"Papa, lach doch mal!" - Tobias Radloff - E-Book

"Papa, lach doch mal!" E-Book

Tobias Radloff

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Beschreibung

Heulkrampf im Supermarkt. Indoktrinierende Kinderfernsehserien. Der allmorgendliche Kampf gegen das Verlangen, sich die Decke über den Kopf zu ziehen. In 26 Gedichten, Geschichten und Berichten erzählt der Schriftsteller Tobias Radloff vom Leben als depressionskranker Vater, dessen Gedanken einfach nicht zur Ruhe kommen wollen. Schonungs-, aber nie hoffnungslos schreibt er über Niederlagen, Momente des Glücks und über das Absurde im Alltäglichen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 84

Veröffentlichungsjahr: 2025

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„Papa, lach doch mal!“

Geschichten aus dem Leben mit Kind und Depression

Tobias Radloff

Kater & Katharsis

2025

© Tobias Radloff

„Papa, lach doch mal!“

für P ich vermisse dich

Vorwort

Dies ist ein sehr persönliches Buch.

Kind und Depression – zwei Einschnitte, von denen jeder für sich allein genügt hätte, um meinen Alltag (und meine Gewissheiten) gehörig umzukrempeln. Im Zusammenspiel haben sie mein Leben derart gründlich auf den Kopf gestellt, dass ich mir nicht anders zu helfen wusste, als darüber zu schreiben. Das ist insofern erwähnenswert, weil ich zwar seit meiner frühen Jugend schreibe, aber nie über mich selbst. Bislang gab es von mir immer nur Belletristik zu lesen.

Das hat sich nun geändert.

Dieses Buch enthält eine Auswahl von Geschichten, Gedichten und anderen Texten, die zwischen 2017 und 2025 entstanden sind. Einigee von ihnen sind in Anthologien und Literaturzeitschriften erschienen. Andere habe ich im Rahmen von Lesungen und Poetry Slams auf der Bühne vorgetragen. Die meisten veröffentliche ich hier zum ersten Mal.

Auch wenn dies ein sehr persönliches Buch ist, ist es dennoch – zumindest in Teilen – ein Werk der Fiktion. Manche der beschriebenen Ereignisse haben sich nie wirklich zugetragen. Andere sind zwar geschehen, aber nicht so wie geschildert.

Ich kann jedoch guten Gewissens versichern, dass die entscheidenden Dinge zu hundert Prozent der Wahrheit entsprechen. Ich habe wirklich Depressionen. Ich habe wirklich ein Kind. Und selbst wenn nicht immer alles genau wie geschildert passiert ist, hätte es doch sehr wohl genau so passieren können.

Wenn also mein Kind die Worte Papa, lach doch mal! möglicherweise nie von sich aus gesagt hat, so haben sie dennoch an etwas in meinem Innern gerührt, das ich ohne sie nicht zu fassen bekommen hätte. Das Schreiben hilft mir, Gefühle und Erlebnisse zu verarbeiten, sie loszulassen und vielleicht sogar irgendwann darüber lachen zu können.

Und bis ich das geschafft habe, bringe ich mit diesem Buch einfach schon mal ein paar andere Menschen zum Lachen. Denn ob Eltern oder kinderlos, mit oder ohne Depression – Gelegenheiten zum Lachen kann man nie genug haben.

Tobias Radloff im September 2025

Die unsichtbare Katze

Mein Papa ist toll. Er ist sehr groß und stark und er kann mich durch die Luft wirbeln, bis ich einen Drehwurm habe und wieder runter will. Er kann alles, nur manchmal kann er nicht mehr lachen.

Ich bin drei. Mein Papa und meine Mama sind schon groß, ich glaube sechs, oder zwanzig, und sie dürfen Bier trinken und lange aufbleiben. Papa und Mama spielen immer mit mir und gucken Bücher an und machen mir die Bananenschale auf, wenn ich es nicht kann. Das ist sehr nett. Manchmal schimpfen sie auch, das ist nicht so nett. Ich mag sie sehr gerne.

Ich lache viel, denn es ist immer lustig, wenn wir spielen. Mama und Papa lachen auch viel, aber manchmal lacht Papa nicht, obwohl es sehr lustig ist. Dann guckt er ganz traurig, sogar wenn ich ihm einen Witz erzähle. Wenn ich einen Witz erzähle, muss ich immer ganz doll lachen, und Papa und Mama auch. Nur wenn Papa so traurig guckt, lacht er nicht.

Warum bist du so traurig, Papa?, habe ich gefragt, und Papa hat gesagt, das ist, weil er ein bisschen krank ist. Da habe ich meinen Arztkoffer geholt und gesagt, dann mache ich dich wieder gesund. Und Papa hat ein bisschen mitgespielt, aber nicht richtig. Er hat gesagt, seine Krankheit macht, dass ihm nichts mehr Spaß macht.

Aber Arztspielen macht doch Spaß, habe ich gesagt.

Ja, hat Papa gesagt, aber meine Krankheit frisst den ganzen Spaß auf, sodass für mich keiner übrigbleibt. Aber mach dir keine Sorgen, ich habe Medizin und die macht mich wieder gesund.

Aber Papa, habe ich gesagt, ich habe doch auch Medizin, und ich habe ihm eine Spritze gegeben und habe gesagt, so, jetzt bist du wieder gesund. Und Papa hat gelächelt, aber ich habe gemerkt, er tut nur so.

Wenn Papa so komisch traurig ist, ist er auch sehr müde. Er gähnt die ganze Zeit und manchmal legt er sich ins Bett rein, obwohl noch gar nicht Schlafenszeit ist. Ich habe trotzdem mit ihm spielen wollen. Aber Mama hat gesagt, das geht nicht, Papa muss sich ausruhen und ich soll ihn nicht aufwecken. Aber es ist doch noch hell, habe ich gesagt. Mama hat gesagt, du kannst doch mit mir spielen, und da habe ich ein bisschen geweint, weil ich doch so gerne mit Papa spielen wollte. Da hat Mama so komisch geguckt, und dann hat sie gesagt, komm mal her, mein Kind, jetzt erkläre ich dir was.

Und Mama hat mich auf ihren Schoß gesetzt und sie hat zu mir gesagt, dass Papas Krankheit wie eine große dicke Katze ist. So wie Puck und Elvis, habe ich gefragt? Ja, hat Mama gesagt, so wie unsere beiden Kater, nur können wir die von Papa nicht sehen. Aber sie ist da, und sie ist sehr groß und dick und liegt den ganzen Tag auf Papas Schultern, sodass er sie überall hintragen muss. Das ist sehr anstrengend, denn die Katze ist sehr schwer. Kannst du jetzt verstehen, warum er so müde ist?

Und die Katze macht, dass er nicht mehr lachen kann?, habe ich gefragt.

Weißt du, hat Mama gesagt, wenn die Katze hört, dass Papa lacht, dann kratzt sie ihn. Sie mag es nämlich nicht, wenn er lacht.

Aber Papa hat gesagt, die Katze frisst den ganzen Spaß auf, dass nichts mehr übrigbleibt.

Ja ja, hat Mama gesagt, das auch. Sie frisst und kratzt, und dann kann Papa nicht lachen. Aber mach dir keine Sorgen, in ein paar Tagen ist die Katze weg und Papa wieder gesund.

Ich habe nachgedacht, und dann habe ich gesagt: Warum verscheucht Papa die Katze nicht einfach?

Das geht nicht, hat Mama gesagt, denn sie hält sich ganz doll fest und lässt nicht los.

Wir können ihm ja helfen, habe ich gesagt.

Mama hat gesagt, das ist eine gute Idee, aber leider geht das nicht, denn Papa ist der einzige, der die Katze sehen kann.

Das ist eine doofe Katze, habe ich gesagt, und Mama hat gesagt, das findet sie auch. Ich habe wissen wollen, wie die Katze aussieht, und Mama hat gesagt, sie weiß es nicht, aber vielleicht ist sie ja getigert, so wie Puck. Ich habe nicht gewusst, was das heißt, aber ich habe gesagt, ja, bestimmt ist sie getigert.

Willst du noch mehr wissen?, hat Mama gefragt.

Ich habe gefragt, wie die Katze heißt und Mama hat gesagt, sie heißt Depression.

Depission?

So ungefähr, hat Mama gesagt und mir einen Kuss gegeben.

Als ich ins Bett gegangen bin, hat Papa immer noch geschlafen. Als Mama nicht aufgepasst hat, bin ich zu ihm hingegangen, weil ich die Katze verscheuchen wollte, aber ich konnte sie nicht sehen. Anfassen konnte ich sie auch nicht, und als ich Papas Schulter berührt habe, da hat er im Schlaf gewackelt und er hat immer noch ganz traurig ausgesehen. Ich hab Mama gefragt, ob ich Papa ein Kuscheltier bringen kann und sie hat gesagt, das ist eine gute Idee. Also habe ich ihm meinen Teddybär gebracht, damit er besser schlafen kann.

Am nächsten Tag habe ich gleich gewusst, dass die Katze immer noch da ist, denn Papa hat immer noch ganz traurig ausgesehen. Er ist mit mir aufgestanden und hat mir Frühstück gemacht und mich in den Kindergarten gebracht, aber er hat gar nicht gelacht. Im Morgenkreis habe ich der Erzieherin gesagt, dass Papa eine unsichtbare Katze hat mit Krallen und einem großen Hunger und dass ich ihm meinen Teddy gegeben habe und jetzt kann er nicht mehr lachen, und die Erzieherin hat Aha, soso gesagt und dass es schön ist, dass wir ein Haustier haben.

Nach dem Morgenkreis habe ich mit meiner Freundin Elisabeth gespielt und sie hat gesagt, ihr großer Bruder hat ihr von einer Geschichte erzählt, wo ein Tiger einen Menschen auffrisst. Ich habe gesagt, stimmt ja gar nicht, Tiger essen doch keine Menschen, Tiger essen Tigerfutter. Aber sie hat gesagt, ihr Bruder hat es erzählt, und außerdem hat die Katze von dem Nachbarn neulich einen toten Vogel im Maul gehabt, und ein Tiger ist wie eine Katze, nur viel größer.

Da habe ich nichts mehr gesagt, sondern ich habe angefangen zu weinen. Ich habe nämlich ganz doll Angst bekommen, dass die unsichtbare Katze meinen Papa auffrisst, so wie der Tiger in der Geschichte, und dann habe ich keinen Papa mehr. Die Erzieherin ist gekommen und hat mich getröstet, aber ich habe immer weiter geweint und immer mein Papa, mein Papa gesagt. Die Erzieherin ist weggegangen, und irgendwann ist die Tür aufgegangen und mein Papa ist reingekommen. Er hat mich auf den Arm genommen und mir liebe Sachen gesagt und ich habe geguckt, ob die Katze ihn schon aufgefressen hat, aber er hat noch ganz ausgesehen.

Danke, dass Sie so schnell gekommen sind, hat die Erzieherin gesagt, ich wusste mir nicht mehr anders zu helfen. Papa hat die Luft ausgestoßen, so wie wenn er vom Sofa aufstehen muss, nachdem er sich gerade eben hingesetzt hat, aber dann hat er gelächelt und gesagt, ist schon okay. Und er hat mich aufs Fahrrad gesetzt und ist mit mir nach Hause gefahren.

Zu Hause hat Papa mir gesagt, ich soll ein bisschen alleine spielen, er muss ein paar Sachen erledigen. Und er hat sich die Zähne geputzt und neue Kleider angezogen und die Kater gefüttert und das Geschirr weggeräumt. Ich habe erst ein bisschen gespielt, aber dann bin ich aufgestanden und hinter Papa hergelaufen und ich habe immer Schusch, schusch! gemacht. Irgendwann hat Papa sich umgedreht und er hat sehr ärgerlich ausgesehen und er hat gesagt, wenn du schon nicht im Kindergarten bleiben kannst, musst du dann auch noch die ganze Zeit hinter mir rumhampeln?