Mein kleines Geheimnis #3 - Nike Maria Vassil - E-Book

Mein kleines Geheimnis #3 E-Book

Nike Maria Vassil

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Beschreibung

Aus dem Leben einer Intersexuellen: Elisabeth durchschaut allmählich Maries Strategie. Sobald sich ein Mann für Elisabeth interessiert, schnappt sie ihn sich für einen One-Night-Stand. Gleichzeitig macht sie Elisabeth immer öfters Avancen. Doch die hat gerade nur noch Augen für Sporn, einem Theaterintendanten. Bei einem Arztbesuch ereilt sie eine schlechte Nachricht. In ihrer größten Sorge, meldet sich ausgerechnet Kris bei ihr.

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Seitenzahl: 55

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Nike Maria Vassil

Mein kleines Geheimnis

Episode 3

Impressum:

Cover: Karsten Sturm, Chichili Agency

© 110th / Chichili Agency 2015

EPUB ISBN 978-3-95865-614-7

MOBI ISBN 978-3-95865-615-4

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

6

Marie und Elisabeth sitzen in ihrer Stammkneipe 'Aphrodites Austern'.

Mit ihrer 'Bitte nicht stören' Körperhaltung wenden sie sich dem restlichen Gemurmel der übrigen Stammgäste ab, derweil marschiert der majestätisch königliche Gast Ritter Sporn mit seinem eher unmajestätischen Sohn ins Lokal. Sie werden vom Wirt Karolos herzlichst mit überschwänglichen Gesten und Händeschütteln begrüßt.

Sporn, eine göttliche Figur, fast Kult in der deutschen Theaterlandschaft, dessen Berufslaufbahn ihm nicht nur einen erstklassigen Ruf auf den Brettern des deutschen Theaters beschert hat, sondern auch beste Beziehungen zu den politischen und wirtschaftlichen Führungsmächten der Stadt und des Landes, lächelt mit seiner leicht maskierten und selbstgefälligen Demut, an manchen Tagen unnahbaren Art, Karolos an.

„Ich habe für euch heute eine kleine Überraschung. Als Starter gibt’s Fischsuppe à Karolos und dann, mmm...! Meine kretische Spezialität. “ Nicht nur der beste Wein und die frischesten Austern werden serviert, sondern auch der Service war makelos, exquisite Rechnung inklusive. Abgesehen vom gelegentlichen Trinkgeld, einer Einladung zur nächsten Premiere oder einer Flasche Wein älteren Jahrgangs, die er mal mitbringt, kann Sporn lukrativ speisen.

Schließlich zahlt er mit seiner Präsenz, denn sein Stammlokal ist die Anlaufstelle vieler Schauspieler, Journalisten, Regisseure und Arbeit suchender Theaterleute geworden. Manuel, sein Sohn, der einen ganzen Kopf größer ist, stolziert hinterher wie ein ausgewachsener Pelikan, dessen überlangen Beine und Arme sich steif hin- und her bewegen, sich zu verselbständigen scheinen. So auch der lange Hals auf seinem Rumpf, der in alle Richtungen schwankt. Vaters Schatten, indem er stand, hätte er gerne abgeschüttelt, aber je länger der väterliche Ruhm verweilte, desto tiefer verfing er sich in einer Mythomanie.

Er fand für seine mythomanische Flucht eine Reflektionsebene, aber wie sollte etwa der Schwung und Anlauf in der Achterbahn des Irrtums, der Faszination und Enttäuschung anders gebremst werden? Darin verkraftete er das ungerechte Los der Natur einfach besser und tauchte gern in seine Phantasiewelt ein. Söhne mit diesem Glück müssen oft gar nicht sinken, weil sie sich bereits in der Unterwelt befinden und als Hades nach einer Persephone suchend herumirren.

In dieser tristen und abgedunkelten Welt der Toten möchte und kann weder Persophone noch eine andere Göttin oder Muse, die das Leben und die Farben, die Sonne und den Wind liebt, lange verweilen.

Traurige Figuren wie Manuel, verdienen sehr wohl das Mitgefühl anderer, denn sie halten zwar eine Königskarte in der Hand, müssen aber nicht selten dafür mit einem Kindheitsschaden büßen. Zum Teufel mit der Kindheit.

Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder setzen sie ihren Joker sinnvoll ein und ernten die Früchte des Granatbaumes, die eines freien und ergiebigen Lebens, oder sie verspielen ihren Joker und suchen für den Rest ihres Lebens nach Projektionsfiguren, die ihnen von Granatäpfeln vorgaukeln.

Seit fast zwei Jahren ist Manuels Reflektionsfigur Marie gewesen, denn Marie eignet sich als ideale Persephone. Sie pflückt gern Obst und Blumen, die in fremden Gärten wachsen, und scheut auch vor den Konsequenzen nicht. Mit dem Pflücken rüttelt sie manchmal verlorene und verzweifelte Hades Geister auf. So pflückte sie auch mal eifrig in Manuels Garten, und als er sie dann wahrnahm, wurde er von ihrer Schönheit verblendet und wollte sie zu sich zerren, sie in sein Haus locken, doch gegen seine Lockmittel war Marie immun. Also verkroch er sich immer tiefer in die Einbildungskraft der Betörung und der Verblendung.

Eine seiner letzten Textnachrichten an Marie:

„licht meinerdunkelheit, deinsonnenscheinverbietet es mir vom schlaf eingeholt zu werden, mein licht. du bist das schönste, das mir begegnet ist. ich bin verrückt nach dir. 1000 küsse,manuel“

Marie schaute in den letzten Monaten oft lächelnd und selbstgefällig auf seine täglichen Liebeserklärungen. Mal löschte sie sie sofort, mal wurden sie gespeichert, damit sie sie am nächsten Tag ihrer Freundin Elisabeth zum Lesen geben konnte. Zusammen verspotteten sie seine betörenden Nachrichten.

Elisabeth dagegen mochte nicht verschweigen, sie habe sich anfangs in Manuels kindliche Unschuld verliebt, was Marie gegen den Strich ging. Die Furcht, sie könnte ihre beste Freundin verlieren, rechtfertigte alle Mittel. Männer haben keinen Platz zwischen den beiden Frauen, und sobald es brenzlig wurde, setzte Marie ihre Verlockungskünste ein.

Der Mann diente als Opfergabe. Dagegen hat Elisabeth die erotischen Signale ihrer Freundin, die ihr gelten sollten, oft übersehen. Marie wiederum reichte Elisabeths Zuwendung nicht aus, sie sehnte sich oft nach Schutz bei ihr, nach geistiger und körperlicher Annäherung, nach einer Intimität, die sie Männern verweigerte. Kaum drohte ein Mann diese Bindung zu durchkreuzen, warf Marie ihre Netze, und Elisabeth ging leer aus.

Alle Opfer geben sich nach dem gleichen Schema dieser überschwänglichen Verliebtheit hin, und wie Lämmchen am Spieß werden sie früher oder später von Marie gegrillt und verspeist.

Ein Dilemma, wogegen Elisabeth nichts machen kann. Im Nachhinein entmystifizieren sich die Opfer, entwickeln in den Fängen ihrer schönen Freundin zwanghafte Züge. 'Wenigstens erspart sie mir ein Abenteuer mit diesen Blindgängern', dachte Elisabeth oft.

So auch Manuel, der seine Marie-Fixierung, mehr schlecht als recht, verdaut zu haben scheint, und der jetzt als nasser Windhund auf die beiden Frauen zukommt.

„Hallo, hier trifft man sich immer wieder.“

Zögernd gibt er beiden einen Kuss auf die Wange. Marie fasst ihn um die Taille und versucht ihn gleichzeitig an sich zu drücken. In solchen Momenten wundert sich Elisabeth, wie sie diese Streicheleinheiten wieder mal deuten soll.

„Hallo Manuel, schön dich zu sehen“

'Hat sie das jetzt ehrlich gemeint? Nee, einfach nur so ne Floskel, um sich noch ein Türchen offen zu halten, nachdem sie ihm die sanfte Abfuhr verpasst hatte', denkt Elisabeth.

„Setzt dich doch zu uns ein bisschen!?“

'Ich fasse es nicht...jetzt lädt sie ihn auch noch ein, sich bei uns an den Tisch zu setzen', Elisabeth ist einerseits irritiert und gereizt, anderseits möchte sie den Groll, den sie gegenüber den Sporns hegt, nicht noch weitere Jahrzehnte hegen. Eher ein möglichst entspanntes Verhältnis, um von der Verdrießlichkeit des Theatermillieus nicht zu arg tangiert zu werden, in dem Lug und Trug, Tratsch und Sympathie von erkennbar austauschbaren Gemütsstimmungen geprägt sind. Als ob Nichts echt oder authentisch sei und das bei dem ganzen Wahrhaftigkeitsanspruch den Regisseure und Schauspieler vor sich her tragen.

„Soll er mir doch den Buckel runterrutschen...bei den Intrigen in seinem Haus sterben ihm die Männer bald an Prostatakrebs und die Frauen an Gebärmutterhalskrebs“. Das waren ihre letzten Worte nach ihrer bitteren Absage.