Nanni - Juergen von Rehberg - E-Book

Nanni E-Book

Juergen von Rehberg

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Beschreibung

Eine berührende Liebesgeschichte zweier Menschen, von denen einer eine unheilbare Krankheit in sich trägt. Die Liebe stellt sich über die tödliche Bedrohung und schweißt die beiden Liebenden zusammen. Ein subtiler bis urwüchsiger Humor erweist sich als hilfreich dabei.

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Für Mausi und Georg.

Georg war der Verlobte von Mausi. Er starb in einer Silvesternacht bei einem Autounfall. Mausi hat ihm bis zu ihrem eigenen Tod die Treue gehalten.

Mausi war der Kosename von meiner Tante Luise, welche ihre Liebe zu Georg auf mich übertragen hat. Ihr verdanke ich auch meinen Vornamen Jürgen (Koseform von Georg).

Ein seltsames Gefühlt beschlich Georg Marburger, als er die Hotelhalle betrat. Erinnerungen wurden wach. Erinnerungen an eine längst vergessene Zeit.

Es war die Zeit, als Filterberg noch ein kleines, verschlafenes Dorf war. Eine kleine Gemeinde mit gerade einmal zweitausend Einwohnern; wenn es überhaupt so viele waren.

Die Filter, ein kleines Bächlein, welches sich durch und um den Ort schlängelte, um sich mit einem Fluss zu vereinigen, in welchem Georg schwimmen gelernt hatte, verlief nicht mehr so wie früher.

Man hatte ihr das Mäandrieren abgewöhnt und sie in ein gerade verlaufendes Bett verfrachtet.

"Guten Tag, mein Herr! Was kann ich für Sie tun?"

Eine junge Frau unterbrach den gedanklichen Ausflug in die Vergangenheit.

"Mein Name ist Georg Marburger. Ich habe reserviert."

"Einen kleinen Moment", sagte die Rezeptionistin, auf deren weißer Bluse drei kleine goldene Kronen zu erkennen waren, als Symbol des Hotels.

"Da haben wir es schon", fuhr sie mit einem Lächeln fort, "Herr Marburger aus Wien."

Georg lächelte zurück und nickte. Er fragte sich, warum die junge Frau die "Wir-Form" gewählt hatte, so als wäre er bei der Suche involviert gewesen.

"Wir haben für Sie das Zimmer Nummer 144 reserviert mit Blick auf den Marktplatz", sagte die junge Frau und ihr Gesichtsausdruck vermittelte den Eindruck, als ob dieses bestimmte Zimmer die "Fürstensuite" des Hotels wäre.

"Ich hoffe, es wird Ihnen gefallen und Sie werden sich bei uns wohlfühlen."

Dann nahm sie den Schlüssel für Zimmer 144 vom Haken und überreichte ihn dem Neuankömmling mit den Worten:

"Noch einmal herzlich willkommen, Herr Marburger und schöne Tage in unserem schönen Filterberg!"

Georg nahm den Schlüssel und wollte sich schon abwenden, als Frau Simone - ihr Name war auf einem Messingschildchen zu lesen, das auf der Brust angebracht war - noch nachschickte:

"Die Formalitäten können wir später erledigen, wenn Sie sich von der langen Reise erholt haben. Franco wird Sie zum Lift begleiten und Sie zu Ihrem Zimmer führen. Dort finden Sie auch genügend Prospektmaterial über unser Hotel und diverse Ausflugsvorschläge. Und wenn Sie Fragen haben, wir sind immer für Sie da. Ich heiße übrigens Simone."

"Ich weiß", sagte Georg, "ich weiß. Und vielen Dank Frau Simone!"

"Einfach nur Simone", antwortete die Rezeptionistin mit ihrem vollkommenen Lächeln.

Franco, die Aufzugsfachkraft, hatte sich von Georg unbemerkt heran geschlichen. Er nahm den Koffer und rollte diesen in Richtung Aufzug.

"Wenn ich Sie bitten dürfte mir zu folgen", sagte er brav, wie man es ihm wohl beigebracht hatte, und Georg kam dessen Bitte nach.

"So, da wären wir", sagte Franko, der im Privatleben wohl Franz hieß und dessen schöner deutscher Name vermutlich aus Marketinggründen verschandelt worden war.

"Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt, mein Herr!" sagte Franco mit einer leichten Verbeugung, nachdem er das Bakschisch freudig grinsend entgegen genommen hatte.

Als Franco die Tür hinter sich zugezogen hatte, sah sich Georg erst einmal in seiner neuen Behausung um. Was er sah, rechtfertigte durchaus die Bezeichnung "Hotel".

Georg packte seinen Koffer aus. Danach entledigte er sich seiner Kleider und schlüpfte in den flauschigen Bademantel, der an der Tür des Badezimmers hing.

Die Hinweispfeile im Korridor führten ihn zielsicher in den Spa-Bereich des Hotels.

Er setzte sich in die Kammer des Kräuterdampfbades und genoss die wohltuende Wärme auf seiner Haut. Leise Musik berieselte den Besucher und brachte Georg dazu einzuschlafen.

"Hallo! Geht es Ihnen gut? Ist alles in Ordnung?"

Es dauerte eine geraume Weile, bis Georg verifizieren konnte, was geschah.

Eine Frau, mittleren Alters, mit einem Handtuch als Turban auf dem Kopf schaute ihm ins Gesicht. Ihr Körper war mit einem Badetuch umhüllt, zumindest die untere Hälfte.

Georg war verunsichert. Er lag auf einer Holzliege hin geschmiegt, wie Gott ihn einstmals geschaffen hatte. Er zog sich hastig das Badetuch, auf welchem er lag, über seine Männlichkeit.

"Ganz ruhig, mein Lieber", sagte das halbnackte Wesen mit einem charmanten Lächeln. "Es ist alles gut; ich wollte lediglich fragen, ob es Ihnen gut geht."

"Danke", stammelte Georg, "es geht mir gut."

"Es tut mir leid, wenn ich Ihren Schlaf gestört haben sollte", sagte die Dame, "aber Sie lagen schon da, als ich in die Saunakammer ging, und als ich heraus kam, lagen Sie noch immer da."

Die Kräuterkammer war - im Gegensatz zu den Saunakammern - gläsern umwandet, sodass man von außen hinein sehen konnte.

"Das ist schon in Ordnung", sagte Georg, "haben Sie Dank für Ihre freundliche Fürsorge."

"Das habe ich gern getan", antwortete die Dame. "Erlauben Sie, dass ich mich neben sie lege?"

Und noch bevor Georg antworten konnte, öffnete sie ihr Badetuch, mit welchem sie gerade eben noch den unteren Teil ihres Körpers bedeckt gehalten hatte, und breitete es auf der Liege neben Georg aus.

Dann legte sie sich hin und schloss die Augen. Das war das Signal für Georg seine Nachbarin genauer in Augenschein zu nehmen.

Was er zu sehen bekam, erfüllte Körper und Seele mit großer Wohligkeit. Ein nicht mehr ganz junger Körper; braun gebrannt und immer noch wohlgeformt.

Georg, der inzwischen wieder seine Fassung zurück gewonnen hatte, schlug sein Badetuch behutsam zur Seite und erlaubte damit Wärme und Duft wieder alle Winkel auf der Vorderseite seines Körpers zu umschmeicheln.

"Ich möchte mich noch einmal für Ihre Fürsorge bedanken", versuchte er ein Gespräch in Gang zu bringen.

"Kein Ding!" kam die knappe Antwort aus der Nachbarschaft.

Georg versuchte es weiter:

"Sind Sie auch Gast des Hotels?"

"Ja."

Georg überlegte, ob es sinnvoll wäre sich noch weiter um ein Gespräch zu bemühen. Dann wagte er doch noch einen weiteren, letzten Versuch:

"Ich würde mich gern erkenntlich zeigen und Sie heute Abend zum Essen oder auf ein Glas Wein einzuladen."

Georgs Nachbarin öffnete die Augen, wendete ihren Blick zu ihm und sagte:

"Geht nicht auch beides?"

Georg lachte und antwortete:

"Aber natürlich! Ich heiße übrigens Georg."

"Freut mich, mein Lieber, kam postwendend die Antwort, "ich heiße Marianne. Und spreche mich bitte jetzt nicht mehr an, ich möchte relaxen. Und noch eines; nenne mich nicht «Mary»; ich hasse das!"

****

Als am Abend Marianne an den Tisch kam, an welchem Georg sie schon neugierig erwartete, stand er auf, um ihr den Stuhl anzubieten.

"Old School", sagte Marianne, "es gibt ihn tatsächlich noch, den Gentleman."

Georg lächelte und verbeugte sich leicht dabei.

"Ich kann nichts dafür", sagte er, "ich bin nun einmal so erzogen worden."

Der Ober kam an den Tisch und überreichte den beiden Gästen die Speisekarten. Marianne legte ihre beiseite und sagte zu Georg:

"Suche du bitte für uns beide aus!"

Georg war überrascht. Er schaute zuerst Marianne an und dann den Ober.

"Gibt es eine Spezialität des Hauses?" fragte er, und der Ober antwortete:

"Ich empfehle den Zander «Jägerinnenart» mit Kartoffel-Sellerie-Püree."

Marianne lachte und fragte den verbindlich lächelnden Ober:

"Wurde der Zander vielleicht von einer Frau erschossen?"

"Pardon, gnädige Frau", antwortete der sichtlich verwirrte Ober, "ich verstehe die Frage nicht ganz..."

"Nun", antwortete Marianne, "«Jägerinnenart» deutet doch darauf hin, dass es sich um ein weibliches Wesen handelt, das mit einer Waffe umgehen kann."

Der Ober lächelte gequält, von der Situation offenbar überfordert.

"Ich denke, das hat mit den Pfifferlingen zu tun, welche dem Gericht beigegeben werden", versuchte er aus der Nummer zu entfliehen.

"Das scheint mir eine sinnvolle Erklärung zu sein", kam Georg dem armen Herrn Ober zu Hilfe und fragte Marianne:

"Magst du Fisch?"

"Sehr gern sogar", antwortete diese und konnte sich nicht verkneifen hinterher zu schicken:

"Das heißt also «Jägerinnenart», weil eine Frau nicht den Fisch sondern die Pfifferlinge erschossen hat!"

"Wir nehmen zweimal den Zander und bringen Sie mir bitte noch die Weinkarte. Und als Aperitif zwei Kir Royal."

Der Ober bedankte sich und verließ erleichtert den Ort des Schreckens.

"Du hast den armen Kerl ziemlich durcheinander gebracht", sagte Georg zu Marianne, "warum machst du das?"

"Weil die Menschen das Leben viel zu ernst nehmen", antwortete Marianne und setzte nach:

"Wie ist das mit dir?"

"Was meinst du?" antwortete Georg.

"Bringe ich dich auch durcheinander?"

Georg dachte einen Augenblick nach, bevor er antwortete. Es kam ihm in den Sinn, dass diese Frau ihn auf irgendeine Art und Weise verzauberte, die er sich nicht erklären konnte.

Obwohl sie sich erst wenige Stunden kannten, war alles so vertraut, so als würden sie sich schon ewig kennen.

"Ja, ich denke schon", antwortete Georg, "du wirbelst mein Leben durcheinander und es gefällt mir sehr."

"Dann ist es ja gut", antwortete Marianne, nahm ihren Kir Royal in die Hand und hielt ihn Georg entgegen.

"Lass uns auf den Beginn einer wunderbaren Freundschaft trinken!"

Mit diesem Zitat aus dem Film "Casablanca" stießen zwei Menschen an, die sich noch vor wenigen Stunden völlig fremd waren, und die in diesem Augenblick ihre Bereitschaft bekundeten sich auf ein Abenteuer mit unbekanntem Ausgang einzulassen.

****

"Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit? Hat das Essen geschmeckt?"

Mit dieser Frage war eine junge, blonde Frau an den Tisch getreten. Georg wusste sofort, wer diese Frau war, obwohl er sie nicht kannte.

Die Ähnlichkeit mit ihrer Mutter war so groß, dass jeder Irrtum ausgeschlossen war. Diese junge Frau musste die Tochter von Heidemarie Heinze sein.

Heide Heinze, wie sie jeder im Dorf früher nannte, war die Tochter vom "Löwenwirt", dem Besitzer eines anderen Dorfgasthauses, der im Hauptberuf Landwirt war.

Und Otto Heinze, der Wirt vom Gasthaus "Krone", wie das heutige Hotel damals noch hieß, hatte die Tochter vom "Löwenwirt" geheiratet, zum großen Erstaunen der Dorfbevölkerung, weil er wesentlich älter war als die schöne Heidemarie.

"Danke der Nachfrage!" antwortete Georg und lächelte die junge Frau an, so wie er es früher getan hatte, wenn er der angebeteten Heidemarie ins Gesicht schaute.

Heidemarie war etwa zehn Jahre älter als er und unerreichbar für Georg. Er hatte jedoch nie verstanden, wie seine Angebetete, welche von seinen Gefühlen keine Ahnung hatte, diesen ungehobelten Klotz zum Mann nehmen konnte.

"Das freut mich", sagte die junge Frau, "Sie können sich jederzeit an mich wenden, wenn ich etwas für Sie tun kann. Ansonsten wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend!"

Georg und Marianne waren inzwischen beim Cognac angelangt. Er erwärmte den Körper und öffnete auch ein wenig die Seele.

"Du bist weder von hier noch bist du Deutscher", eröffnete Marianne eine Fragerunde, die nach weiteren Cognacs verlangte. "Habe ich recht?"

"Ich bin Österreicher; ich komme aus Wien", antwortete Georg.

"Und was machst du in deutschen Landen, Österreicher?"

"Ich habe einige private Dinge zu erledigen", antwortete Georg mit ernster Miene.

"Und darüber möchtest du natürlich nicht reden, stimmt's?"

"Nicht jetzt und nicht hier", antwortete Georg, "aber vielleicht irgendwann. Wer weiß..."

"Hast du Familie?"

Georg zögerte einen Augenblick, bevor er antwortete.