Mein Regenbogenschirm - Amalia Zeichnerin - E-Book

Mein Regenbogenschirm E-Book

Amalia Zeichnerin

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Beschreibung

Mein Name ist Adrian und mein Pronomen ist sier. Ich gehe zur High School, aber ich habe mich noch nicht als queer geoutet. Wenn ich mir nur trauen würde! Als ich mit meinem Kumpel Rodrigo eine Drag Tanzperformance von Tom Holland gesehen habe, hat er mit mir gewettet, dass ich es nicht wagen würde, auch so aufzutreten – in der Talentshow der High School. Also stehe ich nun vor zwei Herausforderungen: ein gewagter Auftritt und ein Coming-out …

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Table of Contents

Titelei

Mein Regenbogenschirm

Einige Links

Impressum

Mein Regenbogenschirm

 

Kurzgeschichte

 

Amalia Zeichnerin

 

Kalifornien, Mai 2017

 

Mein Freund Rodrigo und ich hatten es uns auf meinem breitem Bett bequem gemacht und sahen die TV-Show Lip Sync Battle. Der Schauspieler Tom Holland war gerade mit einem Auftritt dran; dieser begann mit einer Stepptanz-Hommage an einen alten Film, vor einer gemalten altmodischen Kulisse, auf der eine Häuserfront zu sehen war. Die Bühne war in ein dunkles Blau getaucht.

»Oh, das ist aber sehr old school«, murmelte Rodrigo, während wir beobachteten, wie Tom – in einem Anzug, mit einem Hut und Schirm an aufgespannten Regenschirmen vorbeitanzte und dabei zu Gene Kellys »I‘m singing in the rain« die Lippen synchron bewegte.

Aber plötzlich, nach vielleicht zwanzig Sekunden, verschwand er seitlich hinter der Bühne. Im nächsten Moment wechselte die Musik und sechs Tänzer tauchten auf, die Regenkleidung aus glänzendem schwarzen Material trugen und dazu Regenschirme, während hinter ihnen die bemalte Kulisse hochgezogen wurde. Dahinter war einfach nur eine dunkle Wand mit einigen hellen rechteckigen Flächen.

Ich brauchte zwei, drei Sekunden, bis ich Rihannas Song »Umbrella« erkannte. Was das wohl werden würde? Tom Holland kam in einer selbstbewussten Pose auf die Bühne, als ob sie ihm gehörte, ihm folgten mehrere Tänzerinnen in freizügigen Kostümen, die sich ihren Kollegen anschlossen. Tom trug jetzt eine Korsage, dazu sehr kurze Shorts und eine halb transparente Strumpfhose mit Netzmuster, sowie eine halblange schwarze Perücke, die an eine der Frisuren von Rihanna erinnerte. Außerdem war er deutlich sichtbar geschminkt, mit knallroten Lippen und er trug wieder einen Regenschirm.

Tom nutzte den nun folgenden Teil seines Auftritts nicht als Karikatur einer Frau, nicht für Gelächter aus dem Publikum. Er tanzte mit voller Ernsthaftigkeit – kraftvoll, mit ruckartigen, dynamischen Moves, er ließ die Hüften kreisen, er twerkte, hielt den Regenschirm schwungvoll mit beiden Händen von sich weg. Alles in allem ein verführerischer Anblick. Ich war zwar asexuell und es machte mich nicht direkt an, wie Tom tanzte. Aber ich fand es dennoch auf eine ästhetische Art sehr anziehend.

Als Rihanna von Regen sang, rauschte plötzlich echtes Wasser auf ihn und die Backgroundtänzer*innen herab. Was für ein cooler Effekt! Sie alle tanzten unbeirrt in diesem künstlichen Regen weiter.

Tom hatte wirklich etwas drauf und nötigte mir einigen Respekt ab – vor allem gegen Ende, als er zunehmend schneller tanzte und schließlich in einen halben Salto vorwärts sprang und auf dem Rücken landete.

»Das ist ja geil!«, rief Rodrigo. »Was für Killermoves der drauf hat.« Er knuffte mich in die Seite. »Mein lieber Adrian, ich wette, du würdest dich nicht trauen, so aufzutreten.«

Ich schluckte. »Warum denn nicht?«, brachte ich hervor.

Rodrigo lachte. »Willst du mit mir wetten? Um ein neues Computerspiel? Ein Auftritt bei der Talentshow der Schule?« Er hielt mir die Hand hin.

Ich sah wieder auf den Bildschirm. Tom Holland war mittlerweile von der Bühne verschwunden und das Publikum applaudierte noch immer. Ich blickte meinen Kumpel an … und schlug ein.

Später saß ich allein in meinem Zimmer, meine Playlist wechselte zu Same Love von Macklemore und Ryan Lewis mit Mary Lambert.

Rodrigo war nach Hause abgedampft. Fuck! Wie hatte ich nur auf diese verflixte Wette eingehen können, welcher Teufel hatte mich da bloß geritten? Toms Auftritt war spektakulär gewesen und garantiert würde schon morgen oder so ein Video davon auf Youtube zu finden sein.

Die Talentshow der High School war in vier Wochen. Noch genug Zeit, mich zu bewerben und auf die Performance vorzubereiten. Aber vor der gesamten Schule in solch einem Outfit aufzutreten?! Eine kleine Stimme in mir regte sich. Ach, Ady.Du bist asexuell und genderqueer. Du bist weder Mann noch Frau. Du hast dich noch nicht getraut, es irgendwem zu sagen. Und ein solcher Auftritt … würde es ihnen nicht zeigen, wer du wirklich bist?

Das war der eigentliche Grund, warum ich diese Performance von Tom so grandios fand, dieses Spiel aus männlich und weiblich und irgendwas dazwischen. Aber ich hatte an diesem Abend wieder nicht gewagt, mich gegenüber Rodrigo zu outen. Verflixt, er war mein ältester Freund, wir kannten uns schon seit der Kindergartenzeit. Ich hatte schon oft versucht, es ihm zu sagen, aber dann verhakten sich die Worte jedes Mal in meinem Mund und wollten nicht herauskommen. Verdammt, warum fiel es mir so schwer, mich zu outen? Niemand wusste davon. Meine Schwester nicht, meine Eltern erst recht nicht. Und mein Freundeskreis auch nicht.

Natürlich war es immer eine ganz individuelle Entscheidung, ob, wann und wie man sich – und wem gegenüber – outete.

---ENDE DER LESEPROBE---