New Normal - Joachim Gutmann - E-Book

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Joachim Gutmann

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Beschreibung

Die Corona-Krise hat nicht nur Einschränkungen im Arbeitsleben mit sich ge­bracht, sondern auch Entwicklungen im betrieblichen Umfeld beschleunigt. Was Unternehmen tun können, um New Normal zukunftsweisend zu gestalten, beschreiben Wissenschaftler, Trendforscher und Praktiker aus Unternehmen und Beratung in diesem Buch. Sie alle haben ihre Erfahrungen mit der neuen Normalität, berichten über ihre Erfolge und ebenso wie über Schwierigkeiten. Sie lassen Sie teilhaben an einem der wichtigsten Prozesse unserer Zeit: Ob es gelingt, die Arbeitswelt der Zukunft so zu gestalten, dass einmal rückblickend alle Beteiligten, Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeiter, mit Überzeugung sagen können,  wir haben die Krise als Chance genutzt. Inhalte: - Neues Führungsverständnis - Veränderung und Kommunikation - Virtualisierung und Remote-Kultur als Chance - Digitalisierung der Arbeitsprozesse - Gesundheit als neues Gut

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Seitenzahl: 222

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[5]Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtImpressumVorwort des HerausgebersFührung in der Krise – Krise in der Führung?Prof. Dr. Karlheinz SchwuchowFührung aus der Ferne durch optimale FührungskulturMichael LorenzZiemlich beste Freunde: Veränderung und KommunikationCarina WaldhoffVirtualisierung und Remote-Kultur als Chance für einen nachhaltigen Einstieg in New WorkSwantje Allmers & Dr. Michael TrautmannNew Work in der Unternehmenspraxis: Vom Ich zum WirChristiane Brandes-Visbeck & Vera SchneevoigtSo verändert die Krise unsere Büros – It’s the end of the office as we know itSabine Zinke & Frank KühmayerDie Arbeitswelt von morgen: digitaler, flexibler, menschenzentriertJoachim RotzingerAuswirkungen der Corona-Pandemie auf das Betriebliche GesundheitsmanagementOliver WalleWas HR-Professionals aus der Krise mitnehmenJoachim GutmannLiteraturempfehlungen der AutorenStudienempfehlungen der AutorenAutorenverzeichnisAbbildungsverzeichnisStichwortverzeichnis
[1]

Hinweis zum Urheberrecht

Haufe Lexware GmbH & Co KG

[4]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de/ abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-648-14932-4

Bestell-Nr. 10642-0001

ePub:

ISBN 978-3-648-14933-1

Bestell-Nr. 10642-0100

ePDF:

ISBN 978-3-648-14934-8

Bestell-Nr. 10642-0150

Joachim Gutmann (Hrsg.)

New Normal

1 Auflage, Februar 2021

© 2021 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg

www.haufe.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): © Sandra M, gettyimages

Produktmanagement: Dr. Bernhard Landkammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten erfolgen nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

[7]Vorwort des Herausgebers

Zurück auf Anfang oder New Normal?

New Normal – die neue Normalität – meint einen Zustand, in dem sich Wirtschaft und Gesellschaft nach einer Krise befinden, wenn sich dieser Zustand von der Situation vor der Krise unterscheidet. Dies trifft auf unsere augenblickliche Situation in Deutschland, in der Politik, im öffentlichen Leben, im Gesundheitswesen, im Privaten, aber auch in den Unternehmen, in besonderer Weise zu.

Denn die Corona-Krise hat nicht nur vorübergehende Einschränkungen in Alltag und Arbeitsleben mit sich gebracht, sondern auch Entwicklungen im betrieblichen Umfeld beschleunigt, die bisher ein Nischendasein führten oder sich wegen verschiedenster Widerstände noch nicht durchsetzen konnten. Dazu zählen organisatorische Veränderungen ebenso wie technologische, dazu zählen veränderte Prioritäten, Einstellungen und Wertesysteme ebenso wie individuelle Erfahrungen.

Viele dieser Veränderungen und Entwicklungen könnten rückgängig gemacht werden, wenn die Pandemie-Abwehr entsprechende Regelungen nicht mehr erfordert – aber sollten sie es auch? Ob Arbeit im Homeoffice oder in Zeitautonomie, ob die Relevanz der individuellen Gesundheit oder des Gesundheitssystems, ob Digitalisierung und Automatisierung, ob Workplace Design oder Kommunikation: Aus den Corona-Erfahrungen können auch Trends abgeleitet werden, die weit in die Zukunft weisen. Sie bieten eine gesellschaftliche und unternehmerische Chance, den Quantensprung in eine digitalisierte und demokratisierte Arbeitswelt zu wagen.

Zumindest gegenwärtig sieht es so aus, als hätten die Unternehmen Geschmack gefunden am »New Normal« Laut der Randstad-ifo-Personalleiterbefragung im zweiten Quartal 2020 wollen knapp zwei Drittel der befragten Unternehmen dauerhaft häufiger virtuelle Konferenzen ansetzen, rund 60 Prozent wollen Meetings im Büro und Dienstreisen dauerhaft reduzieren. Die vermehrte Nutzung von digitalen Werkzeugen ist über alle Sektoren und Unternehmensgrößen hinweg sichtbar, bei großen Unternehmen jedoch am stärksten ausgeprägt (ifo-Institut, 2020). Ähnlich sieht es bei der Entkopplung von Arbeitsort und Arbeitszeit (Telearbeit) aus. Nach einer Umfrage des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) im Juni 2020 zum Thema »Arbeiten in der Corona-Pandemie – Auf dem Weg zum New Normal« wollen 42 Prozent [8]der befragten Unternehmen das unternehmensseitige Angebot, im Homeoffice zu arbeiten, künftig ausweiten, 44 Prozent sind noch unentschieden. Nur ein Prozent möchte in jedem Fall zurück zum alten Status (DGFP, 2020). Gleiches gilt für zentrale Personalprozesse, die bisher fast ausschließlich in physischer Präsenz abgewickelt wurden, wie zum Beispiel Bewerber- und Einstellungsgespräche. 57 Prozent gaben an, die Gespräche erstmalig virtuell durchzuführen. Bei Mitarbeitergesprächen lag der Anteil bei 62 Prozent und beim Kundendialog bei 72 Prozent.

Für viele Beschäftigte stellt sich gleichwohl die Frage, wohin sie zurückkehren, ob in das alte oder ein verändertes Unternehmen. Weiterzumachen wie zuvor wird in vielen Fällen gar nicht so einfach möglich sein – und ist vielleicht auch aus Sicht der Beschäftigten gar nicht wünschenswert. Die Rückkehr zur Normalität muss keine Rückkehr in einen »Status quo ante« werden. Stattdessen sollte, wenn Unternehmen jetzt zum Normalbetrieb zurückkehren, in jeglicher Hinsicht überlegt werden, wie die Erfahrungen aus der Krise für einen qualitativen Sprung genutzt werden können.

Neues Führungsverständnis

Die digitalisierte Arbeitswelt erfordert, dass sich die Führungskräfte umstellen. Nicht mehr Kontrolle, sondern Kooperation ist angesagt, nicht mehr befehlen, sondern beraten. Das erfordert neue Kompetenzen von den Führungskräften. Damit die Zusammenarbeit in der täglichen Praxis auch wirklich funktioniert, müssen sie Erwartungen und Prioritäten klar und unmissverständlich formulieren: Rollen, Aufgaben und Verantwortungsbereiche klar definieren; Arbeitsabläufe und Termine eindeutig festlegen; Pünktlichkeit einfordern und Verhaltensregeln definieren; Erreichbarkeit sicherstellen; informelle persönliche Kontakte unter den Mitarbeitern fördern und alle gleich behandeln; Gruppendynamik erkennen und steuern sowie Konflikte schnell und gemeinsam lösen.

Bei selbstgeführten, agilen Teams spielt das Thema Selbstbestimmung eine große Rolle. Während bei klassischen Teams alle Aufgaben von der Führungskraft zugewiesen werden, erteilt die Führungskraft einem selbstgeführten Team lediglich den Projektauftrag. Die Teammitglieder stimmen sich dann untereinander ab, wer wann welche Aufgaben bearbeitet. Auch treffen selbstgeführte Teams eigenverantwortlich Entscheidungen. Die Führungskraft muss eine neue Rolle übernehmen. Anstatt Aufgaben zu verteilen, Anweisungen zu geben und die Arbeit der Mitarbeiter zu kontrollieren, ist sie in selbstgeführten Teams eher beratend tätig und wirkt als Coach.

[9]Virtualisierte Organisation

Corona hat die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt und viele Unternehmen erstmalig dazu gezwungen, New Work zu leben. Agiles Arbeiten, flache oder keine Hierarchien, Selbstverwaltung, weitreichende Vernetzung – all das könnte nun einen deutlichen Push bekommen. Rund die Hälfte von über 2.000 befragten Führungskräften war beispielsweise nach eigener Einschätzung im Homeoffice effizienter, hat die Personalberatung Odgers-Berndtson mit ihrem »Manager-Barometer« im Juni 2020 herausgefunden – ein Indiz dafür, dass die Arbeit im Homeoffice nicht mehr mit Urlaub vom Office gleichgesetzt wird.

89 Prozent der Führungskräfte rechnen in Zukunft mit einem deutlichen Anstieg der Homeoffice-Regelungen in ihren Unternehmen. Die neue Wertschätzung sollten Arbeitnehmer nutzen. Denn Arbeit im Homeoffice bedeutete ja nicht nur räumliche Trennung, sondern auch mehr Zeitautonomie. Darum sollte jetzt gemeinsam mit dem Mitarbeiter geprüft werden, in welchem Umfang mehr Flexibilität zum Beispiel bei Homeoffice- und Arbeitszeit-Lösungen beibehalten werden kann.

Auch wenn sich die Arbeit im Homeoffice nach der Pandemie wieder reduzieren wird, die Rolle des Büros als hauptsächlicher Arbeitsort wird sich verändern, weil sich die Arbeitswelt verändert hat. Wenn die Situation keine Über-Nacht-Lösungen mehr verlangt, können die Unternehmen mit einem Mehrstufenplan auf die Raumsituation und die individuellen Verhältnisse des Arbeitnehmers reagieren, der auch die Angst vor der allzu schnellen Veränderung nimmt. Das neue Bürokonzept muss das Büro zu einem Ort des Zusammenkommens, der Begegnungen, des Zusammenarbeitens, des Kreativseins machen, aber auch zu einem Ort, an dem man in Ruhe arbeiten und sich konzentrieren kann – mit der passenden Infrastruktur.

Digitalisierung der Arbeitsprozesse

Im Zuge der Corona-Krise sind in den Unternehmen und in der Verwaltung viele Arbeitsprozesse erfolgreich digitalisiert worden. Vieles, das bisher als schwer umsetzbar galt, wurde über Nacht in Gang gebracht. Diese Erfahrungen in Wirtschaft und Behörden kann Deutschland auch langfristig nutzen, wenn die getroffenen Regelungen Bestand haben: Es wird mit Tools wie beispielsweise Videokonferenzen gearbeitet, gegen die sich viele Unternehmen lange gewehrt haben. Der Gesetzgeber erließ neue Regelungen. Aktiengesellschaften können nun ihre Hauptversammlungen virtuell abhalten. Krankenhäuser wurden verpflichtet, ihre freien Intensivbetten für eine zentrale Online-Erfassung zu melden. Kurzarbeitergeld und anderes Förder[10]geld werden im Internet beantragt. Auch das Betriebsverfassungsgesetz wurde geändert, so dass Betriebsräte online tagen können.

Viele dieser organisatorischen und technologischen Änderungen wurden dabei krisenbedingt schnell und spontan umgesetzt. Für viele Unternehmen war Arbeit im Homeoffice zudem weitgehendes Neuland, oftmals war sie nicht oder nur unzureichend geregelt. Hier sind nun Betriebsvereinbarungen notwendig, die Arbeits- und Datenschutzbelange der Beschäftigten sicherstellen. Für virtuelle Meetings und Konferenzen wurde Software schnell angeschafft und implementiert. Die Prüfung, ob auch sicher ist, was nun genutzt wurde, war dabei zeitbedingt oftmals nachrangig. Darum muss jetzt dringend nachgearbeitet werden, damit die neugewonnene digitale Kompetenz des Unternehmens nicht zu Lasten der Sicherheit geht, indem zum Beispiel individuelle oder arbeitsplatzbezogene Daten des Mitarbeiters »gehackt« und missbraucht werden.

Kulturwandel

Von der neuen Marktstrategie über den internen Werteprozess bis hin zum »dicken Brett« der digitalen Transformation – die meisten Unternehmen und Institutionen erleben aktuell umfassende Veränderungen. Doch wie können Unternehmen ihre Mitarbeiter davon überzeugen, dass Veränderungen notwendig sind und sie für den Wandel begeistern? Welche Methoden und Instrumente können eine gute Zusammenarbeit von Führungskräften und Mitarbeitern fördern? Welche Rolle kommt der internen Kommunikation in Change-Projekten zu? Welche Stadien werden im Change typischerweise durchlaufen und wie kann die Kommunikation hier unterstützen? Wie kann Vertrauen, Loyalität und Motivation der Mitarbeiter auch in schwierigen Zeiten gesichert werden?

Hier muss klar und offen kommuniziert werden, dass mit der Rückkehr die Zeit möglicherweise tiefgreifender Änderungen nicht vorbei ist. Mitarbeiter erwarten hier nicht den Blick in die Kristallkugel, aber eine frühzeitige und transparente Informationspolitik. Dadurch lässt sich das bei vielen Mitarbeitern durch die Krise ausgelöste Ohnmachtsgefühl überwinden. Und sie lassen sich trotz widriger Umstände und fehlender langfristiger Sicherheit zum Neuanfang motivieren.

Eine neue Kultur wird aber nicht nur das Verhältnis zu den Mitarbeitern, sondern auch zu den Kunden bestimmen. Shopping per Livestream und Kurzvideos, Online-Produktpräsentationen und -Pitches, Videokonferenzen und Chats werden deshalb [11]nicht nur eine Übergangslösung sein, sondern zum festen Bestandteil der Unternehmenskultur werden. Wenn man den Kunden nicht nur virtuell treffen, sondern konkret mit ihm arbeiten will – zum Beispiel bei der Produktion von Videos –, können sie über einen speziellen Produktionskit über einen Livestream den Dreh von Videos und Werbespots in Echtzeit verfolgen und direkt Feedback geben. Mit diesen Systemen werden die Kunden viel stärker in den Entwicklungsprozess einbezogen – eine neue »Remote-Kultur« entsteht.

Gesundheit als neues Gut

In der Corona-Epidemie spielt der Gesundheitsschutz in Unternehmen eine ganz besondere Rolle. Das Thema ist jedoch auch ein wichtiges Kriterium für die Nachhaltigkeit von Unternehmen. Die erfolgreiche Umsetzung einer Arbeitsschutz- und Gesundheitsstrategie wird künftig nicht nur einen hohen Stellenwert bei Mitarbeitern haben, sondern wirkt sich auch positiv auf das Employer Branding und die Positionierung am Markt aus. Das Haus der Arbeit wird um den Faktor »Gesundheit« erweitert.

Daraus erwachsen neue Aufgaben für das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) in der Prävention und in der Einbeziehung des betrieblichen Umfelds. Unternehmen, die hier stärker investieren, fördern nicht nur die Gesundheit und Motivation ihrer Mitarbeiter, sondern verbessern auch ihre Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit. Denn die traditionellen Erfolgskomponenten für Unternehmen wie moderne Technologie und gute Finanzausstattung reichen heutzutage nicht mehr aus, um einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu haben. Die Mitarbeiter sind ein wichtiger Erfolgsfaktor. Und um diesen Erfolgsfaktor nutzen zu können, ist es wichtig, dass die Beschäftigten gesund sind und bleiben. Gesundheit und Wohlbefinden der Mitarbeiter sind wichtige Bestandteile des Humankapitals eines Unternehmens.

Rückkehr zur Normalität

Für viele Beschäftigte stellt sich mit dem Ende der coronabedingten Maßnahmen über kurz oder lang die Frage, ob das Unternehmen, in das sie nach Kurzarbeit oder Homeoffice zurückgekehrt sind, das alte, ein nur vorübergehend oder ein dauerhaft verändertes Unternehmen ist. Weiterzumachen wie zuvor wird in vielen Fällen gar nicht so einfach möglich sein – und ist auch aus Sicht der Beschäftigten gar nicht wünschenswert. Stattdessen sollte in jeglicher Hinsicht überlegt werden, wie die Erfahrungen aus der Krise für die Zukunft genutzt werden können.

[12]Auf Führungskräfte und Human Resources-Verantwortliche wartet also mit der Rückkehr der Mitarbeiter an den Arbeitsplatz jede Menge Arbeit. Im Dialog mit ihnen müssen Erfahrungen, Bedenken und Ängste ernst genommen und bearbeitet werden. Die Rückkehr zur Normalität darf keine Reise in die Vergangenheit werden.

Was die Unternehmen tun können, um New Normal zukunftsweisend zu gestalten, haben Wissenschaftler, Trendforscher und Praktiker aus Unternehmen und Beratung in diesem Fachbuch zusammengetragen. Sie alle haben ihre Erfahrungen mit der neuen Normalität, berichten über ihre Erfolge und ebenso wie über Schwierigkeiten. Sie lassen den Leser teilhaben an einem der wichtigsten Prozesse unserer Zeit: Ob es gelingt, die Arbeitswelt der Zukunft so zu gestalten, dass einmal rückblickend alle Beteiligten, Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeiter, mit Überzeugung sagen können: Wir haben die Krise als Chance genutzt.

Allen Autoren dieses Buches, dem Projekt-Betreuer in der Haufe Group, Dr. Bernhard Landkammer, und meiner Lektorin Doreen Rinke gilt mein ausdrücklicher Dank für ihr Engagement und ihre Unterstützung. Sonst wäre eine Idee immer nur eine Idee geblieben.

Küsten, im Januar 2021

Joachim Gutmann

[13]Führung in der Krise – Krise in der Führung?

Prof. Dr. Karlheinz Schwuchow, Center for International Management Studies, Hochschule Bremen, Bremen

Neue Arbeitswelt, neue Führung: Propagiert wird die Neuausrichtung hin zu einer sinnorientierten und inspirierenden Führung. Die Unternehmensrealität ist hiervon jedoch noch weit entfernt. Gleichzeitig findet sich vieles, was als neu und innovativ proklamiert wird, bereits bei den Klassikern des Managementdenkens. Der Führungskontext mag sich ändern, der Mensch bleibt ein analoges Wesen – auch im digitalen Zeitalter. Ob Hierarchie oder Holokratie – auch Selbstorganisation braucht Führung. Der Beitrag zeigt, wie Führung ihrer Aufgabe als Innovationstreiber gerecht werden kann. Dabei wird deutlich, welche Art der Führungskultur den Weg zu New Work tatsächlich meistern kann.

Lessons learned:

Führung wird auch im digitalen Zeitalter ein in unmittelbarer Weise personen- und persönlichkeitsbezogenes Thema bleiben.Die transformationale Führung bildet den Eckpfeiler für das Führungshandeln im Kontext der neuen Arbeitswelt.Jede Reduzierung von Hierarchien, jeder Abbau formaler Führungsstrukturen stellt neue Anforderungen an Führungskräfte und Mitarbeiter.In einem zunehmend virtuellen Führungskontext stärkt direktes Feedback das Vertrauen des Mitarbeiters in sich selbst und seine Arbeit.Die Führung von Teams verlangt eine Führungskultur, die ein Gefühl der Zusammengehörigkeit vermittelt und gleichzeitig Vielfalt fördert.

Führung – Ein Thema für die Ewigkeit

Unerschöpflich und immer wieder neu erfunden: Die Zahl der Veröffentlichungen zum Thema Führung zeigt seit langem inflationäre Tendenzen. Nun proklamiert der Zeitgeist die neue Arbeitswelt und Vordenker wie Gary Hamel fordern bereits seit einigen Jahren die Abschaffung der Manager (Hamel, 2011). Der Idealisierung der Führung in der neuen Arbeitswelt steht jedoch eine ernüchternde Realität gegenüber. So belegt der Gallup-Engagement-Index (2019) mit großer Regelmäßigkeit, dass nur ein Bruchteil der Beschäftigten – aktuell sind es in Deutschland 15 Prozent – eine [14]hohe emotionale Bindung und ein dementsprechendes Arbeitsengagement zeigt. Etwa die gleiche Anzahl (16 Prozent) hat bereits innerlich gekündigt, mehr als zwei Drittel (69 Prozent) machen Dienst nach Vorschrift.

Ursächlich hierfür ist in allen Fällen die direkte Führungskraft. Deren Abschaffung dürfte das Problem jedoch nicht lösen. Notwendig ist vielmehr, ein neues Führungsverständnisses zu entwickeln. Dass Führungsdefizite in erster Linie die Folge einer unzulänglichen Sichtweise der eigenen Rolle als Führungskraft sind, belegt der HR-Report 2014/2015 des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE) und der Management Beratung Hays (2014). Dabei stehen drei Punkte im Vordergrund:

Es fehlt die Zeit für Führung.Es besteht die Schwierigkeit, loszulassen und Handlungsspielräume einzuräumen.Der Schritt von einer anwesenheits- zu ergebnisorientierten Kontrolle gelingt nicht.

Bereits vor vier Jahren zeigte eine Studie des Instituts für Führung und Personalmanagement, dass sich 90 Prozent der befragten Unternehmen auf dem Weg in die neue Arbeitswelt befinden. Erfolgreich angekommen war damals jedoch nur ein kleiner Teil – sechs Prozent (Bruch/Block/Färber, 2016). Gleichzeitig wird deutlich, dass sich die erfolgreichen Unternehmen durch eine viel stärkere Führungskultur auszeichnen. Führung macht also den Unterschied.

Digitalisierung als Treiber

Die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien stellt zweifelsohne den wesentlichen Treiber von Veränderungsprozessen dar. Neue und erweiterte Arbeitskontexte werden ermöglicht. Mit der Entgrenzung der Arbeit ändern sich auch die Rahmenbedingungen für Führung und Zusammenarbeit, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeiten (und Grenzen) virtueller Kommunikation.

Dennoch ist vieles, was heute mit New Work umschrieben wird, in keiner Weise neu. Themen wie Autonomie, Handlungs- und Gestaltungsspielraum bei der Arbeit, Übertragung von Verantwortung sind bereits in den 1970er und 1980er Jahren im Kontext der Humanisierung des Arbeitslebens erörtert worden. Bereits im Jahr 1958 wurde das Kunststoff-Technologie-Unternehmen W. L. Gore gegründet – noch heute das Beispielunternehmen für eine hierarchiefreie Netzwerkorganisation. »No Ranks, No [15]Titles« lautete die Maxime des Firmengründers Bill Gore. 63 Jahre später und mit mittlerweile über 11.000 Beschäftigen in 25 Ländern hat sie noch immer Gültigkeit.

New Work, 1984 von dem Sozialphilosophen Frithjof Bergmann als Sozialutopie, als Gegenentwurf zur klassischen Lohnarbeit konzipiert und mittlerweile vielfältig instrumentalisiert sowie idealisiert, hat seine Ursprünge in der Zeit der industriellen Automatisierung. Damals hatte die Reduzierung der Arbeitszeit (ohne Lohnausgleich), um Massenentlassungen abzuwenden, geradezu revolutionären Charakter. Heute wäre eine derartige Übereinkunft zwischen Management und Gewerkschaft den betroffenen Arbeitnehmern kaum mit dem Argument der freien Zeit für neue, selbstbestimmte Arbeit zu vermitteln.

Abb. 1: Neue Anforderungen an Führungsaufgabe, -verhalten und -entwicklung

Dominierte bis vor zwanzig Jahren das »Normalunternehmen« mit Beschäftigten in unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnissen, mit klaren hierarchischen Strukturen und entsprechenden Führungsbeziehungen, so geht die Digitalisierung heute mit einer Flexibilisierung von Unternehmens- und Arbeitsformen einher. Dabei können drei Entwicklungsrichtungen festgestellt werden (Robelski/Harth/Mache, 2018):

Externe Flexibilisierung und Verlagerung des unternehmerischen Risikos nach außen durch Leiharbeit, Werkverträge oder Outsourcing,Interne Flexibilisierung durch Befristungen, flexible Arbeitszeitmodelle und agile Arbeitsformen mit mehr Eigenverantwortung,Räumliche Dezentralisierung und Virtualisierung durch Modelle wie Homeoffice, mobiles Arbeiten, virtuelle Teams oder Coworking Spaces.

[16]Die damit jeweils verbundene Veränderung unternehmensinterner und –externer Interaktionsmechanismen stellt, wie aus Abbildung 1 ersichtlich wird, neue Anforderungen an Führungsaufgabe, Führungsverhalten und Führungsentwicklung. Entscheidend ist nun, die verfügbaren Potenziale zu nutzen – sowohl in technischer als auch in menschlicher Hinsicht.

Führungsfaktor Emotionalität

In vielen Kundenbeziehungen haben sie bereits das Sagen: Chatbots, die Reklamationen entgegennehmen oder Reiseinformationen liefern. Werden sie mit der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) bald auch Mitarbeiterbeziehungen managen? Wenn sich Führung auf Distanz und ohne persönlichen Kontakt vollzieht, liegt diese Überlegung durchaus nahe. Dennoch ist Vorsicht geboten.

Durch technologische Hilfsmittel verändern sich Kommunikationsstrukturen gegenwärtig in erheblichem Maße. Gleichzeitig führen Arbeitsverdichtung und steigender Veränderungsdruck zu wachsenden psychischen Belastungen. Die emotionale Unterstützung durch die Führungskraft ist hier ein wichtiges Regulativ. Während Sachaufgaben durchaus automatisiert abgewickelt und formale Strukturen entsprechend abgebildet werden können, verkümmern informelle Strukturen. Es entfallen das ungeplante persönliche Gespräch, spontanes Feedback und Wertschätzung.

Die technologischen Möglichkeiten bilden nur eine Dimension ab und korrelieren nicht mit den menschlichen Fähigkeiten und Präferenzen. Die bevorzugten Arbeitsweisen im Hinblick auf Selbststeuerung und Proaktivität differieren. Entsprechend ihrer Persönlichkeit nehmen Beschäftigte die gleichen Anforderungen sehr unterschiedlich wahr – die einen als Herausforderung, andere als Bedrohung. Daher können ein hohes Maß an Autonomie und die damit verbundenen Gestaltungsanforderungen auch stark beanspruchende Wirkungen haben, mit negativen Folgen für Motivation und Gesundheit. Die Verlagerung von Entscheidungen in sich selbst organisierende Strukturen und auf untere Ebenen – so wie von Frederic Laloux (2015) propagiert – ist somit nicht zwingend der richtige Weg, um die Selbstverantwortung der Mitarbeiter zu stärken und die Entfremdung von der Arbeit zu reduzieren.

Ein Grundproblem besteht darin, dass New Work regelmäßig auf strukturelle Aspekte – wie offene und flexible Bürokonzepte, Homeoffice und mobile Technologien – reduziert wird und Anpassungsfähigkeit sowie Effizienzsteigerung in den [17]Vordergrund rücken. Dass jede Strukturveränderung auch kulturelle Implikationen mit sich bringt, wird oftmals verkannt, von aktiven Maßnahmen zur Kulturveränderung ganz abgesehen. Gleiches gilt für die Sub-Kulturen in einer Organisation, die mit vielfältigen Präferenzen und Wertvorstellungen einhergehen.

Folgt man dem Eisberg-Modell der Unternehmenskultur (Kulturebenen-Modell) von Ed Schein (1985), so wird deutlich, dass man neue Organisationsformen zwar durchaus mit physischen Manifestationen und sichtbaren Verhaltensweisen – von der Abschaffung der Krawatte über das offene Büro bis zum kollektiven »Du« – realisieren kann. Wirklich tiefgreifend sind diese Maßnahmen aber nicht. Hier kommen kollektive Werte und Einstellungen zum Tragen, die das Verhalten der Mitarbeiter bestimmen. Ebenso tief verwurzelte Grundannahmen, die von den Beschäftigten nicht (mehr) bewusst wahrgenommen werden. In allen Fällen bestimmen sie Führungskultur und Führungsverhalten.

Stabilität und Wandel

Der zunehmend durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VU-KA-Welt) geprägte Unternehmenskontext wird oftmals als Argument herangezogen, um die Notwendigkeit eines neuen Führungsverständnisses zu propagieren. Neben der digitalen Transformation und den Anforderungen dynamischer und entgrenzter Arbeitskontexte spielen auch Wertewandel sowie demographischer Wandel eine grundlegende Rolle. Dabei herrschen vielfältige, teilweise gegensätzliche Präferenzen sowie Wertvorstellungen und damit auch divergierende Auffassungen darüber, was gute Führung ausmacht. Dies gilt ebenso für die daraus resultierenden Anforderungen an Führungskräfte, die häufig nicht mit deren individuellen Fähigkeiten und organisationalen Möglichkeiten konform gehen.

Zweifelsohne muss Führung Orientierung vermitteln und Sicherheit in Zeiten der Veränderung bieten. Die Mitarbeiterfähigkeiten bestmöglich zu nutzen und zu entwickeln ist eine weitere Herausforderung. Nur dann wird Führung auch der Aufgabe als Innovationstreiber gerecht werden können.

Die dringende Notwendigkeit einer grundlegenden Modernisierung belegt die vom Institut für Führung und Personalmanagement durchgeführte Studie »Future Work & Leadership« (Bruch/Berger, 2019). Die Befragung von 16.274 Beschäftigten in 96 Unternehmen zeigt, dass Führungskräfte zwar klassische Führungstätigkeiten re[18]duzieren, aber keine neuen, übergeordneten Führungsrollen entwickeln. Um die Chancen und Potenziale der neuen Arbeitswelt wirklich nutzen zu können, schlagen Bruch und Berger (2019) folgendes vor:

Stärkung der Führung durch ein inspirierendes Führungsklima: Entsprechend dem Grundgedanken transformationaler Führung (Bass, 1985) agieren Führungskräfte als Vorbilder, zeigen ein inspirierendes Zukunftsbild auf und fördern ihre Mitarbeiter individuell.Kulturentwicklung als Führungsaufgabe: Führungskräfte verstehen sich als Kulturentwickler und vermittelten klar definierte Werte und Kulturregeln. Kernelemente dieses Unterstützungsprozesses sind Vertrauen, positive Arbeitsbeziehungen, Chancenfokussierung sowie Fehlertoleranz.Loslassen zugunsten horizontaler Führungsformen: Mit dem zunehmenden Abbau formaler Hierarchien reduzieren Führungskräfte Kontrollen und Vorgaben zugunsten kooperativer Elemente.Employer Branding und Auswahl der richtigen Mitarbeiter: Die Mitarbeiterauswahl wird Teil des Kulturmanagements, wobei es darum geht, die im Hinblick auf ihre Persönlichkeit zum Unternehmen und dessen Werte passenden, nicht die fachlich besten Bewerber auszuwählen.

Viele Erfolgsunternehmen − seien es Google, W. L. Gore oder Hilti − belegen die Bedeutung der Unternehmenskultur. Daher nimmt bei ihnen der »Cultural Fit« bei der Mitarbeiterrekrutierung eine Schlüsselrolle ein. »Hire for Attitude, Train for Skills«, lautet die Maxime. Angesichts der grundsätzlichen Problematik, Einstellungen und Verhaltensweisen durch Persönlichkeitstrainings wirksam ändern zu wollen, ist dies der richtige Weg, zumal Fachwissen heute zunehmend schneller obsolet wird.

Auch ist es sinnvoll, sich von der Rekrutierung nach Testergebnissen zu lösen und die gesamte Persönlichkeit eines Bewerbers sowie dessen Erfahrungshintergrund zu betrachten – nicht den stromlinienförmigen Kandidaten, sondern denjenigen, der sich bereits bei Gegenwind bewährt hat, nicht den Mitläufer, sondern den Querdenker (Johnson, 2020).

Der Mensch im Mittelpunkt

Egal, ob es sich um hierarchische oder holokratische Strukturen handelt, im Mittelpunkt steht stets der Mensch. Klassische hierarchische Führung basiert dabei auf [19]einseitiger Einflussnahme und der Autoritätshaltung der Führungskraft, wobei das tayloristische Verständnis des Mitarbeiters als »hired hand« heutzutage als überholt angesehen werden sollte. Zwar laufen Entscheidungskaskaden überwiegend vertikal ab, Kommunikation erfolgt jedoch zunehmend lateral und vernetzt. Die wahrgenommene Rolle der Führungskraft und die Ausgestaltung der Führungsbeziehungen sind in diesem Zusammenhang eher ein Kultur- und weniger ein Strukturproblem. Agile Strukturen in etablierten Aufbauorganisation zu schaffen, ist daher keine Frage einer Reorganisation, sondern eines Kulturwandels.

In der Unternehmensrealität ist der Wandel von der Misstrauens- zur Vertrauensorganisation mehrheitlich noch immer eine Wunschvorstellung, auch wenn dessen Bedeutung in der Literatur schon seit langem unbestritten ist (Bleicher, 1985). Es ist im Wesentlichen eine Frage der individuellen Denk- und Handlungsmuster, ob und in welchem Umfang der mit einer neuen Organisationsform einhergehende Kontrollverlust seitens der Führungskraft als negativ wahrgenommen und wie reagiert wird. Unsicherheit führt in der Regel zu einer Überkompensation durch kleinteilige Regelungen, die als ein sich Kümmern gemeint sind, aber als Kontrolle wahrgenommen werden – zum Beispiel regelmäßige Anrufe oder E-Mails.

Vieles, was heute als Wechsel von konventioneller hin zu zweckrationaler Führung oder als Führung 4.0 propagiert wird (Willms/Weichbrodt, 2020), findet seinen Ausgangspunkt bereits im Jahr 1954 In seinem Buch »The Practice of Management« stellte Peter Drucker den Management by Objectives-Ansatz (MbO) vor. Die Vereinbarung von Zielen, auf deren Erreichung die Mitarbeiter selbstständig hinarbeiten, so dass eine ständige Überwachung des Arbeitsprozesses entfällt, steht und fällt mit dem Vertrauen in die Arbeit der Beschäftigten. Der Fokus verlagert sich von der Tätigkeit auf das Ergebnis, Mitarbeiterbeteiligung wird zum Schlüssel des Führungserfolgs.

Kooperative Führungselemente sind in gleicher Weise der Leitgedanke holokratischer und demokratischer Führungsmodelle (Robertson, 2015; Sattelberger/Welpe/Boes, 2015). Es geht um geeignete Rahmenbedingungen, das richtige Maß an neuen Anforderungen und Freiraum für verantwortliches Handeln. Spielräume bestehen zweifelsohne hinsichtlich des Grades der autonomen Aufgabenerfüllung, doch hängt dies immer von der konkreten (Führungs-)Situation und dem Reifegrad der Mitarbeiter ab.

[20]In Abwandlung des ersten Axioms der Kommunikationstheorie von Paul Watzlawick (2007) »Man kann nicht nicht kommunizieren« gilt analog für die Führung »Man kann nicht nicht führen« Auch die explizite Vermeidung von Führung sendet Signale, ebenso benötigt Selbstorganisation Führung. Laissez-Faire-Leadership führt in der Regel zu Unsicherheit, da es an Orientierung fehlt. Daher entwickeln auch die von Gary Hamel (2012) protegierten Unternehmen ohne Manager informelle Führungsstrukturen.

Unsichtbare Führung

Jede Reduzierung von Hierarchien, jeder Abbau formaler Führungsstrukturen stellt neue Anforderungen an Führungskräfte und Mitarbeiter. Mehr Freiraum geht mit mehr Verantwortung einher, fehlende Führung erfordert verstärktes Selbstmanagement. Der weitgehende Wegfall direkter und persönlicher Interaktion als Konsequenz virtueller Führung – zum Beispiel im Kontext des Homeoffice – führt regelmäßig zu einem Verlust an Orientierung und zu einer Überforderung.

Ohne eine unterstützende Unternehmenskultur und ein inspirierendes Führungsklima kann eine Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort gegenläufige Effekte haben und zur Selbstausbeutung führen. Hier zeigt sich, dass die emotionale Unterstützung durch Führungskräfte und Kollegen die wichtigste Ressource für die Mitarbeitergesundheit darstellt. Während Unternehmen mit einer starken Vertrauenskultur Innovationssteigerungen erzielen, führt ein Fehlen dieses Unterstützungsklimas zu gegenteiligen Entwicklungen, da Mitarbeiter nicht die sich bietenden Chancen nutzen, sondern aus Angst vor möglichen negativen Konsequenzen auf Fehlervermeidung fokussieren.

Nahezu alle Fallbeispiele, die zur Illustration der »schönen« neuen Arbeitswelt herangezogen werden, beziehen sich auf junge Unternehmen mit relativ homogenen Mitarbeiterstrukturen in wissensintensiven Branchen. Die dort vorhandene Erwartungshaltung an die Handlungskompetenzen von Führungskräften und Mitarbeitern lässt sich nicht ohne Weiteres auf Unternehmen übertragen, deren Belegschaft über Jahrzehnte in anderer Weise sozialisiert wurde.

Bei der Einführung hierarchiefreier Formen der Arbeitsorganisation und der Verlagerung von Entscheidungskompetenzen auf Mitarbeiter und Teams werden die damit [21]verbundenen Anforderungen an die Selbstführung auf individueller und auf Teamebene regelmäßig unterschätzt. Synergetische Effekte von Teamarbeit bleiben ungenutzt, wenn ein entsprechender funktionaler Rahmen fehlt. Auch stellen Teams keine Ansammlung dyadischer Beziehungen dar, sondern weisen auch ohne formale Führung vielfältige informelle Strukturen auf, die den Prozess der Arbeit im Team wesentlich beeinflussen.

Bei virtueller Teamarbeit verstärken sich diese Probleme noch, da auch die mentale Distanz steigt, das heißt die emotionale Verbindung der Teammitglieder untereinander abnimmt. Diese Distanz zu überwinden und die Rahmenbedingungen dementsprechend zu gestalten, ist eine wesentliche Führungsaufgabe im Hinblick auf die Zusammenarbeit im Team und die Koordination der gemeinsamen Ziele. Hier gilt es, die Voraussetzungen zu schaffen, damit andere geteilte Führung in selbstorganisierten Teams wahrnehmen können.

Das Ende der Helden

Die einen betrachten hierarchische Führung als Auslaufmodell, andere halten am Bild der charismatischen Führungspersönlichkeit fest. In Krisenzeiten wird der Ruf nach starker Führung laut, gleichzeitig das Verlangen nach mehr Beteiligung. Die Erwartungen sind ebenso vielfältig wie die Lösungswege.