Perfect Touch - Intensiv - Jessica Clare - E-Book
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Perfect Touch - Intensiv E-Book

Jessica Clare

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Beschreibung

ENDLICH - DER ZWEITE BAND DER BESTSELLER-SERIE!

Edie King macht keinen Hehl daraus, dass ihr Katzen lieber sind als Menschen. Sie arbeitet leidenschaftlich gern als Katzenpsychologin, engagiert sich ehrenamtlich im Tierheim und adoptiert so ziemlich jede Katze, die ihr in die Quere kommt. Als der Milliardär Magnus Zeit mit ihr verbringen will, findet er also schnell einen Vorwand: Er schafft sich einfach ein Fellknäuel an, das dringend psychologische Hilfe braucht. Nur leider hat er sich sowohl mit der Katze als auch mit der Frau mehr eingebrockt als erwartet ...

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Inhalt

Cover

Über die Autorin

Titel

Impressum

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Über die Autorin

Jessica Clare lebt mit ihrem Mann in Texas. Ihre freie Zeit verbringt sie mit Schreiben, Lesen, Schreiben, Videospielen und noch mehr Schreiben. Sie veröffentlicht Bücher in den unterschiedlichsten Genres unter drei verschiedenen Namen. Als Jessica Clare schreibt sie erotische Liebesgeschichten. Ihre Serie PERFECT PASSION erschien auf den Bestseller-Listen der NEW YORK TIMES, der USA TODAY und des SPIEGELS.

Mehr Information unter: www.jillmyles.com

Jessica Clare

PERFECTTOUCH

INTENSIV

Roman

Aus dem amerikanischen Englischvon Kerstin Fricke

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:Copyright © 2016 by Jessica ClareTitel der amerikanischen Originalausgabe:»The Taming of the Billionaire«Originalverlag: InterMix Books, New YorkPublished in Agreement with the author,c/o Baror International, Inc., Armonk, New York, USA

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, KölnTextredaktion: Mona Gabriel, LeipzigTitelillustration: © shutterstock/VikpitUmschlaggestaltung: FAVORITBUERO, München

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-3021-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

1

Pass auf, wo du hintrittst«, meinte Bianca zu Edie, als sie sich dem riesigen Buchanan-Herrenhaus näherten. Sie nahm den Arm ihrer Schwester und versuchte, ihr über die breite Steintreppe nach oben zu helfen. »Kommst du mit den Stufen zurecht? Sie sind ziemlich schmal …«

»Großer Gott, Bianca. Ich humpele und habe kein gottverdammtes Holzbein.« Edie schob den Arm ihrer Schwester genervt zur Seite. Bianca machte ständig solche Sachen und behandelte Edie, als wäre sie aus Glas und nicht etwa wie jemanden, der nur ein schlimmes Knie hatte. Die meiste Zeit gelang es ihr, diese Tatsache einfach zu ignorieren, aber als sie jetzt auf das große Herrenhaus zugingen, wurde sie immer nervöser, und Biancas Florence-Nightingale-Attitüde ging ihr zunehmend auf die Nerven. Die meiste Zeit fiel ihr Humpeln überhaupt nicht auf.

Bianca warf Edie einen beleidigten Blick zu und zog die Hände zurück. »Entschuldige. Ich wollte nur helfen, weil ich weiß, wie schnell deine Beine müde werden.«

»Mit fünf Stufen werde ich schon fertig«, knurrte Edie, in der jedoch schon Schuldgefühle aufstiegen. Sie hatte schlechte Laune und ließ das an Bianca aus. Dabei war es nicht die Schuld ihrer Schwester, dass Edie vor der großen Feier nervös und aufgeregt war. Edie mochte nun mal keine großen Menschenansammlungen und gesellschaftlichen Ereignisse, und allein der Anblick des abschreckenden Buchanan-Hauses machte alles noch viel schlimmer. Das Haus war riesig, und erinnerte sie auf unheimliche Art an ein Geisterschloss, obwohl es von gut gepflegten Gärten umgeben war. Die zahlreichen Autos, die auf der gewundenen Auffahrt parkten, ließen auf sehr viele andere Gäste schließen.

Aber sie war nicht hier, weil sie feiern wollte, rief sich Edie ins Gedächtnis. Sie war nur ihrer Freundin Gretchen zuliebe hergekommen.

Ihr Knie schmerzte, als sie oben an der Treppe angekommen war, aber sie ignorierte es, denn, verdammt!, sie wollte sich beim Reingehen nicht auf die perfekte Bianca stützen. Stattdessen richtete sie ihre überlange schwarze Tunika, die gestreiften Leggings und die auffällige Halskette. Da das alles nicht gerade elegant war, hatte sie sich zur Feier des Tages noch einen farbenfrohen Schal in das lockige Haar gebunden. Bianca sah natürlich wie immer umwerfend aus mit ihrem glatten, hüftlangen blonden Haar, ihrem marinefarbenen Oberteil mit U-Boot-Ausschnitt und dem dazu passenden ausgestellten Rock. Dazu trug sie Schuhe mit zehn Zentimeter hohen Absätzen, da sie natürlich glamourös aussehen musste, obwohl eigentlich nur Edie zu der Feier eingeladen war. Edie hingegen hatte orthopädische Schuhe an, um zu verhindern, dass ihr Knie im Laufe des Abends aufgab.

Was jedoch nicht heißen sollte, dass sie deswegen verbittert gewesen wäre.

Bianca bohrte ihre langen Fingernägel in Edies Schulter. »Du hast da ein Katzenhaar.«

Edie schob Biancas Hand zur Seite. »Ich habe ständig Katzenhaare auf meiner Kleidung. Das wird niemanden groß interessieren.«

Aber Bianca sah sie mit ihren großen Rehaugen an. »Mich interessiert es, Edie. Was ist denn, wenn wir hier attraktive, heiratswürdige Männer kennenlernen?«

Beinahe hätte Edie das Gesicht verzogen. In dem Augenblick, in dem ihre wunderschöne Schwester gehört hatte, dass Edies Freundin aus Collegezeiten einen Milliardär heiratete, hatte sie sich an Edie geklammert und darauf bestanden, sie zu der Feier zu begleiten, da Edies armer Fuß doch bestimmt schmerzen würde, wenn sie selbst dorthin fahren müsste. Und was sollte sie nur tun, wenn sie zu lange stehen musste? Sie würde Hilfe brauchen, um zu ihrem Wagen zurückzukommen, wenn ihr Bein nachgab, und Bianca würde sich natürlich völlig selbstlos für ihre Schwester aufopfern.

Genau. Bianca war so »selbstlos«, weil sie sich gern als die süße, großzügige, engelsgleiche Schwester präsentierte. Aber Edie wusste ganz genau, dass Bianca nur daran interessiert war, alles über das Vermögen der Männer auf der Feier herauszufinden, auch wenn sie selbst das niemals zugegeben hätte. Bianca behielt ihre berechnenden Gedanken für sich, da sie nun einmal nicht damenhaft waren. Aber Edie durchschaute ihre Schwester, und ohne dass diese auch nur ein Wort sagte, wusste sie genau, was in ihrem hübschen Köpfchen vor sich ging.

Außerdem war es völlig egal, ob Edie von Kopf bis Fuß mit Katzenhaaren bedeckt war, weil sie sowieso niemand eines Blickes würdigen würde, solange Bianca in ihrer Nähe war.

Mit Ausnahme einer Katze vielleicht.

Edie ließ den Messingtürklopfer gegen die große Holztür des Herrenhauses fallen.

»Das ist so elegant«, murmelte Bianca und strich sich über das Haar. »Wie bei Downton Abbey. Glaubst du, dass sie Bedienstete haben?«

»Nein, Gretchen putzt die siebzehn Badezimmer bestimmt alle selbst«, erwiderte Edie sarkastisch.

»Sie haben tatsächlich siebzehn Badezimmer?«

»Das war nur eine Schätzung.« Edie musterte die Fenster des Herrenhauses, die sie vom Eingang aus sehen konnte. Wie viele Zimmer gab es hier überhaupt? Die Größe des Hauses schien ja dem Buckingham Palast Konkurrenz zu machen.

Aber im nächsten Augenblick wurde die gigantische Haustür geöffnet, und Gretchen sah heraus. Sie riss die Augen hinter ihrer schwarzrandigen Nerdbrille auf und strahlte. »Oh mein Gott! Edie! Du bist da!« Dann stürzte sie vor und schlang der viel kleineren Edie die Arme um den Hals. »Es ist so schön, dich zu sehen! War die Fahrt sehr lang?«

Edie löste sich aus Gretchens überschwänglicher Umarmung und lachte. »Etwa vier Stunden. Aber es war jede Minute wert, da wir uns endlich mal wiedersehen. Wie geht es dir? Was macht Igor?« Sie musterte Gretchen. Ihre Freundin sah großartig aus, sie strahlte, und ihr rotes Haar fiel ihr wie eine feurige Wolke auf die Schultern. Sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid, was Edie nicht weiter überraschte. Sie und Edie hatten schon immer auf derselben Wellenlänge gelegen, wenn es darum ging, »sich in Schale zu werfen«.

»Ha! Das war ja klar, dass du in dem Moment, in dem du hier auftauchst, nach diesem kleinen Unruhestifter fragst.« Gretchen grinste und umarmte Edie noch einmal kurz, dann erst schien sie Bianca zu bemerken. »Oh. Du hast jemanden mitgebracht. Hi, Bianca.« Ihr Tonfall veränderte sich, und ihr fröhliches Lächeln sah mit einem Mal sehr gezwungen aus. »Ich wusste gar nicht, dass du auch kommst.«

Edie zuckte zusammen. Sie hatte Gretchen sehr gern, wusste aber auch, dass Gretchen Bianca nicht leiden konnte. »Ich brauchte jemanden, der mich fährt«, behauptete Edie und nahm ihre Schwester gleichzeitig in Schutz, die sich mehr auf Gretchens Party gefreut hatte als Edie. »Du weißt ja, dass mir nach einer langen Fahrt immer das Bein wehtut.«

Gretchen blinzelte. »Ja, natürlich. Ich war nur … Jetzt haben wir eine ungerade Anzahl an Gästen.«

»Ach, ich muss nicht mit euch essen«, säuselte Bianca mit süßlicher Stimme. »Ich bleibe auch sehr gern in der Küche. Bitte ändere meinetwegen bloß nicht deine Pläne, das wäre mir sehr unangenehm.«

»Nein, das ist schon okay. Aber lass die Finger von dem narbigen Kerl, der gehört mir, und ich kratze dir die Augen aus, wenn du ihn auch nur von der Seite ansiehst.«

Bianca riss die Augen auf. »Äh …«

»Sie macht nur Witze«, versicherte Edie ihrer Schwester. »Nicht wahr, Gretchen?«

»Ja, klar.« Gretchen bedachte Bianca mit einem bitterbösen Lächeln und winkte sie herein. »Jetzt kommt aber rein, dann kann ich euch die anderen Gäste vorstellen.«

Edie humpelte ins Foyer und sah sich neugierig um. Eine breite Treppe führte nach oben und war mit rotem Teppich ausgelegt. Sie konnte nur hoffen, dass sie nicht nach da oben gehen musste. »Schönes Haus.«

»Ach, es ist furchtbar«, tat Gretchen das Kompliment ab. »Aber es gehört nun einmal zu diesem Mann dazu, daher macht es mir nicht so viel aus.« Sie schloss die Tür hinter Edie und Bianca und hielt kurz inne. »So. Bevor wir reingehen, möchte ich kurz mit euch über meinen Verlobten sprechen.«

Das klang ja rätselhaft. Edie achtete darauf, sich ihr Erstaunen nicht anmerken zu lassen. Sie hatte Hunter Buchanan gegoogelt, aber keine Fotos von ihm im Internet finden können. War er steinalt und Gretchen heiratete ihn nur wegen seines Geldes? Das klang nicht nach etwas, das Gretchen zuzutrauen wäre, aber sie hatte schon immer zu spontanen Aktionen geneigt, daher konnte man unmöglich vorhersagen, was sie tun würde und was nicht.

»Er ist bestimmt ganz wunderbar«, sagte Bianca mit süßlicher Stimme.

»Das kann man so nicht sagen«, erwiderte Gretchen offen, »und genau deshalb müssen wir darüber reden.« Sie sah den beiden Frauen nacheinander ernst in die Augen. »Hunter ist ein bisschen schüchtern. Er mag es nicht, wenn man ihn anstarrt, weil er sehr vernarbt ist und ein paar Finger verloren hat. Ich sage euch das jetzt nur, damit ihr nachher nicht überrascht seid, und damit ihr wisst, dass er sehr kamerascheu ist. Und falls ihr darauf hofft, dass es bei der Hochzeit ein großes Spektakel mit Sing- und Tanzeinlagen gibt, dann könnt ihr das gleich wieder vergessen. Falls irgendjemand so etwas auch nur vorschlägt, reiße ich ihm die Zunge raus.« Sie beäugte Bianca kritisch. »Mir liegt sehr viel daran, Hunter zu beschützen, und wir haben nur ein so großes Hochzeitsfest, weil ich es mir gewünscht habe und er mich glücklich machen will. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätten wir in aller Stille und ohne irgendwelche Feierlichkeiten geheiratet.«

»Ach, so schlimm wird es schon nicht sein«, erwiderte Bianca mit ihrer Kleinmädchenstimme, aber Edie legte ihr eine Hand auf den Arm, um sie zum Schweigen zu bringen.

»Wir starren ihn nicht an«, versicherte Edie Gretchen. »Keine Sorge. Und was die Tanzeinlagen betrifft …« Sie deutete auf ihr Bein. »Falls irgendjemand damit anfängt, bin ich ohnehin nicht mit dabei.«

»Gut.« Gretchen strahlte sie an. »Aus genau diesem Grund bist du die perfekte Ergänzung für meine zusammengewürfelte Hochzeitsgesellschaft.«

»Aber …«, begann Bianca.

Edie drückte erneut ihren Arm. Einer der Gründe, warum Bianca und Gretchen nicht miteinander auskamen, war, dass Bianca glaubte, sie könnte jeden mit ein paar süßen Worten dazu bringen, sie zu lieben, wohingegen Gretchen Falschheit nicht ausstehen konnte. Es wäre das Klügste, die beiden nach Möglichkeit zu trennen, und nicht zum ersten Mal bereute es Edie, ihre kleine Schwester mitgenommen zu haben. Aber leider brauchte sie Bianca hier, und sie empfand es auch als angenehm, den Abend nicht allein durchstehen zu müssen. »Es ist deine Hochzeit, Gretchen. Alles wird genau so ablaufen, wie du es dir vorstellst.«

Gretchen lächelte Edie an. »Ich habe auch vor, während der Hochzeitsvorbereitungen eine grässlich nervige Braut zu sein. Ich meine, warum auch nicht? Eine meiner Freundinnen hat vor Kurzem auf einer Insel geheiratet, und es war wunderschön, aber ich denke, mir ist es lieber, hier zu feiern, damit sich Hunter nicht ganz so unwohl fühlt.«

Edie sah sich in dem großen Haus um, während sie einen langen Flur entlanggingen, und war sehr dankbar, dass sie nicht die Treppe nehmen mussten. »Hier könnt ihr auf jeden Fall sehr viele Gäste unterbringen.«

»Allerdings«, stimmte Bianca ihr zu, die mal wieder nicht den Mund halten konnte. »Dieses Haus sieht so herrlich alt und unheimlich aus, dass es wirklich ganz charmant ist.« Ihr Blick fiel auf eine chinesische Vase, die auf einem Beistelltisch stand, und Edie konnte fast schon die Dollarzeichen in Biancas Augen erkennen. »Habt ihr mal darüber nachgedacht, es an Hochzeitsgesellschaften zu vermieten?«

»Großer Gott, nein«, rief Gretchen und sah die Schwestern entsetzt an. »Ich hätte ja beinahe selbst nicht hier geheiratet. Zum Glück sind die Rosengärten einfach wunderschön.«

»Und deine Katze?«, fragte Edie noch mal.

Gretchen blinzelte und hatte das anscheinend völlig vergessen. »Ach ja, genau. Entschuldige, ich habe heute so viel um die Ohren. Kommt mit zum Schlafzimmer. Igor tobt bestimmt wieder im Bett herum.«

»Oooh, ins Schlafzimmer?«, wiederholte Bianca. »Aber gern.«

Gretchen änderte die Richtung und ging einen anderen Flur entlang. In diesem Korridor hingen an einer Wand lauter Gemälde, und dicke Vorhänge schmückten die Fenster auf der anderen Seite. Kunstvolle Tische standen in einigen Metern Abstand an den Seiten, und darauf standen Rosen in den unterschiedlichsten Farben. »Das hier ist Hunters und mein privater Bereich«, erklärte ihnen Gretchen im Gehen. Sie deutete auf die Türen, an denen sie vorbeikamen. »Hier ist sein Fitnessstudio und da vorn sein Arbeitszimmer.« Am Ende des langen Flurs war eine große Doppeltür zu sehen. »Und dahinter liegt unser Schlafzimmer«, meinte sie und lief direkt darauf zu.

Edies Bein tat nach der langen Strecke schon ziemlich weh, aber sie wollte die Katze so gern sehen. Oft waren ihr Katzen deutlich lieber als Menschen. Als Gretchen die Doppeltür öffnete, begutachtete Edie das Zimmer auf Katzentauglichkeit. In einer Ecke stand ein luxuriöser Kratzbaum, und vor einem der riesigen Fenster war eine Aussichtsplattform angebracht, worüber sich Edie sehr freute. In einer Ecke des gigantischen Bettes lag ein beigefarbenes, runzliges Bündel, das die langen Beine streckte, sobald Gretchen näher kam, um den Kater hochzuheben.

»Iggie fühlt sich hier ganz wohl, verläuft sich aber ständig, daher lasse ich ihn meist gar nicht aus diesem Zimmer raus«, erläuterte Gretchen. »Das Haus ist einfach zu groß, und dieser Raum reicht für ihn ja völlig aus.«

Igor, Gretchens haarlose Sphinx-Katze, sah gut aus, und Edie lächelte. Gretchen hatte den verwahrlosten Kater vor einigen Jahren aufgenommen, da Edie schon zu viele Katzen gehabt hatte, und damals war er dünn und kränklich gewesen und hatte unter einer schlimmen Hautinfektion gelitten. Jetzt war er gesund und dick, und als Gretchen ihn in den Armen hielt und er seinen runzligen Kopf an ihr rieb, freute sich Edie sehr darüber, eine zufriedene Katze mit ihrer glücklichen Besitzerin zu sehen. Schließlich hatte sie die beiden zusammengebracht.

»Darf ich ihn mal streicheln?«, fragte sie, während Bianca an ihr vorbeischlenderte und sich im Zimmer umsah.

»Aber natürlich«, entgegnete Gretchen. »Aber ich weiß nicht, ob er es zulässt. Er mag keine Fremden und hat dich seit Jahren nicht mehr gesehen. Bisher hat er sich noch nicht einmal an Hunter gewöhnt.«

Edie streckte eine Hand aus und ließ Igor an ihren Fingern schnüffeln. Der Kater roch kurz daran, fauchte dann und schlug Edies Hand mit ausgefahrenen Krallen weg.

Gretchen zuckte zusammen und zog ihn sofort zurück. »Er ist nicht gerade die Freundlichkeit in Person.«

»Das ist schon okay«, erwiderte Edie lachend und musterte die Schrammen an ihrer Hand. »Wahrscheinlich hat er meine Katzen gerochen und ist nervös geworden.« Sie steckte sich die Finger in den Mund und saugte an den Kratzern.

»Das tut mir so leid …«

»Mir ist schon Schlimmeres passiert. Ist nicht weiter tragisch.« Edie lächelte Gretchen an, um ihre Freundin zu beruhigen. »Das ist eine ganz normale Reaktion, wenn Menschen, die noch dazu seltsam riechen, in seinen Lebensraum eindringen. Aber ich würde gern mal dabei zusehen, wie Hunter und du mit ihm interagieren. Vielleicht könnte ich …«

»Nein«, fiel ihr Gretchen ins Wort und setzte die Katze wieder aufs Bett. »Du bist nicht hier, um uns zu analysieren, Edie. Du bist hier Gast. Und wo wir gerade dabei sind, sollten wir vermutlich lieber wieder zurückgehen. Hunter wird sich schon fragen, wo wir bleiben.« Sie lächelte und hatte einen ganz verträumten Blick, als sie ihren Verlobten erwähnte.

Beim Verlassen des Zimmers saugte Edie weiter an ihren Fingern, während Gretchen ihnen von den verschiedenen Flügeln des Hauses erzählte und den Tagen, an denen die Putzkolonnen herkamen. Bianca riss die Augen immer weiter auf, während sie das alles in sich aufnahm (und diese Informationen bestimmt für später speicherte), und Edie ließ sie nur zu gern reden. Inzwischen schmerzte ihr Knie schon sehr stark. Vier Stunden in einem Auto zu sitzen, ohne es ausstrecken zu können, war schon schlimm genug gewesen, und die Lauferei machte es jetzt nicht besser. Sie hätte eigentlich ein langes Bad und etwas Tigerbalsam gebraucht, aber der Abend hatte ja noch nicht einmal richtig angefangen. Aus genau diesem Grund ging sie auch so selten auf Partys.

»Da wären wir«, sagte Gretchen, als sie um eine Ecke bogen. »Wir essen im roten Speisesaal. Er ist gleich da vorn. Ich …«

»Eigentlich«, fiel Edie ihr ins Wort und hielt ihre blutenden Finger hoch, »würde ich mir gern die Hände waschen und ein Pflaster draufkleben. Ich komme dann gleich nach.« Auf diese Weise hätte sie auch die Gelegenheit, kurz ihr Knie auszuruhen, bevor sie hineinging und den Rest des Abends durchhalten musste.

»Ich kann dir auch gern ein Pflaster holen«, bot Gretchen an. »Das macht mir nichts aus …«

»Oh nein, das ist wirklich nicht nötig«, beharrte Edie schnell und eilte bereits den Flur entlang. »Ich gehe nur kurz auf die Toilette und hole dich und Bianca gleich wieder ein.«

»Geh einfach in die Küche am Ende des Flurs«, rief ihr Gretchen hinterher. »Dort bekommst du auf jeden Fall ein Pflaster.«

Edie reckte einen Daumen in die Luft, während sie entschlossen weiter durch den langen Korridor marschierte. Sie drehte sich erst wieder um, als Biancas und Gretchens Stimmen nicht mehr zu hören waren. Dann endlich war sie allein. Puh. Sie ließ sich auf ein Sofa sinken, das an der Wand stand, rieb sich das Knie und versuchte, den Schmerz, der unter dem Narbengewebe pochte, zu lindern. Dieser dumme Körper, der ständig versagte.

Nach ein paar Minuten bluteten ihre Finger nicht mehr, aber da sie nach einem Pflaster gefragt hatte, konnte sie sich auch eins besorgen. Sie stand wieder auf, ging weiter den Flur entlang und sah sich nach einer Tür um, die in die Küche führen mochte. Die Tür am Ende des Korridors sah vielversprechend aus, da sie keinen Türgriff hatte, sondern eine Schwingtür war, wie man sie bei einer Küche erwarten würde. Edie humpelte darauf zu.

Und erstarrte dann.

Von drinnen hörte sie Stimmen. Männerstimmen.

»Und … Was ist mit Daphne?«, fragte einer gerade.

Edie hörte ein Geräusch, das klang, als ob eine Flasche geöffnet wurde, dann eine Pause. »Daphne kommt nicht zur Hochzeit.«

»Nicht?«, meinte der erste Mann. »Verdammt. Ich hätte sie zu gern mal kennengelernt. Sie ist heiß.«

»Sie ist völlig am Ende«, erwiderte der andere. »Und im Entzug. Gretchen will sie erst einmal in Ruhe lassen.«

»Und was ist mit den anderen Brautjungfern?«

Eine dritte Stimme mischte sich ein, ein tiefer Bariton, der sofort auffiel. »Kannst du denn nur an Muschis denken, Asher?«

»Warum maulst du mich jetzt an? Levi hat doch davon angefangen.«

»Jeder weiß doch, dass Frauen heiße Bräute als Brautjungfern auswählen«, meinte der, der Levi sein musste.

»Das mag sein, aber du hast Gretchen noch nicht kennengelernt, oder?« Das musste Asher sein.

»Nein, warum?«, fragte Levi. »Ist sie so unsicher?«

»Sie ist speziell«, erwiderte die Baritonstimme. »Er will damit nur sagen, dass ihre Freundinnen vermutlich ebenso merkwürdig sind.«

»Oh nein.« Levi stöhnte auf. »Im Ernst?«

»Bestimmt sind es lauter Katzenladys oder etwas in der Art«, vermutete der Mann mit der Baritonstimme. »Katzenladys und Horoskopspinnerinnen. Also wird dein Schwanz wohl auf eine andere Gelegenheit warten müssen.«

Die anderen beiden lachten, und Edie brodelte vor Zorn. Wie konnten sie es nur wagen? Nach allem, was Gretchen erzählt hatte, waren sie und Hunter sehr glücklich. Und Gretchen hatte ihre Freundinnen zur Hochzeit eingeladen, wie es jede freudestrahlende Braut tun würde. Was machte es schon, wenn diese etwas seltsam waren?

Aber am meisten ärgerte sie sich über diese verdammte Katzenlady-Bemerkung, die der Mann mit der Baritonstimme gemacht hatte. So ein Scheißkerl. Nur weil Frauen zufälligerweise Katzen mochten, bedeutete das noch lange nicht, dass sie grässliche, unsympathische Geschöpfe waren. Bestimmt war dieser Kerl ein hässlicher Molch. Sie blähte vor Zorn die Nasenflügel.

»Jetzt komm schon«, meinte Levi. »Du weißt ganz genau, dass die Trauzeugen die Brautjungfern flachlegen dürfen.«

»Ich würde dir raten, deinen Schwanz in der Hose zu behalten«, erwiderte der Bariton. »Gretchen ist ein verdammt anständiges Mädchen, und sie liebt Hunter, und alles andere ist doch unwichtig, oder nicht?«

»Nein«, protestierte ein anderer. »Titten sind ebenfalls wichtig.«

»Ach, halt die Klappe«, sagte der Bariton lachend. »Sonst bestehe ich darauf, dass du mit einer Katzenlady anbandelst. Aber pass ja auf, sonst hast du am Ende noch einen Haarballen auf deinem …«

Das reichte! Edie drückte die Tür auf und stürmte hindurch, wobei sie die Schmerzen in ihrem Knie ignorierte. Sie war stinksauer. Wie konnten es diese verdammten Arschlöcher wagen, in Gretchens Haus zu kommen und über sie und ihre Freunde zu urteilen? Sie waren immerhin ihre Gäste, verdammt noch mal!

Sobald sie hereingestürmt war, senkte sich Totenstille über die Küche.

Drei Männer standen im Raum, zwei lehnten an der marmornen Kücheninsel in der Mitte, und der dritte holte sich gerade ein Bier aus dem Kühlschrank. Alle drei richteten sich erschrocken auf, als sie sie sahen.

Sie starrte die Männer wütend an und humpelte näher.

»Kann ich … Ihnen helfen?«, fragte der Bariton, und sie drehte sich zu ihm um, damit er den Zorn einer wütenden Katzenlady sehen konnte. Es war wirklich schade, dass ein derart unangenehmer Mann so gut aussehen musste. Er hatte kurzes dunkles Haar, das kaum länger war als ein Militärschnitt, einen markanten Unterkiefer und etwas zu raue Gesichtszüge, als dass sie als attraktiv durchgehen konnten. Doch seine Augen waren von einem unfassbaren Grün-Gold, sodass sie beinahe leuchteten, und von dunklen Wimpern umgeben. Er lächelte sie an, als wollte er sie beruhigen, und bei seinem Lächeln hellte sich sein ganzes Gesicht auf.

Aber selbst wenn sie ihn anziehend fand, blieb die Tatsache bestehen, dass er ein Arschloch war. Sie bedachte ihn mit einem eiskalten Blick, bei dem sein Lächeln verblasste. »Nein, Sie können mir nicht helfen.«

Dann marschierte sie an ihnen vorbei, zog Schubladen auf und knallte sie wieder zu und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie die Männer irritierte Blicke austauschten. Wahrscheinlich ahnten sie, dass sie eine der Brautjungfern war und ihr Gespräch mitangehört hatte, und jetzt versuchten sie wohl, sich irgendwie rauszuwinden.

Ihr war auch klar, dass sie als abstoßende, herrische Hexe rüberkam, aber das war ihr völlig egal. Sie hatte definitiv nicht vor, diese Männer in irgendeiner Weise zu beeindrucken.

Doch die schienen ihren wütenden Blick nicht einmal für voll zu nehmen. »Sind Sie auch wegen des Verlobungsessens hier?«, erkundigte sich einer von ihnen, während sie weiter in den Schubladen herumsuchte.

Edie hob den Kopf und starrte ihn vernichtend an, während sich ihre Finger endlich um das Pflaster schlossen. Mit dem Gesuchten in der Hand reckte sie den Kopf in die Luft, richtete ihre mit Katzenhaaren bedeckte Kleidung und ging wieder aus der Küche hinaus, wobei sie versuchte, ihr Humpeln auf ein Minimum zu beschränken.

Während die Tür hinter ihr zufiel, hörte sie einen der Männer sagen: »Hab ich’s euch nicht gesagt? Die Brautjungfern werden alle seltsam sein.«

»Himmel«, murmelte ein anderer.

Erzürnt humpelte Edie zurück zum Speisesaal, wickelte sich das Pflaster um ihren Finger und verfluchte die Männer innerlich. Warum mussten Männer immer solche Arschlöcher sein, sobald man ihnen den Rücken zuwandte? Und wer hatte ihnen gesagt, dass sie Sex haben würden? Also wirklich! Als ob man allein dadurch, dass man der Hochzeitsgesellschaft angehörte, ein Recht darauf hatte, mit jemandem ins Bett zu gehen.

Es fiel ihr nicht schwer, den richtigen Raum zu finden. Sobald sie in den Korridor zurückgekehrt war, musste Edie nur dem Stimmengewirr folgen. Sie drückte die Tür auf und lächelte Gretchen zu, als sie den gut gefüllten Raum betrat. Ihre Freundin sah aufgeregt und nervös aus. Da musste sie nicht auch noch etwas von den schrecklichen Dingen erfahren, die diese Männer in der Küche gesagt hatten. Dies war Gretchens Abend, und es sollte ein ganz großartiger werden.

»Da bist du ja«, sagte Gretchen, kam zu Edie und nahm ihren Arm. »Komm mit. Ich möchte dir meinen Hunter vorstellen.« Sie drückte Edies Arm und zog sie durch die Menge. Auf der anderen Seite des Raums unterhielt sich Bianca gerade mit einem Mann und hatte ein Weinglas in der Hand. Du liebe Güte, wie lange war Edie denn weg gewesen, dass Bianca bereits ein Opfer gefunden hatte?

»Hunter, das ist meine Freundin aus dem College, Edie. Sie ist diejenige, der ich Igor zu verdanken habe.« Gretchen trat neben Hunter, ließ Edies Arm los und sah sie gespannt an.

Jetzt wusste Edie, warum Gretchen sie vorgewarnt hatte. Hunter stellte einen … nun ja, »unangenehm« war noch eine freundliche Art, diesen Anblick zu bezeichnen. Sein Gesicht war von tiefen, entstellenden Narben gezeichnet, durch die sich auch ein Mundwinkel auf schaurige Weise verzogen hatte. Edie reichte ihm ihre Hand und bemerkte, dass ihm der kleine Finger fehlte. Da war es kein Wunder, dass Gretchen ihn unbedingt beschützen wollte. Die Menschen konnten sehr grausam sein, wenn man nicht der Norm entsprach. Edie konnte dank ihres Beins selbst ein Lied davon singen. »Ich freue mich sehr, dich endlich kennenzulernen«, sagte sie. »Gretchen spricht in den höchsten Tönen von dir.«

»Ach ja?«, fragte er mit einer tiefen, samtigen Stimme. Er sah Gretchen mit hitzigem Blick an, und Edie wäre bei der Art, wie er seine Verlobte musterte, beinahe in Ohnmacht gefallen. Es war, als hätte er sie am liebsten an Ort und Stelle vernascht. Edie wünschte sich, dass ein Mann sie auch einmal so ansehen würde.

»Du musst ein unglaublich geduldiger Mensch sein, dass du es mit Gretchen aushältst«, fügte Edie spöttisch hinzu.

Er lächelte sie steif an und verzog den vernarbten Mund ein wenig. »Das ist keine Geduld, nur Liebe.«

Gretchen legte die Finger der rechten Hand an ihren Mund und tat, als würde sie flüstern: »Und ich gebe fantastische Blow-Jobs.«

Hunter wurde knallrot, und Edie ging davon aus, dass sie genauso aussah. »Himmel, manche Menschen ändern sich wirklich nie«, murmelte sie.

Gretchen strahlte Hunter an, und es war offensichtlich, dass sie sehr verliebt in diesen Mann war. »Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass wir die Plätze zugewiesen haben. Ich wollte, dass sich alle kennenlernen und aneinander gewöhnen. Außerdem spiele ich doch so gern die Kupplerin.« Sie zwinkerte ihrer Freundin zu. »Heute Abend sind einige sehr interessante Junggesellen hier, falls du Interesse hast.«

Bloß nicht! »Nein danke«, erwiderte Edie und versuchte, freundlich zu bleiben. »Aber ich könnte mir denken, dass Bianca das anders sieht.«

Gretchen rümpfte die Nase. »Aus genau diesem Grund hatte ich sie auch nicht eingeladen. Ach, was soll’s. Sie kann bei Cooper sitzen.«

»Kannst du mir bitte meinen Platz zeigen?«, bat Edie sie, da ihr Knie schon wieder zu schmerzen begann.

»Aber natürlich«, erwiderte Gretchen und stellte sich auf die Zehenspitzen, um Hunter einen Kuss auf die vernarbte Wange zu geben. Dann drehte sie sich zu Edie um und deutete auf den wunderschön gedeckten Tisch.

Der lange Esstisch aus Holz war auf jeder Seite für sieben Personen gedeckt, und an den Kopfenden hatte je ein weiteres Gedeck Platz gefunden. Edie saß relativ mittig, was ihr gar nicht so behagte, da es schwierig werden konnte, wenn sie aus irgendeinem Grund aufstehen musste. Aber sie sagte nichts, setzte sich und bemerkte, dass sie zwischen einem »Magnus« und einem »Reese« sitzen würde. Als sie sich nach Bianca umsah, entdeckte sie ihre Schwester in einer Ecke des Raumes, wo sie noch immer mit einem Mann ins Gespräch vertieft war. Da es hier Alkohol und Junggesellen gab, ging Edie davon aus, dass sie für den Rest des Abends abgemeldet war.

Ein Butler mit säuerlicher Miene kam vorbei und füllte Edies Weinglas. Sie dankte ihm, trank einen Schluck und kam sich seltsam vor, weil sie als Einzige bereits am Tisch saß. Hoffentlich passierte gleich irgendetwas, das sie aus dieser misslichen Lage rettete.

Aber ihr Wunsch wurde ihr anders erfüllt, als sie gehofft hatte. Kaum hatte sie den Gedanken zu Ende gedacht, als auch schon die Tür des Speisesaals geöffnet wurde und die drei Männer hereinkamen, denen sie in der Küche begegnet war. Der mit den strahlenden grün-goldenen Augen sah Edie kurz herausfordernd an, als er hinter den anderen beiden hereinkam, und trank einen Schluck aus seiner Bierflasche. Würg!

»Habt ihr euch mit Bier eingedeckt?«, rief Gretchen. »Gut, dann nehmt jetzt bitte alle eure Plätze ein. Sucht nach eurem Namen und macht es euch bequem. Sobald alle sitzen, kommen wir zur Vorstellungsrunde.«

Edie wartete und beobachtete die anderen, die um den Tisch herumliefen und nach ihrem Platz suchten. Sie zuckte innerlich zusammen, als der Mann mit den grün-goldenen Augen langsam in ihre Richtung kam. Geh einfach weiter, flehte sie. Geh weiter. Das Schicksal konnte doch nicht so grausam sein …

Er zog den Stuhl neben ihr heraus und grinste sie an. »So sieht man sich wieder.« Dann stellte er sein Bier neben ihr Weinglas auf den Tisch.

Sie hob ihr Glas, trank noch einen Schluck und ignorierte ihn. Dieser Abend wurde ja immer schlimmer. Während sie zusah, setzten sich die anderen, und sie musterte eine schwangere Frau, die Gretchen ähnlich sah – das musste ihre jüngere Schwester Audrey sein –, der gerade von einem attraktiven Mann mit einem feschen Ziegenbart auf ihren Platz geholfen wurde. Er küsste sie auf den Scheitel, ging dann um den Tisch herum und setzte sich neben Edie. »Hallo. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich mich neben Sie setze?«

»Ganz und gar nicht«, erwiderte sie und lächelte ihn an. Wenigstens gab es eine Person, mit der sie sich an diesem Abend unterhalten konnte. Sie musste nur den Bier trinkenden Höhlenmenschen auf der anderen Seite ignorieren.

Einen Augenblick später saßen alle am Tisch … alle bis auf Gretchen und Bianca. Bianca blinzelte mit ihren großen dunklen Augen und schenkte Gretchen ein betretenes Lächeln. »Ich weiß ja, dass ich gar nicht eingeladen bin, daher werde ich einfach in der Küche warten. Amüsiert euch bitte ohne mich.«

Einige der Männer protestierten, und Edie bemerkte, dass einer sogar aufstand und aussah, als wollte er ihr seinen Platz anbieten.

»Ach, so ein Quatsch, Bianca«, sagte Gretchen gereizt. »Setz dich auf meinen Platz. Ich werde einfach bei meinem Süßen sitzen.« Mit diesen Worten ging sie zu Hunter und setzte sich prompt auf seinen Schoß.

»Na gut«, murmelte Bianca mit scheuer, kindlicher Stimme. Sie schenkte allen ein schüchternes Lächeln und setzte sich an ein Kopfende des Tisches – zwischen zwei Männer, die sie anstrahlten. Also alles wie üblich. Edie fragte sich, wie es kommen konnte, dass Bianca, die nicht einmal eingeladen war, plötzlich jedermanns Liebling zu sein schien, während Edie, immerhin eine der Brautjungfern, zwischen einem verheirateten Mann saß, der seiner Frau Handküsse zuwarf, und einem Bier trinkenden Mistkerl, der enttäuscht war, weil er keinen Sex haben würde.

Das war ja wirklich ihr Glückstag. Vielleicht sollte sie so tun, als wäre ihr nicht gut, und den Abend lieber mit Igor verbringen. Sie würde ein paar Kratzer gern hinnehmen, wenn sie dafür die Gesellschaft des Katers genießen durfte. Katzen schlugen nicht aus Kleinlichkeit zu, und sie wollten auch keine Titten sehen.

Edie zog die Tiere eindeutig den Menschen vor.

Gretchen zappelte ein wenig auf Hunters Schoß herum, griff nach einem Weinglas – entweder ihrem oder Hunters – und tippte mit einer Gabel dagegen. »Okay, alle mal herhören. Wir haben euch heute hierher eingeladen, weil wir mit euch über die bevorstehende Hochzeit sprechen möchten. Wenn ihr hier seid und eine Vagina habt, dann seid ihr eine Brautjungfer.« Sie deutete mit einer Gabel über den Tisch hinweg. »Du bist die einzige Ausnahme, Bianca. Du bist nicht eingeladen, es sei denn, wir brauchen noch einen Platzanweiser oder etwas in der Art.«

Bianca lächelte nur schüchtern, aber Edie bemerkte, dass einer der Männer Gretchen bei ihren direkten Worten entsetzt ansah. Edie nippte nur an ihrem Wein und versuchte, ihr Grinsen zu verbergen. Es war ja nicht so, dass sie Bianca hasste – sie gehörte schließlich zur Familie. Natürlich liebte Edie sie. Aber sie genoss es auch, dass Gretchen Biancas falsche Art durchschaute und sie in ihre Schranken verwies.

»So«, meinte Gretchen dann und fuchtelte mit der Gabel herum. »Wer einen Penis hat, ist Trauzeuge. Und da Hunter und ich sehr genaue Vorstellungen davon haben, wie diese Hochzeit ablaufen soll …«

Audrey hielt eine Hand vor den Mund und hustete. »Hust … Brautmonster … hust.«

Gretchen streckte den Arm aus und schlug ihr mit der Gabel leicht auf den Kopf. »Ganz genau, ich bin das Brautmonster. Sprich es ruhig aus, das ist mir egal. Es ist meine Hochzeit, und wir werden alles so machen, wie ich es will, oder ich mache demjenigen, der aus der Reihe tanzt, das Leben zur Hölle. Und dazu gehört, dass ich meine Katze als Clown verkleide und denjenigen zwinge, als Strafe mit ihr zu posieren. Habt ihr verstanden?« Sie sah sich mit drohendem Blick um. »Okay, gut. Da sich hier noch nicht alle kennen, würde ich vorschlagen, wir machen eine schnelle Vorstellungsrunde. Ich fange an.« Sie sprang auf die Beine und strahlte Hunter an. »Ich bin Gretchen und habe Hunter kennengelernt, als er mich unter Vortäuschung falscher Tatsachen in dieses Haus gelockt hat. Danach haben wir gerammelt wie die Karnickel, bis er beschlossen hat, es offiziell zu machen und mich zu heiraten.«

Ein paar der Anwesenden verschluckten sich beinahe an ihren Drinks. Edie grinste nur.

Gretchen deutete mit der Gabel auf ihren Verlobten, und Hunter räusperte sich. »Ich bin Hunter und habe beschlossen, es offiziell zu machen und sie zu heiraten.«

»Gut gemacht, Baby«, lobte Gretchen ihn und deutete auf ihre Schwester. »Du bist dran.«

Audrey stand langsam auf, was bei ihrem dicken Bauch nun wirklich nicht leicht war. Sie schob sich ein paar karottenrote Strähnen aus dem mit Sommersprossen übersäten Gesicht und seufzte. »Ich bin die seit Langem leidende Schwester der Braut«, sagte sie, legte sich eine Hand an die Stirn und erntete dafür ein mehrstimmiges Kichern. »Und Gretchen hat mich gebeten, ihre Trauzeugin zu sein, was gleichzeitig eine Ehre und ein bisschen beängstigend ist.« Sie grinste ihre Schwester an. »Aber ich könnte nicht glücklicher für die beiden sein. Ihre Ehe wird bestimmt ganz wunderbar und wurde im Himmel gestiftet.«

Jemand machte ein Würgegeräusch, und alle fingen an zu lachen, Audrey eingeschlossen. Okay, es waren also einige Clowns anwesend. Das ließ ja auf einen lustigen Abend hoffen.

Danach kam ein Mann namens Cooper, der sich als Gretchens ehemaliger Boss und Collegefreund vorstellte, an den sich Edie jedoch nur vage erinnerte. Er erzählte, wie er mit Gretchen zusammengearbeitet hatte, wie sie ihre Arbeit und Hunter liebte, und sagte, was für ein Glück Hunter hatte, und dann wurde die Lobeshymne irgendwie ein wenig unangenehm. Schließlich setzte er sich wieder, und seine Tischnachbarin stand auf. Kat Geary war Gretchens Literaturagentin, und ihre Rede war kurz und witzig. Danach wurde es interessanter. Eine ziemlich süße und quirlige Chelsea hörte gar nicht mehr auf zu plappern, als hätte sie Angst vor der Stille. Dann war da Asher, ein gut aussehender Mann, der ein guter Freund von Hunter zu sein schien und einer der Männer war, die Edie in der Küche gesehen hatte. Er schien eigentlich ganz nett zu sein, was Edie nur wieder einmal davon überzeugte, dass man einem Mann nun einmal nicht in den Kopf blicken konnte. Danach stand eine winzige Frau mit dichtem dunklen Pferdeschwanz auf, die sich als Greer vorstellte und sagte, sie wäre Hochzeitsplanerin und Gretchens Freundin. Neben Greer saß Levi, der einer von Hunters langjährigen Klienten und ebenfalls ein guter Freund war.

Levi starrte Bianca die ganze Zeit an, während er sich vorstellte.

Bianca thronte am Kopfende des Tisches und lächelte nett, während die anderen redeten, aber zu Levi blickte sie auf, als wäre er der einzige Mann auf der Welt. Edie konnte schon fast hören, wie sie ihn an die Angel nahm. Der arme Mann würde gar nicht mehr wissen, wie ihm geschah.

Auf der anderen Tischseite saß eine flippig aussehende junge Frau namens Taylor, die ein wenig schüchtern wirkte. Daneben Sebastian, der recht barsch, kurz angebunden und unhöflich wirkte und gar nicht in eine Hochzeitsgesellschaft zu passen schien. Dann war da eine süße dunkelhaarige Frau namens Brontë, die Aristoteles zitierte und sagte, dass Gretchen auch ihre Brautjungfer gewesen war, und neben ihr saß ihr Mann Logan, ebenfalls einer der Trauzeugen. Als Nächstes kam Edies Sitznachbar Magnus, der erwähnte, dass er mit Videospielen sein Geld verdiente und sich aufrichtig für seinen Freund Hunter freute. Edie gab sich die größte Mühe, ihre Gefühle für sich zu behalten, auch wenn sie wusste, dass Magnus gerade log. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um ihn zurechtzuweisen. Sie war nicht wie Gretchen, die einfach mit ihren Gedanken herausplatzte und andere vor den Kopf stieß. Gretchen hatte ein lockeres Mundwerk, aber auch ein großes Herz.

Und Edie? Sie hatte ein kaltes, verbittertes Herz und war sehr nachtragend.

Als sie an der Reihe war, um aufzustehen und etwas zu sagen, erhob sie sich ein wenig unbeholfen und hob ihr Glas. »Ich bin Edie King und eine alte Freundin von Gretchen. Und was ich mache?« Sie ließ den Blick absichtlich über den Tisch schweifen und etwas länger auf den drei Männern Asher, Levi und ganz besonders Magnus ruhen. Den drei Biertrinkern. »Ich bin von Beruf Katzentherapeutin, und man kann mich wohl mit Fug und Recht als Katzenlady bezeichnen.«

Irgendjemand am Tisch verschluckte sich an seinem Bier.

2

Das musste Magnus der Katzenlady lassen – sie hatte Mumm. Zwar mochte er sie noch immer nicht, aber die Art, wie sie sich bei ihrer Rede revanchiert hatte, war großartig, selbst wenn die Worte auf passiv-aggressive Weise an ihn gerichtet gewesen waren. Magnus fand das wirklich herrlich, und er genoss es auch, wie Levi aussah, als würde er am liebsten im Boden versinken, und wie Asher in sein Bier starrte. Sie wussten alle, dass sie sich vorhin in der Küche mit ihren sexistischen Bemerkungen wie Arschlöcher benommen hatten, aber Magnus nahm das Ganze nicht so ernst. Levi war ein Träumer, der allem nachstellte, was einen Rock trug, und Asher, nun ja, Asher war erst vor Kurzem von seiner Jugendliebe das Herz gebrochen worden. Wenn er jetzt also verzweifelt versuchte, mit einer der Brautjungfern ins Bett zu steigen, konnte Magnus ihm das nicht verdenken.

Aber er war sich ziemlich sicher, dass er bei der Katzenlady abblitzen würde. Was ihn innerlich köstlich amüsierte. Nicht dass er selbst an der Frau interessiert gewesen wäre. Obwohl sie schon recht süß war, auf eine nerdige Hippie-Art. Und er war ein Mann und hatte wie alle Männer einen »Fickschalter« im Hirn, der immer, wenn er eine Frau sah, aktiviert wurde. Abhängig vom Aussehen der Frau stand der Schalter entweder auf An oder auf Aus, und bei der Katzenlady stand sein Fickschalter definitiv auf An, da sie ein Paar hübsche Titten unter dem hässlichen Kleidverschnitt hatte und ein perfektes herzförmiges Gesicht, das ohne ihre ständig finstere Miene sehr anziehend gewesen wäre. Magnus’ Penis war auf jeden Fall bereit für sie, weil der wie immer alles Interessante mochte, und sie fiel eindeutig in diese Kategorie. Sein Gehirn sah die Sache jedoch ganz anders.

Im Laufe des Abends taute seine Sitznachbarin nicht im Geringsten auf, und dadurch verflog auch die zu Beginn aufgekeimte Bewunderung für sie.

Denn somit saß er zwischen einem verheirateten Paar und einer Frau, die ihn ignorierte, fest.

Es wurde ein unerträglich langer Abend. Er war heilfroh, als die Party endlich endete und er mit Levi zusammen von hier verschwinden konnte. Den halben Abend lang hatte er nur Bier getrunken und über neue Konzepte für The World nachgedacht, weil sich seine Gedanken ständig um sein Projekt drehten.

Sowohl Levi als auch er verdienten nämlich ihr Geld damit, IPs – also Intellectual Propertys, geistiges Eigentum in Form von Figuren und Inhalten – für Videospiele zu erschaffen. Sie waren vor fünf Jahren berühmt geworden, als eines ihrer Onlinespiele so großen Anklang gefunden hatte, dass jede Menge Merchandise-Artikel dazu entstanden und im Internet lauter Sprüche wie »Beute ist was für Bimbos« aus dem Spiel kursierten. Eine große Spielefirma war auf sie aufmerksam geworden und hatte ihnen die Rechte an dem Spiel für zwei Milliarden Dollar abgekauft, was bis dahin noch nie vorgekommen war. Danach hatten Magnus und Levi eine zweite IP geschaffen und auch die Rechte an diesem Konzept für mehrere Hundert Millionen Dollar verkaufen können.

Momentan arbeiteten sie an ihrem neuesten Werk: The World, einem Spiel in einer virtuellen Welt, bei dem man seinen Weg durch die Geschichte seiner Länder festlegte und die Spielwelt sich dann anpasste und die Level und Klassen der Figuren entsprechend des gewählten »historischen« Zeitablaufs individualisierte. Die technische Umsetzung war recht knifflig, aber Magnus liebte Herausforderungen.

Er reichte Levi die Wagenschlüssel, als sie das Buchanan-Herrenhaus verließen. »Du hast doch nichts getrunken, oder?«

»Nein, ich bin nüchtern«, versicherte ihm sein jüngerer Bruder. Normalerweise hätte er jetzt herumgejammert und gestöhnt, dass er auf einer Party nichts trinken durfte, aber an diesem Abend war er seltsamerweise ruhig. Tatsächlich lächelte er sogar.

Magnus starrte Levi irritiert an. »Geht es dir gut?«

Zu seiner Überraschung drehte sich Levi zu ihm um und legte ihm einen Arm um die Schulter. »Was hältst du von ihr?«

»Von wem?«

»Von der Schwester. Der, die mit Katzen arbeitet.«

Von der Eiskönigin, die den ganzen Abend neben Magnus gesessen hatte? »Sie ist ganz niedlich, würde ich sagen. Aber vielleicht sollte ihr mal irgendjemand den Eiszapfen aus dem Hintern ziehen.«

Levi sah ihn verwirrt an. »Du bist nicht der Ansicht, dass sie warmherzig und anmutig ist?«

»Ganz bestimmt nicht. Ich gebe ja zu, dass sie ganz nett aussieht, aber, verdammt, Mann, sie war den ganzen Abend über eiskalt und hat mit niemandem geredet.«

»Reden wir hier über dieselbe? Über Bianca?«

Wer zum Teufel war Bianca? Magnus überlegte und erinnerte sich vage an ein Mädchen mit großen braunen Augen, hellblondem Haar und einem koketten, schüchternen Lächeln, das ihn auf dieselbe Weise angewidert hatte, wie er die meisten Parfums aufgrund ihrer übertriebenen Süße nicht mochte.

Levi lachte und klang sehr vergnügt. »Sie arbeitet mit der Katzenlady zusammen. Die Arme hat ein schlimmes Bein, daher kümmert sich Bianca um sie. Sie ist so selbstlos.«

»Super«, murmelte Magnus mit emotionsloser Stimme. »Schön für sie.«

»Nein, Bruderherz, du verstehst das nicht«, erklärte Levi, baute sich vor Magnus auf und streckte die Hände aus. Okay, anscheinend wollte Levi, dass er stehen blieb und sich auf der gottverdammten Auffahrt mit ihm unterhielt.

Magnus starrte seinen jüngeren Bruder mit dem Hang zum Drama an. »Was genau verstehe ich nicht?«

Levi grinste nur und schlug Magnus auf die Schulter. »Ich bin verliebt.«

Ach, jetzt geht das wieder los.

Zwar waren Levi und Magnus gerade mal anderthalb Jahre auseinander, aber sie besaßen völlig unterschiedliche Persönlichkeiten. Magnus war das Arbeitstier. Wenn der beste Weg, ein Problem zu lösen, darin bestand, sich jeden Tag sechzehn Stunden in die Arbeit zu stürzen, dann tat er genau das. Levi war hingegen ein Träumer. Er hatte stets den Kopf in den Wolken, schlief bis zum Mittag und hielt sich an keinen der Abgabetermine, die Magnus ihm stellte.

Aber wenn Levi eine Idee hatte, dann war diese meist umwerfend. Aus genau diesem Grund ertrug Magnus ihn, auch wenn er den Großteil ihrer »Partnerschaft« selbst schulterte.

Das Nervigste an Levis Verträumtheit war jedoch, dass er sich ständig aus heiterem Himmel verlieben konnte. Levi verliebte sich so, wie manche Frauen die Haarfarbe änderten. Heute war es Bianca. In zwei Wochen konnte es schon Clarice sein oder die Barista in dem Café, die mit dem süßen Nasenring. Oder es war ein Fan, eine begeisterte Spielerin, die sie bei einer Party kennenlernten und die beschloss, ihm ihre Liebe zum Spiel zu demonstrieren, indem sie in einer dunklen Ecke mit ihm herumknutschte.

Levi war leicht zu beeindrucken, und er liebte die Frauen.

Magnus – nun ja, Magnus arbeitete.

Da Levis Liebe aber meist genauso schnell verblasste, wie sie aufgekeimt war, endete die Sache meist glimpflich. Levi benahm sich einige Tage lang unmöglich, und danach wurde ihm das Herz gebrochen – denn er neigte außerdem dazu, sich in Frauen zu verlieben, die für ihn unerreichbar waren. Danach trauerte er ein paar Tage lang um seine verlorene Liebe, machte sich mit neuer Leidenschaft an die Arbeit, und alles lief wieder wie am Schnürchen.

Aus diesem Grund verdrehte Magnus auch nur die Augen, als er sich auf den Beifahrersitz des Maserati setzte. Sollte sich Levi doch verlieben. Er würde mit der Kleinen, deren Namen Magnus schon wieder vergessen hatte, nach ein paar Tagen abgeschlossen haben und wieder an die Arbeit gehen.

Und Magnus? Tja, Magnus würde einfach das machen, was er immer tat. Er würde um sechs Uhr früh aufstehen, seine sechzehn Stunden arbeiten und das weiterhin durchziehen. Denn das war der einzige Weg, auf dem in ihrem Unternehmen etwas geschafft wurde. Auch wenn diese Vereinbarung etwas unorthodox war, ging sie für die beiden auf – und das war schließlich alles, was zählte, oder nicht?

***

Drei Tage später klopfte Magnus an die Tür von Levis Suite. »Es ist vierzehn Uhr, Levi. Kommst du da heute auch noch mal raus?«

Er wartete ungeduldig einige Minuten lang und tippte mit dem Fuß auf den Boden. Als er keine Antwort bekam, hob er die Hand und wollte schon erneut anklopfen …

Doch da öffnete Levi die Tür, dessen sonst immer so fröhliche Miene missgelaunt wirkte und dessen blondes Haar zerzaust war. »Was willst du?«, fragte er leise.

»Dass du zusammen mit mir an The World arbeitest? Du weißt schon, die Figuren der Hunnen programmieren. Vielleicht erinnerst du dich noch daran.«

Levi verzog zerknirscht das Gesicht. »Ich kann mit gebrochenem Herzen nicht arbeiten.«

Magnus stöhnte. »Ach, verdammt. Nicht das schon wieder. Sie ist doch nur irgendein hübsches Gesicht. Vergiss sie einfach.«

»Sie ist nicht nur ein hübsches Gesicht«, protestierte Levi. »Sie ist Bianca.«

Als ob das alles erklären würde.

»Kommt sie denn jetzt mit und arbeitet mit mir an den Hunnen?«, fragte Magnus, was ihm einen zornigen Blick von Levi einbrachte.

»Du verstehst das nicht.«

»Da hast du allerdings recht …«

»Bianca liebt mich, aber es gibt da ein Problem.«

»Natürlich gibt es das.« Denn es gab immer ein Problem, wenn sich Levi verliebte. »Ist sie etwa verheiratet?«

Levi starrte Magnus beleidigt an. »Natürlich nicht. Bianca würde nie einen Mann betrügen, mit dem sie verheiratet ist.«

»Natürlich nicht«, entgegnete Magnus mit deutlich hörbarem Sarkasmus. Levi war ein solcher Träumer, wenn es um Frauen ging, ganz anders als Magnus, der knallharte Zyniker. Er wusste, wie Beziehungen mit Frauen liefen. Man ging eine Weile miteinander aus, es wurde immer exklusiver, und auf einmal musste man fragen, ob man sich am Hintern kratzen durfte, und hatte eine zweite Zahnbürste im Badezimmer stehen. Frauen glaubten nicht an Affären, sondern an erste Verabredungen und daran, dass sie kurz darauf mit ihren Sachen vor der Tür stehen und einen in Besitz nehmen konnten. Aber das war nichts für ihn. Er war gern sein eigener Herr und mochte es gar nicht, jemand anderem Rede und Antwort stehen zu müssen. In dem Augenblick, in dem eine Frau zu klammern anfing, machte Magnus Schluss. Er hatte schon Levi in seinem Leben, und zu versuchen, seinen Bruder dazu zu bringen, den Arsch hochzukriegen, war bereits eine Lebensaufgabe für sich.

»Du verstehst es einfach nicht«, wiederholte Levi mit trauriger Stimme. Er strich sich mit einer Hand durch das zerzauste Haar und zog sich dann in sein Zimmer zurück. »Ich brauche sie.«

»Du brauchst sie? Wofür?« Magnus folgte seinem Bruder und war wieder einmal erstaunt, wie Levi es innerhalb weniger Tage schaffte, eine Einhundertachtzig-Quadratmeter-Wohnung in ein heilloses Chaos zu verwandeln. »Du musst dich mal zusammenreißen, Mann. Und sieh dir diesen Schweinestall an. Das ist den Angestellten gegenüber echt unfair, dass du dich so benimmst.« Auch wenn sie jetzt reich waren, hatte Magnus nicht vergessen, wie es war, seinen Kram selbst aufzuräumen. Aber Levi …

Levi drehte sich um und ließ sich rücklings auf sein riesiges Bett fallen. »Wie gesagt: Ich brauche sie.«

»Wofür denn bitte schön? Wird sie uns bei dem neuen Projekt helfen? Denn ich brauche deine Hilfe bei dieser Sache.«

»Sie ist meine Muse. Ohne sie kann ich nicht arbeiten.«

Seine Muse? War das sein gottverdammter Ernst? Magnus hob einige der schmutzigen Kleidungsstücke auf, die im Zimmer herumlagen, und warf sie aufs Bett – und auf Levi. »Okay. Ich gebe auf. Du wirst anscheinend wirklich nicht arbeiten, solange du dir die Kleine nicht aus dem Kopf geschlagen hast. Also verschwinde und geh zu ihr. Vergiss die Abgabetermine und alles andere. Großer Gott!«

»Das ist es doch gerade«, jammerte Levi, der nicht einmal mit der Wimper zuckte, als Magnus ihn mit einem alten Handtuch bewarf. »Ich kann sie nicht sehen. Sie will ihre Schwester nicht im Stich lassen.«

»Dann will sie auch nicht mit dir zusammen sein«, stellte Magnus fest.

»Doch, das will sie«, erwiderte Levi. »Aber ihre Schwester lässt sie nicht weg. Die Frau ist ein Workaholic, genau wie du.« Levi setzte sich langsam auf und starrte seinen Bruder mit weit aufgerissenen Augen an. »Sie ist ein Workaholic, genau wie du. Magnus, das ist perfekt!« Bei diesen Worten rollte er sich vom Bett herunter, sprang auf, lief quer durch das Zimmer und packte die Arme seines älteren Bruders. »Kannst du mir zuliebe mit Edie ausgehen?«

»Was? Wovon zum Teufel redest du da?«

»Kannst du mit Edie ausgehen?«, wiederholte Levi, als wäre es der naheliegendste Vorschlag der Welt. »Wenn Edie beschäftigt ist, hat Bianca Zeit für mich. Wenn Edie mit dir ausgeht, kann Bianca mit mir ausgehen. Das ist die perfekte Lösung.«

Magnus schüttelte die Hände seines Bruders ab. »Die perfekte Lösung … Wenn du high bist, vielleicht. Warum sollte ich mit Edie ausgehen wollen? Sie hat mich auf der Dinnerparty so giftig wie eine Grubenotter behandelt.«

»Sie hat bestimmt auch eine sanfte Seite, wenn du mit ihr flirtest«, fuhr Levi ungerührt fort. Er hob ein Hemd vom Boden auf, streifte es über und knöpfte es zu. »Das ist genau das, was ich brauche. Edie muss irgendwie abgelenkt werden. Wenn du sie beschäftigst, kann ich Zeit mit Bianca verbringen. Auf diese Weise bekommen wir beide, was wir wollen.«

Sein Bruder hatte anscheinend den Verstand verloren. Magnus verschränkte die Arme vor der Brust. »Dein Plan hat einen entscheidenden Fehler.«

Levi sah ihn mit schräg gelegtem Kopf an. »Ach ja? Welchen denn?«

»Du hast die Tatsache vergessen, dass ich nicht die geringste Lust habe, mit Edie auszugehen!«, brüllte Magnus. »Großer Gott, Mann, komm endlich klar. Warum sollte ich mit ihr ausgehen wollen? Es ist mir scheißegal, wie niedlich sie ist, wenn ein Abend mit ihr einem Albtraum gleicht.«

Aber Levi warf Magnus nur einen vielsagenden Blick zu. »Du findest sie also niedlich?«

Er stöhnte innerlich auf. »Ja, ich würde mit ihr ins Bett gehen … solange sie den Mund hält. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich mit ihr ausgehen will.«

»Ach, geh doch mit ihr aus. Geht einfach was trinken. Mach ihr Komplimente für ihre Frisur. Findet Gemeinsamkeiten. Sie wird dir bestimmt schon bald aus der Hand fressen.« Levi legte Magnus einen Arm um die Schultern, als wäre das Problem damit gelöst. »Das ist perfekt. Du gehst mit ihr aus, ich amüsiere mich mit Bianca und wir können uns beide ein bisschen entspannen.«

»Nein. Auf gar keinen Fall.« Magnus löste sich von seinem Bruder. »Du weißt, dass wir einen Abgabetermin haben. Game Channel will den Aufbau und das Spieldesign in zwei Monaten sehen. Das bedeutet, dass wir uns den Arsch aufreißen müssen, und das wiederum heißt, dass du endlich mit diesen gottverdammten Hunnen weiterkommen musst. Sie bezahlen uns verdammt viel Geld …«