Mein kleines Geheimnis #2 - Nike Maria Vassil - E-Book

Mein kleines Geheimnis #2 E-Book

Nike Maria Vassil

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Beschreibung

Aus dem Leben einer Intersexuellen: Elisabeth trifft sich mit Marie, einer ihrer besten Freundinnen. Die Intimität der beiden lässt manch einen vermuten, dass sich die beiden hinter ihrem erotischen Wagnis verstecken. Lesbische Tendenzen spornen wiederum die Männer zu erotischen Phantasien an. Christina, eine weitere Freundin, hat weniger Glück. Sie verfällt einem Jungschauspieler. Für guten Sex muss sie den talentfreien Winnie für eine Rolle besetzen. Winnie jedoch entpuppt sich mit der Zeit als praktizierender Sadist. Maries Spieltrieb mit Männern ruft ungewollt einen alten Freund auf den Plan und Elisabeth bandelt mit dem unscheinbaren Kris an.

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Seitenzahl: 92

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Nike Maria Vassil

Mein kleines Geheimnis

Episode 2

Impressum:

Cover: Karsten Sturm, Chichili Agency

© 110th / Chichili Agency 2015

EPUB ISBN 978-3-95865-612-3

MOBI ISBN 978-3-95865-613-0

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Kapitel 3

Neue SMS von Marie ‚Wo steckst du denn? Wir sitzen schon im Cafè.’ Ein Dilemma. Absagen will sie nicht, die Vier haben sich schon länger nicht gesehen und sie ist auf den letzten Tratsch neugierig.

In zweieinhalb Stunden bereits fängt auch ihr Stimmbildungsseminar an und das mulmige Gefühl, auf wackligen Brettern zu stehen, schleicht sich immer wieder ein.

‚Wie konnte ich heute Morgen soviel Zeit verplempern? Den genauen Ablauf werde ich nicht mehr eintippen können, sonst müsste ich das Mittagessen ausfallen lassen’‚ ärgert sie sich. Schnell legt sie ihre Unterlagen zusammen: Sprechtechniken von Coblenzer/Muhar, ein praktischer Kurs mit DVD von David und Rebecca Carey, Kristin Linklater 'Die persönliche Stimme entwickeln' und eine Stanislavski Einführung.

Sie hat letzte Woche die verschiedenen Ansätze nochmal gründlich bearbeitet und Übungen zusammengestellt. Fehlt nur noch der weiche Spielball und es kann losgehen. Für heute, den ersten Tag, wollte sie noch eine Liste drucken. An Material fehlt es ihr nicht. Zum Teufel mit der Liste. Sie will ihre Freundinnen nicht sitzen lassen. Als ob sie nicht genug Lockerungs- und Entspannungsübungen vorbereitet hätte. Wo bleibt Raum zum improvisieren? Von makelloser Planung hielt sie doch nie etwas.

Es sind nur ein paar Minuten bis zum Kunstcafé und dort angekommen sieht sie alle drei Frauen am hinteren Tisch sitzend. Brigitte hat sich in letzter Zeit etwas rar gemacht, da es im Kunstmuseum heftig zuging, und eine Ausstellung nach der anderen organisiert und aufgebaut werden musste.

„Hallo! Sorry, ich hab mich verspätet! Brigitte, schön, dass du gekommen bist“. Elisabeth spürt manchmal eine Befangenheit, wenn sie Brigitte auf die Wange küsst. Die Kuratorin wirkt oft distanziert und leicht reserviert. Eine Entspannungskur könnte ihr nicht schaden, denkt sich Elisabeth.

Um ehrlich zu sein, hielt sie Brigitte immer für spießig. Dieser Eindruck verschwindet, je besser sie sich kennen lernen. Brigittes leicht spröde aber dezente Hilfsbereitschaft und ihre unkonventionelle Ader kommen stärker zum Vorschein. Ihre brüske Art wirkt nach einer gewissen Vorwärmphase immer harmloser und verleiht ihr eine attraktive Note.

‚Hey Cristina! Hab schon ein schlechtes Gewissen, dass ich mich nicht mehr gemeldet habe.“

Könnte das vielleicht der Grund für ihr Schmollgesicht sein? Ihre Aufmerksamkeit wendet sich dann sofort Marie zu.

„Hallo Schatz! “

Zu Marie hat Elisabeth eine herzlich ungezwungene Beziehung, die manch einen verunsichert und die Intimität der beiden Frauen läßt manchen vermuten, dass sich die beiden hinter ihrem erotischen Wagnis verstecken.

Alle vier Freundinnen ergänzen sich auf eine Art, die ihre unterschiedlichen Charaktere und Herkunft unterstreicht und ein bunter Faden kulturellen Hintergrunds hält sie zusammen. Kleine Krisen bewältigen sie zu dritt oder oft zu zweit, wobei jede ihr individuelles Gewürz interkultureller Herkunft mitbringt, um das Rezept zu verfeinern. Viele feine Berührungspunkte prägen die Freundschaft.

Elisabeth zwinkert mit den Augen wenn sie von der 'Spanakopita' ihrer Großmutter schwärmt. Nur ein Gewürz sei relevant, der Safran aus den Olympostälern, der den feinen Unterschied ausmache. Dabei rühmt Cristina die kulinarischen Geheimnisse der althergebrachten Art, Spaghetti in ganz wenig Salzwasser zu kochen, nichts wegschütten und die Pasta bliebe bissfest und saftig. Der ultimative Geheimtipp für Pastaliebhaber. Während Brigitte auf die regionalen französischen Käsesorten schwört, und als Krönung darf die flambierte Crème brûlée mit Rosenblättern natürlich nicht fehlen.

Es herrscht zugleich eine heimliche Einigkeit darüber, dass das Schema 'traditionelle Familie' nicht würdig sei, fortgeführt zu werden.

Marie, Halbgriechin, ist die Tocher einer peniblen, sauberkeitsfanatischen deutschen Mutter und einem griechischen Vater, der sich dem Druck seiner Frau nach Karriere und Erfolg hat beugen müssen. Die Eltern lernten sich bei einem Urlaub auf Patmos kennen und zogen in den 60er Jahren nach Deutschland. Marie hatte in den ersten Jahren wechselnde Bezugspersonen und war, wie sie später erfuhr, kein Wunschkind gewesen. Ihre späteren Bindungsängste und ein fehlendes Urvertrauen hatten ihr als erwachsene Frau einige emotionale Verwirrungen beschert. Mit ihrer Herzlichkeit, ihrem altruistische Hang und ihrem unwiderstehlichen Charme verführt sie die Männer und fordert sie oft zu überschwänglichen Reaktionen und Interpretationen auf. Sie fühlen sich von ihrer Verletzbarkeit angezogen und überrollen sie oft mit ihrer Selbstsucht und ihren widersinnigen Angeboten.

Brigittes Eltern trafen sich in Frankreich. Während ihr französischer Vater für eine deutsche Firma arbeitete, besuchte ihre Mutter einige griechische Verwandte in Paris. Sie lernten sich dort kennen, heirateten bald, und als Brigitte grade acht Jahre alt wurde, zog die Familie aus beruflichen Gründen nach Baden Baden. Kaum hatte Brigitte ihr Abitur gemacht, fuhr sie wieder zurück nach Frankreich, um zu studieren. Aber auch dort war sie nicht mehr zu Hause und sie bekam sehr bald Heimweh. Heimweh wonach? Wohin sollte sie nur ziehen? In Baden Baden war sie nicht wirklich zu Hause und Paris empfand sie als anonym und versnobt. Die Heimat ihrer Mutter kannte sie nur aus den Sommerferien.

Es hieß für sie neue Weichen in ihrem Leben stellen, einen Pfahl finden, an dem sie sich anlehnen und über ihren weichen Kern, versteckt in einer verkrusteten Schale, wachen kann. Männer fühlen sich von ihrer unnahbaren und kritikfreudigen Erscheinung verunsichert und scheuen die Konfrontation mit ihr.

Cristina hat bis heute das Trennungstrauma ihrer Eltern nicht ganz überwunden. Ihr Vater betrog seine Frau jahrelang, noch bevor Cristina aus ihrer Pubertät herausschlüpfen konnte, hatte ihre depressive Mutter bereits zwei Selbstmordversuche hinter sich. Der Vater, ein erfolgreicher Diplomat, der schon mit einer um viele Jahre jüngeren Frau liiert war, beförderte seine Ehefrau eines Tages zurück in ihr Heimatland, nach Italien. Die beiden Töchter mussten aus rein existentiellen Gründen bei ihm bleiben. Die Mutter war weder psychisch noch finanziell in der Lage, ihre Töchter aufzunehmen.

Diese Trennung schürte Cristinas Hass gegenüber ihrem Vater, der sie für untauglich erklärte, sie als geduldete Arbeitskraft in seiner Firma behielt, aber sie verfing sich in dem Netz von Ablehnung und Anbetung für diesen übermächtigen Vater.

Cristina hat einige teure Internate Europas besucht. Die Fluktuation und der ständige Wohnungswechsel während ihrer Kindheit erklären, warum sie sich umso mehr nach einer fast illusionären Geborgenheit sehnt. In ihrem Elternhaus war es ein spärliches Gut. Sie wurde als Kind oft allein gelassen. Nun zeigen ihr die Offenheit, Großzügigkeit und Wärme dieser Frauenrunde, dass ein Geben und Nehmen nicht immer an Bedingungen geknüpft sein muss.

Scheinbar lesbische Tendenzen bei Frauen spornen Männer zu erotischen Phantasien an. Das enge und vertraute Verhältnis zwischen Elisabeth und Marie werfen für viele Bekannte in ihrem Umfeld interessante Rätsel auf. Die beiden Frauen spielen mal mit Koketterie, mal mit ahnungsloser Naivität oder einer irreführenden Körpersprache. Es spornt sie fast an und amüsiert sie, die fragenden Blicken mit einem Schmunzeln zu erwidern. Taucht die eine mal in ihrem Stammlokal allein auf, dann kontert sie auch gern provokativ.

“ Elisabeth, heute ganz allein?”

“Meine bessere Hälfte geht fremd, wenn du das meinst!”

Klatsch, Tratsch, und ambivalente Kommentare trotzen sie je nach Laune mal mit Gleichgültigkeit, auch mit Gereiztheit, Lässigkeit oder Ironie.

Elisabeth wird in das Spiel und in die Kunst des Täuschens eingeführt. Menschen lieben es mit Unwahrheiten verführt zu werden. Darin ist ihre Freundin Marie eine große Meisterin und ihre beste Trainerin. Maries Talent fasziniert. Das Handwerk und die Kunst aus einer Lüge eine Tugend zu machen, ist ein achtsames Werkzeug. Solange dem Lügner klar ist, dass er lügt, und er keinem damit schadet, ist jede Lüge legitim. Warum mit der brutalen Wahrheit andere verletzen oder sie ihrer Phantasie berauben. Eine Notlüge dient jedem Schiffsbrüchigen als Rettungsweste im sinkenden Schiff. Der Pilot eines abstürzenden Flugzeuges kann vielleicht keine sichere Notlandung garantieren, angesichts der in Panik geratenen Besatzung und Passagieren, schadet ihm eine Notlüge nicht, sondern läßt ihm einen Vorsprung, einen Anflug, so weit er ihm möglich scheint, zu deichseln. Die Todesangst von zweihundert Passagieren mit Wahrheit weiter hoch zu schüren, hilft hier einfach keinem, sondern führe nur zur Bruchlandung.

Verabschiedet eine Frau einen Typen nach einem eher geschmacklosem und beklemmenden ‚one night stand’, der aus unerklärlicher Stimmung heraus entstand, am nächsten Morgen mit einem letzten ermutigenden Lächeln, kann jeder ruhigen Gewissens seinen Weg gehen. Wem nützten spitze und verletzende Sticheleien, wie 'Dein winzig kleiner Zahnstocher da unten ist wirklich kein Ausstellungsstück, oder 'Auf ein Dildo ist wenigstens immer Verlaß' ?

Hier bräuchte Frau nicht mal eine Notlüge, sondern ihr Schweigen genüge. Nicht auszuschließen, dass der Mann beim nächsten Mal auf eine ebenbürtige Partnerin stößt, die auf solche Spielchen steht und kleine Penisse schnuckelig findet.

Warum ihn in seiner Männlichkeit verletzen und seine Potenz schwächen? Und wem schadet Impotenz letztlich? Wohl nur der Frau.

Das traurige Phänomen der fehlenden männlichen Potenz ist, soweit es Elisabeth in letzter Zeit beurteilen kann, keine Rarität mehr. Hat sich die moderne Frau vielleicht zu sehr der Wahrheit beschworen? Zieht sie die Wahrheit vor, weil sie die Angst vor Liebesentzug überwunden hat? Führt sogar nackte Wahrheit zu Potenzverlust beim männlichen Geschlecht? Insofern als es Elisabeth beurteilen kann, kommen Erektionsstörungen bei Männern immer häufiger und in allen Altersstufen, sowohl bei Zwanzig-, Dreißig- , als auch Vierzig- und Fünfzigjährigen, vor.

Zeitgeistig gesehen liberalisieren sich Frauen immer rapider. Führe die liberale Entwicklung zu einer wahrheitsvernarrten Frau, grübe sie sich womöglich ihr eigenes Grab, denn so trüge sie eventuell zur steigernden Impotenz beim Mann bei. Männer sind simpel strukturiert und wollen eben schlicht und einfach belogen werden.

Demzufolge ist das Vortäuschen eines Orgasmus durchaus legitim, angesichts der fatalen Konsequenzen nackter Ehrlichkeit und ungeschliffener Wahrheit. Gepriesen seien die Frauen, die die Kunst des Lügens gut beherrschen und anwenden. Diese Logik hat nur einen kleinen Hacken. Elisabeth merkt, dass sie damit ihr Geschlecht in eine Art Sündenbockecke manövriert hat.

Soll die ehrliche Frau nun für die Impotenz des Mannes herhalten?

„Ehh, dieses Top sieht klasse auf, steht dir richtig gut, sexy...!“

Elisabeth setzt ihren Wiedergutmachungston ein, um die Verstimmung mit Cristina von heute Morgen abzumildern.

„Danke, findest du? Winnies Lieblingstop...“

„Winnie, dieser Durchgeknallte? Was treibt denn der so?“

Cristina hatte Winnie vor drei Jahren in so einer Bar aufgegabelt. Er hatte gerade als drittklassiges Model seinen ersten Auftrag bekommen und Cristina entschied sich ihm eine Rolle in ihrem letzten Kurzfilm anzubieten, ohne ihn jemals spielen zu sehen, geschweige denn zu casten. Die Konsequenzen ihrer vorschnellen Entscheidung verfolgten sie über längere Zeit danach. Anfangs wurde sie von ihm monatelang rund um die Uhr belästigt. Sie war wie vernarrt in ihn, lud ihn zum Essen ein, half ihm beim Erstellen seines Demobands und konnte ihm nie etwas abschlagen. Er überredete sie, eine der Hauptrollen in diesem kleinen und für sie entscheidenden Kurzfilm zu spielen. Kein kluger Zug von ihr, ein eingefangener Blick von ihm, eine kleine Schmeichelei reichte aus, und sie wurde zur Untergebenen.