Pep Herberger - Hans Ulrich Gumbrecht - E-Book

Pep Herberger E-Book

Hans Ulrich Gumbrecht

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Beschreibung

Hans Ulrich Gumbrecht beschreibt in seinem Beitrag, wie sehr der Sport davon lebt, wie wenig wir vorher wissen können, wie ein Wettkampf ausgehen wird - und wie sehr sich deshalb gerade der Sport Methoden des Managements und der rationalen Planung nähert, um mit diesem Nichtwissen umgehen zu können.

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Seitenzahl: 23

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Hans Ulrich Gumbrecht

Pep Herberger

Sport als Medium von Erregungssteigerung

Es gibt einen Moment in der Geschichte des deutschen Sports, der als so singulär gilt und tatsächlich so emblematisch geworden ist, dass er nur von Worten mit theologischer oder kosmologischer Aura zu fassen war. Nicht allein »Wunder von Bern« wird der Endspielsieg über Ungarn im Berner Wankdorf-Stadion am 4. Juli 1954 genannt, sondern auch »Urknall des deutschen Fußballs« – und seine Bedeutung ist bis heute über jegliche Skepsis gegenüber dem Status des Fußballs oder des Sports im Allgemeinen erhaben geblieben. Die Metapher des »Urknalls« vor allem lag nahe, weil erst an jenem Tag der Aufstieg Deutschlands zu einer der drei, zusammen mit Brasilien und Italien, heute weltweit erfolgreichsten Fußballnationen einsetzte. Vorausgegangen war eine Tradition der Enttäuschung von hohen Erwartungen und sogar der Abwesenheit auf internationaler Ebene: Dem respektablen dritten Platz bei der Weltmeisterschaft 1934 in Italien folgten das frühe Ausscheiden im Fußballturnier der Olympischen Spiele von 1936 wie auch bei der Weltmeisterschaft 1938 in Frankreich und schließlich die kriegsbedingte Nichtteilnahme beim Weltturnier 1950 in Brasilien. Das Bild vom Urknall nun reduziert nicht allein diese sehr mittelmäßige Vorgeschichte zum Nichts, es macht zugleich die Überraschung des Juli 1954 zur Energie hinter der ursprünglichen Explosion und der ihr folgenden Entwicklung. Was waren die Bedingungen für das Erleben dieses singulären Moments?

Mit bescheidenen Leistungen, an deren Anfang ein Unentschieden gegen Norwegen stand, hatte sich die Nationalmannschaft die Teilnahme beim Weltturnier in der Schweiz eher errungen als erspielt. Sie bestand aus »Vertragsspielern«, die aufgrund einer institutionell festgelegten Einkommensgrenze in ihrem Sport verpflichtet waren, den Lebensunterhalt mit einem Hauptberuf zu verdienen, anders als die Stars in den meisten südamerikanischen und westeuropäischen Ligen, anders auch als die »Staatsamateure« in den sozialistischen Ländern, denen staatliche Anstellungen ohne ernsthafte Arbeitsverpflichtung eine ausschließliche Konzentration auf den Fußball ermöglichten. Die deutsche Mannschaft von 1954 war dann bei der Weltmeisterschaft innerhalb eines eigentümlichen Qualifikationsmodus mit zwei leichten Siegen gegen die Türkei weitergekommen, trotz einer 3:8-Niederlage gegen Ungarn, als Bundestrainer Sepp Herberger aus einer realistischen Einschätzung eigener Chancenlosigkeit, die später zu einer Strategie der Verstellung mythologisiert wurde, auf einige seiner besten Spieler verzichtet hatte.