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Am Morgen des Fastnachtsdienstags wird Guido Leuthäuser im Kostüm des ›Till‹ tot vor dem Eingang zum Fastnachtsmuseum gefunden. Für Nicole Wegener und ihr Team gerät der seit Jahren amtierende ›Till‹ in Verdacht. Doch ist auch der Sohn des Opfers verschwunden. Parallel zur Kripo stellen die Seligenstädter Hobbyermittler (SE-PRI-SOKO) Nachforschungen an, welche die Suche nach dem Täter in eine völlig andere Richtung lenken.
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Seitenzahl: 354
Veröffentlichungsjahr: 2023
Rita Renate Schönig
Mord an Fastnacht
Seligenstädter Krimi
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Mord an Fastnacht
Mord an Fastnacht
Dienstag / 16. März 2021 – 05:50 Uhr
Mittwoch / 17. März – 06:15 Uhr
Donnerstag / 18. März 2021 – 05:15 Uhr
Freitag / 19. März 2021 – 07:15 Uhr
Sonntag / 20. März 2021 – 14:55 Uhr
Infos zur Seligenstädter Fastnacht:
Impressum neobooks
10. Teil der Serie
Seligenstädter Krimis
Herzlichen Dank an Herrn André Rückert.
Mit seiner Erlaubnis durfte ich das Foto für mein Cover verwenden.
Inhalt:
Ein Toter im Kostüm des ›Till‹ vor dem Eingang des Fastnachtsmuseums. Der Schock ist groß. Doch dem Himmel sei Dank handelt es sich nicht um den echten ›Till‹. Es ist Guido Leuthäuser, ein Mitglied des Elferrats, dessen größter Traum es war, in absehbarer Zeit den Hofnarren der Seligenstädter Fastnacht verkörpern zu dürfen. Folglich gerät der seit Jahren amtierende ›Till‹ für Kriminalhauptkommissarin Nicole Wegener und ihr Team vom K11 Offenbach in Verdacht. Die Ermittlungen ergeben aber auch, es gibt Probleme in der Familie Leuthäuser; sowohl finanziell als auch in der Beziehung des Paares. Hinzu kommt, dass Sören, der Sohn des Opfers, verschwunden ist.
Parallel zur Kripo stellen natürlich die Seligenstädter Hobbyermittler (SE-PRI-SOKO) Nachforschungen an, woraufhin die Suche nach dem Täter in eine völlig andere Richtung läuft.
Die Handlung ist frei erfunden. Teile des gesprochenen Textes sind in Seligenstädter Mundart verfasst und daher, die Grammatik betreffend, nicht regelkonform.
Impressum
Texte und Bildmaterial © Copyright by
Rita Renate Schönig
Postfach 1126
63487 Seligenstadt
Mailadresse: [email protected]
Homepage: www.rita-schoenig.de
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Buches darf reproduziert, in einem Abrufsystem gespeichert, in irgendeiner Form elektronisch, mechanisch, fotokopiert, aufgezeichnet oder auf andere Art übertragen werden.
Ständige Protagonisten
Ermittlerteam Präsidium Offenbach K11
Nicole Wegener,Erste Kriminalhauptkommissarin
Harald Weinert,Kriminalhauptkommissar
Lars Hansen,Kriminalhauptkommissar
Dietmar Schönherr, Kriminaloberkommissar
Andreas (Andy) Dillinger, Kriminalhauptkommissar und Lebenspartner von Nicole
Staatsanwaltschaft
Falk von Lindenstein und Felix Heller
Sybille Kleinschmidt, Vorzimmerdame
Rechtsmedizin
Dr. Martin Lindner (Doc) und Viktor Laskovic
Kriminaltechnik
Kai Schmitt,Kriminaloberkommissar
Lutz Berger, Kriminaloberkommissar
Wiebke Pannkok,Kriminalkommissarin
Seligenstädter Polizeistation
Josef Maier, Polizeihauptkommissar/Dienststellenleiter
Hans Lehmann, Polizeioberkommissar
Berthold Bachmann, Polizeikommissar
Saskia Ehrlich, Polizeikommissarin
Philipp Reichenbach, Polizeianwärter
Seligenstädter private Sonderkommission (SE-PRI-SOKO)
Helene Wagner, Freundin von Nicole Wegener
Herbert Walter, Lebensgefährte von Helene
Ferdinand und Bettina Roth, Freundevon Helene
und Herbert
Gundula (Gundel) Krämer, Nachbarin
Georg (Schorsch) Lenz, Nachbar
Felix und David Körner, Nachbar-Jungs
Speziell diesem Roman zugeordnete Personen:
Guido Leuthäuser, Opfer
Nina Leuthäuser, Ehefrau
Sören Leuthäuser, Sohn
Michelle Callenberg, Freundin von Sören
Christian Knies, Geschäftspartner von Guido Leuthäuser
Marco Grothe, Arbeitskollege von Nina Leuthäuser
Nils Langwald, Mitglied des Fastnachtsvereins
Walter Lück, Mitglied des Fastnachtsvereins
Infos und Erklärungen:
KT– Kriminaltechnik
KTU–kriminaltechnische Untersuchung ist eine auf naturwissenschaftlichen Verfahren basierende Analyse von sächlichen Beweismitteln oder auch Indizien.
Paragraf 127 StPO Abs. 1 regelt das Festnahmerecht für jedermann und stellt damit einen allgemeinen Rechtfertigungsgrund dar.
Polizeigewahrsam ist eine rein präventive Maßnahme, die lediglich der Gefahrenabwehr dient. Anders als die Verhaftung setzt sie keinen Haftbefehl voraus. Es findet auch kein Ermittlungsverfahren statt.
DNS (deutsche Abkürzung für Desoxyribonukleinsäure) / DNA (englische Abkürzung für Deoxyribonucleic acid) ist ein Molekül, das in den Zellen aller Lebewesen vorkommt und deren Erbinformationen enthält. Ein DNA-Profil zu erstellen, dauert, wenn es schnell gehen muss, etwa acht Stunden.
Acht: Handfesseln (Handschellen)
Kaninchenaugen: gerötete Augen, weite Pupillen bei Drogenmissbrauch
de Bibs hole: eine Erkältung einfangen
Hempel leitet sich aus dem Wort "Hampel" ab, womit man früher einen einfältigen und unkultivierten Menschen bezeichnete. Dieser Begriff war schon zu Zeiten Martin Luthers (1483-1546) bekannt. Die Redewendung: "Bei Hempels unterm Sofa", verbreitete sich erst im 20. Jahrhundert und beschreibt eine große Unordnung oder auch mangelnde Sauberkeit.
Die Eiskalten: ironischer Begriff für die Bestatter
Tacheles reden: Etwas auf den Punkt bringen. Dieser Begriff stammt aus dem jüdisch-deutschen und bedeutet so viel wie Zweck oder zweckmäßiges Handeln. Die Redewendung wird oft verwendet, wenn Menschen zu lange diskutieren, ohne zu einem Ergebnis zu kommen.
Plattdütsch:
denn man rin in de Stuuv – dann mal herein in die gute Stube
Snövvnase – Schnupfennase
rammdösig – benommen
bräsig – schwerfällig im Kopf
»Ich glaub', ich muss kübeln«, lallte Sören und torkelte zur Wiesenfläche neben der Fähre, wo er sich prompt übergab.
»Ich hab' dir gesagt, du sollst nicht so viel saufen. Aber du hörst ja nicht auf mich. Ich bringe dich besser zu uns nach Hause. Dort schläfst du deinen Rausch aus«, schimpfte Michelle weiter, bezweifelte jedoch, dass ihr Freund auch nur die Hälfte davon mitbekam. »Bevor du mir aber mein Auto vollkotzt, tankst du hier erst einmal frische Luft.«
Sie schleppte Sören zur ›Lügenbank‹, wo er wie ein nasser Sack niedersank.
»Ich verstehe nicht, weshalb du in letzter Zeit so viel trinkst. Das hast du doch früher nicht getan. Hast du irgendwelche Probleme?«
»Hm, was?«, murmelte Sören mit schläfriger Stimme.
»Hey!« Michelle knuffte ihm in die Seite. »Hör' mir gefälligst zu. Ob du Probleme hast, habe ich dich gefragt.«
»Nee. Es ist nur ...« Sörens Kopf kippte auf die Rückenlehne der Bank. Ein leises Schnarchen verriet, dass er eingeschlafen war.
Michelle seufzte und raunte: »Bin gleich wieder hier.«
Ihr Kleinwagen stand wenige Meter entfernt auf dem Parkplatz rechts neben der Fähre. Er war ein Geschenk ihrer Eltern, zu ihrem im Mai mit der Note 1,2 abgeschlossenen Abi und dem an der Ludwig-Maximilians-Universität in München eroberten Studienplatz. Natürlich hatten Yasmin und Clemens Callenberg den Hintergedanken, dass ihre Tochter sie einmal im Monat besuchen kam, wenn sie einen fahrbaren Untersatz hatte.
Michelle rannte auf Fröschi, ihren laubfroschgrünen Kia Picanto, zu. Sie wollte möglichst dicht an die Bank fahren, um Sören hineinhieven zu können. Bevor sie aber den Wagen öffnen konnte, spürte sie einen heftigen Schlag auf ihrem Hinterkopf. Taumelnd drehte sie sich um und sank in die Arme einer dunkel gekleideten Gestalt. Dann wurde es schwarz vor ihren Augen.
Als sie wieder zu sich kam, löste eine Schmerzwelle die andere in ihrem Kopf ab. Zudem war ihr furchtbar kalt und sie stellte fest, dass sie auf der ›Lügenbank‹ lag; dort wo zuvor Sören ...
Sören? Der Platz neben ihr war leer.
Sie sprang auf, wurde aber durch die Wucht der drakonischen Kopfschmerzen wieder zurück auf die Bank gezwungen. Sie fasste sich an den Hinterkopf. Da war eine ziemlich große Beule.
Unendlich langsam unternahm Michelle einen erneuten Versuch aufzustehen, stützte sich mit einer Hand an der Rückenlehne der Bank ab, bis sie schwankend auf ihren Füßen stand.
»Sören! Wo bist du? Sören!«
Ihre kraftlose Stimme durchschnitt die kalte Nacht und ihr Atem hauchte nebelhafte Schleier in die menschenleeren Mainauen. Panik erfasste sie. Mit steifen zitternden Fingern holte sie ihr Handy aus der Hosentasche. Das Aufleuchten des Displays und die damit angezeigte Uhrzeit machte ihr bewusst, dass mehr als eine Stunde seit ihrem Blackout vergangen war.
Mithilfe der eingebauten Taschenlampe bewegte sie sich vorsichtig zum Uferbereich. Bis hin zur Fähre suchte sie akribisch alles ab. Doch keine Spur von Sören. Dagegen stand ihr Auto noch an der gleichen Stelle. Ob er vielleicht dort drinnen liegt? Sie torkelte auf Fröschi zu, öffnete die Türen und schaute hinein. Nichts.
Kann ja auch nicht sein. Die Türen waren verschlossen, brachte sie sich in Erinnerung.
Wo war Sören? Hatte jemand sie niedergeschlagen und ihn dann entführt?
Quatsch. Michelle schlug mit der flachen Handfläche gegen ihre Stirn, was sie sofort bereute.
Reiß dich zusammen! Denk nach ... verdammt!
Sie wischte über das Display ihres Handys. Sörens Nummer erschien in den Favoriten und kaum betätigt, ertönte ›Bad Habits‹ von Ed Sheeran. Der Melodie folgend entdeckte sie das Handy unter der Bank. Dann sah sie das Blut. Dort, wo sie gerade noch gelegen und er gesessen hatte.
»Sören!« Michelles Schrei hallte durch die menschenleere Umgebung. Die Schmerzen in ihrem Kopf waren schlagartig vergessen. Stattdessen stieg das Adrenalin in ihrem Körper an. Siebückte sich, hob das Telefon auf und steckte es in ihre Jackentasche.
Polizei! Ich muss zur Polizei.
Sie eilte zurück zu ihrem Wagen. Ihr Herz klopfte, als würde es ihr gleich aus dem Hals springen. Hektisch drehte sie den Zündschlüssel, fuhr zügig vom Parkplatz und schoss die Große Maingasse hinauf über den Freihofplatz in die Aschaffenburger Straße und dann nach links die Bahnhofstraße hinauf.
An der Polizeistation angekommen, entschied sie sich schlagartig dagegen, hineinzugehen. Vielleicht war Sören wirklich entführt worden und den Leuthäusers lag schon eine Lösegeldforderung vor mit dem Hinweis:Keine Polizei! Was Michelle vor kaum fünf Sekunden noch als Quatsch abgetan hatte, nahm immer mehr Platz in ihren Gedanken ein.
Als sie Sören verlassen hatte, um zu ihrem Auto zu gehen, war er nicht in der Lage selbstständig auch nur einen Fuß vor den anderen zu setzen. Wie hätte er alleine verschwinden können? Und weshalb sonst, hatte ihr irgendjemand über den Schädel geschlagen, wenn derjenige ihn nicht entführen wollte? Wenn sie nun die Polizei einschaltete, könnte sie ihren Freund noch mehr in Gefahr bringen.
Sie gab Vollgas. Kurz danach stand sie vor dem Achtparteienhaus. Ein kubusartiger Bau, wie er häufig in den letzten Jahren in Neubaugebieten zu finden war. Familie Leuthäuser bewohnte sowohl die Parterrewohnung, als auch das Souterrain – Sörens Domizil.
Quadratisch, praktisch, gut – so die oftmals zynische Bemerkung seines Vaters. Dass er lieber in einem freistehenden Einfamilienhaus wohnen möchte, so wie Michelle mit ihrer Familie, war für sie nachvollziehbar. Jedoch nicht, weshalb er und seine Frau Nina diesen Wunsch nicht in die Tat umsetzten.
Die Unternehmensberatung von Guido Leuthäuser schien, allem Anschein nach, gut zu laufen. Mit seinem 6-Zylinder BMW SUV, den er stets vor dem Haus parkte, obwohl zwei Garagen zur Verfügung standen, brachte er das gerne zum Ausdruck. Überhaupt war Bescheidenheit keine Tugend des 42-Jährigen; das stellte Michelle schnell fest und auch, dass dies seiner drei Jahre jüngeren Frau missfiel.
Nina Leuthäuser war Rechtsanwältin in einer Gemeinschaftskanzlei in Wiesbaden. Sie entstammte, wie Sören irgendwann einmal verlauten ließ, einer recht wohlhabenden Familie in Bad Homburg. Auch sollen die Eltern seiner Mutter nicht sehr wohlwollend von ihrem Schwiegersohn sprechen.
Eine weitere Passion von Guido Leuthäuser war die Fastnacht. Und die war Nina ein besonderer Dorn im Auge. Hauptsächlich wegen der hohen finanziellen Zuwendungen, mit denen ihr Ehemann den Seligenstädter Fastnachtsverein massiv unterstützte; mit dem Hintergedanken, eines Tages das Kostüm des ›Till‹ zu tragen. In den Elferrat hatte er es zumindest geschafft und brachte sich voller Enthusiasmus, insbesondere bei der Organisation der närrischen Veranstaltungen, ein. Doch hatte der derzeitige Hofnarr des Prinzenpaares nicht die Absicht, in naher Zukunft seine Rolle aufzugeben. Zudem dämpfte Nina immer wieder seine Ambition mit den Worten: Warum willst du dich öffentlich zum Narren machen? Außerdem kostet das eine ganze Menge Geld. Geld, das Du nicht hast.
Michelle vermutete, dass nicht der finanzielle Aspekt ausschlaggebend war, sondern eher Guidos auffälliges Verhalten gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Sie selbst hatte feststellen müssen, dass manche seiner Blicke ein ungutes Gefühl in ihr erzeugten. Gleichermaßen störte sie, seine manchmal anzüglichen Bemerkungen sowie seine allgemeine Grundeinstellung zu Frauen, weswegen sie das von ihm angebotene DU, immer wieder ablehnte, während sie mit Nina nach den ersten zwei Wochen schon per DU war.
In diesem Jahr stand eine Debatte bezüglich der Rolle des ›Till‹ wegen des noch immer grassierenden Corona-Virus sowieso nicht an. Sämtliche Aktivitäten waren abgesagt und das Prinzenpaar von 2020 sollte zumindest theoretisch als Interimslösung auch 2021 das Zepter schwingen.
All diese Dinge gingen Michelle durch den Kopf, während sie ihren Daumen auf die Klingel drückte. Doch nichts rührte sich in der Wohnung. Auch waren die Rollläden noch nicht hochgezogen.
Wollte Nina heute nicht zuhause in Ruhe einige Dinge für die Kanzlei aufarbeiten?
Kurzentschlossen wählte Michelle deren Handynummer. Es klingelte dreimal, dann sprang die Mailbox an.
Nach kurzem Zögern und einem: »Bitte! Es ist dringend!«, bat sie um Rückruf, wartete weitere endlose drei Minuten vor der Tür und rannte dann zurück zu ihrem Auto.
Nun fest entschlossen steuerte sie erneut die Polizeistation an.
Als der Summer endlich ertönte und die Tür sich öffnete, stolperte sie fast in den kleinen Vorraum. Für einen Augenblick musste sie sich orientieren. Sie war noch nie bei der Polizei gewesen.
»Hoppla. Was kann ich für Sie tun?«, erklang eine müde männliche Stimme links von ihr.
Michelle wandte sich der Glasscheibe zu, hinter der ein junger Polizist sie mit in Falten gelegter Stirn ansah.
»Bitte, helfen Sie mir! Mein Freund ist verschwunden. Und er ist verletzt. Ich glaube, er wurde entführt.«
Dienstag / 06:35 Uhr
»Verdammt!«, schrie Nina Leuthäuser, warf sich von der rechten auf die linke Seite und klemmte sich das Kissen über ihren Kopf. Doch das nervtötende Klingeln des Telefons erreichte noch immer ihre Ohren. »Dieser Mistkerl!« Wütend strampelte sie mit den Beinen. Natürlich half das nicht. Sie sprang aus dem Bett und rannte fuchsteufelswild zum Festnetzanschluss, wo sie den Hörer abnahm, aber sofort wieder auf die Station knallte.
Kaum hatte sie dem Telefonapparat den Rücken zugedreht, klingelte es erneut.
Nun riss sie den Hörer von der Telefonstation und brüllte: »Wenn du glaubst, du könntest deine Spielchen mit mir treiben, dann hast du dich gewaltig geirrt. Ruf' dir gefälligst ein Taxi. Ich werde dich auf gar keinen Fall abholen«, presste sie leise zischend über ihre fast zusammengepressten Lippen.
Als von der anderen Seite eine Antwort ausblieb, schrie sie: »Hast du mich verstanden?«
Noch immer kam keinerlei Reaktion. Vermutlich war Guido mal wieder sturzbetrunken und während des Anrufs vielleicht gestürzt und lag nun irgendwo in einer Ecke, dachte Nina. Es war ihr egal. Sie hatte es satt. Lange genug hatte sie seine ständigen Eskapaden ertragen sowie seine andere Leidenschaft mit weit fataleren Auswirkungen gedeckt. Jetzt war endgültig Schluss. Noch diese Woche würde sie die Scheidung einreichen. Das Einzige, dass ihr dabei sauer aufstieß, war, dass ihre Eltern recht behalten sollten. Sie hatten ihrem Schwiegersohn von Anfang an nicht über den Weg getraut.
Obgleich klein beizugeben nicht zu den Stärken von Nina Leuthäuser gehörte – nicht umsonst wurden ihr, der gefühlskalten Strafverteidigerin, die fast aussichtslosen Fälle übertragen – musste sie da jetzt durch.
»Sie brauchen Guido nicht abzuholen ... nie wieder«, hörte sie in dieser Sekunde eine verzerrt klingelnde Stimme. »Er liegt im Hof der örtlichen Brauerei, am Eingang zum Fastnachtsmuseum, wo er sein Porträt schon immer gern, neben allen Fastnachtsprinzen, gesehen hätte.« Ein hämisches Lachen begleitete den letzten Satz. »Aber nun ist er tot. Und wenn Sie nicht wollen, dass Sören dafür in den Knast geht, erwarte ich von Ihnen eine Gegenleistung. Ich melde mich wieder.«
Nina Leuthäuser stand wie erstarrt im Flur. Noch sekundenlang hielt sie den Hörer in der Hand, bevor sie ihn auf die Station zurücklegte. Hatte sie das gerade geträumt? Aus einem Reflex heraus schlug sie sich auf die Backe. Das tat weh. Also war sie wach. Ihr Spiegelbild, das momentan nicht zu ihrem sonst so tadellosen Erscheinungsbild passte, bestätigte ebenfalls, dass sie nicht mehr im Bett lag.
Guido soll tot sein und Sören ihn getötet haben? Das konnte nicht sein. Ihr Sohn würde niemals seinen Vater töten – oder doch? Der Wortwechsel gestern Abend zwischen den beiden kam ihr wieder in den Sinn, ursprünglich ausgelöst durch den Streit, den sie zuvor mit Guido hatte.
Im Brauereihof vor dem Eingang zum Fastnachtsmuseum. Die Worte des Mannes hallten noch immer in ihren Ohren.
Sie lief ins Badezimmer, zog in aller Eile Jeans und Sweatshirt an, die sie am Vorabend dort für ihren Homeofficetag bereitgelegt hatte, und fasste ihre Haare mit einem Haargummi nachlässig am Hinterkopf zusammen. Ihr Weg durch das Treppenhaus und die Stufen zur Tiefgarage glich dem Sprint eines Kurzstreckenläufers. Noch während sie zu ihrem E-Klasse-Cabriolet rannte, betätigte sie die Fernsteuerung zum Öffnen des Garagentors.
An der Karibik, die allgemeine Bezeichnung für den mit vielen Verkehrsinseln bestückten Bahnübergang, musste sie wegen eines mit Blaulicht und Martinshorn aus der Dudenhöfer Straße kommenden Notarztwagens abbremsen. Sie nutzte die Gelegenheit und rief die Nummer von Sören an. Doch es meldete sich nur die Mailbox.
Der Rettungswagen raste in Richtung Innenstadt. Nina nahm den gleichen Weg, mit einem unguten Gefühl. Jetzt bog er tatsächlich in den Innenhof der Brauerei ab. Sie selbst fuhr weiter zum Marktplatz und fand vor der städtischen Apotheke einen Parkplatz.
Mit über den Kopf gezogener Kapuze schlich sie zu der vor der Einfahrt angesammelten Gruppe von Leuten und drängte sich Schritt für Schritt weiter nach vorn.
Dienstag / 07:25 Uhr
Bis in die Morgenstunden zogen Gruppen singend und teils lärmend durch die Altstadt. Die niedrigen Temperaturen um die 4 Grad, hielten die meist jugendlichen Personengruppen nicht davon ab ihre Seligenstädter Fastnacht zu feiern, zumal schon das Highlight der Närrischen ›Schlumber‹, der Rosenmontagszug, in diesem Jahr wegen Corona ausfallen musste.
Bis quasi zur letzten Minute hatten die Wagenbauer gehofft, ihre ausdrucksvollen mit politischen oder ironisch kommunalen Ereignissen gefertigten Motivwagen der Öffentlichkeit – sprich den Fastnachtsbegeisterten – präsentieren zu können. Dann kam Corona und die liebevoll gebauten Wagen mussten in der Wagenbauerhalle des ›Heimatbund‹ stehen bleiben.
Ebenso traf es die Vielzahl der Fußgruppen. Ihre farbenfrohen Gewänder, in stundenlanger Arbeit und mit viel Herzblut hergestellt, wurden in diesem Jahr nicht von Tausenden von Zuschauern, die normalerweise die Straßen säumten und begeistert Selleschstadt Helau riefen, bewundert.
Damit die Fastnachtsstimmung nicht gänzlich zum Nullpunkt tendierte, hatten einige – von Kindesbeinen eng mit der 5. Jahreszeit verbundene und engagierte Seligenstädter – ein digitales Fastnachtsprogramm, an dem sich alle Fastnachtsvereine und Fastnachtbegeisterte beteiligten, auf die Beine gestellt und über einen Youtube-Kanal gesendet. Wie erwartet war das Interesse riesig. Dennoch hatten sich manche entschlossen, die Nacht von Rosenmontag zu Fastnachtsdienstag live zu feiern.
Aufgrund dessen waren die Mitarbeiter der Abteilung Stadtreinigung des städtischen Bauhofs jetzt unterwegs, den Altstadtbereich von Unrat zu befreien. Erfreulicherweise fielen nicht solche Mengen an Abfall an wie in den Vorjahren und die Bediensteten konnten sich schon bald aufmachen, auch am Mainufer nach dem Rechten zu sehen.
Der mit Pizzakartons, Dönerresten und diversen Dosen überquellende Abfallkorb an der ›Lügenbank‹ war schnell geleert, sowie der Unrat rundherum beseitigt. Einzig ein hässlicher roter Fleck auf der Sitzfläche der Bank ließ sich nicht so einfach entfernen.
»So e Sauerei awer aach«, schimpfte Heiner. »Warum kenne die net besser uffbasse?«
Im gleichen Augenblick stutzte er. »Norbert, guck e mol«, rief er seinen Kollegen. »Des is doch koan Ketchup. Odder was moanst du?«
Mit gemächlichem Schritt schlenderte der heran und senkte den Kopf zur Bank. »Des is ganz bestimmt koan Ketchup, des is Blut! Guck, do sinn aach noch Trobbe uf em Weech.« Er deutete auf den Asphalt, auf dem in unregelmäßigen Abständen rotbraune gezackte Tropfen von der Sitzgelegenheit wegführten, bis zum holprigen Pflaster, wo sie sich verloren, was auch dem Regen in der Nacht geschuldet war.
Erschrocken ließ Heiner den Lappen fallen, mit dem er versucht hatte, die mutmaßliche Tomatensoße zu entfernen. »Un was mache mer jetzt?«
»Ah nix. Odder willst de die Bolizei desweesche oruffe?«, antwortete Norbert. »Vielleicht hatt do oaner Naseblute. Kannst ja awer mol gucke, ob de noch was findst, odder irschendwo aoner rumlieht.«
Trotz eines intensiven Rundumblicks im näheren Umkreis konnte Heiner weder weitere Spuren noch einen Verletzten entdecken. »Nix«, informierte er infolgedessen seinen Kollegen.
Der sah zum anderen Mainufer, an dem soeben die Fähre anlegte. »Wenn die Neewe jetzt do wäre«, sagte er, »kennte mer mol frage, ob oaner was gesehe hot. Awer bis die widder zurickkemmt, dauert zu lang. Außerdem sinn mir fer de Müll zustännisch und net fer Besoffene.« Norbert drehte sich um und ging zum Fahrzeug zurück. »Isch will aach heut spätestens um zwölf Feierowend mache. Moi Fraa un isch, mer wolle nooch Zellhause.«
»Wieso? Leeft bei dene en Fastnachtszuch?«, fragte Heiner verwundert.
»Des net. Awer unser Schwiescherdochter hot uns zum Kaffee oigeloade, weil mer unbedingt des Batman-Kostüm vom Jonas bewunnern misse«, antwortete Norbert. »Moi Fraa moant, der Kloane wär sonst enttäuscht un deet vielleicht so en seelische Knacks devotraache.«
Heiners Meinung nach wurden die Jugendlichen und Kinder heutzutage zu sehr verhätschelt. Deshalb war er schon öfter mit seinem Kollegen aneinandergeraten. Insbesondere wenn es um seinen Enkel Jonas ging, reagierte Norbert empfindlich. Entsprechend gab Heiner nur ein »Hm« von sich, schloss die Ladeklappe des dreirädrigen Lastentransportfahrzeugs und stieg auf den Beifahrersitz.
Kurz vor der Bahnhofstraße sagte er: »Isch hoab en tierische Appetit uf Kreppel. Halte mer doch mol an der Bäckerei. Mer fahrn dann halt üwwer die Stoanemer Stroß zurick zum Bauhof.«
Gerade als Norbert das Fahrzeug auf den Marktplatz lenkte, hörten sie Sirenen eines Rettungswagens und gleich darauf hielt dieser mit Blaulicht vor der Einfahrt der ortsansässigen Brauerei.
»Du, die wolle in de Hof vom ›Römische Kaiser‹“, rief Heiner. „Guck, do stehe aach a ganze Menge Leut'. Was is en do los?«
»Was waas isch?« Norbert zuckte verärgert mit den Schultern.
»Komm, loss uns mol gucke, was do los is«, gab Heiner nicht auf.
Die Männer gingen gemessenen Schrittes zu der Menschentraube. Aufgrund mehrfachen Hupens des Ambulanzwagens machten diese jetzt einen schmalen Weg frei. Doch kaum hatte das Fahrzeug die Einfahrt durchquert, zogen sie sich wie durch einen Magneten angezogen wieder zusammen. Die Angestellten der Stadtreinigung, nicht gerade Riesen, reckten die Köpfe und drängten sich langsam nach vorn.
Plötzlich rief Heiner: »Ah des is doch de ›Till‹! Moin Gott, de ›Till‹ is dot.«
Dienstag / 07:35 Uhr
Enttäuscht verließ Michelle die Dienststelle der Polizei. Was hatte sie sich erhofft? Dass die Ordnungshüter mit sämtlichen ihnen zur Verfügung stehenden Beamten und Einsatzwagen sofort losstürmten?
Der Polizist hatte ihre Angaben aufgenommen und sie gefragt, ob sie ärztliche Versorgung brauche. Michelle lehnte ab, bat aber um eine Tablette, die sie zusammen mit einem Glas Wasser auch bekam. Hingegen entlockte ihre Befürchtung, Sören könnte entführt worden sein, dem jungen Polizisten nur ein mitleidiges Lächeln. Dennoch versprach er, dass seine Kollegen die Augen aufhalten würden.
Im Grunde konnte sie die Reaktion nachvollziehen. Ihr selber kam es geradezu abgedreht vor. Und doch ließ der Gedanke sie nicht mehr los.
Voller Sorge saß sie in ihrem Auto und starrte einige Augenblicke vor sich hin. Im Normalfall hätte sie sich ihren Eltern anvertraut. Die verbrachten aber zurzeit einen Kurzurlaub in der Schweiz, um dem Trubel um Fastnacht aus dem Weg zu gehen. Obwohl in diesem Jahr davon absolut keine Rede sein konnte. Sören und sie hatten schon ganz andere Fastnachtstage erlebt und waren am Aschermittwoch mit einem dicken Kopf in die Schule gegangen.
»Wo bist du?«, flüsterte sie.
Sekunden später stand ihr Entschluss fest. Sie fuhr vom Parkplatz der Polizeistation in die Jakobstraße bis fast zum Ende, bog vorsichtig rechts in die schmale Mauergasse ein und schlängelte sich durch weitere Gässchen der Altstadt zum Mainufer. Erneut parkte Michelle ihr Auto auf dem Platz neben der Fähre. Es dämmerte bereits. Sie ging den Uferbereich ab, jetzt bis hin zu der Stelle, an der in den Sommermonaten die Ausflugsschiffe anlegten. Sie schaute sogar in den davorstehenden Fischernachen. Nichts. Nun blieb ihr nur noch die ›Lügenbank‹.
Auf unsicheren Beinen schlich sie darauf zu, getrieben von dem Hoffnungsfunken, dass Sören dort saß, sie angrinste und alles nur ein Albtraum war. Doch nur der hässliche rote Blutfleck – jetzt verwischt – zeugte davon, dass hier vor wenigen Stunden etwas Schlimmes passiert war.
Nur warum? Weshalb macht jemand sich die Mühe, mich niederzuschlagen und auf die Bank zu legen, anstatt mich direkt am Auto liegenzulassen?
Michelle sah ein, dass solche Überlegungen im Moment nicht weiterhalfen. Die Suche nach Sören hatte jetzt äußerste Priorität. Sie atmete tief durch und streckte sich, wodurch sie wieder an ihren lädierten Kopf erinnert wurde. Aber jetzt waren die Schmerzen erträglich.
Ihre nächsten Schritte führten sie durch die Große Fischergasse an den ›Roten Brunnen‹ und durch weitere verwirrende Altstadtgässchen. Eine Dreiviertelstunde später kam sie auf dem Marktplatz an.
Hier waren um diese Zeit nur wenige Leute unterwegs, meist Brötchenholende, wie Michelle an den Tüten feststellte und an den Masken, die sie sich vom Gesicht rissen, sobald sie die Bäckerei verlassen hatten. Oder um Besitzer von Hunden, die mit ihren Vierbeinern Gassi gingen.
Merkwürdig erschien ihr, dass etliche Passanten, sichtlich aufgeregt, direkt durch die schmale Passage zur Frankfurter Straße strömten.
Was ist da los? Mit einem äußerst mulmigen Gefühl eilte Michelle ebenfalls dorthin.
Vor der Einfahrt zur einzigen Seligenstädter Brauerei drängten sich bereits eine Menge Leute vor einem rot-weißen Absperrband. Alle reckten die Köpfe. Einige raunten von einem Verletzten, andere von einem Toten. Hände und Arme zeigten gestikulierend in den Innenhof.
Dann sah Michelle den Polizeiwagen und die zwei Polizisten nahe einer Person, die vor dem Eingang des Fastnachtsmuseums lag.
Sören, war ihr erster Gedanke. Doch, auch wenn die Person ein gutes Stück entfernt lag, sagte Michelle die Kostümierung, dass er es nicht sein konnte. Niemals würde er sich so in der Öffentlichkeit zeigen. Schon aus Protest gegenüber seinem Vater, der ihn immer wieder drängte, dem Fastnachtsverein beizutreten. Und sobald das Thema angeschnitten wurde, stürmte Sören jedes Mal genervt aus dem Zimmer, während seine Mutter nur angewidert das Gesicht verzog.
Michelles Erleichterung, dass es sich nicht um Sören handeln konnte, hielt jedoch nur so lange an, bis die Frau, die schräg rechts vor ihr stand fragte, ob der Mann tot sei. Weniger die Frage an sich als vielmehr die Stimme war es, die sie veranlasste, in deren Richtung zu sehen.
Nina?
Reflexartig duckte sich Michelle, rannte über die schmale Straße hinter ihr und versteckte sich hinter einem der Stützpfeiler des Ladengeschäfts. Keine Sekunde zu früh.
Nina löste sich – sie war es tatsächlich – aus der Gruppe der Leute und hetzte mit schnellem Schritt auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig entlang. Michelle folgte ihr in einigem Abstand und sah, wie sie schon von Weitem mit der Fernbedienung ihr Mercedes Cabriolet öffnete, das sie vor einer Gaststätte geparkt hatte. Bevor sie einstieg, hielt sie sich kurz an der Autotür fest. Es schien, als ob sie schwankte. Dann stieg sie ein, startete und raste mit erhöhter Geschwindigkeit über die Aschaffenburger Straße in die Bahnhofstraße.
Was zum Teufel geht hier vor? Michelle starrte dem davonjagenden Wagen nach. Was hat sie hier zu suchen und wieso wirkt sie so aufgewühlt? Hat es mit Sörens Verschwinden zu tun? Und weshalb antwortet sie nicht auf meine Nachricht?
Von einem weiteren Hupen wurde Michelle aus ihren Überlegungen gerissen. Sie schaute sich um und sah einen weißen Transporter vor der Einfahrt der Brauerei kurz anhalten und dann hineinfahren.
Ein skurriler Einfall: Guido, zog sie dorthin zurück.
»Was ist hier passiert?«, fragte sie einen älteren, schätzungsweise 1,95 Meter großen Mann.
Er stand mit seinem Hund in der letzten Reihe der Menschenansammlung. Dennoch war es ihm möglich über alle anderen hinweg das Geschehen im Brauereihof bestens zu beobachten.
»Das weiß ich nicht. Nur dass dort, direkt vor dem Eingang zum Fastnachtsmuseum, ein Toter liegt. Wir sind auch gerade erst angekommen.« Er senkte seinen Kopf zu dem Hund, ein Spaniel, soweit Michelle das beurteilen konnte, der ohne einen Mucks von sich zu geben, neben ihm saß und Michelle aufmerksam aus seinen dunklen Knopfaugen ansah.
»Da wurde einer ermordet«, gab ein anderer Mann seine Kenntnisse, unter sichtlichen Ein- und Ausatmungsbewegungen seines Mund-Nase-Schutzes, kund.
Sein Nachbar wusste es noch etwas detaillierter. »Dem hoat oaner mit ner Bierflasch oans üwern Kopp gehaache. Un des is net irgendeiner ... des is unser ›Till‹! Awer des misse Sie doch besser sehe.« Er schaute zu seinem Nebenmann auf. »Ah du bist des, Ferdi. Dann is es also werklich Mord und ihr seid schon an dem Fall dro. Des is gut. Ihr misst den Dreckskerl finne, der unsern ›Till‹ umgebrocht hot.«
»Was? Nein!«, wehrte der großgewachsene Mann ab. »Die vielen Menschen haben mich nur neugierig gemacht. Da wollte ich nachschauen. Aber vermutlich hast du recht. Es sieht nach Mord aus. Hast du etwas Wichtiges gehört oder gesehen?«
»Isch hoab's doch gewusst. Ihr seid schon am rescherschiern«, beharrte der Mann mit einem Grinsen auf seiner Meinung. »Gesehe hoab isch nix«, fuhr er jetzt in verminderter Lautstärke fort. »Nur, dass die Flasch noch ganz is. Kann mer mol sehe, net nur des Bier von dene is noch Qualität, aach die Flasche. Gut fer die Kripo. Die kenne do bestimmt Fingerabdrück sischerstelle.«
»Soweit ich hören konnte, sprachen die Polizisten von einem Guido Leuthäuser«, gab der Mann mit dem Mund-Nase-Schutz an.
»Wos? Werklich? Na, dann is des gar net unser ›Till‹. Gott sei Dank.« Der kleine Mann neben Ferdinand atmete erleichtert auf. »Dann kann des awer aach net des Original-Kostüm soi. Die gewe nie ihr Maskenkostüm aus de Hand. Awer wem is des dann?«
Ferdinand war nicht entgangen, dass die junge Frau neben ihm bei der Erwähnung des Namens Leuthäuser zusammengezuckt war. Nun schien sie regelrecht zu zittern.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er deshalb. »Kennen Sie den Mann etwa – den Toten, meine ich?«
Michelle schüttelte den Kopf. Plötzlich drehte sich alles vor ihren Augen. »Mir ist nur ein wenig schwindelig.«
»Kommen Sie.« Ferdinand nahm den Ellenbogen der jungen Frau und zog sie sanft mit sich.
»Dort vorn auf dem Marktplatz steht eine Bank. Sie sollten sich einen Moment setzen.«
Willig ließ Michelle sich von dem großen Mann wegführen und sackte, kaum bei der Sitzgelegenheit angekommen, beinahe zusammen. Gleichzeitig fasste sie sich an den Kopf.
»Irgendjemand hat mir heute Morgen eins über den Schädel geschlagen. Und mein Freund ist verschwunden. Ich denke, dass er entführt wurde. Nur weiß ich nicht warum und die Polizei will mir nicht glauben.«
Ohne Bedenken, dass sie einem wildfremden Menschen schilderte, was sie in den letzten Stunden erlebt, vielmehr nicht mitbekommen hatte, sprudelten die Worte aus ihr heraus. Zum Teil lag das an der Hündin, die neben ihr auf die Bank gesprungen war und deren Pfoten auf Michelles Oberschenkel ruhten, zum Teil auch daran, dass sie fix und fertig war.
Als sie geendet hatte, war Ferdinand Roth klar: Wir haben einen neuen Mordfall.
»Dürfte ich eins haben?« Michelle deutete zu der Tüte, die neben ihr auf der Bank lag. »Ich bezahle auch.«
»Kommt überhaupt nicht infrage, dass Sie hier in der Kälte trockene Brötchen oder Croissants essen. Bedauerlicherweise dürfen wir wegen Corona nicht in das Café, sonst würde ich Sie zu einem Frühstück einladen. Ich hätte aber einen Vorschlag. Freunde von mir wohnen nicht weit entfernt. Ich rufe sie an und dann gehen wir dorthin.«
»Nein, ich muss Sören finden.« Michelle sprang auf, schwankte aber, sodass Ferdinand sie erneut halten musste.
»Junge Frau, das ist unvernünftig, wenn ich das mal so sagen darf. Sie können sich kaum noch auf den Beinen halten. Natürlich könnte ich Sie tragen. Für mich kein Problem. Nur wäre es möglich, dass die Leute das falsch deuten.« Er lächelte.
»Ja, womöglich.« Michelle schmunzelte ebenfalls.
Dienstag / 08:20 Uhr
»Na, denn man rin in de Stuuv«, empfing Helene aufgeregt ihre frühen Besucher, was sich dadurch bemerkbar machte, dass sie ins Plattdütsch fiel.
Ferdinand hatte sie über Handy von der Leiche unterrichtet und weshalb er eine junge Frau zu ihnen ins Haus brachte. Umso gespannter war sie jetzt.
»Bettina wird gleich hier sein. Herbert! Ist der Kaffee fertig?«, rief sie in Richtung Küche.
»Alles parat«, antwortete er und kam mit einem Tablett ins Esszimmer, wo Helene die junge Frau zu einem der Stühle führte und die Spaniel Dame sich sofort daneben platzierte.
Die macht wirklich kein gute Eindruck, stellte Herbert fest und schenkte Kaffee in die Tasse, die vor Michelle stand. Dann zeigte er zum Brotkorb, in dem die frisch aus dem Ofen entnommenen aufgebackenen Brötchen sich noch dampfend an die von Ferdinand gekauften Backwaren schmiegten.
»So, jetzt stärke Sie sich erst mal. Ich bin de Herbert und des hier«, er fasste Helene um die Taille, »is meine Helene. Den Ferdi kennst de ja schon.«
»Ach herrje das ist mir jetzt wirklich peinlich.« Leicht bedröppelt sah Ferdinand zu Michelle. »Wir kamen noch nicht dazu. Eh ... also ja, ich bin Ferdinand Roth, gerne auch Ferdi.«
Michelle stellte sich ihrerseits vor. Mit einem Lächeln – zwischenzeitlich war etwas mehr Farbe in ihr Gesicht zurückgekehrt – fragte sie: »Und wer ist die Süße, neben mir?«
»Das ist Miss Lizzy, kurz Lizzy gerufen.«
Es klingelte. Eine Minute später endete die Vorstellungsrunde mit Bettina.
Während Ferdinand seiner Frau die Situation erklärte, griff Michelle, immer wieder durch Helene ermuntert, kräftig zu.
Sie hat einen erstaunlich guten Appetit, stellte sie, in sich hineinschmunzelnd, fest. Und wie Nicole liebt sie offenbar Schokosahne zu den Croissants.Schon alleine deswegen müssen wir ihr helfen.
Herbert holte sein iPad. »Es kann losgehen«, wandte er sich Michelle zu. »Zuerst brauche wir sämtliche Dadde von deinem Freund und seiner Familie.«
»Wieso? Wozu?«
»Ist das ein Problem?«, fragte Helene sofort hellhörig geworden. »Stimmt irgendetwas nicht mit der Familie?«
»Nein, ganz und gar nicht«, entgegnete Michelle. »Da ist alles in Ordnung.«
»Je mehr Informationen wir vorliegen haben, desto schneller können wir uns ein Gesamtbild machen«, warf Ferdinand unterstützend ein.
»Wenn wir nach deinem Freund suchen und am Mord an seinem Vater, Guido Leuthäuser, ermitteln sollen, sind Eckdaten wichtig. Wir sind schließlich Profis«, ergänzte Herbert im Geschäftston und entsprechendem astreinem Hochdeutsch.
»Du hast soeben die SE-PRI-SOKO beauftragt«, komplettierte Bettina.
»Die Seligenstädter Private Ermittlungskommission? Ihr seid das?« Michelle setzte leise klirrend ihre Tasse auf dem Unterteller ab. »Ich habe schon von euch gehört, dachte aber das wäre alles nur Gerede – so eine Art PR-Gag.«
Dienstag / 08:25 Uhr
»Die Platzwunde am Kopf des Mannes stammt vermutlich von der Bierflasche«, äußerte Polizeioberkommissar Berthold Bachmann. Er zeigte zu der Flasche, die neben dem Opfer lag. »Er ist wie der Hofnarr des Prinzenpaares verkleidet«, fuhr er fort.
»Nur nicht so perfekt geschminkt«, erwiderte Josef Maier, Polizeihauptkommissar und Dienststellenleiter der hiesigen Polizei und beugte sich zu dem Toten hinab. »Auch wenn ich mich mit Fastnacht nicht so sehr gut auskenne, weiß ich doch, dass der ›Till‹ die bestgeschminkte Person bei der gesamten Truppe ist. Das ist auf jedem Foto zu sehen.«
»Das ist richtig, Chef. Und wenn ich anmerken darf – ich sagte, dass unser Opfer wie der Hofnarr gekleidet ist, nicht aber, dass es sich um ein Originalkostüm handelt«, ergänzte Bachmann.
»Ach? Vorspiegelung falscher Tatsachen?«
»Keine Vortäuschung ist,«, fuhr der Notarzt dazwischen und erhob sich aus seiner knienden Position, »dass der Mann definitiv vor etwa 3 Stunden – plus minus – erschlagen wurde. Aber, das genau festzustellen, ist Sache der Rechtsmedizin. Wir verabschieden uns jetzt.«
»Wissen wir, wer der Tote ist?« Polizeihauptkommissarin Saskia Ehrlich hatte sich unbemerkt ihren Kollegen genähert.
»Was machst du hier?«, fragte Berthold Bachmann erstaunt. »Ich dachte, du hättest heute frei?«
»Hab‘ ich auch. Und eigentlich wollte ich mal richtig ausschlafen. Doch das war wohl nur Wunschdenken. Ständig zogen irgendwelche Leute, lachend und johlend durch die Straßen. Das ging bis in die frühen Morgenstunden. Der könnte einer von denen gewesen sein.«
Saskia drehte missbilligend ihren Kopf hin zu dem Toten, als wollte sie ihn nachträglich für die Störung ihrer Nachtruhe zurechtweisen. »Vor etwa zwei Stunden bin ich mal kurz weggeduselt, bis mich die Sirene des Rettungswagens weckte«, fuhr sie fort. »Als diese aber nur wenige Meter entfernt verstummte, bin ich neugierig geworden. Und hier bin ich.«
Ein Gähnen verhinderte Saskias Versuch zu lächeln.
»Laut dem Personalausweis ist sein Name Guido Leuthäuser, 42 Jahre alt. Geldbörse, Schlüssel und Kreditkarten befanden sich in der Hosentasche.« Berthold Bachmann hielt einen Asservatenbeutel mit den persönlichen Gegenständen des Toten in die Höhe.
»Also kein Raubdelikt. Was ist mit Zeugen? Wer hat den Mann gefunden?«, erkundigte sich Saskia.
»Zeugen, negativ. Gefunden hat ihn ein Mitarbeiter der Brauerei und uns informiert. Er steht dort drüben. Ich konnte ihn noch nicht befragen.«
Saskias Blick folgte der Kopfbewegung ihres Kollegen zu einem an seinem Auto lehnenden Mann. »Was wollte er hier, heute Morgen?«
»Es soll Leute geben, die auch am Fastnachtsdienstag arbeiten müssen«, antwortete Berthold mit essigsaurer Miene. Er selbst hätte gerne den Tag mit seiner Frau verbracht, aber Saskia war schneller mit ihrem Eintrag in die Urlaubsliste. »Wieso hast du eigentlich heute freigenommen? Du bist doch ebenso wenig ein Narr wie ich, obwohl du aus Köln kommst?«
»Wie gesagt, ich wollte ...«
»Könnte einer von euch mal die SpuSi rufen?«, unterbrach Josef Maier das Geplänkel. »Eure Unterhaltung könnt ihr später bei Kreppel und Kaffee fortsetzten.«
»Berthold übernimmt bestimmt gerne die Spurensicherung«, antwortete Saskia spitz. »Ich gehe zum Finder unseres Opfers.«
»Den Zeugen übernehme ich und die Kripo habe ich auch schon informiert. Ihr sichert den Tatort.« Josef Maier deutete zu der Traube von Neugierigen, die sich weiter durch den offenen Zugang zum Innenhof des Brauereigeländes schoben.
»Wird erledigt, Chef«, erwiderte Berthold, reichte seiner Kollegin das Absperrband und fischte sein Handy aus der Jacke, um die SpuSi herbeizurufen.
»Gehen Sie bitte zurück und machen Sie die Zufahrt frei«, herrschte Saskia Ehrlich die Leute an. Zeitgleich schlang sie das rot-weiße Flatterband um ein Regenrohr einerseits und andererseits um die Türklinke einer wohin auch immer führenden Tür.
»Ist er tot?«, erkundigte sich eine Frau.
»Wieso fragen Sie? Kennen Sie den Mann?«
»Nein«, antwortete sie mit einem zusätzlichen Kopfschütteln. »Es ist nur ..., weil der RTW ohne ihn abgefahren ist.«
Sofort ging ein Raunen durch die Menge der Leute, gefolgt von: »Ach, wie schrecklich, schon wieder ein Mord bei uns.«
Das Ankommen eines schwarzen Insignia, aus dem Kriminalhauptkommissarin Nicole Wegener und ihr Lebenspartner Kriminalhauptkommissar Andreas Dillinger stiegen, ersparte der Polizistin weitere Erläuterungen. Sie atmete erleichtert auf und hielt das gerade angebrachte Absperrband hoch, damit die Kriminalbeamten darunter hindurchschlüpfen konnten.
»Wieso sind Sie schon hier?«, fragte Saskia verwundert und eilte hinter ihnen her. »Ich nahm an, der Chef wollte Ihre Kollegen vom Dauerdienst informieren.«
»Hat er auch. Aber unsere lieben Kollegen waren wohl der Ansicht, dass wir schneller vor Ort sein würden und ein Tag Urlaub genug für uns wäre.« Nicole verzog säuerlich das Gesicht und nahm mit Andy Kurs auf Berthold Bachmann.
Nach einer kurzen Begrüßung fragte sie: »Also, was haben wir und wer ist das Opfer?«
Der Polizeioberkommissar gab die Personalien des Opfers an, sowie die vorläufige, von Notarzt festgestellte Todesursache. »Habe gerade die Spurensicherung verständigt. Könnte aber dauern, bis sie eintreffen. Ein Einbruch in einer Villa in Offenbach«, fügte er erklärend hinzu.
»Am Fastnachtsdienstag? Dachte, auch Kriminelle feiern Fastnacht«, äußerte Saskia spöttisch und mit einem Augenzwinkern in Richtung ihres Kollegen.
Der sah sie nur unterkühlt an, wandte sich Nicole und Andy zu und sagte: »Josef befragt gerade den Mann dort drüben, ein Mitarbeiter der Brauerei. Er fand den Toten.«
»Okay. Dann höre ich mal zu«, erwiderte Nicole. »Könnt ihr beide und Frau Ehrlich die Leute hinter der Absicherung befragen?«
»Ich denke, das kriegen wir hin«, antwortete Andy mit einem Schmunzeln.
»Wärst du lieber mal in deinem Bettchen geblieben«, stichelte Berthold in Richtung von Saskia.
»Ist ja gut. Hab's begriffen, Herr Kollege«, brummte sie.
Dienstag / 08:35 Uhr
»Josef Maier, Polizeihauptkommissar«, stellte er sich dem Mann gerade vor, als Nicole die beiden erreichte. »Sie haben den Toten gefunden, Herr ...?«
»Roman Kunert ist mein Name. Ich arbeite hier in der Brauerei. Heute eigentlich nicht. Bin nur für einen Kollegen eingesprungen, weil ...«
»Lassen Sie mich raten – wegen Fasching«, äußerte Nicole.
Josef Maier drehte sich um. »Ah, Nicole. Schön, dass du hergekommen bist.«
»Die Kollegen von KDD waren der Meinung, ich könnte eine kleine Abwechslung an meinem freien Tag gebrauchen«, erwiderte sie mit einem Lächeln.
»Kriminalhauptkommissarin Wegener. Roman Kunert«, machte Maier die beiden miteinander bekannt. »Herr Kunert informierte uns über den Leichenfund.«
Nicole nickte dem Mann zu. »Wann war das?«
»Kurz vor 8 Uhr.«
»Und Sie wissen das weshalb so genau?«
»Weil ich um 7 Uhr 15 einen Anruf von der Frau meines Kollegen erhielt mit der Bitte, für ihn einzuspringen. Das war natürlich sehr kurzfristig. Deshalb bin ich auch eine Viertelstunde zu spät.«
»Wir wollen Sie auch nicht allzu lange aufhalten«, erwiderte Josef. »Möchtest du?« Er schaute Nicole an.
»Nein, mach ruhig«, gab sie ihm grünes Licht zur weiteren Befragung, holte aber ihr Handy hervor, um die Zeugenaussage aufzunehmen. »Ich darf doch?«, wandte sie sich Roman Kunert zu.
Der nickte und begann auch sofort mit seiner Aussage.
»Schon, als ich durch die Einfahrt kam, sah ich ihn liegen. Zuerst dachte ich – wieder eine Schnapsleiche. Oh, Entschuldigung. Sollte nicht pietätlos sein.« Einen kurzen Moment schaute Roman Kunert betreten auf das Pflaster vor ihm. »Seit die Gaststätte 2019 geschlossen hat, kommt es schon mal vor, dass Leute hier im Innenhof ihren Rausch ausschlafen. Meistens dort hinten.« Er zeigte nach rechts, zu einer Art überdachten Bühne, die über einige Stufen zu erreichen war. »Hier, so offensichtlich und auch noch am Eingang zum Fastnachtsmuseum, lag noch niemand. Ich stieg also aus meinem Auto, ging zu dem Mann und fragte, ob ich ihm helfen könne. Doch, erst als ich mich zu ihm runterbeugte, sah ich die Blutlache neben seinem Kopf und dann die Flasche. Wurde Herr Leuthäuser damit ermordet?«
»Sie kennen den Mann? Wieso sagen Sie das erst jetzt?«, fragte Josef Maier leicht ungehalten und lauter als beabsichtigt.
»Ich dachte, Sie kennen ihn auch. Er war doch Mitglied der Fastnachtsfreunde, saß sogar im Elferrat. Außerdem haben Sie mich nicht danach gefragt.«
Stimmt, gab Josef Maier gedanklich zu und sagte, um seinen Fauxpas zu verschleiern: »Obwohl ich schon Jahrzehnte in Seligenstadt wohne, ist mir die Fastnacht immer etwas fremd geblieben. Genauso wenig sind mir die Vereine bekannt.«
Roman Kunert äußerte ein verhaltenes »Aha«. Dann fuhr er fort. »Einige der Herren trafen sich ab und zu in der Brauereigaststätte ›Zum Römischen Kaiser‹ bis die wie gesagt, vor zwei Jahren geschlossen wurde. Dabei ging es meist feuchtfröhlich zu und Herr Leuthäuser schien immer sehr spendabel.« Er fasste sich mit der linken Hand an sein Kinn. »Könnte es da einen Zusammenhang geben?«
»Wie kommen Sie darauf?«, hakte Josef Maier nach.
»Nun, der Mann lag in der Kostümierung des Hofnarren vor der Tür zum Fastnachtsmuseum. Und es wurde gemunkelt, dass er selbst gerne einmal in diese Rolle schlüpfen wollte. Da liegt der Verdacht doch nahe, oder …?«
Eine Verbindung zwischen dem Fundort und der Aufmachung des Toten hatte Nicole ebenfalls schon in Betracht gezogen. Aufgrund Herrn Kunerts Äußerungen verdichtete sich der Gedanke. Zudem zermarterte sie sich den Kopf, woher ihr der Name Leuthäuser geläufig war, unabhängig von einer ehemaligen Bundesministerin, mit ähnlicher, allerdings doppelter Namensgebung. Es wollte ihr aber absolut nicht einfallen.
»Was haben Sie denn noch so über Herrn Leuthäuser oder die Mitglieder des Faschingsvereins gehört?«
»Nichts weiter. Ich müsste dann auch mal an die Arbeit.«
Nicole nickte. »Ja natürlich. Danke für Ihre Zeit. Geben Sie mir bitte Ihren Namen und Telefonnummer, nur, falls wir noch Fragen haben.«
»Erledige ich«, bot Josef Maier sich an. Aus den Augenwinkeln hatte er einen weißen Transporter auf den Hof fahren sehen. »Die SpuSi. Geh' du schon mal. Ich komme gleich nach.«
Zurück bei Andy und Berthold, informierte Nicole die beiden über das, was sie soeben von Herrn Kunert erfahren hatte. Gleichzeitig äußerte sie ihren eigenen Gedanken. »Ich finde es merkwürdig, dass er ausgerechnet hier ermordet wurde. Was meint ihr?«
Von Polizeioberkommissar Bachmann kam ein grüblerisches »Hm« und anschließend: »Wegen Corona wurde in diesem Jahr kein neues Prinzenpaar gewählt, obwohl einige Kandidaten sich nur allzu gerne zur Verfügung gestellt hätten. Herr Leuthäusers Ambitionen, was den ›Till‹ betrifft, kannte ich allerdings nicht.«