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Zwischen den sanften Hügeln Pannoniens und den Nebelschwaden der Donau entfalten sich Geschichten voller Zauber und Melancholie. Pannonische Perspektiven ist eine Sammlung von Erzählungen, die die Grenze zwischen Wirklichkeit und Legende verwischen. Ein Busó schläft nach dem Fest im Boot ein und erwacht in einem anderen Land. Ein alter Uhrmacher in Baja repariert nicht nur Zeit, sondern vielleicht auch Schicksale. Und ein Mann, der sich verirrt, landet auf der Fischerbastei, wo er sich unversehens als Künstler wiederfindet. Mit poetischer Sprache und einem feinen Gespür für Atmosphäre erzählt Mara von Eichen von skurrilen Begegnungen, zeitlosen Momenten und den verborgenen Geschichten, die in den Dörfern und Kellern Pannoniens lauern. Ein Buch für alle, die das Geheimnisvolle lieben und für jene, die wissen, dass die schönsten Geschichten oft dort beginnen, wo man sie am wenigsten erwartet.
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Seitenzahl: 174
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Mara von Eichen lebt mit ihrer Familie in Südungarn und verbindet in ihren Werken Natur,Psychologie,Bewusstsein und kreative Ausdrucksformen. Als Autorin und Künstlerin betrachtet sie die Welt mit besonderer Sensibilität und Tiefgang. Ihre Sachbücher laden dazu ein, neue Perspektiven zu entdecken und die Verbindung zwischen Mensch und Technologie bewusster wahrzunehmen. In der Ruhe der unberührten Landschaft findet sie Inspiration für ihre Arbeiten, die Verstand und Seele gleichermaßen ansprechen.
Für unseren
Freund József,
der uns mit offenen Armen und einem großen Herzen in Ungarn willkommen hieß.
Er zeigte uns seine Welt mit Stolz – die sanften Hügel, die goldenen Weinreben, den Blick bis nach Mohács.
Seine Gastfreundschaft war so tief wie die Wurzeln seines Weingartens, seine Geschichten klangen so warm wie das Glas Wein in seiner Hand.
József, du hast uns ein Zuhause in der Ferne geschenkt.
Du hast uns mit Lachen empfangen, mit Herzlichkeit bewirtet, mit Weisheit bereichert.
Und viel zu früh bist du gegangen.
Doch auf den
Hügeln liegt noch immer dein Echo, in den Reben flüstert deine Stimme,und jedes Mal, wenn wir zur Donau blicken, wissen wir, dass du noch da bist – als Licht, als Erinnerung, als Stern über Pannonien.
Dieses Buch ist für dich.
Das Haus, das auf niemanden wartete
Das schlaue Huhn von Dombóvár
János und der König der Maulwürfe
Die hellsehende Katze von Kecskemét
Der Mann ohne Vergangenheit
Die launische Brücke von Mohács
Die philosophische Weinrebe
Balázs Begegnung
Der Lichtdieb von Harkány
Tamás und der Tanz der Busos
László und die Jawa, die fliegen konnte
Der Hahn und das Leben
Der Busó, der davonträumte
Der Uhrmacher von Baja
Gábor und das Weinfass auf großer Fahrt
Eszter und das Lebkuchenreich
Ágnes und das Huhn der Zeit
Die Frau, die Segelschiffe strickte
Der Mann, der die Schatten sammelte
Der sprechende Hund von Komló
Die Pferde der Puszta
Die Fischsuppe und das Geheimnis der Alten
Miklós und der fliegende Kürbis
Erzsébet und die störrische Ziege
Tamás und die verschwundene Csárda
Die tanzenden Knödel von Geresdlak
Der Zauberer von Pécs
Der Hirsch vom Zengő
Der Mann, der die Zeit sammelte
Imre und der intergalaktische Grubber
Die singende Fischsuppe von Baja
Der Mann, der den Regen fangen wollte
Zoltáns Reise mit dem Weinfass
Die verschwundene Tür von Pécsvárad
Der fliegende Plattensee-Kiosk
Miklós und die verschwundenen Straßen
Der Weinkeller von Hajós
Die sprechende Eiche von Máriagyűd
Der wandernde Weinstock von Villány
Der große Gemüseaufstand von Szekszárd
Der Holunderbaum und der alte Mann
Gergö und der Nachtzug
József und die Sternschnuppe
Manche Orte brennen sich in die Seele ein. Sie haben eine Stille, die spricht, eine Weite, die atmet, und eine Zeit, die nicht vergeht.
Pannonien ist so ein Ort.
Hier fließt die Donau, als wüsste sie von alten Geheimnissen. Hier ziehen die Hügel ihre sanften Linien in den Horizont, als hätten sie unzählige Geschichten zu erzählen. Hier schmeckt der Wein nach vergangenen Sommern, und die Abende sind erfüllt von Lachen, leiser Musik und dem Rauschen der Blätter im Wind.
Dieses Buch ist eine Sammlung von Geschichten, die an diesen Orten verwurzelt sind – in kleinen Dörfern, in versteckten Kellern, an der Donau, die alles verbindet. Sie sind magisch, weil Pannonien magisch ist. Sie sind ein wenig skurril, weil das Leben manchmal eben so spielt. Und sie sind voller Seele, weil sie Menschen gewidmet sind, die mit offenen Herzen leben.
Allen voran József, der uns in Ungarn willkommen hieß, als wären wir nie Fremde gewesen. Er zeigte uns sein Land mit der gleichen Liebe, mit der er seinen Weinberg pflegte. Sein Lachen klang nach Zuhause, seine Geschichten waren reicher als jedes Buch.
Dieses Buch ist für ihn – und für alle, die wissen, dass manche Orte und Menschen für immer bleiben.
Mara von Eichen
Die Donau kennt Geschichten, die älter sind als Worte. Sie trägt sie in ihren Strömungen, verbirgt sie in ihren Wirbeln und flüstert sie denjenigen zu, die bereit sind zuzuhören.
Als ich diese Geschichten schrieb, führte mich mein Weg durch die Weiten Pannoniens – über sanfte Hügel, vorbei an goldenen Weizenfeldern und tief hinab in dunkle Weinkeller. Ich hörte den Wind durch alte Presshäuser streifen, sah die ersten Nebelschwaden über der Donau tanzen und spürte, dass an diesen Orten mehr verborgen liegt, als das Auge sehen kann.
Hier, in diesen Landschaften, entstehen die Geschichten, die in diesem Buch erzählt werden. Sie sind verwurzelt in der Tradition, aber schweben über der Wirklichkeit. Sie spielen in Dörfern, die auf keiner Karte zu finden sind, und in Zeiten, die sich nicht festhalten lassen. Sie sind eine Einladung – in eine Welt voller Magie, Nostalgie und einem Augenzwinkern.
Ich lade dich ein, mit mir durch diese Seiten zu reisen. Lass dich treiben, so wie der Busó in seinem Boot, und entdecke die geheimen Pfade von Pannonische Perspektiven.
Mara von Eichen
Am Rande eines kleinen ungarischen Dorfes, dort, wo die Straßen aufhören und die Felder beginnen, stand ein Haus, das auf niemanden wartete. Es war ein ganz gewöhnliches Haus, weder alt noch neu, aber es trug einen gewissen Charme in sich, der von den Geschichten zeugte, die seine Wände erzählt hatten. Die Fensterläden knarrten leise im Wind, als würden sie ein Lied aus einer fernen Zeit flüstern, während die Tür zwar geschlossen, jedoch nicht verschlossen war – als wäre sie bereit, all jenen, die vorbeikamen, einen Einblick in ihr geheimes Leben zu gewähren.
Wenn man stillstand, konnte man das sanfte Summen hören, das von innen kam – ein Geräusch wie atmende Wände, Erinnerungen, die sich hartnäckig weigerten, aus dem Gedächtnis der Welt getilgt zu werden. Es war, als ob das Haus selbst lebendig war und auf einen besonderen Moment wartete, auf eine Begegnung, die es schon lange herbeisehnte.
Eines besonders warmen Sommertags kam ein Mann ins Dorf. Er hatte keine Eile, was ihn selbst am meisten überraschte. Mit gemächlichen Schritten schlenderte er durch die Straßen, sah die weißen Mauern der Häuser, die dunklen Weinstöcke, die sich in den Gärten krümmten, und das Licht, das aus den Fenstern flackerte wie alte Geschichten, die darauf brannten, erneut erzählt zu werden.
Als er auf dem kleinen Platz stand, wo ein Brunnen seit Jahrzehnten tropfte, sprach er einen alten Mann an, der dort saß. Mit der Gelassenheit eines Menschen, der weiß, dass er das Tempo des Lebens nicht ändern kann, knackte der Alte Sonnenblumenkerne.
„Was steht da draußen für ein Haus?“ fragte der Mann neugierig und deutete mit der Hand in die Richtung des geheimnisvollen Gebäudes.
Der Alte schob seinen Hut tiefer ins Gesicht, kaute bedächtig und zuckte schließlich mit den Schultern. „Ach, das.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das steht da halt.“
„Gehört es jemandem?“ hakte der Mann nach.
„Schwer zu sagen“, murmelte der Alte mit einem geheimnisvollen Lächeln.
„Warst du mal drin?“
Der Alte schüttelte den Kopf. „Warum sollte ich? Ich hab doch mein Haus. Und du?“
Der Mann zuckte mit den Schultern. „Ich hab keins.“
Der Alte musterte ihn kurz, spuckte eine Schale aus und meinte nur: „Na dann.“
Irgendwie war das Gespräch beendet, und der Mann wusste selbst nicht genau, warum er das Haus betrat. Vielleicht, weil niemand ihm verbieten wollte, das zu tun, was andere für verrückt hielten. Vielleicht auch, weil er einfach nichts Besseres zu tun hatte.
Das Gras wuchs hoch am Rand des Weges, kleine gelbe Blüten leuchteten im Schatten der Akazien. Der Himmel war weit und trug das sanfte Blau eines Sommerabends, an dem die Hitze sich zurückzog und die Welt einen kurzen Moment aufatmete. Als er die knarrende Tür öffnete, empfing ihn nicht die Stille, wie er erwartet hatte, sondern ein leises, freundliches Summen.
Es klang, als würde das Haus ihn kennen.
Er trat ein.
Und die Welt kippte.
Kein Übergang, kein Wirbel, kein Ruck – nur ein Wimpernschlag – und plötzlich fand er sich woanders wieder.
Ein Schrei.
Kein lauter Schrei, eher ein unterdrückter, erschreckter Laut, der von mehreren Seiten kam. Der Mann blinzelte verwirrt. Um ihn herum froren Menschen für einen Moment ein – eine Frau mit einer Kamera, die so gut war, dass sie die Realität festhalten konnte; ein Mann mit einem Espresso in der Hand, der aussah, als würde er gleich ersticken; ein Straßenmusiker, der die Hände bereits am Akkordeon hatte, aber den Ton einfach nicht herausbrachte.
Ein Pärchen wich erschrocken zurück. Ein Hund kläffte.
Und dann ging alles weiter, als ob nichts geschehen wäre.
Er stand auf der Fischerbastei in Budapest.
Die Stadt summte um ihn herum, als wäre es das Normalste auf der Welt, dass jemand einfach aus dem Nichts auftauchte. Er ließ seinen Blick über die glitzernde Donau gleiten, die im goldenen Sonnenlicht glänzte, und fragte sich, ob er vielleicht gerade einen Umweg im Leben genommen hatte. Ein kurzer Moment der Verwirrung schoss durch seinen Kopf und dann … lachte er. Laut, frei, herzlich.
Ein Passant sah ihn irritiert an, während eine Touristin einen Schritt zur Seite trat, um nicht in das Lachen eines frischgebackenen, potenziellen Wahnsinnigen zu geraten. Doch es war ihm egal! Nichts, wirklich gar nichts, konnte ihn mehr überraschen.
„Ah, da sind Sie ja endlich!“
Überrascht drehte er sich um. Eine Frau stand vor ihm – elegant gekleidet, mit einem Notizbuch in der Hand und einem leicht atemlosen Ausdruck im Gesicht. Sie hatte diese Art von Ausstrahlung, die dafür sorgte, dass Menschen unbewusst straffer standen und sich bemühten, ihre eigenen chaotischen Gedanken zu ordnen.
„Herr Marton, endlich! Wir dachten schon, Sie hätten sich verlaufen.“
Der Mann dachte kurz nach. Er war sich ziemlich sicher, dass er kein Herr Marton war. Andererseits … warum nicht?
„Wir haben kaum noch Zeit“, fuhr sie fort. „Die Galerie ist voll, alle warten. Ihr Vortrag zur postmodernen Symbolik und zum freien künstlerischen Ausdruck wird mit Spannung erwartet.“
Der Mann nickte langsam, unsicher, ob er wirklich der Richtige für diesen Job war. Postmoderne Symbolik? Freier künstlerischer Ausdruck? Klang machbar.
Er zuckte mit den Schultern und strich sich übers Kinn, während er mit nachdenklichem Blick sagte: „Kunst ist schließlich immer ein Dialog.“
Die Frau seufzte erleichtert. „Ja, genau! Ein Dialog! Sie verstehen es eben.“
Er tat so, als hätte er das schon immer gewusst.
„Kommen Sie, bitte.“
Sie hakte sich bei ihm unter, während sie durch die Menge gingen, die sie fast magisch umschloss.
Die Fischerbastei verblasste hinter ihnen, als sie in eine Seitengasse abbogen. Er wusste nicht, was ihn erwartete, aber nach einem Haus, das ihn ohne Vorwarnung quer durch Ungarn befördert hatte, konnte ihn wirklich nichts mehr erschüttern.
Und irgendwo, auf einem Hügel in einem kleinen ungarischen Dorf, summte ein Haus leise vor sich hin, nicht wartend aber bereit für die nächste kurvenreiche Reise, die das Leben für sich bereithielt.
In Dombóvár gab es ein Huhn.
Nicht irgendein Huhn.
Es war das schlauste, unverschämteste und wahrscheinlich reichste Huhn Ungarns.
Sein Name war Rozália, und es lebte auf dem Hof von Erzsébet néni, einer alten Frau, die mehr wusste, als sie je zugab.
Die Leute im Dorf redeten schon lange über Rozália.
„Sie ist nicht normal.“
„Sie scharrt immer im Sand und gackert seltsame Zahlen.“
„Erzsébet néni hat sie einmal mit einem Taschenrechner gesehen!“
Niemand nahm es ernst.
Bis Jóska aus der Bäckerei kam und erzählte, dass Rozália die letzten drei Ziehungen der Lottozahlen exakt vorhergesagt hatte.
Da wurde es interessant.
Es begann ganz harmlos.
Jóska wollte eigentlich nur frische Eier kaufen.
Er stand im Hof, als Rozália plötzlich mit einem lauten „KOT-KOT-KOT!“ über den Boden scharrte.
Erzsébet néni runzelte die Stirn.
„Was hast du denn jetzt wieder?“
Rozália scharrte weiter.
Dann krächzte sie: „Zwei! Sechs! Zwanzig! Vierundvierzig! Siebenundvierzig!“
Jóska blinzelte.
„Was war das?“
Erzsébet néni seufzte. „Ach, die alte Glucke macht das ständig.“
Aber Jóska, ein kluger Mann, schrieb sich die Zahlen auf.
Am Samstag gewann genau diese Zahlenkombination.
Er hätte spielen sollen.
Beim nächsten Mal tat er es.
Und gewann.
Seitdem kamen die Leute aus dem ganzen Dorf.
„Rozália! Sag mir die Zahlen!“
„Nur eine! Eine einzige Zahl, bitte!“
„Ich geb dir Mais! Goldenen Mais!“
Rozália wurde zur Legende.
Sie bekam einen eigenen Hühnerpalast mit vergoldetem Futternapf.
Erzsébet néni kaufte sich einen neuen Ofen und eine Waschmaschine, die nicht mehr beim Schleudern durch die Küche lief.
Und das Dorf?
Wurde verdammt gut im Lottospielen.
Bis …
Rozália plötzlich schwieg.
Ein ganzes Wochenende lang kein einziges Kotkot.
Die Leute wurden nervös.
Erzsébet néni sah sie streng an.
„Ihr habt es übertrieben. Sie ist keine Maschine. Sie ist ein Orakelhuhn.“
Die Leute flüsterten.
Ein Orakelhuhn?
Ein magisches Wesen?
Rozália krähte zustimmend.
„KOT-KOT-KOT!“
Seitdem hat sich niemand mehr getraut, sie zu drängen.
Aber …
Jeden Donnerstag scharrt sie ganz beiläufig ein paar Zahlen in den Sand.
Wer klug ist, beobachtet genau.
Und wer gierig ist …
Nun ja.
Rozália hat noch nie jemandem zwei Mal hintereinander Glück gebracht.
Aber wenn sie dich ansieht, mit diesen klugen Hühneraugen, dann weißt du …
Sie könnte.
Wenn sie wollte.
Die Nacht in Bonyhád war warm, und die Sterne funkelten, als hätte jemand eine Handvoll Diamanten über den Himmel geworfen. János saß vor seinem Haus, nippte an seinem Wein und überlegte, ob es sich noch lohnen würde, ein zweites Glas einzuschenken, als es rumpelte.
Nicht irgendwo.
Direkt unter ihm.
Das ganze Haus vibrierte kurz. Dann noch einmal.
János zog die Augenbrauen zusammen. Ein Erdbeben? Unwahrscheinlich. Eine Maulwurfinvasion? Ungewöhnlich. Ein geheimer Schatz, der sich plötzlich öffnete? Das wäre mal was.
Er stellte das Glas beiseite und klopfte mit dem Fuß auf den Boden.
„Was soll das?“
Der Boden klopfte zurück.
János erstarrte.
Dann, mit einer Mischung aus Neugier und gesundem Misstrauen, stand er auf, nahm seine Laterne und ging zum Brunnen hinter dem Haus.
Er blickte hinein.
Der Brunnen war tief, aber er war nie besonders aufregend gewesen.
Heute allerdings – leuchtete er.
Nicht einfach nur ein bisschen, sondern richtig.
Blaues, pulsierendes Licht flackerte an den Wänden entlang, als wäre dort unten eine geheime Untergrund-Disco.
„Na gut,“ murmelte János. „Das ist definitiv neu.“
Er lehnte sich weiter vor, versuchte mehr zu erkennen – und fiel hinein.
Er hätte mit kaltem Wasser gerechnet. Mit Dunkelheit. Vielleicht mit einem harten Aufprall.
Stattdessen landete er weich.
Auf etwas, das sich anfühlte wie … Kissen?
János blinzelte.
Er lag in einem riesigen unterirdischen Wohnzimmer.
Mit roten Samtsofas, goldenen Lampen und einem Kamin, in dem ein blaues Feuer brannte. An den Wänden hingen alte Gemälde von Maulwürfen in Anzügen.
„Mi a fene…?“ murmelte er.
„Endlich!“ rief eine Stimme.
János drehte sich um – und da stand ein Maulwurf.
Aber nicht irgendein Maulwurf.
Er trug eine goldene Weste, eine runde Brille und hielt eine kleine Teetasse in der Pfote.
„Du bist spät!“ sagte der Maulwurf.
János öffnete den Mund. Schloß ihn wieder. Dann öffnete er ihn erneut.
„Ich… bin spät wofür?“
Der Maulwurf schnaubte. „Für das große Untergrund-Bankett natürlich! Wir warten seit Jahren auf den offiziellen Vertreter der Oberwelt.“
János kratzte sich am Kopf.
„Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor.“
Der Maulwurf sah ihn streng an.
„Du bist János, ja?“
„Ja.“
„Du hast einen Brunnen?“
„Ja…?“
„Na also. Das reicht. Hier, setz dich. Der Maulwurfskönig will mit dir reden.“
János ließ sich auf ein Sofa plumpsen, während ein anderer Maulwurf ihm ein Glas leuchtenden blauen Schnaps reichte.
„Was zur Hölle…?“ murmelte er und nahm einen Schluck.
Es schmeckte nach … Regen und Sommerabenden.
Dann ging eine Tür auf – und der Maulwurfskönig trat ein.
Er war riesig. Fast einen Meter hoch. Seine Krallen glänzten, und auf seinem Kopf saß eine goldene Krone mit kleinen Edelsteinen.
„Ah! Der Mensch ist endlich da!“ rief er und breitete die Arme aus. „Willkommen im Ersten Königreich der Unterirdischen!“
János war sich inzwischen sicher, dass er entweder träumte oder den besten Schnaps seines Lebens erwischt hatte.
„Danke…?“ murmelte er vorsichtig.
Der Maulwurfskönig nickte zufrieden. „Wir haben eine Bitte.“
„Natürlich habt ihr die.“
„Wir brauchen Zwiebeln.“
János blinzelte. „Wie bitte?“
Der König lehnte sich vor. „Zwiebeln! Für unser geheimes Rezept! Wir haben ALLES – aber die Oberwelt verbirgt uns die Zwiebeln!“
János nahm noch einen Schluck Schnaps.
Dann sagte er:
„Also… ihr habt eine magische unterirdische Stadt… eine blaue Feuerquelle… sprechende Maulwürfe mit Goldwesten… aber keine Zwiebeln?“
Der Maulwurfskönig nickte ernst. „Genau.“
János überlegte.
Dann zuckte er die Schultern.
„Na gut. Ich bring euch Zwiebeln.“
Die Maulwürfe jubelten. „Ehre sei dem Zwiebellieferanten!“
János lachte.
Und während die Maulwürfe feierten, dachte er nur eines:
„Ich werde nie wieder nüchternen Verstandes in diesen Brunnen schauen.“
Seit diesem Tag sieht man János manchmal über den Markt schlendern, mit einem großen Sack Zwiebeln über der Schulter.
Und wenn ihn jemand fragt, warum er so viele braucht, dann grinst er nur.
Denn manche Dinge kann man einfach nicht erklären.
In dem malerischen Städtchen Kecskemét, wo die Glockentürme in der Sonne glänzten und die Obststände auf den Märkten von süßem, saftigem Obst überquollen, gab es eine ganz besondere Buchhandlung. Nicht etwa wegen der Bücher, die dort standen, oder der geheimen Schubladen, in denen alte Liebesbriefe auf ihre Entdeckung warteten. Nein – das wahre Juwel des Ladens war Szeréna, die berühmte Katze von Kecskemét.
Szeréna war keine gewöhnliche Katze. Sie hatte ihren eigenen Kopf – und eine unheimliche Gabe. Meist lag sie lässig auf dem Tresen, blinzelte träge und ließ ihren Schwanz elegant über die alten Buchstapel schwingen. Doch sobald jemand den Laden betrat, veränderte sich die Atmosphäre. Mit einem leichten Schnurren gab Szeréna Ratschläge – nicht mit Worten, sondern durch Blicke, kleine Gesten und die geheimnisvolle Art, wie sie sich zwischen den Büchern bewegte.
Eines Tages betrat eine junge Frau den Laden. Ihr Gesicht war eine Mischung aus Verwirrung und Hoffnung.
„Ich suche ein Buch über die Liebe“, murmelte sie und strich mit den Fingern über die Buchrücken.
Szeréna, die eben noch gedöst hatte, öffnete langsam die Augen. Mit katzenhafter Präzision sprang sie auf das oberste Regal, stieß einen dicken Wälzer herunter – und ließ ihn mit einem lauten „Plumps!“ auf den Boden fallen.
Der Titel lautete: „Denk lieber zweimal nach.“
Die Frau runzelte die Stirn. „Also … nicht?“
Szeréna blinzelte. Kein Kommentar.
„Dann vielleicht etwas über Selbstfindung?“ fragte die Frau hoffnungsvoll.
Die Katze tappte gemächlich zu einem schmalen Band und rieb sich an seinem Einband. Der Titel lautete: „Auch das wird nichts.“
Die Frau seufzte tief. „Na schön. Dann nehme ich das.“
Als sie den Laden verließ, flüsterte sie leise zu sich selbst: „Aber sie hat wohl recht …“
An einem sonnigen Tag, als die Luft nach frisch gebackenem Brot roch und die Vögel auf den Dächern zwitscherten, betrat Bürgermeister László die Buchhandlung. Er war ein pragmatischer Mann, der nicht viel von Hokuspokus hielt. Dennoch hatte er von der „hellsehenden“ Katze gehört – und war neugierig geworden.
Er ließ sich in einen abgewetzten Sessel sinken, sah Szeréna direkt an und fragte: „Szeréna, ich plane ein großes Stadtfest. Wird es ein Erfolg?“
Die Katze sprang elegant vom Tresen, lief langsam um ihn herum – und musterte eingehend seine Schuhe. Dann setzte sie sich mit dem Rücken zu ihm, schnurrte leise … und tat nichts weiter.
Der Bürgermeister runzelte die Stirn. „Was soll das heißen?“
Die Buchhändlerin, die das Geschehen beobachtete, schmunzelte. „Das heißt: Lass es lieber.“
László winkte ab. „Ich lasse mich doch nicht von einer Katze belehren!“ Kopfschüttelnd stand er auf und marschierte entschlossen aus dem Laden.
Doch am Tag des Festes erwiesen sich Szerénas prophetische Fähigkeiten als beunruhigend präzise.
Kein einziger Musiker erschien. Der Hauptredner vergaß seine Rede. Und mitten auf dem Festplatz brach eine Wasserleitung.
Als László am nächsten Tag mit gesenktem Kopf zurückkehrte, lag Szeréna bereits wieder auf dem Tresen und ließ sich nicht stören. Doch als er nähertrat, sprang sie auf seinen Schoß und schnurrte zufrieden.
Der Bürgermeister seufzte tief. „Ich hätte auf dich hören sollen.“
Szeréna gähnte demonstrativ – als hätte sie das ohnehin nie bezweifelt.
Eines Tages betrat ein nervöser Mann den Laden. Er sah sich unsicher um, trat näher und fragte zögernd:
„Szeréna … soll ich meinen Job wechseln?“
Die Katze streckte sich, tappte mit einer Pfote über ein Regal – und ließ mit einem kleinen Stoß ein Buch hinabfallen.
Der Titel lautete: „Wenn du es noch fragen musst, ist die Antwort nein.“