Parker neppt den schrägen Otto - Günter Dönges - E-Book

Parker neppt den schrägen Otto E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Butler Parker Classic Butler Parker ist ein Detektiv mit Witz, Charme und Stil. Er wird von Verbrechern gerne unterschätzt und das hat meist unangenehme Folgen. Der Regenschirm ist sein Markenzeichen, mit dem auch seine Gegner öfters mal Bekanntschaft machen. Diese Krimis haben eine besondere Art ihre Leser zu unterhalten. Diese Krimiserie wird alle Krimifans begeistern und nachhaltig binden. Er sah aus wie der Komiker einer Burleske-Show: Kreissäge auf dem Kopf, gestreiftes Jackett, weiße Hose und Tangoschuhe. Das Gesicht war kalkweiß und leer. Seine Augen stierten dumpf und verständnislos auf den Mann, der regungslos zwischen den eckigen Müllkästen auf dem mit Schmutz und Unrat bedeckten Boden lag. In der schlaff herabhängenden Hand dieses Komikers befand sich ein kleiner Damenrevolver. Doch das Kaliber hatte vollkommen ausgereicht, den Mann zu töten. Aus zwei Wunden in Herznähe sickerte Blut. Josuah Parker ging auf den Komiker zu und nahm ihm die Waffe wie selbstverständlich aus der Hand. Mike Rander beugte sich bereits über den Toten und sah ihn sich genauer an. Der Tote war etwa 40 Jahre alt, mittelgroß und trug eine Brille, die ihm quer über das Gesicht gerutscht war, in dem noch der Ausdruck grenzenloser Verwunderung zu erkennen war. Der Anwalt wandte sich halb um, als er hinter sich ein nervöses Auflachen hörte, das unmittelbar danach in Schluchzen überging. Der Komiker schob sich gerade an Parker vorbei und wollte zurück zum Bühneneingang des Nachtklubs. Tänzerinnen in Mini-Kostümen, Bühnenarbeiter und einige Männer in Smokings machten ihm eine Gasse frei, respektvoll, fast wie selbstverständlich. Der Komiker lachte sie mechanisch an. »Aufhalten, den Kerl …!« Passanten, die sich am Tatort eingefunden hatten, liefen dem Mörder nach. Parker und Rander hielten sich zurück, registrierten aber jede Einzelheit. Zwei Passanten, stämmige Männer mit harten Fäusten, griffen nach dem Komiker und zerrten ihn zurück zur Brandmauer und zu den Mülltonnen. Sie verabreichten ihm einige Ohrfeigen und riefen dann nach der Polizei. Die Angehörigen des Nachtklubs rührten sich nicht von der Stelle. Sie sahen fast unbeteiligt zu, wie der Komiker geschlagen wurde.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Butler Parker Classic – 84 –Parker neppt den schrägen Otto

Günter Dönges

Er sah aus wie der Komiker einer Burleske-Show: Kreissäge auf dem Kopf, gestreiftes Jackett, weiße Hose und Tangoschuhe. Das Gesicht war kalkweiß und leer. Seine Augen stierten dumpf und verständnislos auf den Mann, der regungslos zwischen den eckigen Müllkästen auf dem mit Schmutz und Unrat bedeckten Boden lag.

In der schlaff herabhängenden Hand dieses Komikers befand sich ein kleiner Damenrevolver. Doch das Kaliber hatte vollkommen ausgereicht, den Mann zu töten. Aus zwei Wunden in Herznähe sickerte Blut.

Josuah Parker ging auf den Komiker zu und nahm ihm die Waffe wie selbstverständlich aus der Hand.

Mike Rander beugte sich bereits über den Toten und sah ihn sich genauer an. Der Tote war etwa 40 Jahre alt, mittelgroß und trug eine Brille, die ihm quer über das Gesicht gerutscht war, in dem noch der Ausdruck grenzenloser Verwunderung zu erkennen war.

Der Anwalt wandte sich halb um, als er hinter sich ein nervöses Auflachen hörte, das unmittelbar danach in Schluchzen überging. Der Komiker schob sich gerade an Parker vorbei und wollte zurück zum Bühneneingang des Nachtklubs.

Tänzerinnen in Mini-Kostümen, Bühnenarbeiter und einige Männer in Smokings machten ihm eine Gasse frei, respektvoll, fast wie selbstverständlich. Der Komiker lachte sie mechanisch an.

»Aufhalten, den Kerl …!«

Passanten, die sich am Tatort eingefunden hatten, liefen dem Mörder nach.

Parker und Rander hielten sich zurück, registrierten aber jede Einzelheit. Zwei Passanten, stämmige Männer mit harten Fäusten, griffen nach dem Komiker und zerrten ihn zurück zur Brandmauer und zu den Mülltonnen. Sie verabreichten ihm einige Ohrfeigen und riefen dann nach der Polizei.

Die Angehörigen des Nachtklubs rührten sich nicht von der Stelle. Sie sahen fast unbeteiligt zu, wie der Komiker geschlagen wurde. Die Kreissäge rollte zu Boden und wurde zertreten. Der Komiker sackte unter den Ohrfeigen zusammen, kauerte sich wie ein kleines Kind nieder und schluchzte.

»Man sollte sich jeder Selbstjustiz enthalten«, sagte Parker höflich und baute sich vor dem Mörder auf.

»So was wie der gehört aufgehängt«, reagierte einer der stämmigen Männer aufgebracht und sah den Butler unentschlossen an. »Haben Sie gesehen, wie es passiert ist?«

»In der Tat«, erwiderte Parker.

»Er kam raus und ballerte auch schon wie verrückt durch die Gegend«, mischte der zweite Mann sich ein. »Ohne jeden Anlaß. Einfach so!«

»Der muß bis zum Rand vollgepumpt sein«, erklärte eine sehr resolut aussehende Frau, die vielleicht 50 Jahre alt war. Sie trug ein Einkaufsnetz in der Hand. »Rauschgift, wenn Sie mich fragen. So was müßte man erschlagen wie ’nen tollwütigen Hund.«

»Laßt mich bloß in Ruhe!« schrie in diesem Moment der Komiker. Er hatte sich mit dem Rücken gegen die Brandmauer aus Ziegelsteinen gestemmt und hochgeschoben. Der etwa 25jährige junge Mann sah jetzt aggressiv aus. »Ich bringe euch alle um. Haut ab! Verschwindet endlich, ihr komischen Typen!«

Er hätte es besser nicht gesagt.

Die beiden stämmigen Männer droschen erneut auf ihn ein. Die resolute Hausfrau schwang ihr Einkaufsnetz und ließ es samt Inhalt auf den Kopf des Mörders niedersausen.

Ein gutgekleideter Passant aktivierte seinen Spazierstock, und ein Bauarbeiter im Overall griff nach einem Stein.

Parker war zurückgetreten und sah zu seinem jungen Herrn hinüber, der ihm beruhigend zuwinkte. Demnach mußte die Polizei innerhalb der nächsten Minute eintreffen.

Die Angestellten des Klubs rührten sich nach wie vor überhaupt nicht. Worüber Parker sich wunderte.

*

»War er betrunken, oder hatte er Rauschgift genommen?« fragte Sue Weston eine gute Stunde später. Sie befand sich zusammen mit Rander und Parker im Studio des Penthouse, das dem Anwalt gehörte. Sie hatte sich angehört, was vor allen Dingen Mike Rander ihr von dem Zwischenfall berichtet hatte.

»Offensichtlich Rauschgift«, erwiderte Mike Rander. »Wenn die Polizei nicht rechtzeitig gekommen wäre, hätte man diesen Burschen glatt erledigt.«

»Kennt man bereits den Namen des Mörders?« fragte Sue, die Sekretärin des Anwalts.

»Er nennt sich schräger Otto«, sagte Rander. »Ich weiß, nur ein Künstlername … Seinen richtigen Namen konnte er nicht nennen. Vielleicht wollte er es auch nicht.«

»Wie war das? Schräger Otto?« Sue Weston lächelte unwillkürlich.

»Genau«, bestätigte Mike Rander und nickte. »Er hämmerte auf einem absichtlich leicht verstimmten Klavier herum. So eine Art Honky-Tonky. Er besorgte die Überleitungen zu den einzelnen Programmnummern.«

»Hat dieser schräge Otto keinen bürgerlichen Namen?« wollte Sue weiter wissen.

»Captain Madford wird ihn herausbekommen«, meinte Rander. »Parker und ich haben uns als Zeugen zur Verfügung gestellt.«

»Unter anderem«, schaltete der Butler sich würdevoll ein. »Dieser Mord wurde zusätzlich von mehreren Augenzeugen beobachtet.«

»Versuchen wir, diesen Zwischenfall zu vergessen«, sagte der Anwalt. »Wie sieht es mit dem Dinner aus, Parker?«

»Es wird sofort serviert, Sir.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an und verließ das Studio. Rander wartete, bis sein Butler nicht mehr zu sehen war. Dann wandte er sich betont beiläufig an seine Sekretärin.

»In drei Wochen ist es soweit«, meinte er.

»Ich weiß.« Sie nickte.

»Haben Sie sich bereits entschieden, Sue? Werden Sie mit nach England kommen?«

»Ich … ich weiß es nicht«, gab sie zurück, »ich weiß wirklich nicht, was ich machen soll, Mister Rander.«

»Ich werde für gut ein halbes Jahr dort bleiben«, wiederholte der Anwalt.

»Lassen Sie mir noch etwas Zeit«, bat Sue. »Europa reizt mich. Aber Amerika hat …«

»… eben einen Captain Madford«, sagte Rander lächelnd.

»Sie wissen?« Sue Weston sah ihren Chef überrascht an.

»Ich bin ja nicht blind«, antwortete Rander, der seine Unbefangenheit zurückgewonnen hatte. »Ich habe also richtig beobachtet?«

»Captain Madford ist ein sehr interessanter Mann«, sagte Sue.

»Und an Chikago gebunden«, bestätigte Rander.

»Er möchte, daß ich ihn heirate.«

»Madford kann sich nur gratulieren, falls Sie ja sagen …«

»Danke, Mister Rander«, sagte Sue und wandte sich schnell ab. Sie arbeitete schon seit langer Zeit als Sekretärin für Mike Rander und hatte sich in ihn verliebt. Das war zu Beginn ihrer Zusammenarbeit gewesen. Und Sue hatte ebenfalls lange das Gefühl gehabt, daß sie ihrem Chef nicht gleichgültig war. Doch das hatte sich, was Rander anbetraf, langsam geändert. Sue hatte das deutlich gespürt. Mike Rander, dieser große Junge, war einfach nicht der Mann für eine Ehe. Sie hatte das einsehen müssen und sich fast damit abgefunden.

»Ein offenes Wort, Sue!« Rander stand dicht hinter ihr und legte seine Hand auf ihre Schulter. Sie wandte sich langsam zu ihm um und sah ihn aus großen, fragenden, vielleicht noch immer etwas hoffenden Augen an.

»Es war eine schöne Zeit«, sagte Rander, »und ich werde Sie vermissen, Sue! Aber für eine Ehe hätte es sicher nicht gereicht.«

»Natürlich«, sagte Sue Weston.

»Versuchen wir, Freunde zu bleiben«, bat Rander. »Und wenn Parker und ich zurück aus Europa sind, müssen wir uns unbedingt sehen, einverstanden?«

Sue wollte antworten, doch in diesem Moment läutete das Telefon. Die Sekretärin war froh, nicht antworten zu müssen. Sie schluckte, ging schnell an den Apparat und meldete sich.

»Für Sie, Mister Rander«, sagte sie dann und reichte ihm den Hörer. Rander nannte seinen Namen und vermißte auf der Gegenseite die Antwort.

»Hallo, wer ist denn dort?« fragte er ungeduldig. »Warum melden Sie sich nicht?«

*

»Und was war danach zu hören?« fragte Captain Madford gespannt. Eine halbe Stunde war vergangen, und er befand sich im Penthouse des Anwalts. Er war von Mike Rander hierher gebeten worden.

»Eine Alltagsstimme sagte mir fast höflich, ich sollte vergessen, was ich vor dem Nachtklub gesehen hätte. Das beträfe auch meinen Butler.«

»Und weiter?« Madford warf Sue, die sich ebenfalls im Raum befand, einen schnellen Blick zu.

»Falls Parker und ich nicht vergessen könnten, sollten wir schleunigst eine Lebensversicherung abschließen, damit unsere Erben dann wenigstens noch etwas von uns hätten.«

»Es handelte sich offensichtlich um eine sehr ernstgemeinte Drohung«, schaltete der Butler sich ein.

»Worauf Sie sich verlassen können.« Madford nickte nachdrücklich. »Sie werden sehr schnell merken, woher der Wind pfeift. Sagt Ihnen der Name Targetti etwas?«

»Targetti?« Parker schüttelte langsam den Kopf.

»Eine Spaghettimarke?« frotzelte Rander.

»Ein Boß der Cosa Nostra«, erklärte Madford gelassen.

»Ein interessanter Hinweis«, stellte der Butler würdevoll fest.

»Er ist gleichzusetzen mit einer Freifahrkarte ins Jenseits«, sagte Captain Madford von der Mordkommission. Er leitete seit einiger Zeit ein Sonderdezernat zur Bekämpfung von Bandenverbrechen. Er mußte es also wissen. »Ich brauche Ihnen wohl nicht zu erklären, was die Cosa Nostra bedeutet!«

»Geschenkt«, meinte der Anwalt. »Parker und ich hatten mit diesem Verein schon zu tun.«

»Aber wohl noch nie mit der Spitze«, schränkte der Polizeioffizier ein. »Das ändert die Sache ganz erheblich. Die Cosa Nostra ist so etwas wie die oberste Instanz des Bandenverbrechens.«

»Mafia … Cosa Nostra … Synonyme für organisierte Verbrechen«, sagte Rander. »Alles bekannt, Madford. Bleiben Sie bei dem Namen Targetti! Wo besteht da der Zusammenhang zwischen ihm und dem Telefonanruf?«

»Der schräge Otto ist der jüngste Sohn dieses Targetti! Und dieser Targetti ist einer der großen Cosa-Nostra-Bosse. Jetzt kapiert?«

»Ich fürchte, Sir, bedauern zu müssen«, schaltete der Butler sich ein. »Bei aller gebotenen Phantasie kann ich mir kaum vorstellen, daß der Sohn eines solchen Mannes sich sein Brot als Tingeltangel-Pianist verdienen muß.«

»Dieser Ben Targetti, so heißt der schräge Otto, ist das schwarze Schaf der Familie. Aus irgendwelchen Gründen, die ich noch nicht kenne, setzte er seinen Kopf durch, um als Künstler Karriere zu machen. Sein Daddy, der einen Narren an Ben gefressen haben soll, ließ den Jungen ziehen. Das ist die Geschichte, wie ich sie bisher kenne.«

»Und jetzt schaltet sich Daddy ein, um den lieben Kleinen vor Ärger zu bewahren?« Rander lächelte bitter.

»Und er wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen, das auch hinzubekommen«, bestätigte Madford. »Die Mordandrohung war ernst gemeint!«

»Das glaube ich allerdings auch«, erwiderte Rander nachdenklich.

»Demnach dürfte und müßte man unterstellen, daß auch die übrigen Augenzeugen bedroht wurden«, warf der Butler gemessen ein. »Darf man fragen, Sir, ob Sie diesbezüglich bereits Erkundigungen eingezogen haben?«

»Wir sind gerade damit beschäftigt. Als Ihr Anruf kam, habe ich sofort geschaltet.«

»Fragt sich, woher die Cosa Nostra unsere Adresse kennt. Und die Adressen der übrigen Augenzeugen?« fragte der Anwalt.

»Irgendeine undichte Stelle bei der Staatsanwaltschaft oder bei uns im Präsidium«, sagte Madford, »da mache ich mir keine Illusionen. Wäre sinnlos, nach dieser Stelle zu forschen. Halten wir uns an die Tatsachen. Targetti versucht, den Augenzeugen Angst und Schrecken einzujagen. Und er wird auch vor einem Mord nicht zurückschrecken, falls man nicht spurt.«

*

Es war dunkel geworden.

Parker saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und befand sich in den westlichen Außenbereichen der Stadt. Sein Ziel war eine erstklassige und teure Wohngegend in der Nähe des Sees. Genauer gesagt, sein Ziel war das große Landhaus eines gewissen Tonio Targetti.

Nach einer weiteren Fahrt von einer Viertelstunde kam das Gebäude in Sicht. Es handelte sich allerdings vorerst nur um eine etwa zwei Meter hohe Mauer, die einen riesigen Parkkomplex einschloß. Ein stark vergittertes Tor wurde von zwei Tiefstrahlern taghell erleuchtet. Hinter den Gitterstäben standen zwei Wächter mit Bluthunden an der Leine.

Parker ließ sein hochbeiniges Monstrum auf dieses Tor zurollen und hielt knapp davor. Er stieg aus und wischte sich unsichtbare Stäubchen von seinem schwarzen Zweireiher. Er prüfte den korrekten Sitz der schwarzen Krawatte und des Eckkragens, legte sich den Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den linken Unterarm und lüftete nach Erreichen des Tors höflich seine schwarze Melone.

»Ich bin der Butler«, stellte er sich wie selbstverständlich vor, als würde er erwartet. »Ich möchte Mister Targetti meine bescheidene, aber dennoch höfliche Aufwartung machen!«

Die beiden Torwächter stierten den korrekt gekleideten Mann wie eine Erscheinung an und waren ratlos. Solch eine Figur hatten sie bisher noch nie gesehen, geschweige denn sprechen gehört. Sie brauchten einige Zeit, bis sie Parkers Satz verdaut und verstanden hatten.

»Wer sind Sie?« fragte einer der beiden dann irritiert.

»Ich bin der neue Butler«, präzisierte Parker. »Würden Sie freundlicherweise im Herrenhaus nachfragen?«

Er erreichte prompt, was er wollte. Einer der beiden Männer ging auf ein Gebüsch rechts vom Torpfosten zu, wo sich eine Art Schilderhaus befand. Von dort aus wollte er sicher anrufen.

Parkers Schirmspitze befand sich zu dieser Zeit bereits jenseits der Gitterstäbe und hob sich leicht an. Der Mann hatte das Schilderhaus noch nicht ganz erreicht, als er plötzlich wie unter einem sehr schmerzhaften Stich zusammenzuckte.

Er faßte prompt nach seiner linken Kehrseite und starrte dann ratlos und verblüfft auf den kleinen Blasrohrpfeil, der nicht größer war als eine mittlere Stricknadel.

»Ihr Herr Kollege scheint gewisse physische Schwierigkeiten zu haben«, sagte Parker und deutete mit der Spitze seines Regenschirms auf den Mann vor dem Wachhäuschen. Dieser Mann ging gerade in die Knie und schnappte verzweifelt nach Luft.

»Was ist los?« rief der zweite Mann, band die beiden Bluthunde mit der Leine am Gitter fest und rannte zu seinem Kollegen, der bereits auf den Knien lag.

Aus Parkers Regenschirmspitze zischte fast unhörbar ein zweiter Blasrohrpfeil, der mittels Preßluft ebenfalls sein Ziel fand. Nämlich die rechte Sitzhälfte des zweiten Mannes.

Parker ließ sein Opfer nicht aus den Augen. Verdacht schöpfend, griff der fast automatisch nach seiner Schußwaffe, die in einer Gürtelhalfter steckte.

Josuah Parker, an unnötigem Lärm überhaupt nicht interessiert, hielt bereits seine Zwille, sprich Gabelschleuder, schußbereit in der Hand, während der Regenschirm schon wieder korrekt am linken Unterarm hing.

Der Torposten mühte sich mit seiner Schußwaffe ab und verschwendete seine letzten Energien daran. Er wollte um jeden Preis noch einen Alarmschuß abfeuern.

Doch Parkers Gabelschleuder war schneller, das heißt – genauer gesagt –, das Geschoß aus der Lederschlaufe dieser Gabelschleuder. Eine hart gebrannte Tonmurmel jagte blitzschnell durch die Luft und traf den Handrücken des Mannes.

Der Wächter war vor Schlafbedürfnis schon nicht mehr in der Lage, einen Schmerzensschrei auszustoßen. Dafür gähnte er langanhaltend, schloß versuchsweise die Augen, fand diese Liderstellung äußerst angenehm und entschloß sich zu einer kleinen Ruhepause.

Parker steckte seine Gabelschleuder zurück in die Brusttasche seines Zweireihers und befaßte sich mit den beiden Vierbeinern. Als Tierfreund fand er Mittel und Wege, die beiden an sich unschuldigen Hunde ungefährlich zu machen.

Er präsentierte ihnen je ein Stück Wurst. Diese Fleischwaren hatte er in weiser Voraussicht in einem kleinen Plastikbeutel mit auf die Reise genommen. Die Bluthunde hechelten vor Gier, als sie den Geruch aufnahmen und ließen die Wurstenden blitzartig hinter ihren scharfen Zähnen verschwinden.

Während die beiden Tiere prompt mit einer Art kurzfristigen Schlafkrankheit zu kämpfen hatten, befaßte der Butler sich bereits mit dem Torschloß.

*

Tonio Targetti, 50 Jahre alt, mittelgroß, korpulent und glatzköpfig, sah absolut nicht wie ein Gangsterboß aus. Er wirkte eigentlich bieder, vertrauenswürdig und ehrlich. Was mit seinen leicht verhangenen, braunschwarzen Augen zusammenhing, die außerordentlich treuherzig dreinblicken konnten. Targetti erinnerte irgendwie an einen leicht verfetteten Boxerhund.

Dieser Mann befand sich in seinem Arbeitszimmer, das mit original altenglischen Möbeln eingerichtet war. Er saß hinter einem echten Kapitänsschreibtisch und musterte die vier Männer vor sich, die brav und irgendwie schüchtern in Ledersesseln hockten. Diese Männer, durchaus korrekt aussehend, teuer gekleidet und gepflegt in Schale, erinnerten an Musterknaben.