November - Anno Dazumal - E-Book
SONDERANGEBOT

November E-Book

Anno Dazumal

0,0
0,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 0,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Eine humorvolle Auseinandersetzung mit dem Kleinstadtleben, viele lustige Dialoge und jede Menge merkwürdige Gestalten, die dort ihr Unwesen treiben. Eine nicht ganz ernst zu nehmende Satire für Genießer. Lauter Originale sind unterwegs, von denen alle auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Doch dann beginnt ein Drama.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 199

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Anno Dazumal

November

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Das Problem

Die Lösung

Impressum neobooks

Das Problem

„So eine gottverdammte Scheiße!“ brüllte Gottfried Hof, der Totengräber. „Was ist denn in Sie gefahren? Sie wecken ja noch die ganzen Toten auf“, beklagte sich ein Mann, der gerade an ihm vorbeiging. „Na hoffentlich. Dann können die mir ja die Arbeit abnehmen und die neuen Leichen selber unter die Erde bringen.“ „Na, Sie sind mir ja ein besonders motivierter und fleißiger Totengräber.“ „Sie haben ja keine Ahnung. Das geht jetzt schon seit Tagen so. An jedem Morgen eine neue Leiche.“ „Ja, so etwas soll vorkommen. Manchmal stirbt monatelang kein Mensch und auf einmal krepieren die Leute wie die Fliegen.“ „Ja, das kenne ich auch, aber dieses Mal steckt mehr dahinter. Und zwar ein Serienmörder.“ „Wie kommen Sie denn auf so einen Blödsinn?“ „Ganz einfach: Es sind in den letzten fünf Tagen fünf junge Menschen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren gestorben.“ „Das ist in der Tat ziemlich ungewöhnlich, bedeutet aber noch lange nicht, daß ein Serienmörder dahintersteckt.“ „Aber es waren allesamt angebliche Selbstmorde.“ „Oh, damit hatte ich jetzt nicht gerechnet.“ „Sehen Sie! Und deshalb kann nur ein Serienmörder dahinterstecken.“ Gottfried Hof nickte, von seiner eigenen Logik zutiefst überzeugt, bekräftigend und schaufelte danach weiter. Der andere Mann dachte angestrengt nach, denn die Argumentation des Totengräbers erschien ihm irgendwie absonderlich. „Und was ist, wenn sich die jungen Leute tatsächlich alle das Leben genommen haben?“ Gottfried warf verächtlich seine Schaufel weg und erklärte: „Das ist völlig unmöglich. Ich arbeite seit 30 Jahren in diesem Geschäft und habe da schon so einiges erlebt. Hin und wieder mal ein Selbstmord, das ist nichts Ungewöhnliches, aber so eine auffällige Aneinanderreihung hat es bisher noch nicht gegeben. Außerdem gibt es dafür überhaupt keine schlüssige Erklärung. Die hatten alle noch ihr ganzes Leben vor sich und waren auch nicht krank, wieso sollten die sich umbringen?“ Wieder überlegte der andere Mann, bevor er entgegnete: „Wissen Sie, junge Menschen sind oft noch nicht so gefestigt und leicht aus der Bahn zu werfen. Da reicht oft schon ein falsches Wort, um sie dauerhaft zu verletzen. Außerdem leben wir hier in einer Kleinstadt, da gibt es keine Serienmörder.“ „Ich habe nicht behauptet, daß der Serienmörder von hier stammt, ich weiß nur, daß er hier fleißig mordet und dafür sorgt, daß ich hier jeden Tag wie ein Verrückter schuften muß, damit wieder so ein junges Ding beerdigt werden kann. Wenn ich den Kerl erwische, dann lasse ich ihn erst sein eigenes Grab ausheben und danach bringe ich ihn ganz genüßlich um.“ Der Totengräber bekam einen leuchtenden Blick und glänzende Augen, während er das sagte. „Und wenn sie sich doch alle umgebracht haben?“ wandte der andere Typ ein. „Dann verstehe ich die Welt nicht mehr“, gab der Gefragte zu, packte seine Schaufel und setzte sein Werk an jenem trüben, naßkalten Tag fort. Sein Gesprächspartner nickte ihm zum Abschied zu und verschwand dann.

„Das hat uns gerade noch gefehlt“, jammerte der Bürgermeister, ließ sich auf seinem überdimensionierten Chefsessel in seinem riesigen Büro im Rathaus nieder und fügte hinzu: „Wir wollen doch Touristen anlocken und keine Terroristen.“ Sein Gegenüber, der Vertreter der Lokalzeitung, hakte nach: „Aber es waren doch Selbstmorde, oder Helmut?“ „Was weiß denn ich? Auf alle Fälle müssen wir diese Version nach außen hin verbreiten und dürfen davon auch kein Jota abweichen. Ist das klar, Karl?“ „Selbstverständlich.“ „Gut. Die Boulevardpresse hätte uns nämlich gerade noch gefehlt. Die würde dann nämlich irgendwas von einem Serienmörder daher phantasieren und wir könnten den Tourismus auf Jahre hinaus vergessen.“ „Gibt es denn Anhaltspunkte dafür, daß da ein Serienmörder am Werk ist?“ Karl war plötzlich ganz aufgeregt und rutschte mit seinem Stuhl immer näher an den Schreibtisch des Bürgermeisters heran. „Keine Ahnung. Der Polizeichef meinte jedenfalls, daß die Suizide alle sehr professionell durchgeführt worden sind, so daß man keineswegs ausschließen kann, daß da eine Fremdeinwirkung von außen stattgefunden hat.“ „Das ist ja furchtbar!“ „Allerdings.“ Nun erhob sich der Bürgermeister und begann damit, unruhig in seinem Büro auf und ab zu laufen. Davor aber drückte er einen Knopf auf einem kleinen Gerät. „Was machst Du da, Helmut?“ wunderte sich der Reporter. „Ich aktiviere meinen Schrittzähler, denn wenn ich meiner Freundin abends zeigen kann, wie viele Kilometer ich tagsüber gegangen bin, dann muß ich nicht den Diätfraß schlucken, sondern bekomme ein richtiges Abendessen.“ „Ich verstehe. Du, mal ganz unter uns: Wie läuft es denn bei Dir zu Hause?“ „Ach, ich kann Dir sagen, es gibt wirklich Schöneres. Der Spagat zwischen Privatleben und Familie macht mir schwer zu schaffen.“ „Das kann ich gut nachvollziehen. Ich hatte da damals ja auch diese Praktikantin, mein Blasebalg, wie ich sie immer scherzhaft nannte. Die fehlt mir auch ungemein.“ „Ja, es ist schon ein Kreuz mit der Moral in unserem Land. Da lobe ich mir doch die Araber, die wissen wenigstens, was ein Mann zum Leben braucht. Das gehört jetzt aber nicht in die Zeitung, denn sonst halten mich die Leute noch für einen Alka Ida-Sympathisanten.“ „Keine Sorge, Helmut, wir sind doch seit Jahren gut befreundet, da würde ich Dir niemals in den Rücken fallen.“ „Gut zu wissen.“ Der Bürgermeister ging nun auf den Journalisten zu und schenkte ihm Whiskey nach. „Dann kann ich also auch bei der nächsten Wahl auf Dich zählen.“ „Natürlich. Wir werden schon einen Weg finden, um dafür zu sorgen, daß Du Bürgermeister bleibst. Schließlich bist Du unser bester Mann.“ Helmut überlegte kurz, ob das nun ein Kompliment oder eine Beleidigung war, entschied sich dann für ersteres und lächelte. „Was hältst Du denn von dem Wahlplakatspruch, Karl: „Nur Idioten wählen die Roten“?“ „Etwas plump, aber inhaltlich richtig. Na ja, wir haben bislang immer erreicht was wir wollten. Und so soll es auch bleiben.“ Sie prosteten sich zu und tranken. Danach erzählten sie sich schmutzige Witze und lachten sich darüber kaputt.

„Ich kann das immer noch nicht begreifen. Daniel war immer so lebensfroh und optimistisch, wieso sollte er sich umbringen?“ schluchzte seine Mutter. „Niemand von uns kann in einen anderen Menschen hinein schauen. Nehmen Sie mich als Beispiel: Für alle bin ich der Polizeichef, doch fast keiner weiß, daß ich mich regelmäßig von einem Domino auspeitschen lasse.“ „Was ist ein Domino?“ „Dasselbe wie eine Domina, nur als Mann. Oh, das gehört hier ja eigentlich nicht her, das vergessen Sie jetzt lieber auch gleich wieder. Jedenfalls wollte ich damit nur sagen, daß wir in alle Richtungen ermitteln.“ Sie saßen in ihrer Wohnung und die Frau stand ziemlich neben sich. Es herrschte Chaos und Unordnung in der Bude, was der Polizeichef auf die schreckliche Situation zurückführte, in der sich die Mutter eines der fünf Lebewesen, die nun zu Totwesen geworden waren, befand. Hätte er gewußt, daß es dort immer so wüst ausschaute, dann hätte er garantiert anders darüber gedacht. „Also bin ich auch verdächtig“, stellte sie plötzlich fest. „Wieso sollte eine Mutter ihren 19jährigen Sohn umbringen?“ fragte der Polizeichef. „Vielleicht hat er mich genervt oder beleidigt oder er hatte eine Freundin, die ich nicht mochte.“ „Das ist doch alles an den Schamhaaren herbeigezogen, Sie sollten sich wirklich schämen.“ „Aber Sie haben doch behauptet, daß Sie in alle Richtungen ermitteln.“ „Das ist doch nur so ein blöder Spruch, um die Leute zu beruhigen. Viel heiße Luft und nichts dahinter.“ „Aber ich bestehe darauf, daß Sie mich nehmen, äh, vernehmen, Herr Hauptkommissar. Und zwar gnadenlos.“ „Tut mir leid, aber dafür bin ich nicht zuständig“, erwiderte der Angesprochene. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, er trank rasch den Kaffee aus und dachte sich, während er aufstand: „Kein Wunder, daß sich der arme Junge umgebracht hat. Bei so einer verrückten Mutter.“ „Sie können jetzt nicht gehen, Herr Polizeipräsident. Daniel hat mir immer die Füße massiert.“ „Ich habe leider auch noch anderweitige Verpflichtungen, denn wie Sie vielleicht wissen, ist Ihr Sohn nicht der einzige, sondern einer von fünf Toten in den letzten Tagen. Außerdem müssen wir damit rechnen, daß das Sterben noch weitergeht. Und Ihnen würde ich empfehlen, sich schleunigst in psychologische Betreuung zu begeben.“ „Aber das bin ich schon seit Jahren und das ist aus mir geworden. Früher war ich normal!“ rief sie ihm hinterher. Gerade als er ihre Wohnung verlassen wollte, stand sie mit einer Peitsche in der Küchentür und säuselte: „Beehren Sie mich bald wieder, Herr Innenminister.“ „Schon tragisch, daß sich immer die falschen Leute umbringen“, meinte der Polizeichef zu seiner untergebenen Kollegin, als er neben ihr im Wagen saß. „Ich finde es ganz schlimm, daß sich überhaupt Leute umbringen“, machte sie deutlich und startete den Wagen. „Na ja, das ist halt mal die menschliche Freiheit. Angenommen, es gäbe einen Gott und der würde nicht wollen, daß sich die Leute selbst das Leben nehmen, dann hätte er es so eingerichtet, daß es uns gar nicht möglich wäre.“ „Oder sie.“ „Oder es.“

Der Pfarrer spazierte im Garten seines Pfarrhofs umher und schimpfte vor sich hin: „Das muß natürlich ausgerechnet wieder mir passieren. Jeden Tag eine Beerdigung und dann auch noch die ganzen Angehörigen, deren Gejammer ich mir anhören muß. Ich komme mir vor wie ein Akkordarbeiter am Fließband und dabei bin ich Pfarrer geworden, damit mir dieses fürchterliche Schicksal erspart bleibt. Ich komme überhaupt nicht mehr zum Golfen und wenn ich meine Haushälterin nicht hätte, dann könnte ich gar nicht mehr einlochen.“ Wütend stapfte er vor sich hin und achtete kein bißchen auf die Natur, die ihn umgab. „Herr Pfarrer, das Essen ist fertig!“ erklang die Stimme einer Frau und mißmutig trottete er Richtung Pfarrhof, während er sich dachte: „Ja, so sieht es auch immer aus, das Essen. Wenn die Alte im Bett so beschissen wäre, wie sie kocht, dann hätte ich sie schon längst rausgeschmissen.“ Minuten später saß er griesgrämig mit ihr am Tisch und sie versuchte, ein Gespräch in Gang zu bringen. „Na, gut geschlafen?“ „Natürlich nicht. Erstens kannst Du Dir die Frage sparen, weil Du schließlich neben mir liegst und zweitens ist es Dein Geschnarche, das mich um den Schlaf bringt“, ließ er verlauten. „Das ist erblich bedingt, dafür kann ich nichts. Gott sei Dank, daß heute noch niemand gestorben ist.“ „Der Tag ist noch lang und Gott braucht man dafür auch nicht danken, denn der hat damit rein gar nichts zu tun.“ Sie kaute ein wenig, bevor sie erwiderte: „Aber warum heißt es dann in den Todesanzeigen, Gott hätte die oder den zu sich gerufen?“ „Alles Humbug. Wir sterben, weil es ganz natürlich ist. Oder weil uns jemand erschießt, totfährt oder da wir einen Herzinfarkt haben. Es ist noch nie jemand gestorben, weil Gott ihn oder sie zu sich gerufen hat. Dafür gibt es immer eine logische, organische Ursache. Und wenn jemand Krebs hatte, dann hat Gott damit genausowenig zu tun. Schmeckt ausgezeichnet, das Essen.“ „Danke.“ Sie strahlte und er machte sich Hoffnungen, daß sie ihn an jenem Tag noch mal ranließ. „Und wie ist es bei diesen Selbstmorden?“ begehrte sie zu wissen, während sie das Geschirr wegräumte, das nicht mehr gebraucht wurde. Er erhob seine Stimme und sprach: „Allein das Wort Selbstmord ist schon falsch, denn es handelt sich dabei nicht um einen Mord im eigentlichen Sinn. Deshalb bevorzuge ich die Worte Suizid, Selbsttötung oder Freitod. Früher hätte ich diese jungen Leute außerhalb des Friedhofs beerdigen müssen, doch die Zeiten haben sich geändert. Diese Menschen haben sich eigenhändig umgebracht, auch dafür kann, darf und soll man Gott nicht verantwortlich machen.“ „Es gibt da aber auch anderslautende Gerüchte.“ „Gerüchte sind wie Gerüche, meine liebe Rosalinde, sie kommen und gehen und manchmal erzeugen sie einen üblen Nachgeschmack. Die Leute brauchen immer was zum Reden. Was glauben Sie denn, was über uns für Gerüchte im Umlauf sind?“ „Na ja, sehen Sie, die treffen ja durchaus zu. Wieso duzen wir uns jetzt nicht mehr?“ „Keine Ahnung, ich kann das nicht steuern, denn wenn Andere dabei sind, müssen wir uns ja auch siezen.“

„Herr Direktor, kommen Sie schnell, wir haben eine Leiche im Keller!“ rief seine Sekretärin ganz aufgeregt. „Schon wieder“, murmelte er genervt, doch ihren verwunderten Blick ignorierte er und folgte der leicht hysterischen Frau in den Keller, wo er mit diversen Mitarbeiterinnen seiner Firma schon so manches Schäferstündchen genossen hatte. Die junge Frau, die da erhängt vor sich hin baumelte, kannte er nur vom Sehen, an die hätte er sich früher oder später auch rangemacht, deshalb bedauerte er ihr Ableben durchaus. „Schauen Sie, da liegt ein Zettel“, bemerkte die Sekretärin und er nahm das Papier an sich. „Aber Chef, jetzt sind da doch Ihre Fingerabdrücke drauf“, fiel ihr ein, doch er schüttelte nur den Kopf und entgegnete: „Und wenn schon? Wieder einer von diesen rätselhaften Selbstmorden. Aber es paßt mir überhaupt nicht, daß sich die Frau in unserer Firma umgebracht hat, deshalb sollten wir sie lieber woanders hinschaffen.“

Und das taten sie dann auch. Sie fuhren die Tote in den Wald und hängten sie dort an einen Baum. Das alles funktionierte, weil die Sekretärin ihre Entdeckung gemacht hatte, als alle anderen Mitarbeiter der Firma schon Feierabend hatten. Der Direktor rief danach noch schnell seinen Freund, den Polizeichef, an, berichtete ihm, daß er im Wald eine Leiche an einem Baum entdeckt hätte und daß ein Abschiedsbrief dabei gelegen wäre. Damit war die Sache für ihn erledigt und sie kehrten wieder in die Firma zurück. „Meine liebe Mathilde, ich erwarte von Ihnen natürlich, daß Sie über die ganze Sache Stillschweigen bewahren. Wir haben zwar nichts zu verbergen, aber es wäre nicht gut für den Ruf unserer Firma, wenn wir da mit hineingezogen werden würden. Schlimm genug, daß die Tote für uns gearbeitet hat.“ „Wie meinen Sie das?“ erkundigte sich die Sekretärin, nachdem sie sich und ihrem Boß Schnaps eingeschenkt hatte. „Wir können froh sein, daß es gerade diese Selbstmordserie gibt, denn sonst hätten wir unangenehme Fragen zu beantworten. Hatte die Frau Probleme am Arbeitsplatz? Wurde sie gemobbt oder gepoppt? Wußte sie zu viel und mußte deshalb zum Schweigen gebracht werden? Und so weiter und so fort. Die Phantasie der Pressefritzen ist oft unermeßlich.“ „Aber ihr Abschiedsbrief könnte uns doch entlasten. Was stand denn drin?“ „Neugierige sterben bald, liebe Mathilde, aber wenn es Sie beruhigt: Die Frau hat ausschließlich persönliche Gründe für ihr Dahinscheiden angeführt, bei uns scheint es ihr recht gut gefallen zu haben.“ Beide atmeten erleichtert auf. „Aber was ist, wenn wirklich ein Serienmörder dahintersteckt?“ kam ihr in den Sinn und sie erwähnte es sogleich. „Dann müßte er sie erst dazu gezwungen haben, den Abschiedsbrief zu schreiben, bevor er sie umbrachte.“ „Ist das so unvorstellbar?“ „Möglich ist alles, meine liebe Mathilde, aber ich hoffe doch sehr, daß Ihnen Ihre grausame Entdeckung nicht die Lust auf unsere allabendliche erotische Unterhaltung genommen hat.“ „Also irgendwie schon“, gab die Sekretärin zu. „Verdammter Mist! Dann muß ich mir halt wieder eine Nutte bestellen.“

Der andere Mann betrat den Tante Emma-Laden der Stadt und besagte Tante Emma kam sofort auf ihn zu und forschte: „Wissen Sie schon das Neueste?“ „Eben nicht. Deshalb bin ich ja hier“, äußerte er sich. „Es gibt schon wieder eine Leiche. Und wieder Selbstmord.“ „Wird das denn nie ein Ende nehmen?“ Sie schaute ihn eindringlich an. „Natürlich nicht! Das ist die Strafe Gottes für die ganze Inzucht, die hier getrieben wird.“ Er hielt ihrem Blick stand, öffnete seinen Geldbeutel und holte ein Foto heraus. „Kennen Sie diese Person?“ erkundigte er sich. „Selbstverständlich. Das sind Sie als junger Mann.“ „Oh, tatsächlich! Da ist mir wohl ein Fehler unterlaufen. Kommt in letzter Zeit häufiger vor. Na ja, auf alle Fälle glaubt der Totengräber, daß hinter der ganzen Sache ein Serienmörder steckt.“ „Damit ist er nicht allein. Unsere Stadt ist in dieser Frage gevierteilt, äh, viergeteilt. Da gibt es eine große Gruppe, die an den Serienmörder glaubt. Eine etwas kleinere Gruppe ist davon überzeugt, daß es ganz normale Selbstmorde waren, wieder eine andere Gruppe glaubt, so wie ich, an eine Strafe Gottes und die kleinste Gruppe hält das alles für einen Schwindel, um unsere Stadt in Angst und Schrecken zu versetzen und um überregional bekannt zu werden.“ „Na, da könnte ich mir allerdings eine bessere Werbung vorstellen“, gestand der andere Mann und schaute zur Kasse, wo schon zwei Frauen auf Tante Emma warteten. „Wollen Sie nicht erst mal Ihre Kundschaft bedienen?“ wollte er wissen. „Die haben Zeit, die können warten. Erst einmal will ich von Ihnen erfahren, zu welcher Gruppe Sie gehören.“ „Mich überzeugen all diese Theorien nicht wirklich. Ich werde den Fall erst genauer unter die Lupe nehmen müssen, bevor ich eine Einschätzung abgeben kann.“ „Aber dafür haben wir doch unsere Polizei und die Lokalzeitung“, platzte es aus ihr heraus. Sie schauten sich kurz an und dann mußten sie Beide ganz laut lachen. „Der war echt gut, Tante Emma. Aber jetzt möchte ich erst einmal ein paar Waren kaufen.“ „Wenn es denn unbedingt sein muß“, murmelte sie ein bißchen angenervt und nahm, nachdem sie die Frauen abkassiert hatte, seine Bestellung entgegen. „Fühlen Sie sich manchmal nicht ein bißchen allein?“ fragte sie ihn, nachdem er bezahlt hatte. „Sollte ich das?“ gab er verwundert zurück. „Na ja, es heißt schließlich nicht umsonst, daß Leute, die zu lange allein leben, etwas wunderlich und kauzig werden.“ Er starrte sie irritiert an und sie wurde rot, weshalb sie seinem Blick auswich. „Halten Sie mich etwa für den Serienmörder?“ hakte er nach und sie schüttelte entschlossen den Kopf. „Ich würde niemals einen meiner Stammkunden verdächtigen, auch wenn ich erstaunlich wenig über Sie weiß.“ „Wieder so eine Anspielung. Und ich dachte, Sie glauben, das Ganze wäre eine Strafe Gottes.“ „Das auf jeden Fall, doch das heißt noch lange nicht, daß die jungen Leute nicht auch umgebracht worden sind. Kann schließlich gut sein, daß sie jemand im Auftrag des Herrn abmurkst.“ „In Ewigkeit amen. Adieu.“

Der Totengräber und der Pfarrer saßen in ihrer Stammkneipe und hatten schon einige Biere intus, als Gottfried Hof seinen Arm auf die Schulter des Geistlichen legte und lallte: „Hochwürden, Du bist ein armes Schwein. Jetzt nicht unbedingt finanziell betrachtet, aber Deine Kirche beutet Dich so lange aus, bis Du tot umfällst.“ „Und Du, Gottflieg, bist ein Glückspilz, denn Du hast den krisensichersten Job auf der ganzen Welt. Sterben tun die Leute nämlich immer“, ließ der Pfarrer von sich hören und rülpste. „Das sag mal bitte meinem Fußpilz, daß ich ein Glückspilz bin. Was für ein Jammer! Und jetzt haben die doch schon wieder eine Leiche gefunden, diese blöden, besoffenen Polizisten. Die bringen uns noch ins Grab.“ Auf einmal gesellte sich die Kneipenwirtin zu ihnen und forschte: „Na, Ihr zwei Hübschen, darf’s noch was sein?“ „Für mich noch einen doppelten Korn und für den Herrn Pfarrer ein Glas Wasser. Das kann er dann selbst in Wein verwandeln“, witzelte der Totengräber. „Wie denn? Das konnte doch nur Jesus“, erwiderte jener. „Was habt Ihr eigentlich in Eurem endlosen Studium gelernt?“ „Daß der Papst immer Recht hat.“ „Also gut, dann trinken wir jetzt auf den hochheiligen Ratz!“ rief Gottfried. „Nicht so laut, die anderen Gäste fragen schon dauernd, welche Penner hier so einen Lärm veranstalten“, berichtete die Wirtin. „Wer denn? Die grabe ich nicht ein, wenn sie tot sind.“ „Und meinen Segen bekommen die auch nicht“, fügte der Geistliche hinzu. „Das sind Fremde, ich hab die hier auch noch nie gesehen. Sind sehr neugierig, vermutlich irgendwelche Schmierfinken.“ Nach diesen Worten verzog sich die Wirtin wieder. „Na, Alter, wie läuft es denn mit Deiner Haushälterin? Kocht sie immer noch so schlecht?“ „Und ob! Ich habe auch keine Hoffnung mehr, daß sich das noch irgendwann ändert. Manchmal esse ich schon im Altenheim zu Mittag, damit ich ihren Fraß nicht futtern muß. Aber im Bett ist sie eine Granate.“ „Wenn das der Kirchenführer wüßte.“ „Wie meinst Du das, Gottfried?“ „Dann würde er sie bestimmt einem Bischof vermitteln oder nach Rom holen.“ „Kann schon sein, aber für mich wäre das eine Katastrophe.“ Nun kehrte die Wirtin zu den Beiden zurück, setzte sich zu ihnen und erläuterte: „Also, liebe Freunde, ich bin fest davon überzeugt, daß der Serienmörder einer von uns ist. Und ich werde auch herausfinden wer, denn wenn ich die Leute abgefüllt habe, dann erzählen sie mir alles.“ „Also ich war es schon mal nicht, denn ich bin doch nicht so blöd und verschaffe mir bei diesem Sauwetter jeden Tag so eine Scheißarbeit“, stellte der Totengräber klar. „Außer Du hättest eine gespaltene Persönlichkeit, was ich durchaus für möglich halte, weil ich Dich schon seit geraumer Zeit doppelt sehe. Ich war es auch nicht, weil ich doch nicht selbst dafür sorgen würde, daß ich jeden Tag eine Beerdigung halten muß“, verkündete Hochwürden. „Und ich war es erst recht nicht, weil alle diese jungen Leute gute Stammkunden bei mir waren“, ließ die Wirtin verlauten.

Das Treffen des Journalisten mit dem Polizeichef fand in dem Wald statt, in dem man die letzte Leiche gefunden hatte. „Was ist los, Herbert?“ forschte Karl. „Na ja, wir haben bei der letzten Leiche nicht nur einen Abschiedsbrief, sondern auch einige Fingerabdrücke an ihr gefunden“, gab jener zu. „Da haben sich Deine Polizisten wohl mal wieder nicht beherrschen können“, frotzelte der Reporter. Der Polizistenboß blieb stehen, schaute ihn ernst an und warf danach einen Ast zwischen die Bäume. „Laß diese dämlichen Unterstellungen, Karlchen! Wie Du weißt, konnten die Nekrophilie-Vorwürfe gegen zwei meiner Untergebenen nie erhärtet werden.“ „Na ja, aber ein bißchen was bleibt halt immer hängen. Jetzt aber mal unter uns: Wer steckt hinter der ganzen Sache?“ „Das wüßte ich auch gerne. Wir sind gerade dabei, zu untersuchen, ob zwischen den Toten irgendeine Verbindung bestand, aber falls ein Serienmörder dahinterstecken sollte, dann wäre der ein Meister im Spuren verwischen.“ „Und was ist mit den Fingerabdrücken?“ „Die gehören dem Direktor unserer Metallbaufirma und es ist ja in der ganzen Stadt bekannt, daß der seine Angestellten, insbesondere die weiblichen, gerne befingert.“ „Ich dachte immer, Du wärst mit ihm befreundet.“ „Genau deswegen lege ich auch für ihn die Hand ins Feuer. Arthur ist kein Mörder, sondern nur ein Schwein.“ „Was aber, wenn es tatsächlich Selbstmorde waren?“ „Na ja, dann wird bald eine ganze Horde von Psychologen und Psychiatern hier einfallen.“ Plötzlich raschelte es im Gebüsch und Sekunden später stand ein junger Bär vor ihnen. Sie erschraken und wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten. „Keine Angst, Leute! Ich habe mir nur ein Bärenfell angezogen, damit ich im Winter hier draußen nicht so friere“, erzählte ein Mann, den die beiden Geschockten sogleich als Udo, den Penner, identifizierten. „Was machst Du denn hier draußen? Ich dachte immer, Du wärst ein Stadtstreicher“, erwähnte Karl. „Dort ist es mir inzwischen zu gefährlich geworden, deshalb habe ich mich zum Waldschrat umschulen lassen.“ „Eine sehr vernünftige Entscheidung“, lobte der Polizeichef. Daraufhin kehrten jener und der Journalist zu ihren Autos zurück. „Was soll ich denn in meinem Bericht schreiben?“ fragte Karl zum Abschluß. „Daß die Leute keine Angst haben brauchen, weil die Polizei alles unter Kontrolle hat“, diktierte der Gefragte. „Und was ist, wenn das Sterben weitergeht?“ „Dann muß ich mir wohl schon bald einen anderen Job suchen.“ „Das werde ich nicht zulassen. Übrigens, was stand eigentlich in diesem Abschiedsbrief?“ „Nichts Besonderes, nur das übliche Selbstmördergewäsch, so nach dem Motto: Trauert nicht um mich, ich bin jetzt an einem besseren Ort und dort sehen wir uns wieder und so weiter ...“ „Was mir auffällt ist, daß sich scheinbar Leute umbringen, von denen man es nicht erwartet. die Depressiven laufen alle noch lebendig unter uns herum. Könnte das nicht bedeuten, daß da eine neue Sekte existiert?“ „Gut möglich. Freimaurer oder Illuminaten - welches Schweinderl hättest denn gern?“ „Vielleicht der Kuckucksklan.“