Perry Rhodan 2154: Größer als das Leben - Michael Nagula - E-Book

Perry Rhodan 2154: Größer als das Leben E-Book

Michael Nagula

0,0

Beschreibung

Auf dem Planeten der Valenter - ein besonderer Kontakt im Zerotraum Auf den von Menschen bewohnten Planeten der Milchstraße schreibt man den März des Jahres 1312 Neuer Galaktischer Zeitrechnung - dies entspricht dem März 4899 alter Zeitrechnung. Nach erbitterten Kämpfen konnte die Bedrohung für die Terraner und ihre Verbündeten beseitigt werden. In absehbarer Zeit ist keine Vernichtung der Erde und anderer Welten zu befürchten. Am Sternenfenster, dem unglaublichen Durchgangstor zum feindlichen Reich Tradom, haben Terraner, Arkoniden und Posbis die Oberhand über die gegnerischen Flotten gewinnen können. Das Tor, mit dessen Hilfe man die Entfernung von unvorstellbaren 388 Millionen Lichtjahren praktisch in Nullzeit überwinden kann, ist nun in der Hand der Milchstraßenbewohner. Gleichzeitig gelang der Vorstoß auf "die andere Seite". Das Trapitz-System konnte dabei als eine wichtige Zentralstelle im Machtgebiet des Reiches Tradom ausgemacht werden. Nach einer ersten Attacke gegen die Tributschmiede wollen die Terraner nun mehr herausfinden. In dieser Situation tritt der Zeroträumer Benjameen da Jacinta in einen besonderen Kontakt zu einem Wesen - sein Lebensinhalt ist GRÖSSER ALS DAS LEBEN...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 141

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 2154

Größer als das Leben

Auf dem Planeten der Valenter – ein besonderer Kontakt im Zerotraum

von Michael Nagula

Auf den von Menschen bewohnten Planeten der Milchstraße schreibt man den März des Jahres 1312 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – dies entspricht dem März 4899 alter Zeitrechnung. Nach erbitterten Kämpfen konnte die Bedrohung für die Terraner und ihre Verbündeten beseitigt werden. In absehbarer Zeit ist keine Vernichtung der Erde und anderer Welten zu befürchten.

Am Sternenfenster, dem unglaublichen Durchgangstor zum feindlichen Reich Tradom, haben Terraner, Arkoniden und Posbis die Oberhand über die gegnerischen Flotten gewinnen können. Das Tor, mit dessen Hilfe man die Entfernung von unvorstellbaren 388 Millionen Lichtjahren praktisch in Nullzeit überwinden kann, ist nun in der Hand der Milchstraßenbewohner.

Gleichzeitig gelang der Vorstoß auf »die andere Seite«. Das Trapitz-System konnte dabei als eine wichtige Zentralstelle im Machtgebiet des Reiches Tradom ausgemacht werden. Nach einer ersten Attacke gegen die Tributschmiede wollen die Terraner nun mehr herausfinden.

Die Hauptpersonen des Romans

Benjameen da Jacinta – In einem Zerotraum erfährt der Arkonide mehr über die Kultur der Valenter.

Sogtan Kapellme – Eine beispiellose Karriere führt den Valenter in eine Spitzenposition des Reiches Tradom.

Kresto Kapellme – Von Geburt an ist der Zwilling der erbitterte Rivale des erfolgreichen Bruders.

Gucky

Prolog

7. April 1312 NGZ

Seht die flammende Säule aus Gold!

Seht die alles beschützende Macht!

Anguelas Auge wacht über uns, verleiht uns Stärke und Kraft. Sie ist das Tor, durch das unsere Seele in das unendliche Nichts eingeht.

Seht die flammende Säule aus Gold, wie sie über Tradom und seine Völker wacht.

(Invokation eines anguelischen Geistlichen)

*

Immer der gleiche Anblick, seit Stunden schon, seit Trapitz blutrot über Celona aufgegangen war. Hoch über uns kreuzende Raumschiffe, tropfenförmig, der Bug gerundet, asymmetrisch oben flach gedrückt, die Oberseite mit gebäudeartigen Aufbauten versehen. Unsere Instrumente hatten es im diffusen Licht der Zentrale angezeigt: Die ganze Nacht hindurch zogen die Schiffe schon ihre Kreise, strichen wie Geier über dem Raumhafen dahin.

Das Schott glitt mit einem Zischen auf, als ich gerade müßig meinen CE-Tradico-Kreditchip in die Luft schnippte. Mein Blick schweifte ab. Tess betrat die Zentrale, Tess Qumisha, meine Gefährtin. Trotz der Zebrastreifen auf der Haut fand ich sie einfach atemberaubend, und sogar die beige »Eierschale« auf dem Kopf hatte etwas Entzückendes. Ich zwinkerte ihr zu. Sie reagierte mit einem angedeuteten Kuss. Prompt ließ ich den Kreditchip fallen, statt ihn aufzufangen.

Es klirrte, als er zu Boden fiel. Ein halbes Dutzend dieser seltsamen Nachtsichtgeräte, die jeder in der Zentrale vor seinen Augen trug, ruckte hinter den Konsolen nach oben und richtete sich auf mich. Ich sah nach unten und stellte erstaunt fest, dass der viereckige Kreditchip über den Boden rollte ... nein, durch die Luft glitt. Ungläubig verfolgte ich seinen Weg, bis er vor einer Pelzgestalt verharrte.

»He, Zeroträumer! Du lässt dich doch nicht von ein paar Polizeischiffen der Valenter ins Bockshorn jagen?« Guckys Nagezahn blitzte bei dieser Frage munter auf.

Der Mausbiber hatte offenbar seinen lustigen Tag. Hielt er mich für Bully, dass er mich mit diesem Münztrick veralberte?

»Drücken wir es mal so aus«, antwortete ich. »Wenn die hiesigen Finanzbehörden auch nur die geringste Ähnlichkeit mit denen in der Milchstraße haben, werden sie sich an den Verursachern ihrer Probleme schadlos halten wollen.«

»Aber gnadenlos«, stimmte Grau Loco zu. Der angebliche Handlungsreisende verließ soeben den Hygieneraum der Zentrale. »Wie ich den Obersten Einnehmer einschätze, würde er die Schuldigen am liebsten mit bloßen Händen erdrosseln.«

Vom zentralen Finanzamt dieser Galaxis mit Sitz in Celon-Kanta waren innerhalb von Sekunden riesige Summen an alle möglichen Empfänger in Tradom transferiert worden. Wir waren nicht ganz unschuldig daran. Gucky hatte Grau Loco, dessen Artgenossen Menta Ant und mich in die Tributschmiede teleportiert, wo Menta Ant das Computerprogramm der Finanzbehörde manipuliert hatte. Seitdem herrschte auf Celona das Chaos.

»Ohne euch hätte es vielleicht nicht geklappt«, sagte Grau Loco leise. Der Blick seiner tief liegenden roten Augen, die so stark mit seiner fahlen Haut kontrastierten, huschte dankbar zwischen uns hin und her.

Ich nickte nur und schaute an dem Mausbiber vorbei, der noch immer feixend vor mir stand. Der Funker hatte mich mit erhobenem Finger auf sich aufmerksam gemacht.

»Was gibt's, Massimo?«, fragte ich.

Der Terraner räusperte sich. »Ich habe gerade auf der geheimen Valenter-Frequenz eine Nachricht aufgefangen, die dich interessieren dürfte.«

»Spiel sie ab!«

Gucky und ich wechselten einen Blick. Steht die Durchsuchung der GOMINE bevor? Wir erwarten sie schon seit unserem Attentat. Ist es jetzt so weit?

In diesem Augenblick erwachte die Aufzeichnung zum Leben: »An alle Einheiten. Hier spricht Haan Eiccan, kommissarischer Nachfolger des Obersten Tributeinnehmers. Geschwader 3 bis 5, in Sektor Taro-Tara versammelt ein angeblicher Redner des Trümmerimperiums eine Menschenmenge. Greift schonungslos durch. Geschwader 10 bis 12, weiter den Raumhafen überwachen. Die Saboteure müssen gefunden werden. Sucht nach Gewährsleuten des Trümmerimperiums! Eiccan Ende.«

Die Aufzeichnung war beendet. Schweigen herrschte in der Zentrale der GOMINE.

Wir alle wussten, was diese Befehle zu bedeuten hatten.

Die Blockade blieb weiter bestehen. Und mit jeder Minute, die verstrich, wuchs die Gefahr einer eventuellen Entdeckung.

*

Die meisten von uns hatten seit unserem geglückten Anschlag etwas geschlafen. Nicht so ich – und das lag nicht an meinem Amt als Expeditionsleiter. Stundenlang hatte ich wach neben Tess gelegen. Für den Mausbiber war Schlaf als Aktivatorträger naturgemäß kein Thema.

Als wir hier eingetroffen waren, hatte es auf dem Raumhafen von Celon-Kanta täglich um die tausend Starts und Landungen gegeben. Der Blick auf den Hauptbildschirm verriet: Jetzt herrschte Totenstille. Aber es war die Ruhe vor dem Sturm. Jeden Moment konnten die Valenter in der GOMINE auftauchen. Immerhin waren wir ein seltener Anblick auf Celona. Wir gaben uns als Hijthi aus, Mitglieder eines humanoiden Volkes, das auf der Südseite von Tradom heimisch war. Unser Walzenraumer aus Originalfertigung musste aus der Masse der immer gleichen Schiffsformen herausstechen wie ein terranischer Marder aus einer Rotte Arkon-Segelechsen.

Die Ermittlungen der Behörden konzentrierten sich auf eine Gruppe von zwanzig Gewährsleuten, Sympathisanten des Trümmerimperiums, der einzigen politischen Opposition, die es im Reich Tradom gab. Niemand ahnte, dass Gucky sie nach dem Attentat in Sicherheit teleportiert hatte. Sie befanden sich bei uns an Bord der GOMINE – und solange die Blockade andauerte, solange es nicht zu einer Durchsuchung kam, bewahrten wir am besten völlige Ruhe.

Ein leises Geräusch wie von verdrängter Luft ließ mich herumfahren. »Melde gehorsamst, Chef!«, sagte der Mausbiber mit blitzendem Nagezahn. »Ich begebe mich auf eine Mission von höchster Dringlichkeit.«

Seine kleine Hand ruhte auf einem sargähnlichen Gebilde, einem zwei Meter langen silbernen Container, bei dessen Anblick ich unwillkürlich die Brauen hob. Auf dem Deckel und an den Seiten prangten Schriftzeichen im Anguela-Idiom. Mikropositronische Bausteine.

Bevor ich eine entsprechende Frage stellen konnte, zwinkerte Gucky mir zu.

»Dauert nicht lange.« Und schon war er verschwunden.

Groll stieg in mir auf. Was fiel ihm ein, auf eigene Faust zu handeln? Und wenn er zehnmal ein Aktivatorträger war!

Doch tatsächlich – nach fünf Minuten, in denen ich die immer gleichen Anzeigen auf den Konsolen studiert hatte, die Sichtortungen, Energieausstöße und zahlenmäßigen Aufkommen der Polizeischiffe, war er wieder zurück, allerdings ohne den Container.

»Wie wär's mit einer Erklärung?«, fragte ich. »Wieso wurde ich nicht informiert?«

»Wurdest du doch!«, sagte er grinsend. »Der Container befindet sich als Frachtstück getarnt auf dem Weg nach Jontagu. Niemand wird den Behälter öffnen, bevor er den Planeten erreicht hat.«

»Zum Teufel! Was soll das Ganze?«

Aber diese Frage stellte ich schon dem Vakuum, das an der Stelle zusammenschlug, an der eben noch der Mausbiber gestanden hatte.

*

Das Nichtstun ging mir allmählich auf die Nerven. Also drückte ich Tess, die in der Zentrale Wachdienst hatte, einen Kuss auf die Wange und begab mich in unsere Kabine. Vielleicht war ich jetzt erschöpft genug, um Schlaf zu finden? Nur so konnte ich im Zerotraum ermitteln. Ich ließ mir vom Kabinenservo einen Hiawatha-Shake machen, nippte daran und legte mich hin.

Nicht lange, und mir klappten die Augen zu ...

Aber mein Geist blieb rege.

Polizeischiffe der Valenter kreisten über uns. Ich wollte wissen, ob uns von ihnen Gefahr drohte. Je mehr ich mich entspannte, desto tiefer versank ich in ein trügerisches Wohlbehagen, das so lange anhalten würde, bis mein suchender Geist auf Widerstand traf ...

Und es dauerte nur Sekunden.

Ein Sog zerrte an mir ... riss und rüttelte ... lenkte mich in eine Richtung, die ich gar nicht einschlagen wollte. Wie magisch wurde ich von etwas angezogen, einem fremden Bewusstsein, in dem ein fürchterlicher Konflikt tobte – einem schizoid wirkenden Bewusstsein.

Und es befand sich nicht auf Celona, sondern auf Jontagu, dem vierten Planeten.

Dort, wohin der Containersarg unterwegs war!

Waren das Tagesreste? Hatte die Begebenheit mit Gucky die Richtung meines Traums bestimmt?

Ich fragte: Wer bist du?

Das Wesen antwortete nicht, doch ich spürte, wie seine Kräfte schwanden. Es war, als verströmte es die gesammelten Erfahrungen seines Lebens ins Nichts, und ich fing sie auf, sah sie wie einen Film vor meinem geistigen Auge.

1.

Zwillinge

Ihre Mutter behauptete stets, es habe schon vor der Geburt angefangen. Sie erzählte oft von qualvollen Stunden, in denen die Stöße der kleinen runden Füße nicht ihrer Bauchwand gegolten hätten, sondern ihre Kinder sich gegenseitig mit Tritten und Knüffen bedachten. Am schlimmsten sei es in den letzten Wochen gewesen, so schlimm, dass sie entkräftet das Bett hüten musste. Wie eine Folter seien ihr diese Wochen erschienen, wie ein Wettlauf der Ungeborenen, bei dem mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln darum gekämpft worden sei, wer als Erster das Licht der Welt erblickte. Wahre Ringkämpfe hätten in ihrem Leib getobt, die sie bis an die Grenze ihrer Leidensfähigkeit brachten. Und als ihre Kinder dann nebeneinander in der Wiege gelegen hätten, seien nur wenige Minuten der Verwunderung verstrichen – und schon hätten sie einander wieder die Augen auskratzen wollen.

Sogtan war dieser verzehrende Hass in Fleisch und Blut übergegangen. Er war für ihn etwas ganz Normales, und ein Leben ohne diesen Hass hätte er sich nicht vorstellen können. Er hatte nie richtig verstanden, warum sein Vater immer Frieden zwischen ihnen stiften wollte.

Auch dafür hatte er voll Verachtung auf ihn herabgesehen. Kerball Kapellme – der Valenter von der traurigen Gestalt. Er hatte es nie weiter als bis zum Wartungstechniker auf einem der schwebenden Docks im Orbit von Jontagu gebracht, einer von zehntausend Werften, in denen zurückkehrende AGLAZAR-Schlachtschiffe überholt wurden. Ein Handlanger unter vielen. Ein Versager. Mehr war ihr Vater für ihn nie gewesen. Auch nicht für seinen Zwillingsbruder Kresto – wenigstens darin waren sie sich einig.

Die Schlichtungsversuche des Vaters waren bald seltener geworden und hatten schließlich ganz aufgehört. Und in ihrem vierten Lebensjahr war er an Rangula gestorben, einem mysteriösen Organzerfall, der in den Docks häufiger vorkam – oder an gebrochenem Herzen, wie ihre Mutter sagte.

Noch beim Leichenbegängnis waren Sogtan und Kresto der Prozession vorausgeeilt und hatten allerlei Schabernack getrieben. Sogtan erinnerte sich, wie er um die Ecke eines Gebäudes gehen wollte, das mit quer angeordneten Kunststoffpaneelen verkleidet war, und Kresto just in diesem Moment eines der elastischen Paneele losließ, das er halb herausgezogen und nach hinten gebogen hatte. Hätte Sogtan sich nicht instinktiv geduckt, wäre er zu Brei zerschlagen und über die Köpfe der Trauernden hinweg ans Ende der Prozession geschleudert worden.

Ihre Mutter nahm all das ergeben hin – die ständige Furcht um den plötzlichen Tod ihrer Kinder hatte sie gefühlsmäßig abstumpfen lassen. Und nach dem Tod ihres Mannes, den sie zwar nicht mit aller Inbrunst geliebt, der ihrem Leben jedoch Ruhe und Gestalt verliehen hatte, zog sie sich gefühlsmäßig noch weiter zurück.

Kein Kinderpferch nahm Sogtan und Kresto auf, so sehr eilte ihnen ihr Ruf voraus. Keine Haushaltshilfe hielt es länger als eine Woche aus, dann hatten die Reißnägel im Putzlappen und die Säure im Waschwasser sie panikartig aus dem Haus vertrieben.

Es war ein Wunder, dass es der Mutter gelang, die Zwillinge lebendig ins Jugendalter zu bringen ...

*

Kresto krallte die Finger in den netzartigen Drahtzaun. Seine Schnauze kräuselte sich, während er sich bemühte, mehr Einzelheiten an dem kasernenartigen Gebäude in anderthalb Kilometern Entfernung zu erkennen.

»Glaubst du wirklich, dass sie dort Valenter foltern, die gegen das Gesetz verstoßen haben?«, fragte er seinen Bruder. »Barti sagt, das behaupten sie nur, damit niemand in die Nähe des Gebäudes kommt.«

Sogtan schüttelte ruckartig den Kopf. Was Barti schon sagte. Barti! Ein Klassenkamerad, der sich damit brüstete, später einmal ein Raumschiff kommandieren zu wollen. Und kein gewöhnliches Raumschiff, nein, es musste schon ein Schlachtschiff der AGLAZAR-Flotte sein.

Dabei hätte er allein nicht einmal die Zulassung für die Schule bekommen, auf der er jetzt war. Sogtan hatte die Aufnahmeprüfung für ihn bestanden. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, die Gesichter zu vergleichen ...

»Barti hat keine Ahnung«, erwiderte er verächtlich. »Sein Vater ist ein erbärmlicher E'Valenter. Ich weiß nicht, was sie in dem Gebäude dort anstellen. Aber eines steht fest: Sie machen ein ziemliches Geheimnis daraus.«

Er wollte sich vor seinem Bruder keine Blöße geben. Natürlich interessierte es ihn genauso sehr wie alle Zwölfjährigen, was es mit dem Kanister auf sich hatte. Es wimmelte von Gerüchten, und unterm Strich hatten sie eines gemeinsam: Dort sterben Valenter!

»Schau«, sagte Kresto und deutete nach links, wo sich der Zaun langsam in einer nordöstlichen Biegung am Horizont verlor. Ein schwarzer Punkt war dort am blauen Firmament aufgetaucht, der sich zügig näherte.

»Ein Spionauge.« Sogtan spürte die Unruhe seines Bruders und schmatzte zustimmend. »Sie patrouillieren ständig in dieser Gegend. Komm, lass uns verschwinden!«

Eines Tages, schwor er sich, eines Tages würde er das Geheimnis des Gebäudes lüften.

Sie liefen nach Hause, so schnell es der holprige Weg erlaubte.

*

Die große Halle war bis auf den letzten Platz besetzt, und das nervöse Plappern und Knurren der Anwesenden hallte unter dem Kuppeldach wider.

Überall hingen Girlanden, prächtig blühende Tausach-Sträucher säumten die Wände und den Mittelgang, der zwischen den Sitzreihen zu einem gewaltigen, transparenten Rednerpult führte, über dem in roten Buchstaben der Wahlspruch der Schule in die Luft projiziert war: Größer als das Leben – alles für Tradom.

Zu beiden Seiten des Pults standen kleinere Ausführungen der goldenen Säule, die so viele Verwaltungsgebäude schmückte – gekrönt von Anguelas glühendem Auge, dem stilisierten Symbol der gütigen Macht, die über das Reich und seine Völker wachte.

Ein Valenter mit kräftiger Schnauze und zwei ausgeprägten Höckern auf der Stirn kam durch eine Seitentür auf die Bühne: Zarf Tann, der Direktor der Schule. Er baute sich hinter dem Pult auf, hob kurz seine dunkle Brille und musterte die Anwesenden mit stechendem Blick.

Gespanntes Schweigen kehrte ein.

»Verehrte Eltern«, hob Tann an. »Ihr alle wisst, welchen Stellenwert unsere Veranstaltung hat. Deshalb möchte ich nicht lange drum herumreden, sondern gleich zum eigentlichen Thema kommen, das euch zweifellos am meisten interessieren wird. Eure Kinder haben den ersten Test absolviert, und ihr werdet heute erfahren, ob es euch vergönnt war, Nachwuchs in die Welt zu setzen, der dem Reich Tradom dienen kann. Ihr werdet erfahren, ob eure Gebete erhört worden sind.«

Wieder ließ er den Blick über die Anwesenden schweifen, und einen Moment lang schien er auf einer Mutter von Zwillingen zu verharren, die der Schule mit ihren Streichen gehörig zu schaffen gemacht hatten.

»Die Auswertung der Tests ist uns nicht leicht gefallen«, sagte Zarf Tann, als habe die Anwesenheit der Frau ihn an hitzige Diskussionen erinnert. »Wie euch bekannt sein dürfte, wird nur die Hälfte unserer Schüler in den Dienst des Reiches übernommen. Die verbleibende Hälfte dient unserem Volk als Nachwuchs. Dass wir auf diese Weise unseren Tribut leisten dürfen, ist eine große Ehre. Alle anderen leisten ihre Abgaben in Form von CE-Tradicos, doch unser Tribut sind unsere Kinder.«

Zustimmendes Grollen und Schmatzen setzte ein. Die Anwesenden waren sichtlich stolz auf das Privileg, dass einzig ihre Kinder die Chance erhielten, einen Beitrag für Recht und Ordnung in Tradom zu leisten.

»Gepriesen seien die Genwissenschaftler, die in alten Zeiten unsere inneren Anlagen zur Blüte entfalteten«, intonierte der Direktor. Er hielt inne, um der Versammlung die Möglichkeit zu geben, die rituellen Worte zu wiederholen. Dann fuhr er fort: »Gepriesen seien unsere Schüler. Hier und heute entscheidet sich ihr weiterer Lebensweg. Nur jene werden in den Dienst am Reich übernommen, die diese Ehre auch verdienen.«

Der Direktor stützte sich mit beiden Händen auf das Pult und schob den Oberkörper vor. »Darf ich sie euch vorstellen? Die Zukunft unseres Volkes!«

Auf sein Zeichen öffneten sich im hinteren Bereich der Halle Türen, und die Auserwählten der Schule traten ein. Sie bildeten, abwechselnd von links und rechts kommend, eine lange Schlange und schritten den Mittelgang bis zur Rednerbühne vor. Dort stellten sie sich in zwei Reihen auf, die Kleineren vorn, die Größeren hinten.