Mord wirft lange Schatten - Ann Granger - E-Book

Mord wirft lange Schatten E-Book

Ann Granger

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Beschreibung

Im Jahre 1889 wird William Oakley wegen Mordes an seiner Frau angeklagt. Obwohl das Verfahren eingestellt wird, verschwindet Oakley auf Nimmerwiedersehen. Über hundert Jahre später leben nur noch zwei Nachkommen der Familie: zwei Schwestern, die sich schweren Herzens entschließen, ihr baufälliges Haus zu verkaufen.

Doch dann taucht unversehens ein junger Mann auf und behauptet, William Oakleys Urenkel zu sein. Er stellt Ansprüche auf das Haus und wird kurz darauf tot aufgefunden - vergiftet mit der gleichen Substanz, mit der auch seine Urgroßmutter umgebracht wurde. Um den Mörder zu finden, muss Superintendent Markby Ereignisse untersuchen, die über ein Jahrhundert zurückliegen ...

Mitchell & Markbys 13. Fall.

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Seitenzahl: 589

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Inhalt

Über die Autorin

Titel

Impressum

Danksagung

Personen

Teil Eins: Der erste Schatten

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Teil Zwei: Der zweite Schatten

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Teil Drei: Familiengeheimnisse

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Über die Autorin

Ann Granger war früher im diplomatischen Dienst tätig. Sie hat zwei Söhne und lebt heute mit ihrem Mann in der Nähe von Oxford. Bestsellerruhm erlangte sie mit der Mitchell-und-Markby-Reihe und den Fran-Varady-Krimis. Nach Ausflügen ins viktorianische England mit den Lizzie-Martin-Romanen, knüpft sie mit der Serie um Inspector Jessica Campbell wieder unmittelbar an die Mitchell-und-Markby-Reihe an.

ANN GRANGER

MORD WIRFT LANGE SCHATTEN

Mitchell & Markbys dreizehnter Fall

Ins Deutsche übertragen von Axel Merz

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Titel der englischen Originalausgabe:Shades of Murder

© 2000 by Ann Granger

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2005/2011 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat: Gerhard Arth / Stefan Bauer

Titelillustration: David Hopkins

Umschlaggestaltung: Bianca Sebastian

E-Book-Produktion: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN 978-3-8387-0689-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Es gibt viele Leute, denen ich für ihren Rat, ihre Hilfe und ihre Aufmunterungen während der Niederschrift dieses Buches zu danken habe.

Also geht hiermit ein großes Dankeschön an Professor Bernard Knight, CBE, einen namhaften Pathologen und Krimiautorkollegen, für seinen Rat bezüglich des Vorgehens bei Exhumierungen. An das Museum of the Royal Pharmaceutical Society für Informationen über Laudanum. An meine Krimiautorkollegin Dr. Stella Shepherd und ihren Mann John Martin für die medizinische Expertise, die sie mir großzügig bei dieser und anderen Gelegenheiten zugänglich gemacht haben. An das Oxford Coroner’s Office. An den Stab des Centre for Oxfordshire Studies der Westgate Library in Oxford. An David Dancer von der Oxford County Hall, der mir den »Old Court« von Oxford gezeigt hat mitsamt seinem atmosphärischen unterirdischen Tunnel. Und an meine Agentin Carol Blake, meine Herausgeberin Marion Donaldson, meine leidgeprüfte Familie, meine Freunde und vor allem meinen Ehemann John Hulme.

Der erste Schatten, Bamford 1889–90

William Oakley, of Fourways House

Cora, seine Frau

Mrs. Martha Button, Haushälterin

Watchett, Gärtner

Daisy Joss, Kindermädchen

Inspector Jonathan Wood, Bamford Police

Emily, seine Tochter

Sergeant Patterson, Bamford Police

Stanley Huxtable, Reporter der Bamford Gazette

Mr. Taylor, Staatsanwalt bei der Verhandlung gegen William Oakley

Mr. Green, Verteidiger bei obiger Verhandlung

Der zweite Schatten, Bamford 1999

Damaris Oakley, Florence Oakley – Enkeltöchter von William Oakley

Jan Oakley, Urenkel von William Oakley

Ron Gladstone, Gärtner

Superintendent Alan Markby, Regional Serious Crimes Squad

Inspector David Pearce, wie oben

Meredith Mitchell, Angestellte beim Foreign Office

Dr. Geoffrey Painter, Experte für Giftstoffe

Pamela, seine Frau

Juliet, seine Schwester

Reverend James Holland, Vikar von Bamford

Superintendent Doug Minchin, Metropolitan Police

Inspector Mickey Hayes, wie oben

Dolores Forbes, Wirtin des The Feathers

Kenny Joss, Taxifahrer

Dr. Fuller, Pathologe

Harrington Winsley, Chief Constable

Dudley Newman, Bauunternehmer

TEIL EINS

Der erste Schatten

Ja, schnöder Mord, wie er aufs Beste ist,doch dieser unerhört und unnatürlich.

Shakespeare, Hamlet 1. Akt 5. Aufzug

 KAPITEL 1 

1889

CORA OAKLEY saß mit dem Oberkörper gegen die spitzenbesetzten Kissen gelehnt. Schweiß rann in dünnen Bächen von ihrem Haaransatz über die Stirn, entlang der Nase über ihre Oberlippe und bildete eine salzige Pfütze in der Kinnfalte unter ihrem Mund. Sie war sich dessen kaum bewusst. Tentakel aus Schmerz erstreckten sich aus ihrem pochenden Kiefer durch den Hals bis hinunter zur Schulter. Die rechte Seite ihres Gesichts fühlte sich an, als stünde sie in Flammen. Es war drei Tage her, dass der Zahn gezogen worden war, und der Zahnarzt hatte versprochen, dass sich die Wunde bald beruhigen würde.

Warum müssen Männer nur immer bei allem lügen?, dachte Cora. Sie berührte das geschwollene Fleisch und zuckte zusammen.

Das Turmzimmer war ihres gewesen, seit sie nach Fourways House gekommen war. Der größte Teil des Raums befand sich in einem samtenen Halbdunkel, doch sie lag am Rand eines Lichtkreises, der von einer Lampe auf dem Nachttisch erzeugt wurde. Der Porzellanfuß der Lampe war mit Veilchen bemalt. In dem weiten Glaszylinder tanzte und flackerte die Flamme, genährt vom Petroleumvorrat im Fuß, und sprang wütend auf und ab wie ein gefangener Kobold, der unbedingt seine Freiheit zurückwollte, um Unsinn anzustellen.

Ich werde das Zimmer wechseln, dachte Cora. Ich mag dieses Zimmer nicht. Ich habe es von Anfang an nicht gemocht.

William hatte entschieden, dass sie ins Turmzimmer ziehen sollte. Williams eigenes Zimmer lag auf der anderen Seite des Hauses – wohl kaum ein normales Arrangement für ein verheiratetes Paar, doch William hatte es so gewollt, und Cora wusste warum.

Als hätte der bloße Gedanke an ihren Ehemann denselben herbeigerufen, öffnete sich in diesem Augenblick die Tür, und William kam herein, ein kleines Tablett auf dem Arm.

»So, da wären wir«, sagte er und stellte das Tablett neben der Lampe auf den Tisch. »Ich habe Perkins’ Rezept eingelöst, und Baxter hat mir das da gegeben.«

Cora drehte den Kopf, sodass sie die vertraute kleine Flasche mit dem handgeschriebenen Etikett sehen konnte. Laudanum, stand dort, und darunter, in Klammern, Opiumtinktur.

»Baxter hat erzählt, dass es neue Arzneien gegen Schmerzen wie dein Zahnweh gibt. Ich hab ihm gesagt, du würdest es vorziehen, bei dem zu bleiben, was du kennst.« Er zögerte, als erwartete er eine Antwort von ihr. Als sie schwieg, fuhr er rasch fort: »Nun, hier hast du einen Krug Wasser, ein Glas und einen Teelöffel. Möchtest du deine Medizin jetzt nehmen?« Er streckte die Hand nach der Flasche aus.

Cora rollte den Kopf von einer Seite des Kissens zur anderen. Nein. Sie wollte nur, dass er endlich wieder ging. Sie wusste selbst, wie groß ihre Dosis zu sein hatte. Das Laudanum war schon seit langer Zeit ihr Freund und Begleiter, ein Freund, an den sie sich in den Tiefen ihrer sie immer wieder heimsuchenden Depressionen wenden konnte. Sie würde ungestörten Schlaf finden, ungestört von dem rasenden Schmerz des entzündeten Zahnfleischs rings um das Loch, wo der Zahn gewesen war. Dennoch erfüllte der bloße Gedanke an Schlaf sie mit einem prickelnden Gefühl der Anspannung. In letzter Zeit wurde sie ständig von Albträumen heimgesucht. Verzweifelt fragte sie sich, ob sie denn niemals Frieden finden würde, weder im Schlaf noch im Wachsein.

»Also schön, wie du meinst«, sagte William. Er beugte sich vor und gab ihr einen leidenschaftslosen Kuss auf die feuchte Stirn. »Gute Nacht.«

Während er zur Tür ging, fand sie ihre Stimme wieder. »William?«, rief sie ihm hinterher.

Er blieb stehen, dann wandte er sich langsam um, die Hand auf dem Türknopf, die dunklen Augenbrauen erhoben. Selbst in ihrem gegenwärtigen schlimmen Zustand bemerkte sie, wie attraktiv er war, und bitter erkannte sie, wie leicht sich ein dummes siebzehnjähriges Mädchen, wie sie es bei ihrer ersten Begegnung gewesen war, blindlings in ihn verlieben konnte. So vollkommen in diesen Mann verlieben, der durch und durch schlecht und verdorben war.

»Ich werde Daisy morgen Früh entlassen«, sagte sie so deutlich, wie es ihr mit dem geschwollenen Kiefer und den Schmerzen möglich war.

»Kümmert sie sich denn nicht ordentlich um den Jungen?« Williams Stimme klang kalt.

»Ich mag ihr Benehmen nicht.«

»Benehmen? Wie meinst du das?« Obwohl er im Schatten stand, konnte sie die Verachtung in seinem Gesicht sehen und in seiner Stimme hören.

Er scheint zu glauben, dass ich dumm bin, dachte sie. Doch ihre Schmerzen waren zu groß, um sich auf einen Streit mit ihm einzulassen. »Du hast mich in den Augen von jedermann, den wir kennen, zu einem Gegenstand des Spotts und der Lächerlichkeit gemacht.«

»Du redest Unsinn«, sagte er kurz angebunden und öffnete die Tür.

»Es ist zu viel«, sagte Cora mühsam und mit schwerer Zunge. »Nicht noch einmal, William. Ich ertrage das nicht noch einmal.«

Er antwortete nicht. »Das muss ein Ende haben, William!«, rief sie ihm hinterher, während er durch die Tür ging.

Sie hatte es gewagt, das Wort zu benutzen, das er nicht ertragen konnte. Er wirbelte herum. »Muss?«

»Ich werde um die Scheidung nachsuchen«, sagte sie, getrieben von Schmerz und Verzweiflung.

Sie sah seine Mundwinkel zucken, als wollte er lächeln. »Vielleicht redest du morgen wieder vernünftiger«, sagte er. Und war fort.

»Dann also eine gute Nacht, Mr. Watchett«, sagte Martha Button.

Sie schloss die Tür hinter dem Gärtner und sperrte ab. Zur Sicherheit schob sie die Riegel oben und unten vor, und als sie damit fertig war, überprüfte sie noch das Fenster. Zufrieden, dass niemand außer dem entschlossensten Einbrecher in die Küche gelangen konnte, warf sie einen letzten Blick in die Runde.

Der Küchenherd hatte eine gründliche Schwärzung mit Grafit nötig, doch das konnte Lucy am nächsten Morgen erledigen. Das Mädchen musste beschäftigt werden. Dann fielen Mrs. Buttons Adleraugen auf die beiden Gläser und die Sherryflasche auf dem Tisch. Sie stellte die Flasche in den Schrank zurück und spülte die Gläser, trocknete sie ab und stellte sie ebenfalls in den Schrank. Nach einem Moment des Zögerns nahm sie den kleinen Teller vom Tisch und spülte auch ihn. All diese Arbeiten hätte sie auch für Lucy stehen lassen können, doch es gab ein paar Dinge, die man im Gegensatz zum Schwärzen eines Küchenherds besser nicht der Aufmerksamkeit einer Küchenmagd überließ. Nicht, dass Mrs. Button und Mr. Watchett nicht ein Recht auf ein abendliches Schwätzchen bei einem Glas Sherry gehabt hätten, doch es war sehr wichtig, den Respekt der Dienstboten zu bewahren und ihnen keinen Grund zu geben, hinter dem Rücken über die Herrschaften zu lachen.

Es wurde bereits spät. Watchett war länger geblieben als üblich. Mrs. Button ging nach draußen in die Halle. Dort glomm leise zischend eine einzelne Glühstrumpflampe. Die übrigen Räume im Erdgeschoss lagen dunkel. Die Atmosphäre war schwer mit unsichtbaren Geistern, wie es in einem großen Haus des Nachts eben so ist. Die große Standuhr zeigte fast elf. Mrs. Button ging zur Vordertür, um auch dort die Riegel zu prüfen. Selbstverständlich hatte Mr. Oakley die Tür abgesperrt, bevor er nach oben gegangen war, doch an diesem Abend hatte Mrs. Buttons Arbeitgeber irgendwie geistesabwesend gewirkt. Er hatte sich früh zurückgezogen, noch vor zehn. Sie hatte gehört, wie er nach oben gegangen war. Nun ja, hatte sie zu Watchett gesagt, kein Wunder, dass er so abwesend ist.

»Ich habe es kommen sehen, Mr. Watchett. Seit dieses junge Ding, diese Daisy Joss, den Fuß in dieses Haus gesetzt hat. Sie ist viel zu hübsch, als ihr selbst gut täte.«

»Ah«, sagte Watchett. »Kam noch nie was Gutes dabei raus, einen Joss einzustellen.«

»Und die arme Mrs. Oakley in ihrem jetzigen Zustand, mit dem Zahn. Dem gezogenen Zahn, meine ich. Ich weiß wirklich nicht, warum sie nicht nach London gefahren und zu einem Zahnarzt gegangen ist, der sich mit der Behandlung von vornehmen Leuten auskennt. Sie ist in einem grauenhaften Zustand, seit der Doktor aus Bamford ihr den Zahn gezogen hat.«

»Eine Türklinke und ein Stück Zwirn«, sagte Mr. Watchett. »Mehr braucht es nicht, und es ist immer noch die beste Methode, um einen Zahn zu ziehen.«

»Es wäre jedenfalls bestimmt nicht schlimmer gewesen«, rümpfte Mrs. Button die Nase.

Die Vordertür war verriegelt. Sie nickte vor sich hin und wandte sich zur Lampe, um den Gashahn zuzudrehen. Dabei erhaschte sie einen Blick auf ihr Spiegelbild und hielt inne, um ihr merkwürdig mahagonifarbenes Haar glatt zu streichen. Anschließend kehrte sie in die Küche zurück und ging hindurch in den sich anschließenden Garderobenraum, von wo aus die schmale Hintertreppe hinauf in die oberen Räume führte. So allein, wie sie im Erdgeschoss war, hätte sie durchaus auch die Vordertreppe nehmen können, doch alte Gewohnheiten hielten sich hartnäckig. Hintertreppen waren für Dienstboten, Vordertreppen für die Herrschaften, und obwohl Mrs. Button in der Hierarchie der Dienstboten von Fourways House ganz oben stand, nahm sie diese Route, um zu Bett zu gehen, durch das dunkle Haus, mit einem Kerzenleuchter in der Hand.

Ringsum knarrte und knackte es aufgrund der fallenden Temperaturen im Gebälk. Im ersten Stock kam die Treppe am Ende des Korridors heraus, direkt neben der Tür zum Turmzimmer, wo Mrs. Oakley schlief. Als Mrs. Button sich zur nächsten Treppe wandte, die weiter nach oben in das Dachgeschoss und zu ihrem Schlafquartier sowie dem kleinen Wohnzimmer führte, vernahm sie plötzlich ein dumpfes Poltern.

Ihm folgte ein sofortiger Schrei. Ein Schrei, der so merkwürdig, so unirdisch klang, dass Mrs. Button nicht glauben konnte, dass er aus einer menschlichen Kehle kam. Wenn er überhaupt irdischer Herkunft war, dann war es der gequälte Aufschrei eines Tieres im Todeskampf. Mrs. Buttons Herz begann schmerzhaft zu pochen, und sie bekreuzigte sich mit der freien rechten Hand. Sie war als Katholikin aufgewachsen, obwohl sie ihre Religion seit vielen Jahren nicht mehr praktizierte. Doch jetzt, in dem Gefühl, auf eine Weise geprüft zu werden, die göttliche Hilfe erforderte, suchte sie Zuflucht im Glauben ihrer Kindheit.

Die Geräusche waren aus dem Turmzimmer von Mrs. Oakley gekommen, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Furchtsam näherte sich die Haushälterin der Tür, und nach einem Augenblick des Zögerns klopfte sie an. »Mrs. Oakley? Ma’am?«

Keine Antwort. Und doch, mit an die Tür gepresstem Ohr meinte sie, Bewegungen zu hören, ein Hasten, ein merkwürdig rasselndes Atmen. Dann, ganz deutlich, ein ersticktes Gurgeln und ein weiterer Schrei, der völlig unvermittelt abbrach, als wäre die Luftzufuhr zu den Stimmbändern abgeschnitten worden.

Erfüllt von schierer Panik und völlig im Ungewissen, was sie erwartete, packte Mrs. Button den Türknauf und drückte die Tür auf.

»O mein Gott, o mein Gott!« Die Haushälterin schlug die Hand vor den Mund.

Ihren ungläubigen Augen bot sich ein infernalischer Anblick, eine mittelalterliche Hölle, in welcher eine Gestalt auf dem Teppich lag und sich umgeben von Flammen und einem tanzenden roten und gelben Licht wälzte. Die Luft war zum Schneiden dick, und der Gestank weckte Übelkeit in Mrs. Button. Sie würgte und hustete. Der Gestank rührte von brennender Wolle, Lampenöl, versengtem Fleisch und noch einem anderen, überwältigenden Geruch her, den Mrs. Button im Augenblick nicht zuordnen konnte, obwohl er ihr bekannt vorkam. Die Nachttischlampe lag in Scherben auf dem geschwärzten, schwelenden Teppich. Zwischen den Scherben lag etwas, das ihr merkwürdig erschien, doch sie hatte nur einen Sekundenbruchteil Zeit, um sich all das zu merken, bevor sie ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die Kreatur am Boden richtete.

Die Kreatur, dieses brennende Ding, das sich auf dem Boden wälzte und schluchzende, rasselnde Geräusche von sich gab, als wollte sie schreien, ohne es zu können. Die Haushälterin zitterte am ganzen Leib, als sie den Kerzenhalter abstellte und einen Schritt nach vorn machte, bevor sie, von Grauen und Abscheu übermannt, wieder zurückwich. Vor ihren entsetzten Augen erhob sich die Kreatur mit übermenschlicher Anstrengung inmitten der Flammen und streckte Mrs. Button in stummem Flehen eine geschwärzte, sich schälende Klauenhand entgegen. In diesem Augenblick fingen ihre langen Haare Feuer, und im nächsten Moment war ihr Gesicht von einem flammenden Halo eingerahmt. Die Kreatur kreischte, ein hohes, nicht menschliches Geräusch, das erstarb, als hätte man die Lungen ausgequetscht, dann fiel sie zurück.

»Mrs. Oakley!«, ächzte Mrs. Button. »O mein Gott, Mrs. Oakley!«

 KAPITEL 2 

1999

»MR. GLADSTONE«, sagte Damaris Oakley mit aller Entschiedenheit, die sie aufbringen konnte. »Wir haben das doch alles schon besprochen. Weder meine Schwester noch ich besitzen das geringste Interesse an einem Wasserspiel im Garten.«

»Aber warum denn nicht?«, fragte Ron Gladstone.

Sie starrten sich einmal mehr hart in die Augen, ein unvereinbarer Kontrast verschiedener Geschmäcker. Damaris trug einen sehr alten Tweedrock, dessen Futter unter dem Saum hervorlugte. Über dem Rock hatte sie einen womöglich noch älteren handgestrickten Pullover mit einem merkwürdig unregelmäßigen Muster sowie darüber einen Cardigan. Die vorderen Säume des Cardigans, wo die Knöpfe und Schlaufen saßen, waren ausgeleiert und hingen schlaff über die Taille. Auf der Rückseite war er eingelaufen und ließ den halben Rücken frei. Auf dem Kopf trug Miss Oakley einen altehrwürdigen weichen Hut aus Tweed, der einmal ihrem Vater gehört hatte und in dem sogar noch die Überreste eines seiner Fliegenköder vom Fischen steckten.

Ron Gladstone andererseits war ein Bild von respektabler Eleganz, selbst in seiner Gärtnerkleidung. Sein Cardigan war sauber und zugeknöpft, und im Halsausschnitt waren Hemd und Krawatte zu sehen. Das ergrauende rote Haar war militärisch kurz geschnitten. Der kleine abstehende Schnurrbart hatte seinen roten Farbton behalten und verlieh Gladstone das Aussehen eines streitlustigen Gockels. Als Konzession an das Draußensein trug er stabiles Schuhwerk, doch selbst das war offensichtlich blitzsauber geputzt worden, bevor Gladstone das Haus verlassen hatte, und die wenigen frischen Spritzer Schmutz und Gras vermochten den Eindruck nicht zu schmälern.

Zum wiederholten Mal überlegte Damaris, dass hilfreiche Arrangements zwar schön und gut waren, doch sie kamen viel zu häufig mit verborgenen Nachteilen daher. Damaris und ihre Schwester konnten sich unmöglich einen Gärtner leisten oder auch nur die regelmäßigen Besuche einer jener Gartenbaufirmen bezahlen. Andererseits waren die beiden Schwestern auch nicht mehr imstande, allein mit dem üppig wuchernden Grün fertig zu werden, und so hatten sie voller Verzweiflung Hilfe gesucht.

Ron Gladstone war nicht ihr erster Versuch gewesen, dieses Problem zu lösen. Die Fürsorge hatte ihnen einen jungen Mann vorbeigeschickt. Damaris erinnerte sich unter Schaudern an diesen Burschen. Er hatte einen Ohrring getragen und ein Spinnennetz auf dem rasierten Schädel eintätowiert, und er hatte sie und ihre Schwester mit »Darling« angesprochen – was ihn nicht daran gehindert hatte, ohne Vorwarnung aus ihrem Garten und ihrem Leben zu verschwinden, doch mit dem, was vom Familiensilber übrig geblieben war, einschließlich zueinander passender Rahmen mit den einzigen Fotografien, die von ihrem Bruder Arthur in seiner RAF-Uniform noch existiert hatten. Eines der Fotos war anlässlich seines letzten Fronturlaubs geschossen worden, vor seinem letzten Einsatz, bei dem er über der Grafschaft Kent abgeschossen worden war.

Eine hübsche junge Polizeibeamtin war vorbeigekommen, um die Details aufzunehmen, und Damaris hatte versucht ihr zu erklären, was der Verlust für die Schwestern bedeutete. »Es wäre uns ja noch egal gewesen, wenn er die Rahmen genommen und die Bilder dagelassen hätte. Schließlich kann Arthurs Foto doch nicht wirklich von irgendeinem Interesse für ihn sein, oder?«

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