Notärztin Andrea Bergen 1475 - Caroline Thanneck - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1475 E-Book

Caroline Thanneck

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Beschreibung

Dr. Andrea Bergen wird zu einem Jungen gerufen, der sich nach einem vermeintlich harmlosen Kratzer an der Hand unwohl fühlt. Er hat Fieber, seine Hand ist rot verfärbt, geschwollen und von dunklen Blasen gezeichnet. Seine Eltern sorgen sich sehr. Die Notärztin erkennt eine Entzündung. Die Phlegmone lassen sie nichts Gutes ahnen. Sie stabilisiert den Kreislauf des Kindes und veranlasst den Transport ins Krankenhaus.
Hier zeigen sich erhöhte Entzündungswerte in Jakobs Blut. Dazu leichte Probleme beim Atmen. Patrick stellt die gefürchtete Diagnose: nekrotisierende Fasziitis. Streptokokken fressen sich durch das Fleisch, wandern rasch entlang der Muskulatur durch den Körper und lassen Hautbereiche absterben. Eine Sepsis droht.
Oberarzt Dr. Patrick Thanner ruft eine neue Kollegin in den Operationssaal, die über Erfahrungen mit diesem Krankheitsbild verfügen soll. Zunächst verläuft die OP ohne Komplikationen, doch plötzlich weiten sich Dr. Thanners Augen in maßlosem Entsetzen ...


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Inhalt

Cover

Sie weinte um den Oberarzt

Vorschau

Impressum

Sie weinte um den Oberarzt

Dr. Patrick Thanner, unser leitender Oberarzt, ist heute am See ins Eis eingebrochen, nachdem er zuvor ein Kind gerettet hat. Passanten haben das Drama beobachtet und die Rettung alarmiert.

Wir waren kurz darauf an der Unglücksstelle, doch es hat eine Viertelstunde gedauert, ehe die Rettungstaucher ihn bergen konnten.

Das Gehirn kann nicht lange nicht lange ohne Sauerstoff auskommen. Schon nach wenigen Sekunden stellt es alle Funktionen ein. Nach drei bis fünf Minuten beginnen die Nervenzellen im Gehirn abzusterben. Andere Teile des Körpers halten es länger ohne Sauerstoff aus. Das Herz kann bis zu einer halben Stunde ohne Sauerstoff überleben, die Nieren sogar zwei Stunden. Das Gehirn jedoch schafft es allerhöchstens fünf Minuten lang ohne Sauerstoff.

Es sei denn ...

Ich habe von Lawinenopfern gehört, die gerettet werden konnten, weil sie stark heruntergekühlt und Gehirn und Körper in eine Art Kältestarre gefallen waren. Kann es für Dr. Thanner also noch eine Chance auf Rettung geben?

Bei meiner ersten Messung war seine Temperatur auf 18,4 Grad gesunken! Das kann Fluch und Segen zugleich bedeuten ...

»Also, was haben wir?« Notärztin Dr. Andrea Bergen stieg in das Einsatzfahrzeug und schnallte sich an.

»Verkehrsunfall«, informierte sie Carl Schmitter, der an diesem Tag als Vertretung für den an Grippe erkrankten Jupp Diederichs hinter dem Steuer saß. Carl war ein untersetzter Mittvierziger, der nie um ein Wort verlegen war und sich nicht scheute, anzupacken, wenn er gebraucht wurde. »Das Fahrzeug ist frontal gegen einen Baum geprallt. Vermutlich in einer Kurve ins Schleudern gekommen.«

»Wie viele Verletzte?«

»Einer. Der Fahrer selbst. Befindet sich noch in seinem Wagen.«

»Eingeklemmt?«

»Wissen wir noch nicht.« Carl gab Gas und lenkte das NEF die Auffahrt der Klinik hinunter und in den Verkehr. Sie fuhren mit Sonderzeichen, und so wichen die anderen Fahrzeuge aus, sobald sie sich näherten. Schneematsch und Eis knirschten unter den Rädern. Der Himmel wölbte sich wie eine bleigraue Kuppel über der Stadt. Obwohl es erst früher Nachmittag war, wurde es bereits dunkel.

Andrea Bergen zog ihren Schal unwillkürlich enger um sich.

»Bei diesem Wetter sollte man sich daheim in die warme Badewanne legen und nicht in der Weltgeschichte herumkurven«, brummte Carl.

»Wie weit ist es noch?«

»Wir sollten in vier Minuten da sein. Der RTW ist direkt hinter uns.«

»Alles klar.« Der Magen der Notärztin verkrampfte sich, als der Wagen in einer Kurve kurz schlingerte. Ratternd sprang das ABS an, dann ging es weiter.

Wenige Minuten später stoppten sie am Straßenrand. Vor ihnen stand ein blauer Kombi an einem Baum. Die Motorhaube war aufgesprungen und der vordere Bereich des Wagens sichtlich eingedrückt. Passanten hatten die Unfallstelle bereits mit Warndreiecken und Lampen gesichert. Auslaufendes Öl oder Benzin waren nicht zu entdecken. Auch keine Rauchentwicklung.

Dr. Bergen stieg aus, nahm ihren Einsatzkoffer und eilte zu dem Unfallwagen. Hinter dem Lenkrad saß ein Mann von ungefähr vierzig Jahren.

»Guten Abend, ich bin die Notärztin. Mein Name ist Andrea Bergen. Ich werde mich um Sie kümmern.«

Ein schwaches »Hallo« antwortete ihr.

»Saß noch jemand bei Ihnen im Wagen?«

»Nein, nur ich.«

»Können Sie mir Ihren Namen sagen?«

»Conrad Winkler.« Der Atem des Mannes kam flach und abgehackt.

»Also, Herr Winkler, ich muss Sie bitten, Ihren Kopf ganz ruhig zu halten. Nicht hin und her drehen, am besten gar nicht bewegen. In Ordnung?«

»Ja, ist gut. Das kriege ich hin. Es ist nur ... Ich ... ich spüre meine Beine nicht mehr.«

Mögliche Beteiligung des Rückenmarks. Verdammt.

»Darum kümmern wir uns gleich.« Die Notärztin stieg auf der Beifahrerseite ein. Als Erstes stabilisierte sie die Wirbelsäule mit einem Stützkragen. Abgesehen von kleinen Schnittverletzungen an den Händen konnte sie keine äußeren Verletzungen an ihrem Patienten feststellen. Rasch und sorgfältig prüfte sie seine Vitalzeichen. Die Atemwege waren frei, allerdings atmete er sichtlich zu schnell. Das Pulsoxymeter zeigte eine Sättigung von 90 Prozent und einen Puls von 112 bpm an. Sie stülpte ihm eine Sauerstoffmaske über und führte ihm Sauerstoff zu.

Inzwischen traf die Feuerwehr ein und begann, die Unfallstelle mit weiteren Maßnahmen abzusichern.

Andrea Bergen tastete ihren Patienten behutsam ab und spürte eine deutliche Abwehrspannung im linken oberen Quadranten.

»Ohhh, das tut weh«, stöhnte er.

»Schon geschafft.« Sie ließ von seinem Bauch ab und prüfte seinen Schädel, Schultern und Becken, fand jedoch keine weiteren Auffälligkeiten. Beide Pupillen reagierten auf die Spaltlampe, wie sie es sollten. Dennoch war sein Zustand kritisch. Die Schmerzen und der beschleunigte Herzschlag ließen sie an eine intraabdominelle Blutung denken. Und sein mangelndes Gefühl in den Beinen deutete auf eine Verletzung des Rückenmarks hin.

Nicht gut. Ganz und gar nicht gut.

»GCS 14«, sagte sie den beiden Rettungssanitätern an, die gerade mit einem Spineboard und einer Decke heraneilten. »Wir müssen ihn so schnell wie möglich in die Klinik schaffen. Er ist unterkühlt. Wäre gut, wenn ihr den Innenraum des RTW auf dreißig Grad heizen könntet.«

»Wird gemacht.«

Die Sanitäter schoben das Spineboard von der Fahrerseite her unter das Gesäß des Verletzten. Andrea Bergen rollte die Decke mit Hilfe von Pflasterstreifen zu einer Art Schlange zusammen, dann wickelte sie diese um Schultern und Arme des Patienten. Nun konnte sie ihn behutsam mit dem Rücken zur Fahrerseite auf das Board drehen, ohne Gefahr zu laufen, seinen Hals oder seinen Kopf zu bewegen.

Einer der Sanitäter stützte von der Beifahrerseite aus seine Füße, der andere stabilisierte Kopf und Schultern. Sie gingen mit äußerster Vorsicht zu Werke. Jede unbedachte Bewegung könnte sein verletztes Rückenmark endgültig durchtrennen – wenn das nicht schon bei der Kollision geschehen war.

Gemeinsam bugsierten sie den Verletzten auf das Spineboard und sicherten ihn mit einer Gurtspinne. Zusätzlich fixierten sie seinen Kopf und befestigten ihn samt Board auf einer Trage. Andrea Bergen fuhr mit ihm im RTW. Sie behielt seine Vitalwerte im Blick, während sie einen großlumigen Zugang an beiden Unterarmen legte.

Sie entnahm Blut für die Analyse im Elisabeth-Krankenhaus. Dann schloss sie ihren Patienten an eine vorgewärmte Ringer-Laktat-Infusion an.

Mit vielfach geübten Handgriffen legte sie ein EKG an.

»Haben Sie irgendwelche Allergien, Herr Winkler?«

»Nur Heuschnupfen im Frühling, sonst nichts.«

»Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein?«

»Hin und wieder Ibuprofen. Hab es am Rücken. Bin Schaffner, wissen Sie.«

»Dann sind Sie häufig auf Achse. Sollte ich über irgendeine Vorerkrankung Bescheid wissen?«

»Mir fehlt nichts. Bis auf mein Kreuz.«

»Wie lange ist Ihre letzte Mahlzeit her?«

»Warum? Wollen Sie mich zum Essen einladen?« Ein schiefes Lächeln huschte über sein Gesicht.

»Nun, in der Klinik werden Sie wohl eine Weile bleiben müssen. Dort gibt es Vollpension. Vorher steht eine Operation an. Ich vermute bei Ihnen innere Blutungen.«

»Verstehe. Ich hatte eine Suppe heute Mittag, aber die ist schon fünf, sechs Stunden her. War gerade auf dem Weg zum Einkaufen, als mein Wagen plötzlich Karussell fuhr und ... ach, mir ist nicht so richtig ... nicht gut ...« Er blinzelte, trübte zusehends ein.

Sein Puls lag nun bei 200 Schlägen pro Minute, und seine Atemfrequenz stieg stark an. Andrea Bergen hörte seinen Brustkorb ab.

Über der rechten Lunge waren keine Atemgeräusche mehr wahrnehmbar, links nur noch geschwächte Geräusche. Seine Lunge wurde nicht mehr belüftet.

Die Notärztin reagierte sofort und nahm eine Entlastungspunktion vor. Die Luft entwich, und ihr Patient atmete sichtlich ruhiger. Auch sein Puls sank, war jedoch immer noch zu hoch.

»Eine Minute bis zum Eintreffen in der Klinik«, gab der Fahrer durch.

Andrea Bergen behielt die Werte ihres Patienten weiter im Blick, bereit, sofort zu reagieren, falls sich sein Zustand wieder verschlechterte.

Kurz darauf hielten sie an. Die Türen schwangen auf, und das Aufnahmeteam übernahm den Patienten. Dr. Bergen begleitete ihn noch bis zum Patiententisch, übergab die Blutproben und unterrichtete ihre Kollegen über den Zustand des Verletzten. Während sie noch sprach, machte das Team der Notaufnahme bereits eine Ultraschalluntersuchung seines Bauchraums.

»Ich sehe freie Flüssigkeit.« Dr. Patrick Thanner arbeitete ebenso ruhig wie zielführend. »Vermutlich eine Milzruptur. Bringen wir ihn in den OP.«

Andrea Bergen stieß den Atem aus. Während sich ihre Kollegen nun um Herrn Winkler bemühten, war ihre Arbeit für diesen Tag getan.

Nun, noch nicht ganz ...

»Der leidige Papierkram, was?« Carl spähte herein und blickte sie wissend an. »Der trennt uns noch von unserem wohlverdienten Schaumbad.«

In diesem Augenblick meldete sich der Piepser in der Tasche der Notärztin.

»Der Papierkram«, echote sie, »und ein weiterer Notfall!«

***

»Das war eben gute Arbeit.« Dr. Patrick Thanner nickte seiner Kollegin anerkennend zu.

Linea Harrach hatte die Operation von Herrn Winkler übernommen. Sie arbeitete erst seit wenigen Wochen im Elisabeth-Krankenhaus, hatte den Oberarzt jedoch bereits von ihren Fähigkeiten überzeugt. Sie hatte die zerstörte Milz des Verletzen entfernt, während sein Kreislauf in Turbulenzen geraten und mehrfach kollabiert war. Es war ihr jedoch gelungen, den Verletzten zu stabilisieren.

»Sein Zustand ist immer noch kritisch. Er sollte mindestens einen Tag auf der Intensivstation überwacht werden, bevor er in die Neuro verlegt werden kann.« Linea stemmte die Hände in die Kitteltaschen. »Dort kann dann die Weiterbehandlung seiner Rückenverletzung erfolgen.«

»Glauben Sie, er wird je wieder gehen können?«

»Ohne MRT ist das schwer zu sagen. Nach allem, was ich gesehen habe, tippe ich auf eine Trümmerfraktur mit Schwellung des Rückenmarks. Die verursacht auch die Lähmung seiner unteren Extremitäten. Wenn sie zurückgeht und die Fraktur operativ behandelt wird, könnte er wieder gesund werden. Das ist aber ein großes Wenn«, schränkte sie ein.

Dr. Thanner nickte. »Ich schließe mich Ihrer Einschätzung an.«

»Er hat einen langen Weg vor sich.«

»Dass er diese Chance überhaupt hat, verdankt er Dr. Bergen und Ihnen.«

»Ich habe nur meine Arbeit gemacht.« Ihr Gesicht verschloss sich, wie so oft, wenn er ein privates Wort mit ihr wechseln wollte.

Nachdenklich schob der Oberarzt die Brauen zusammen. Linea Harrach war ihm ein Rätsel. Sie war eine äußerst fähige Chirurgin, aber davon abgesehen wusste er rein gar nichts von ihr.

»Ich bin wirklich froh, Sie im Team zu haben.« Dr. Thanner bemerkte, dass sich ihre Augen verengten. Sie schien nach einem Haken in seinem Lob zu suchen, aber da war keiner. Er vertrat die Ansicht, dass offene Kommunikation der Schlüssel zu einer guten Zusammenarbeit war. Aus diesem Grund hielt er weder mit Lob noch mit Kritik hinter dem Berg. »Haben Sie etwas Schönes vor heute Abend?«

»Ich weiß noch nicht«, erwiderte sie kühl. Ihr Blick schien ihn zu warnen: Das geht Sie auch nicht das Geringste an.

Er seufzte leise.

Ob sie wohl ahnte, wie neugierig ihre verschlossene Art andere machte?

Sie nickte ihm kurz zu, dann strebte sie mit langen Schritten davon. Ein Hauch ihres Parfüms blieb zurück. Er schnupperte und roch Jasmin und einen Hauch Wildrose. Ein femininer Duft. So bezaubernd wie die Frau, die ihn trug ...

... und die ihn seit einigen Wochen schier zur Verzweiflung brachte.

Sie gefiel ihm. Er hatte es nicht darauf angelegt gehabt, wirklich nicht. Romanzen am Arbeitsplatz gingen, seiner Erfahrung nach, nie gut. Und doch bekam er sie seit ihrer ersten Begegnung nicht aus seinem Kopf. Ihr seltenes, aber zauberhaftes Lächeln, ihr langes, dunkles Haar, das sie meist zu einem praktischen Pferdeschwanz gebunden trug und mit dem sie so jung wirkte, als wäre sie noch eine der Assistenzärztinnen und keine gestandene Chirurgin. Sie behielt jedes Wort, jede Anweisung im Kopf, und sie scheute sich nicht, ihre Meinung zu vertreten, auch wenn diese anders ausfiel als seine ... Oder besser gesagt, besonders wenn diese anders ausfiel als seine. So sah es aus. Er knirschte mit den Zähnen. Dann lenkte er seine Schritte zu seinem Büro.

Er war seit sechzehn Stunden im Elisabeth-Krankenhaus, hatte die Übergabe bereits hinter sich gebracht und war bereit für den Feierabend. So was von bereit.

Er vertauschte Kittel, Shirt und Hose mit einem Norwegerpullover und einem warmen Parka und schlüpfte in eine dunkelgraue Jeans. Dann verließ er die Klinik und steuerte den Parkplatz an. Seine Schritte knirschten im Schnee, und sein Atem stieg in weißen Wolken vor seinem Gesicht auf, so kalt war es wieder.

Sein Wagen parkte am nördlichen Ende in einer Nische, die für ihn reserviert war. Schräg gegenüber hatte Linea Harrach ihren Parkplatz – und wie es schien, steckte sie in Schwierigkeiten. Ihr Fahrzeug gab keinen Mucks von sich. Es war ein weißer Kleinwagen, auf dessen Dach sich der Schnee häufte.

»Oh, bitte, tu mir das nicht an.« Sie stieg aus und hob die Motorhaube an. Schnee rieselte in den Motorraum. Ratlos spähte sie unter die Haube.

»Soll ich Sie vielleicht mitnehmen?« Patrick Thanner blieb neben ihr stehen.

»Danke, aber ich kann mein Auto nicht hier zurücklassen. Wenn Sie mir vielleicht Starthilfe geben könnten?« Hoffnungsvoll blickte sie auf. »Ich glaube, es liegt an der Batterie.«

»Na klar. Das kriegen wir hin.« Er trat zu seinem Wagen und öffnete die Heckklappe, um das Kabel zu holen.

Seine Kollegin musterte sein Auto mit gerunzelter Stirn.

»Stimmt etwas nicht?«

»Nein, es ist nur ... dieser Wagen hat vermutlich mehr gekostet, als ich in zehn Jahren verdiene.«

Patrick musterte sein Sportcoupé. Es war knallrot und hatte reichlich Power unter der Motorhaube.

»Schon möglich«, räumte er ein.

Sie verzog das Gesicht. »Haben Sie das wirklich nötig?«

Er schabte sich das Kinn. »Nötig? Ich weiß nicht. Es macht einfach Spaß, diesen Wagen zu fahren. Wenn Sie wollen, nehme ich Sie gern einmal auf eine Spritztour mit.« Er schloss die Kabel an und reichte sie an Linea weiter. »Klemmen Sie die fest, ja?« Er schwang sich auf den Fahrersitz und wartete, bis Linea die Kabel an ihrer Batterie angeschlossen hatte.

Wenig später versuchte sie zu starten – und es klappte. Der Motor ihres Kleinwagens schnurrte wieder wie ein Kätzchen.

»Gut, jetzt schalten Sie ihn nicht gleich wieder aus. Fahren Sie erst eine Weile herum«, empfahl Patrick ihr.

»Ich weiß.« Sie stieg aus und löste die Kabel.

In diesem Augenblick kam ein warm gekleideter Mann über den Parkplatz und blieb vor ihnen stehen. Er machte einige Gesten, die Patrick als Gebärdensprache identifizierte. Zu seiner Überraschung antwortete Linea dem Mann auf dieselbe Weise. So ging das kurz hin und her, bis der Fremde dankbar nickte und weiterstapfte.

»Er hat nach dem Weg zur Geburtsstation gefragt«, erklärte Linea.

»Und Sie haben ihm in Gebärdensprache geantwortet. Sie stecken wirklich voller Überraschungen.«

»Gute Nacht, Dr. Thanner.« Sie warf ihm noch einen Blick zu, in dem ein verstecktes Lächeln lag, dann setzte sie sich in ihr Auto und fuhr davon.

»Ihnen auch, Linea«, murmelte er, auch wenn sie es nicht mehr hören konnte. »Ihnen auch.« Versonnen blickte er ihr nach. Als die Rücklichter ihres Wagens verschwanden, stieg er wieder in sein Auto und wollte sich gerade auf den Heimweg machen, als sein Telefon einen Anruf anzeigte.

»Hey, Brudererz«, meldete sich die muntere Stimme seiner jüngeren Schwester. »Passt es gerade?«