entscheidet sich damals also dafür, seine Karriere in einer Armee (die nun nicht mehr die zaristische, sondern die bolschewistische ist, wenn sich auch die Masse ihrer Offiziere aus der ehemaligen Zaren-Armee rekrutiert – wo hätten sie auch sonst auf die Schnelle herkommen sollen) fortzusetzen. Dabei ist es ihm zu diesem Zeitpunkt vermutlich relativ gleichgültig, welchen ideologischen Prämissen die Armee gehorcht. Allerdings geht er nicht so weit, sich antibolschewistischen Einheiten anzuschließen, hat also weder ein Interesse daran, das Zarenreich wiederherzustellen beziehungsweise für die alte Aristokratie zu kämpfen (wie die weißen Einheiten), noch im Sold fremder Länder für deren Interesse zu streiten. Dann schon eher für die Russland vertretenden Bolschewiki. Wie ihm geht es vielen Unteroffizieren und Offizieren der ehemals zaristischen Streitkräfte, die nun zur Roten Armee einberufen werden und mangels Alternative dieser Einberufung auch nachkommen. Ende 1918 zählt die Rote Armee bereits rund 130.000 Unteroffiziere und 22.000 Offiziere ehemals zaristischer Obödienz in ihren Reihen, auf deren militärische Fachkenntnisse sie verzweifelt – mangels bolschewistischer Alternativen – angewiesen ist. Im Gegensatz dazu kommen die einfachen Soldaten aus bäuerlichem Milieu (die 1914 noch zu sechzig Prozent Analphabeten waren) dem neuerlichen Einberufungsbefehl nur in geringen Teilen nach. Als die Einberufungen mit Zwang durchgesetzt werden sollen, kommt es zu Revolten, auch in der Heimat Schukows, wo am 7. November bewaffnete Zusammenstöße zwischen Militärpolizei und den »Bauernlümmeln« beginnen. Zeitweise wird sogar eine autonome Räterepublik Kaluga ausgerufen, die jedoch von der Roten Armee und ihrer Artillerie (die russische Rüstungsindustrie hatte von 1914 bis 1916 ihren Ausstoß an Munition verzwanzigfacht, und die Rote Armee kann in den Nachschublagern auf einen Bestand an zig Millionen Schuss Munition aller Kaliber, auch der schweren, zurückgreifen) rasch einkassiert wird. Im Gegensatz zu vierzig Prozent der Rekruten seiner Region (anderswo teilweise neunzig Prozent) desertiert Schukow auch nicht, sondern beginnt seine am Ende vier Jahrzehnte umfassende Zeit ununterbrochenen Dienstes als Soldat der Roten Armee.

Der Kernbestand der Soldaten der Roten Armee setzt sich aus (echten oder vermeintlich) bekennenden Bolschewiken zusammen, die bei der Einberufung bevorzugt rekrutiert werden. Um die Attraktivität des Militärdienstes zu steigern, werden die Vergünstigungen ständig erweitert. Ab Ende Dezember 1918 erhalten Eltern und Familien von Soldaten staatlich garantierten Anspruch auf eine Wohnung und Lebensmittelrationen. Schukow bleibt bei der Kavallerie – die rote Militärverwaltung benötigt Fachleute für jede Waffengattung, und er selber hat offenbar auch keinen Antrieb, zu einer anderen Truppe zu wechseln. In der Roten Armee werden die Ränge abgeschafft, es gibt nur noch Soldaten und Kommandeure, deren Rang nur nach der Kommando-Ebene, für die sie zuständig sind, unterschieden wird (Regiments-, Divisions-, Korpskommandeur). Die Offiziere werden von den Soldaten gewählt, das Amt des Politischen Kommissars eingeführt, der für die politische Belehrung und Ausbildung der Soldaten zuständig ist. So drittelt sich die Macht in der Armee zwischen Offizieren, Räten und Politkommissaren.

Trotzkis Ideal ist eine Art Roter Milizenarmee, völlig gereinigt vom »verderblichen« zaristischen Erbe. Doch das lässt sich nicht durchhalten. Daher weist ihn Lenin an, eine traditionelle Armee (die gerade ein Jahr zuvor entlassen wurde, selber Fehler wie im Irakkrieg durch die USA) wiederherzustellen. Gleichzeitig stürzt das Land in eine Wirtschaftskrise ungekannten Ausmaßes, während aus allen vier Himmelsrichtungen feindliche Armeen anmarschieren. In der Not werden die »Errungenschaften« der Roten Armee schnell wieder einkassiert: die Räte aufgelöst, die obligatorische Disziplin wieder eingeführt, die Wahl der Offiziere abgeschafft. Auch die Todesstrafe für bestimmte Vergehen wird wieder eingeführt, ebenso die Militärtribunale. Die Politkommissare sind nur noch für die Divisionen zuständig, darunter können die Kommandeure ohne politische Einmischung entscheiden. Der weitere Ausbau der Roten Armee vollzieht sich in einem atemberaubenden Tempo: Im Oktober noch 650.000 Mann, zählt sie Ende 1918 schon eine Million, drei Millionen 1919 und als Maximum 5,5 Millionen Soldaten 1920. Diese Riesenarmee zu unterhalten, überfordert die noch auf schwachen Beinen stehende Wirtschaft der jungen »Russischen Sowjetrepublik«, was immer wieder zu Massendesertionen hungriger Soldaten führt, die vergeblich auf Lebensmittelnachschub warten. Und noch immer sind dreißig Prozent der Rekruten Analphabeten – die Armee gründet rund 4.000 Schulen, um diesen Bildungsmangel zu beheben.

Für die weitere Karriere in der neuen, »roten« Armee ist natürlich eine Mitgliedschaft in der bolschewistischen Partei hilfreich. Daher überrascht es nicht, dass der ehrgeizige Schukow am 1. März 1919 den Antrag stellt, Parteimitglied zu werden, und zunächst den Kandidatenstatus erhält. Im August 1919 trifft er erstmals den Politkommissar seiner Division, seinen Namensvetter Georgi Wassilijewitsch Schukow. Dieser bietet ihm an, selbst Politkommissar zu werden, doch Georgi Konstantinowitsch entscheidet sich für die Offizierslaufbahn. Im Mai 1920 wird er vollgültiges Parteimitglied. Die Einheit, der er im Oktober 1918 beigetreten ist, ist kurz zuvor, am 19. Juni 1918, aufgestellt worden. Diese 1. Kavalleriedivision des Moskauer Militärbezirks (zusammengestellt aus den verbliebenen Resten der kaiserlichen 2. Kavalleriedivision) wird im Mai 1919 in den Südural verlegt, um dort Einheiten unter dem Kommando des »weißen« Admirals Koltschak zu bekämpfen. Dieser ist zu diesem Zeitpunkt Herr über fast ganz Sibirien, das den Bolschewiken in den ersten Monaten ihrer Herrschaft entglitten war, und entschlossen, dem »roten Spuk« in Moskau ein Ende zu bereiten. Dass Schukows Einheit fast ein halbes Jahr ohne Einsatz bleibt, während die Feinde von allen Seiten gegen das junge Rote Reich anrennen, hat Biographen und Militärhistoriker verblüfft. Und doch gibt es dafür eine einfache Erklärung: Es sind zunächst weder genügend Ausrüstung, genügend Waffen noch genügend Pferde vorhanden (Hunderttausende von Pferden waren gemäß dem »Frieden« von Brest-Litowsk an Deutschland abgeliefert worden). Die traditionellen Pferdezuchtgebiete Russlands (Südrussland, Sibirien, Kaukasus) sind zu diesem Zeitpunkt in der Hand der Weißen. Und die vorhandenen Vorratslager wurden bei der Auflösung der zaristischen Armee Ende 1917 geplündert und leergeräumt. Die Lebensmittelrationen auch für die Armee müssen im Januar 1918 auf vierhundert Gramm Brot pro Tag und Mann herabgesetzt werden. Zudem sind die meisten Kavallerieoffiziere (man erinnere sich an den reaktionären Korpsgeist der zaristischen Truppe) zu den Weißen übergelaufen. Daher werden Infanterieoffiziere zur Kavallerie abgestellt, die aber erst ihren Job dort lernen müssen. Der Rest ruht auf den Schultern von Unteroffizieren wie Schukow, die zwar das Handwerk verstehen, aber noch nicht die höheren Offiziersweihen und die notwendigen Ausbildungen (Kriegsakademie, Generalstab etc.) erhalten haben. Zudem spielt die Kavallerie im militärischen Denken Trotzkis angesichts ihrer Erfolg- beziehungsweise Tatenlosigkeit im Ersten Weltkrieg nur eine untergeordnete Rolle. Erst im September 1919 folgt die Kehrtwende mit dem berühmten Befehl: »Proletarier, aufs Pferd!«

Am 17. Mai 1919 nach Jerschow verlegt, einem der Brennpunkte der Kämpfe, hat Schukows Einheit, das 4. Regiment der Division, im Juni 1919 erste Feindberührung, bei einem Gefecht gegen achthundert Kosaken Koltschaks. Die Kosaken, in der Mehrheit konservativ-prozaristisch eingestellt (traditionsgemäß), sind erfahrene Reiter und Kämpfer, und das Gefecht ist daher eine erste Härteprobe für Schukows Einheit, die sie einigermaßen glimpflich übersteht. Im September 1919 wird sein Kavallerieregiment fünfhundert Kilometer weiter nach Südwesten verlegt, in den Raum Zarizyn an der Wolga (später Stalingrad, heute Wolgograd, daher kennt Schukow das spätere Terrain der Schlacht um Stalingrad 1942/43 recht gut). Während der dortigen Kämpfe stirbt sein Cousin Alexander Pilichin, und auch Schukow selbst wird bei einem heftigen Gefecht im Oktober 1919 bei Achtubinsk von Granatsplittern schwer verletzt. Sein Politkommissar Anton Mitrofanowitsch Ianin, selbst verletzt, rettet ihn vor feindlichen Kosaken und Kalmücken, schafft ihn auf einer Telege (russisches Pferdefuhrwerk) in ein Hospital 150 Kilometer wolgaaufwärts in Saratow und vertraut ihn dort der Pflege einer befreundeten Krankenschwester an, Polina Nikolaiewna Wolchowa. Ihre jüngere Schwester, Maria Wolchowa, noch Schülerin, arbeitet im Hospital als Freiwillige mit. Schukow ist von dem hübschen Mädchen mit den leuchtend blauen Augen sofort angetan, ihr geht es mit dem schneidigen Soldaten Schukow ähnlich. Die beiden werden ein Paar. Sie betreut ihn einen Monat lang, seine Rekonvaleszenz wird allerdings durch einen Typhus-Rückfall unterbrochen. Ende November tritt er dann den ihm zustehenden Erholungsurlaub an, den er bei seinen Eltern in Strelkowka verbringt (er sieht dort seinen Vater, der 1921 stirbt, zum letzten Mal), während die Schwestern Wolchowa ins heimatliche Poltawa in der Ostukraine zurückkehren. Doch die Trennung ist nur vorübergehend. Drei Jahre später trifft er Maria in Minsk wieder, und sie setzen ihre Beziehung fort, obwohl Schukow mittlerweile mit einer anderen Frau verheiratet ist. Maria bringt wenig später Schukows Tochter Margarita zur Welt – so viel vorab zum Thema Schukow und die Frauen beziehungsweise Schukow und die eheliche Treue.

Im Dezember 1919 meldet sich Schukow wieder zum Dienst an der Front. Allerdings sollte er seine Moskauer Kavalleriedivision nicht mehr wiedersehen, seine Laufbahn nimmt jetzt eine andere Richtung. Die medizinische Kommission, bei der er sich vorstellen muss, stellt fest, dass seine Verletzungen und die Krankheit noch nicht richtig ausgeheilt sind, und teilt ihn dem 4. Regiment der 3. Reserve-Kavalleriedivision im nahe Moskau gelegenen Twer (zwischenzeitlich Kalinin) zu. Die Parteizelle des Regiments schlägt Schukow für einen Offizierskurs vor, der in Staroschilow (bei Rjasan) abgehalten wird. Das spricht dafür, dass er sich zwischenzeitlich für die bolschewistische Sache engagiert und auch öffentlich Position bezogen hat. Er trifft am 15. März 1920 in dem (für russische Verhältnisse) nahe Moskau gelegenen Rjasan ein. Dort wird er zunächst einem Einführungskurs zugeteilt. In den dabei gelehrten Schulfächern (Russisch, Arithmetik, Geographie, Gesundheitswesen, Militärverwaltung, Politische Erziehung und Armeevorschriften) erzielt er gute bis herausragende Noten. Daran schließen sich Spezialisierungskurse in Kavallerietaktik an. Aufgrund seiner bereits vorhandenen Militärerfahrung wechselt Schukow schon bald die Seiten und beginnt, seine Mit-Kadetten zu unterrichten. Auch sein Partei-Engagement vernachlässigt er nicht und steigt wenig später zum Sekretär der örtlichen Parteizelle auf, gerät dabei aber in eine Auseinandersetzung mit deren Vorsitzendem und gibt den Posten bald wieder auf.

Er wird auch in eine Kommission berufen, die sich mit der Hygiene innerhalb der Ausbildungskasernen beschäftigt. Er erhält aber auch Verweise, so im Juli 1920, die Gründe hierfür sind aber nicht mehr zu eruieren (und werden von ihm in allen Ausgaben seiner Autobiographie, vor und nach dem Ende der Sowjetunion, verschwiegen). Im August 1920 schließt er den Kurs jedenfalls erfolgreich ab und wird gemeinsam mit 120 weiteren Kadetten der 2. Moskauer Schützenbrigade zugeteilt. Diese besteht aus einer Kavallerie- und zwei Infanteriedivisionen. In Moskau trifft er auch seine ehemalige Verlobte Maria Malitschewa wieder (die Tochter der Witwe, bei der er vor dem Krieg gewohnt hatte). Nach einer lautstarken Auseinandersetzung mit ihr ist die Beziehung endgültig beendet. Ende August wird seine Einheit nach Krasnodar ins nördliche Vorland des Kaukasus verlegt, um gegen die weißen Truppen des Barons von Wrangel zu kämpfen, die von der Krim aus den Süden Russlands unsicher machen. Nach einigen kleineren Scharmützeln erhält Schukow eine neue Stellung, diesmal beim 1. Kavallerieregiment der 14. Kavalleriebrigade. Diese ist damit beauftragt, versprengte Wrangel-Einheiten im Raum Nowoschereliewskaja auszuschalten. Ab Oktober 1920 führt Schukow einen Zug seiner Einheit und steigt bald zum Kommandeur einer Schwadron auf. Bei der 14. Kavalleriebrigade trifft er auch seinen Lebensretter wieder, den Politkommissar Anton Ianin.

Bald darauf wird er mit seiner Einheit in den Raum Woronesch verlegt, um dort einen Bauernaufstand gegen die neue Macht im Land niederzuschlagen. Doch der Aufstand lässt sich nicht so leicht zerschlagen, es entwickelt sich hieraus die Tambow-Revolte, bewaffnete Widerstandszellen unter der Leitung der Antonow-Brüder, den beiden Anführern der örtlichen Bauernmilizen. Bei den Kämpfen mit diesen Einheiten hat Schukow einige der erbittertsten Kämpfe während des Bürgerkriegs zu überstehen. Dort kommt es auch zu neuen emotionalen Verwicklungen, da sich Schukow in die Tochter des Popen verliebt, bei dem Ianin und er einquartiert sind. Die im Jahr 1900 geborene Alexandra Diewna wird seine Geliebte für die nächsten Monate. Er stellt sie als Sekretärin seiner Einheit ein, so kann sie mit ihm weiterziehen, wenn die Einheit wieder verlegt wird. In Tambow trifft die Einheit im Februar 1921 ein. Der Aufstand befindet sich auf dem Höhepunkt, die gesamte Provinz ist in Aufruhr. Rund 30.000 Aufständische kämpfen nun gegen rund 150.000 Soldaten der Roten Armee. Entzündet hat sich der Aufstand durch den Widerstand der Bauern gegen die Zwangsrequisition von Getreide durch Eintreibungstrupps (die Bauern haben die Ablieferungsquoten nicht erfüllt). Bis Mitte Mai dauern die Kämpfe, ohne dass die zahlenmäßig überlegene Rote Armee einen entscheidenden Sieg gegen die hochmobilen Einheiten der Aufständischen erringen kann. Bei einem der Nahkämpfe wird Schukow das Pferd unterm Sattel weggeschossen, er stürzt und wird vom Leichnam des Pferdes eingeklemmt. Einmal mehr ist es ein Politkommissar, diesmal ein Mann namens Notschewka, der ihm das Leben rettet. Für seine Tapferkeit in zahlreichen Kämpfen erhält Schukow am 31. August 1921 seine erste Auszeichnung der Roten Armee, den Rotbannerorden. Gemäß der erhaltenen Ansprache anlässlich der Verleih­ung wird Schukow dieser verliehen, weil er am 5. März 1921 über mehrere Stunden Angriffen von rund 2.000 feindlichen Kavalleristen standgehalten hatte und diese bei anschließenden Gegenangriffen in sechs Nahkampfgefechten zerschlagen konnte. Nach Recherchen russischer Militärhistoriker lief das Treffen etwas anders ab als in der Ansprache. Demzufolge waren die Einheiten der Roten Armee von den Aufständischen zurückgeschlagen worden, und Schukow zeichnete sich beim Rückzug aus, als er über eine Strecke von zehn Kilometern wiederholte Verfolgungsangriffe der Aufständischen mit seinen Kavalleristen abwehrte.

Im Sommer 1922 bricht der Tambow-Aufstand in sich zusammen. Denn parallel zu den militärischen Erfolgen hat die Führung in Moskau auch wirtschaftlich Korrekturen am vorherigen Kurs vorgenommen und den Bauern im Rahmen der Neuen Ökonomischen Politik mehr Freiraum zugestanden, so dass diese die Unterstützung für die Aufständischen nach und nach reduzieren. Doch noch monatelang machen Einheiten der Roten Armee Jagd auf versprengte Aufständische. Dabei soll gemäß westlichen Militärhistorikern auch Giftgas zum Einsatz gekommen sein (Tuchatschewski höchstpersönlich leitet diese letzte Phase der Bekämpfung des Aufstands). Doch harrt dieses Detail noch archivalischer Nachweise. Mit der Zerschlagung der letzten Einheiten am 24. Juni 1922 endet die Kampagne gegen die Aufständischen offiziell. Bei diesem Gefecht kommen die Brüder Antonow ums Leben. Die nächsten zwei Jahre steht die Region unter militärischer Besatzung der Roten Armee, mit Kontrollpunkten auf den Straßen, Hausdurchsuchungen und Überprüfung der in der Region eingesetzten Kader. Schukows Einheit bleibt bis Sommer 1922 in der Region. Hatte er im Ersten Weltkrieg nur insgesamt fünf Wochen an der Front verbracht, so sind es jetzt im Bürgerkrieg insgesamt neunzehn Monate, die er im Sattel zubringt, in andauernden Kämpfen. Sechs Monate gegen die Weißen, dreizehn Monate gegen die Aufständischen in der Oblast Tambow.