Mythor 81: Herr der Stürme - Hugh Walker - E-Book

Mythor 81: Herr der Stürme E-Book

Hugh Walker

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Beschreibung

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, verlassen und Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, erreicht, wo er von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wurde. Diese Geschehnisse nahmen ihren Anfang im Reich der Feuergöttin, wo Mythor für Honga, einen aus dem Totenreich zurückgekehrten Helden, gehalten wurde. Es kam zur Begegnung mit Vina, der Hexe, und Gerrek, dem Mann, der in einen Beuteldrachen verwandelt worden war. Es folgten Kämpfe mit Luftgeistern und Amazonen, es kam zu Mythors Gefangenschaft, zur Flucht und zu erneuten Kämpfen mit denen, die sich an Mythors Fersen geheftet hatten. Während Mythor-Honga mit seinen neuen Gefährten den Hexenstern zu erreichen sucht, wo er seine geliebte Fronja, die Tochter des Kometen, in großer Gefahr weiß, kommt es in Gorgan gleichermaßen zu Geschehnissen, die für die Zukunft der Lichtwelt von weitreichender Bedeutung sein können. Motor des Geschehens ist Nottr, der Lorvaner. Der ehemalige Kampfgefährte Mythors führt die Große Horde mitten im Winter nach Westen. Dabei kommen die Barbaren in das Gebiet eines schrecklichen Herrschers. Dieser Herrscher ist der HERR DER STÜRME ...

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Nr. 81

Herr der Stürme

von Hugh Walker

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, verlassen und Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, erreicht, wo er von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wurde.

Diese Geschehnisse nahmen ihren Anfang im Reich der Feuergöttin, wo Mythor für Honga, einen aus dem Totenreich zurückgekehrten Helden, gehalten wurde. Es kam zur Begegnung mit Vina, der Hexe, und Gerrek, dem Mann, der in einen Beuteldrachen verwandelt worden war. Es folgten Kämpfe mit Luftgeistern und Amazonen, es kam zu Mythors Gefangenschaft, zur Flucht und zu erneuten Kämpfen mit denen, die sich an Mythors Fersen geheftet hatten.

Während Mythor-Honga mit seinen neuen Gefährten den Hexenstern zu erreichen sucht, wo er seine geliebte Fronja, die Tochter des Kometen, in großer Gefahr weiß, kommt es in Gorgan gleichermaßen zu Geschehnissen, die für die Zukunft der Lichtwelt von weitreichender Bedeutung sein können.

Motor des Geschehens ist Nottr, der Lorvaner. Der ehemalige Kampfgefährte Mythors führt die Große Horde mitten im Winter nach Westen. Dabei kommen die Barbaren in das Gebiet eines schrecklichen Herrschers.

Dieser Herrscher ist der HERR DER STÜRME ...

Die Hauptpersonen des Romans

Nottr – Anführer der Großen Horde.

Urgat – Träger des magischen Vlieses.

Lella – Nottrs neue Gefährtin.

Illagh – Verlorene Seele auf der Suche nach Leben.

Horcan

1.

Beinahe zwei Dutzend Tage waren vergangen, seit die Große Horde der Lorvaner den Strom des Lebens überquert hatte.

Noch immer hielt Imrirr, der Wintergott, die Wildländer in seinem frostigen Griff. Noch immer lagen die westlichen Reiche, die zu plündern sie ausgezogen waren, in weiter Ferne. Und es verging kein Tag ohne Opfer, denn, obwohl die Wölfe ihnen nicht länger das Wild streitig machten, gelang es den Jägern nur selten, genug zu essen für elftausend ins Lager zu bringen. So rafften Hunger und Anstrengung die Alten und Schwachen dahin, denn sie bekamen erst zu essen, wenn die Krieger und Kriegerinnen satt waren. Daheim in den Winterlagern hätte die Hauptsorge ihnen gegolten. Doch dies war ein Kriegszug – der größte, soweit Lorvaner sich zurückzuerinnern vermochten –, und dabei galt es, zuerst die Kraft der Kämpfer zu erhalten, denn alles wäre verloren, wenn sie schwach wären und dahinsiechten.

Es war ein hartes Gesetz – eines, das die Wildländer sie gelehrt hatten, ein Gesetz des Überlebens in einer erbarmungslosen kriegerischen Welt.

Trotz der Verluste von gut hundert Kriegern im Wald der Riesen und bei einem Kampf mit einer Schar Caer-Krieger, auf deren Lager die Vorhut unvermittelt stieß, war die Horde an Zahl gewachsen. Zwei Stämme der Lorvaner, die Dscharen und die Janitolen, an deren Winterlager der Zug der Großen Horde vorüberführte, schlossen sich dem Treck an. Es war ein willkommener Zuwachs, denn sie brachten auch ihre Wintervorräte mit.

Zuletzt wurde auch das Wetter besser. Die Sonne schien in den Mittagsstunden so kräftig, dass der Schnee an der Oberschicht zu schmelzen begann. Der Nachtfrost gefror den Matsch wieder. Nach drei Tagen war der Schnee so fest, dass Reiter und Schlitten nicht mehr einsanken und wesentlich rascher vorwärtskamen.

Der größte Teil des Weges und des Winters lag hinter ihnen. Die Stimmung war gut. Nottrs Ansehen war gewaltig gewachsen nach den Geschehnissen am Strom des Lebens. Vergessen war der Fluch des Schamanen Skoppr. Kaum einer nannte ihn noch Nottr.

In aller Munde war er Cian'taya – der der mit den Wölfen spricht. Denn er hatte Ahark, sein eigenes Fleisch und Blut, den Wölfen gegeben, und er hatte mit ihnen gesprochen. Und wieder, wie schon einst in den Voldend-Bergen, hatten sie ihm gehorcht. Die zahllosen Rudel, die den Jägern des Trecks zur Plage geworden waren, hatten am Strom des Lebens kehrtgemacht. Gerüchte sagten, dass es Tausende von Wölfen waren und dass sie sich zu einem gewaltigen Rudel sammelten, ähnlich der Großen Horde der Lorvaner, zu einem Rudel, wie es die Wildländer noch nie zuvor gesehen hatten; und dass Olinga, Cian'tayas einstige Gefährtin, ihre Königin war.

Selbst Calutt, der Schamane, stand seit diesen Tagen ganz auf der Seite des Hordenführers und bemühte sich, so gut er es vermochte, Juccrus Stelle als Berater einzunehmen. Immerhin gehörte er zu jenen zwei Dutzend Leuten, die wussten, was im Wald der Riesen geschehen war; und zu jenem halben Dutzend, die die Vorgänge auch begriffen – jeder auf seine Weise.

Und Calutt, dessen Schamanenkünste dem Totengott Horcan, dem Hüter der Seelen und Herrn des Totenreiches, geweiht waren, sah keinen Schatten über Nottr.

Nicht bis sie eine Reihe kahler Hügel erreichten, die seltsame Erinnerungen in Calutt weckten.

*

Wolken waren hinter den kahlen Hügeln, die aussahen, als ob sie vom Boden hochquollen. Ein beißender Geruch kam mit dem Wind, der die Lorvaner husten ließ und ihnen Tränen in die Augen trieb. Manchmal war es, als ob die Erde erzitterte. Unruhe erfüllte die Krieger. In ihren wilden, einfachen Seelen war die Welt erfüllt von Geistern und Dämonen, die an furchterregenden Orten hausten – in verwunschenen Wäldern, unter der Erde, in den Hütten der Schamanen.

Dies war solch ein Ort.

Die weit ausgefächerte Vorhut kam ins Stocken.

Dann senkte sich der Schatten Horcans auf drei Viererschaften an der südlichen Flanke der Vorhut. Er kam in Gestalt von dreißig Caer-Kriegern, die aus südlicher Richtung auftauchten. Sie wussten, dass es Caer waren, denn sie hatten ihresgleichen bereits an der Furt des Stromes des Lebens gesehen. Sie wussten auch, dass diese wilden Krieger aus dem äußersten Westen ihre wirklichen Feinde waren, die nicht nur wie sie plündernd durch die Westlande zogen, sondern auch vor den Wildländern nicht haltmachten. Die wenigsten der Großen Horde waren bisher mit Caer zusammengetroffen, aber sie kannten Gerüchte und Berichte. Und seit den Geschehnissen an der Furt und im Wald der Riesen hatte Nottr die Stammesführer besonders vor dieser Gefahr gewarnt, der sie im Westen begegnen würden. Und die Schamanen bekräftigten seine Worte: dass die Priester der Caer der Finsternis dienten, dass sie Dämonen verschworen waren, dass sie aus lebenden Menschen willenlose Kreaturen zu machen und selbst die Toten für ihre Zwecke aus den Gräbern zu holen vermochten.

Die Caer selbst waren Kriegerhorden, wie alle anderen auch, aber was sie trieb, war nicht Machthunger, Eroberungslust, Gier nach Reichtum, sondern Furcht vor den Dämonen ihrer Priester. So gehorchten sie wie Sklaven und kämpften wie Teufel, weil der Tod in der Schlacht tausendmal erstrebenswerter war, als ein Ende durch die schwarze Magie ihrer Priester.

Dies waren die Vorstellungen, die die Lorvaner von den Caer hatten; erbitterte Gegner, mit denen man sich am besten nur einließ, wenn man stark genug war, und denen man nicht lebend in die Hände fiel, denn den Gefangenen der Caer, so hieß es, stand ein schreckliches Schicksal bevor.

Da das Zusammentreffen der Caer mit der kleinen Gruppe der Vorhut so abrupt zustande kam, dass keiner sich ungesehen zurückziehen konnte, war ein Kampf unausbleiblich. Trotz der fast dreifachen Überlegenheit der Caer ließen die Lorvaner alle Vorsicht außer acht und trieben ihre Pferde den schneeigen Hang hinab auf eine einzelne Gestalt zu, die mit einem Speer in der Faust vor den Caer herstolperte.

Er war ein Lorvaner. Seine Kleidung hing in Fetzen und ließ selbst auf einige Entfernung das Fell an Schultern und Beinen erkennen. Wie er waren die Caer unberitten. Der Wintergott mochte wissen, wie lange diese Verfolgung bereits währte, doch hier auf diesem kahlen Hang stand das Ende dicht bevor. Die Caer waren bis auf Pfeilschussweite an ihn herangekommen und deckten ihn mit Geschossen ein. Der Fliehende blickte nicht zurück. Sein Ziel war der bewaldete Rand des Hanges, und er suchte ihn verzweifelt zu erreichen, ehe die Entfernung zu seinen Verfolgern gering genug für ihre Treffsicherheit wurde. Aber er stolperte und stürzte, und seine kraftlosen Bemühungen, wieder auf die Beine zu kommen, kosteten ihn wertvolle Augenblicke. Ein Dutzend Pfeile bohrten sich rings um ihn in den Schnee. Einer traf ihn am Bein und riss ihn wieder zu Boden.

»Ahhh! Imrirr!«, rief er vor Schmerz und Wut. Dann starrte er mit weit aufgerissenen Augen auf die Reiterschar, die auf ihn zujagte.

Als sie nah genug waren, dass er sie als Krieger seines Volkes erkennen konnte, ließ er sich erleichtert und stöhnend vor Erschöpfung zurücksinken.

Die Reiter preschten an ihm vorbei, dass der harschige Schnee unter ihren Hufen hochwirbelte. Die Caer begannen sich ein wenig zurückzuziehen, aber nicht zu rasch. Ein Pfeilhagel holte vier Lorvaner von den Pferden und brachte zwei Pferde zu Fall. Bis die übrigen ihre Reittiere auf dem Schnee zum Halten brachten, war es selbst für einen Rückzug fast zu spät.

Die Caer waren auseinandergestoben, um den Herankommenden kein geballtes Angriffsziel zu bieten. Zwei der Lorvaner erwiderten den Beschuss erfolglos. Ihre Pferde vermochten den gestürzten Kriegern und Tieren nicht auszuweichen. Die, die stolperten, hatten Glück, denn eine zweite Salve fegte vier weitere von den wiehernden, hangabwärts rutschenden Pferden.

Die Caer begannen mit einem triumphierenden Geheul hangaufwärts zu laufen, um den überlebenden Lorvanern den Rest zu geben und die Verfolgung ihrer ursprünglichen Beute wieder aufzunehmen. Zudem waren sie auf die Pferde erpicht.

Die vier Lorvaner kamen hastig auf die Beine. Zwei der Pferde waren zu weit hangabwärts zum Stehen gekommen, um sie zu holen. Zwei richteten sich schnaubend auf, ein weiteres stand unruhig neben seinem toten Herrn. Drei regten sich nicht. Nur drei waren in erreichbarer Nähe, und die Lorvaner krochen darauf zu. In der Deckung der Pferdeleiber zogen sie sich hangaufwärts zurück, ihre Unvernunft verfluchend, die sie in diese Lage gebracht hatte.

Plötzlich erstarb das Triumphgeheul hinter ihnen. Die Caer hatten die Pferde und die Toten noch nicht erreicht, als sie sich eilig zurückzogen.

Der Grund waren wenigstens vierzig lorvanische Reiter auf der Kuppe des Hügels.

Zwei kehrten mit einer Botschaft an den Hordenführer und die Hauptmacht um. Die übrigen ritten langsam den Hang herab, bis sie den verwundeten Lorvaner erreichten. Zwei Viererschaften lösten sich aus der Gruppe und ritten ihren überlebenden Kameraden entgegen. Während sie die Pferde zusammentrieben, machten sich zwei weitere Viererschaften daran, die toten Pferde zu zerteilen und das wertvolle Fleisch transportbereit zu machen für die Schlitten der Jäger.

Während dies geschah, erreichten die Caer halb laufend den Fuß des kahlen Hanges und verschwanden außer Sicht. Da ihnen klar sein musste, dass sie gegen eine überlegene Reiterschar auf offenem Gelände kaum Chancen hatten, würden sie ihren Rückzug in aller Eile fortsetzen, bis sie bewaldetes Gebiet erreichten.

Die Lorvaner machten keine Anstalten, ihnen zu folgen. Der Hordenführer mochte entscheiden, was geschehen sollte. Mit den Pferden würden sie auch einen Vorsprung von ein oder zwei Tagen aufholen. Die Spuren würden lange genug sichtbar sein, wenn kein neuer Schnee fiel.

*

Nottr befand sich zu diesem Zeitpunkt, wie meist während des Tages, an der Spitze der Hauptmacht. Sein von Narben gefurchtes Gesicht war verschlossen. Er hörte den Stammesführern und dem Schamanen zu, die an seiner Seite ritten. Da war Urgat, der Führer der Quaren, der sich Nottr mehr als alle anderen verbunden fühlte. Da war Kraha, der Führer der Urojen, ein silberhaariger Mann, der längst aufgehört hatte, die Sommer seines Lebens zu zählen, und den das Alter noch nicht zu brechen vermocht hatte. Da war Manai, der Führer der Tschuren, die zu den östlichsten Stämmen der Lorvaner zählten, und deren runde, schmaläugige Gesichter und rabenschwarzes Haar ein Gefühl von Fremdheit unter den anderen Stämmen weckten.

Dicht hinter Nottr ritt eine Kriegerin. Sie war Lella, die Tigerin, eine narbengezeichnete Zierde ihres Geschlechts, für lorvanische Begriffe. Seit der Überquerung des Stroms des Lebens war sie Nottrs rechte Flankenschwester. Zu ihrer Linken ritt ein junger Krieger, der Keir hieß und fast noch ein Knabe war. Es war sein erster Ritt in einer Viererschaft, und dass es die Viererschaft des Führers der Großen Horde war, erfüllte ihn mit fast übermächtigem Stolz. Den Rücken deckte Baragg, ein erfahrener alter Krieger, dem Nottr seit langer Zeit sein Leben bedenkenlos anvertraute. Dahinter folgten zwei weitere Viererschaften, die den Hordenführer auf allen seinen Ritten begleiteten – seine Leibgarde, wie Edelleute aus dem Westen es genannt hätten.

»Cian'taya, lass uns weiter im Süden einen Weg suchen«, sagte der Tschurenführer. »Dieses Land ist verflucht.«

Calutt, der Schamane, nickte heftig zur Bestätigung.

»Weißt du es, Manai, oder sagst du nur, was der Schamane sagt?«

Der Tschure schüttelte bedächtig den Kopf. »Ich weiß es nicht, Cian'taya. Aber wir Tschuren achten die Worte unserer Schamanen.« Es klang belehrend, und Nottr warf ihm einen missmutigen Blick zu.

»Ein guter Schamane weiß, dass es Entscheidungen gibt, die ein Krieger zu treffen hat. Weil ein Krieger die Dinge eines Kriegers weiß, und ein Schamane die eines Schamanen.«

Mehr als Manai fühlte sich der Schamane von diesen Worten betroffen.

»Ich habe nie versucht, dir mehr zu sein als ein Berater und Warner«, sagte Calutt beschwörend. »Hör auf mich, Hordenführer. Es sind keine Geister, die mir das zuflüstern. Es sind nur alte Erinnerungen, deren ich mich nicht erwehren kann. Es ist, als wäre ich schon einmal hier gewesen und hätte diese kahlen Hügel gesehen, diese Wolken, die dort vor uns in den Himmel steigen. Es erfüllt mich mit Furcht, dass mir meine Erinnerungen nicht sagen, was es bedeutet. Nur eine Drohung ist in meinem Geist. Und Tod ist da unten in diesem Tal. Ich weiß es, denn der Tod ist mein Gott. Mit seinen Geschöpfen, den Toten, vermag ich zu sprechen, wie du weißt.«

Nottr zuckte die Schultern. »Der Tod ist überall«, sagte er wegwerfend. »Nenn uns die Gefahr, wenn du ihrer sicher bist, und wir werden deinem Rat folgen ...«

»Dann mag es zu spät sein, Hordenführer!«

»Hör den Krieger an, Schamane. Dieses Tal führt geradewegs nach Westen. Es ist eben und baumlos. Wir werden rasch und bequem vorwärtskommen, wie seit vielen Tagen nicht mehr. Und wenn wir Flankenreiter über die Hügel schicken, sind wir vor Überraschungen sicher.« Er wandte sich an die anderen. »Sagt ihm, wie die Dinge liegen.«

Der Tschure sagte unsicher: »Meine Kundschafter berichten, dass das Land weiter nördlich so unwegsam wird, dass selbst zu Fuß ein Vorwärtskommen sehr mühevoll wäre. Für die Pferde, die Alks, die Schlitten haben sie noch keinen Weg gefunden.«

»Und du, Silberhaar?«

»Meine Krieger haben sich im Süden umgesehen, Calutt – der mit den Toten spricht. Nur Felsen und überhängendes Eis und zwergenhafte Wälder mit Bäumen von nicht mehr als der Höhe eines Reiters. Aber sie stehen so dicht, dass nur Äxte einen Weg bahnen könnten ...«

»Wir mussten nicht nur einmal einen Weg für die Horde schlagen«, wandte der Schamane ein.

»Wir würden viele Tage brauchen. Wenn wir nicht rasch genug weiterziehen, wird aber der Hunger unser Begleiter sein, denn das Wild ist knapp. Was das Land in weitem Umkreis zu essen bietet, jagen wir an einem Tag und füllen damit oft nicht einmal die Bäuche aller Krieger.«

»Und du, Urgat.«

»Meine Kundschafter fanden die Spuren einer Mammutherde von wenigstens fünf Dutzend Tieren. Die Spuren sind ziemlich frisch.«

Diese Neuigkeit verursachte einige Aufregung.

»Sie führen ins Tal hinab.«

Die Vorstellung, dass Fleisch in solchen Mengen so nah war, zerstreute selbst Manais abergläubische Bedenken. Der Schamane nickte nur mit düsterem Gesicht. Es gab nichts, das er auf solch überzeugende Argumente erwidern konnte. Die Aussicht, sich wieder einmal richtig satt zu essen, war in der Tat verlockend.

Wenn nur dieser dunkle Schatten in seinen Erinnerungen nicht gewesen wäre, den er als den Schatten des Todes kannte.

Nottr grinste. »Ich sehe, meine Entscheidung ist auch die eure. Gut. Wir werden ...« Er hielt inne, als er sah, dass zwei Reiter der Vorhut auf ihn zukamen.

»Caer!«, riefen sie, ohne abzusteigen. »Vier Dutzend vielleicht. Sie haben ein paar von uns getötet ...!«

»Wo sind sie?«, fragte Nottr.

»Eine Stunde vor uns, Hordenführer!«

Nottr nickte. »Wir lagern. Lass die Trommeln schlagen! Imrirr! Diese Caer sind überall. Als ob der Winter nicht schon genug wäre ...! Wir wollen sie uns ansehen.«

Als sie die Vorhut erreichten, war von den Caer längst nichts mehr zu sehen. Aber die Krieger führten sie zu einer auf einem Fell liegenden Gestalt, deren Augen aufleuchteten, als sie Nottr sahen.

»Nottr!«, rief er. Er richtete sich halb auf und sank stöhnend zurück.

Nottr tat einen Freudensprung – sehr zum Erstaunen der umstehenden Lorvaner.

»Krull!«, rief er. »Bei allen Göttern! Imrirr selbst muss dich schicken, um meine Laune zu bessern! Ich hatte euch schon aufgegeben! Welche Kunde bringst du? Wo sind die anderen?«